Die Klage ist begründet, denn die Klägerin hat gemäß § 13 Abs 3
SGB V einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr anlässlich der Ingebrauchnahme der Schultergelenksbewegungsschiene entstanden sind.
1. Die Beklagte hat die Leistung zu Unrecht
i.S.d. § 13 Abs 3, Satz 1 2. Alternative SGB V abgelehnt. Wie sich aus § 13 Abs 1
SGB V ergibt, tritt der Kostenerstattungsanspruch an die Stelle des Anspruches auf eine Sach- und Dienstleistung; er besteht deshalb nur, soweit die selbstbeschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, die von den gesetzlichen Krankenkassen als Sachleistung zu erbringen sind.
Die Schultergelenksbewegungsschiene zur kontinuierlichen, passiven Bewegungsbehandlung wäre von der Beklagten als Sachleistung der Klägerin zur Verfügung zu stellen gewesen.
Schließlich handelt es sich gemäß
§ 33 Abs 1 SGB V um ein Hilfsmittel, das im Einzelfall erforderlich war, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern (a). Zudem ist die Bewegungsschiene nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen (b) oder nach
§ 34 Abs 4 SGB V von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen (c).
a) Die Schultergelenksbewegungsschiene war im Einzelfall erforderlich, um den Erfolg der Krankenbehandlung bei der Klägerin zu sichern. Dem Einwand der Beklagten, individuelle Krankengymnastik sei ausreichend und zweckmäßig gewesen, kann nicht gefolgt werden. Die behandelnde Ärztin Frau
Dr. G. hat bekundet, der Klägerin für die ersten vier Wochen postoperativ beginnend am ersten Tag einmal täglich Krankengymnastik sowie insgesamt 23mal Krankengymnastik verordnet zu haben. Frau
Dr. G. betont, dass Physiotherapie und Krankengymnastik nicht ausreichend zur Behandlung der Operationsfolgen sei; vielmehr gehöre anerkannter weise zu einer korrekten Nachbehandlung einer arthroskopischen Schulteroperation auch der Einsatz einer Bewegungsschiene.
Auch die Klägerin hat wiederholt darauf hingewiesen, dass bei dem Einsatz der CPM-Therapie keine Gleichwertigkeit oder Überlegenheit gegenüber einer physiotherapeutischen Anwendung angestrebt werde, sondern es sich vielmehr um eine die Physiotherapie ergänzende Maßnahme handele, die gleichzeitig zur verordneten Physiotherapie durchgeführt werden solle. Die Angaben der Klägerin sowie von Frau
Dr. G. werden gestützt durch die Aussage des Sachverständigen
Dr. H., der darauf hinweist, dass die aktive Bewegungsübung zwar mehr bringe als die passive, es sich bei der CPM-Behandlung jedoch um eine unterstützende Therapieweise handele, die vom Patienten auf Grund der verminderten Schmerzen gerne angenommen werde. So sei die Minderung der Schmerzen bei der CPM-Behandlung wesentlich, da bei der passiven Bewegung eines Gelenkes naturgemäß weniger Schmerzen auftreten als bei der aktiven, mit Muskelanspannung durchgeführten Bewegungsübung. Gerade im Bereich des Schultergelenkes komme es sehr frühzeitig zu Verklebungen, so dass zum Beispiel innerhalb von zwei bis drei Tagen Verklebungen entstehen könnten, die dann wiederum die Bewegungstherapie nachfolgend erschweren könnten.
Hier liege der Vorteil in der CPM-Behandlung, da die Bewegungen auch passiv entsprechend durchgeführt werden und so Verklebungen oder Einschränkungen der Beweglichkeiten bei entsprechender Schmerzreduktion vermieden würden. Gerade in den ersten zwei Wochen postoperativ sei das Hauptaugenmerk auf die intensive Übungsbehandlung sowohl aktiv und notwendigerweise auch passiv zu richten, um entsprechende Folgeschäden wie Bewegungsstörungen auf Grund der oben genannten Verklebungen zu vermeiden, die dann wiederum in einem verlängerten Zeitraum sozusagen wieder gängig gemacht werden müssten durch zusätzlichen krankengymnastischen Aufwand. Die Erläuterungen des Sachverständigen zum Nutzen der Bewegungsschiene als parallelen Therapieansatz zur Krankengymnastik sind für die Kammer schlüssig, so dass es nachvollziehbar ist, dass die gleichzeitige Anwendung der Bewegungsschiene neben der Krankengymnastik - zumindest in den ersten zwei Wochen nach der Operation - erforderlich ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern. Weil die Beklagte im übrigen nicht vorgetragen hat, weshalb im Einzelfall der Klägerin dieser parallele Therapieansatz nicht medizinisch erforderlich gewesen sein soll, kann - insbesondere aufgrund des Vorliegens einer ärztlichen Verordnung - von der Erforderlichkeit des Einsatzes der CPM-Schiene auch im Fall der Klägerin ausgegangen werden.
b) Die Schultergelenksbewegungsschiene ist nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand anzusehen, denn Bewegungsschienen werden für die speziellen Bedürfnisse von Kranken hergestellt und ausschließlich von diesen benutzt.
c) Zudem sind Schultergelenksbewegungsschienen nicht gemäß § 34
Abs. 4
SGB V von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen (
vgl. Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen [ ...] vom 13.12. 1989, BGBl I
S. 2237 i.d.F. vom 17.01.1995, BGBl I
S. 44).
d) Der Einwand der Beklagten, Schultergelenksbewegungsschienen seien grundsätzlich nicht geeignet, den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, da ihr therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen sei, kann zu keiner anderen Würdigung der Rechtslage führen. Die Kammer geht aufgrund der sich bei den Akten befindenden Unterlagen davon aus, dass es sich bei dem Einsatz der motorischen Bewegungsschiene nach einer arthroskopischen Schulteroperation um eine Standardbehandlung handelt, deren Nutzen allgemein anerkannt ist. So ist hier zunächst auf die obigen Ausführungen des Sachverständigen
Dr. H. zu verweisen. Zwar hat der Sachverständige in seinem Gutachten insbesondere die medizinische Erforderlichkeit des Einsatzes einer Bewegungsschiene im Einzelfall untersucht; immanent ist den Bekundungen des Sachverständigen jedoch auch die Anerkenntnis des grundsätzlichen therapeutischen Nutzens einer CPM-Schiene. Ebenso hat Frau
Dr. G. mitgeteilt, dass eine CPM-Schiene anerkannterweise zu einer korrekten Nachbehandlung einer arthroskopischen Schulteroperation gehöre.
Schließlich hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bekundet, dass eine Bewegungsschiene "üblicherweise" im Zuge von Nachbehandlungen von Gelenkverletzungen oder postoperativ zum Einsatz komme, um das Gelenk möglichst früh wieder zu mobilisieren, was gleichfalls die Einschätzung des CPM-Schienen-Einsatzes als Standardbehandlung stützt.
Darüber hinaus kann mangels gegenteiligen Hinweises davon ausgegangen werden, dass die genutzte Schultergelenksbewegungsschiene über die sog. "CE"-Kennzeichnung nach dem Medizinproduktegesetz (MPG) verfügt. Zweck des MPG ist es, den Verkehr mit Medizinprodukten zu regeln und dadurch für Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten, Anwender und Dritter zu sorgen (§ 1 MPG). Das Medizinprodukt muss gemäß § 7 MPG den grundlegenden Anforderungen, die im Anhang I der RiLi 93/42/EWG aufgeführt sind, und u.a. Fragen der Wirksamkeit (Nutzen) und Risiken (Risikobewertung) umfassen, genügen. Ausweislich § 19 MPG ist die Eignung von Medizinprodukten für den vorgesehenen Verwendungszweck durch eine klinische Bewertung anhand von klinischen Daten zu belegen, soweit nicht in begründeten Ausnahmefällen andere Daten ausreichend sind. Die klinische Bewertung schließt die Beurteilung von unerwünschten Wirkungen ein [ ...]. Eine ausreichende Sicherheit und Eignung der Bewegungsschienen dürfte somit bereits aufgrund der Bestimmungen des MPG anzunehmen sein.
Schließlich besteht gemäß
§ 34 Abs. 4 SGB V die Möglichkeit für das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, Hilfsmittel von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen durch
Rechtsverordnung zu bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Eine solche Regelung ist bisher jedoch nicht erfolgt (
vgl. Verordnung über Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen, a.a. O.).
Es ist schon fraglich, ob die Beklagte vor dem Hintergrund der aufgezeigten gesetzlichen Regelungen überhaupt ermächtigt ist, unter Hinweis auf einen therapeutischen "Nicht-Nutzen" eines Hilfsmittels dessen Leistung zu verweigern. Diese Frage kann indessen offen bleiben, denn die Beklagte hat nicht substantiiert dargelegt, dass der therapeutische Nutzen von Schultergelenksbewegungsschienen nicht erwiesen ist. Die von ihr zu diesem Zwecke vorgelegte Studie des Medizinischen Dienstes vom 15. Oktober 2002 (Bewertung des therapeutischen Nutzens der häuslich durchgeführten passiven Bewegungstherapie unter Einsatz fremdkraftbetriebener Bewegungsschienen) ist nicht geeignet, ernsthafte Zweifel an dem therapeutischen Nutzen der Bewegungsschienen hervorzurufen: Eigene Untersuchungen hat der Medizinische Dienst anlässlich dieser Studie nicht durchgeführt, sondern sich darauf beschränkt, Literaturrecherchen in Datenbanken vorzunehmen und relevante Literatur auszuwerten. Er gelangt dabei zu dem Fazit, dass wissenschaftlich hochwertige Studien, die die ambulante, vom Patienten eigenständig durchgeführte Bewegungstherapie mit fremdkraftbetriebenen Bewegungsschienen untersuchen, nicht vorliegen. Anhand der wenigen Daten, die vorlägen, lasse sich der Nutzen einer passiven Bewegungstherapie unter Einsatz fremdkraftbetriebener Bewegungsschienen nicht ableiten.
Auffällig ist, dass der Medizinische Dienst auf Grundlage der ausgewerteten Studien zu Erkenntnissen hinsichtlich des therapeutischen "Nicht-Nutzens" der Bewegungsschiene gelangt, die den Studien selbst nicht zu entnehmen ist. So hat die Studie von Marks den Vergleich von Kurzzeitergebnissen zweier operativer Verfahren zum Gegenstand und nicht die Untersuchung des therapeutischen Nutzens von Bewegungsschienen. Der Gutachter des Medizinischen Dienstes gelangt jedoch aufgrund dieser Studie zu dem Ergebnis, dass sich Erkenntnisse zum therapeutischen Nutzen von Schulter-CPM-Schienen nicht gewinnen lassen und bemisst dieser Negativ-Feststellung damit eine Bedeutung bei, die von der zitierten Studie nicht gedeckt ist. Zitzmann gelangt in seiner Studie zu dem Fazit, dass CPM als Ergänzung zur Physiotherapie bei verschiedenen Indikationen eingesetzt werde und sich bewährt habe; gerade bei Schulteroperationen könnten Patienten frühzeitig entlassen werden, dies erfordere den ambulanten Einsatz der Schulter-CPM-Schienen. Der Auswerter des Medizinischen Dienstes hingegen gelangt zu dem Fazit, dass der Studie - mangels wissenschaftlichen Datenmaterials - kein Erkenntnisgewinn hinsichtlich des therapeutischen Nutzens von CPM-Schienen zu entnehmen sei. Aufgrund der tendenziellen Veränderung der Bewertungen der zitierten Studien durch Ergebnisinterpretationen seitens der Gutachter des Medizinischen Dienstes hält die Kammer das vorgelegte Gutachten nicht für geeignet, Zweifel am therapeutischen Nutzen von Bewegungsschienen zu begründen.
Gleichfalls kann der Beklagten nicht darin gefolgt werden, dass ein Hilfsmittel zumindest dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen ausgenommen ist, wenn die Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis mangels Vorliegen der Voraussetzungen des
§ 139 Abs. 2 SGB V ausdrücklich abgelehnt worden ist. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass ein Hilfsmittel nicht auf Grund der Regelungen des Hilfsmittelverzeichnisses aus der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen ist. Das Bundessozialgericht hat wiederholt deutlich gemacht, dass das Hilfsmittelverzeichnis nicht die Aufgabe hat, abschließend drüber zu befinden, welche Hilfsmittel der Versicherte im Rahmen der Krankenbehandlung beanspruchen kann, sondern für die Gerichte nur eine unverbindliche Auslegungshilfe darstellt (
vgl. BSG, Urteil vom 16.04.1998, Az.
B 3 KR 9/97 R). Insoweit kann es keinen Unterschied machen, ob die Aufnahme eines Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis beantragt und von den Spitzenverbänden der Krankenkassen abgelehnt wurde oder ob ein Hilfsmittel deshalb nicht im Hilfsmittelverzeichnis steht, weil der Hersteller die Aufnahme nicht einmal beantragt hat. Anderenfalls könnten sich Hersteller gegenüber der Konkurrenz bereits dadurch einen Marktvorteil verschaffen, indem sie die Antragstellung zur Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis einfach unterlassen.
2. Der Klägerin, die den Antrag auf Leistung bei der Beklagten am 07.11.2001 gestellt hat, sind durch die Ablehnung der Beklagten vom 14.11.2001 durch die selbstbeschaffte Leistung der Bewegungsschiene ab dem 16.11.2001 Kosten in Höhe von
EUR 357,90 (DM 700,00) entstanden, so dass die Beklagte der Klägerin diesen Betrag zu erstatten hat. Die Leistung über die Dauer von 14 Tagen war notwendig, weil in den ersten zwei Wochen postoperativ nach der nachvollziehbaren Einschätzung des
Dr. H. das Hauptaugenmerk auf die intensive Übungsbehandlung sowohl aktiv als auch passiv zu richten ist. Zudem stellte die leihweise Überlassung der Bewegungsschiene die kostengünstigste Möglichkeit dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (
SGG).
Die Berufung ist gemäß § 144
Abs. 2 Ziff. 1
SGG zuzulassen, weil die Rechtssache nach Auffassung der Kammer grundsätzliche Bedeutung hat.