Das Gericht konnte gemäß § 124
Abs. 2
SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem sich die Beteiligten übereinstimmend mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung und Bewertung von Einzelbehinderungen begehrt. In den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte über die Feststellung eines Gesamt-
GdB entschieden. Die Bezeichnung von Behinderungen und deren gutachterliche Bewertung mit einem Einzel-
GdB dienen lediglich der Begründung des Gesamt-
GdB und werden nicht individuell festgestellt. Solche Feststellungen hat die Beklagte auch nicht getroffen. Von daher fehlt es an einem angreifbarem Verwaltungsakt, der durch das Gericht überprüft werden könnte.
Im übrigen ist die Klage unbegründet. Zurecht hat die Beklagte festgestellt, dass der
GdB des Klägers ab Zugang des Bescheides vom 08.10.2007 nur noch 30 beträgt. Daraus ergibt sich unmittelbar auch, dass kein
GdB von 70 festzustellen ist.
Die Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Richtiger Klagegegner ist der Kreis Wesel. Das Land Nordrhein-Westfalen ist im Bereich des Schwerbehindertenrechts (
SGB IX) durch
Art. 1, Abschnitt I, §§ 1 und 2 des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30.10.2007 (GV.
NRW S. 482, im Folgenden: Straffungsgesetz) zum 01.01. 2008 durch einen Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes aus dem Verfahren ausgeschieden und durch den Kreis Wesel ersetzt worden. Dieser ist ab 01.01.2008 im Rahmen einer Funktionsnachfolge zuständige Behörde zur Wahrnehmung der vormals den Versorgungsämtern übertragenen Aufgaben des Schwerbehindertenrechts geworden und nach materiellem Recht auch zur Gewährung oder Verweigerung der vom Kläger begehrten Leistung berechtigt (sog. Passivlegitimation).
Die durch
Art. 1, Abschnitt I, §§ 1 und 2 des Straffungsgesetzes durchgeführte Kommunalisierung der Versorgungsverwaltung im Aufgabenbereich des Schwerbehindertenrechts und hiermit die Übertragung der Aufgaben auf den Kreis Wesel ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ein Wechsel in der Behördenzuständigkeit und damit ein Rechtsträgerwechsel führt in anhängigen Streitverfahren zu einem Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes (
vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2007,
B 9/9a SB 2/07 R ; Zeihe,
SGG, 45. Ergänzungslieferung Stand 01.11.2007, Bem. 2 A VIII 2 vor § 54). Allein der im Laufe des Verfahrens zuständig gewordene Träger kann die begehrten Rechte gewähren, so dass die Klage gegen diesen - hier den
gem. § 3
Abs. 1 KOV-VfG örtlich zuständigen Kreis Wesel - gerichtet werden muss (
BSG, a.a.O.). Für den Beklagten handelt gemäß § 71
Abs. 3
SGG die Bezirksregierung Münster als besonders Beauftragte. Ein solcher Auftrag kann im Rahmen der eigenen Organisationsgewalt erteilt und dem Gericht durch schriftliche Vereinbarung nachgewiesen werden. Die Beauftragung ist erfolgt und dem Gericht außerhalb des Klageverfahrens auf dem Verwaltungswege angezeigt worden.
Die Voraussetzungen für die Herabsetzung des
GdB liegen vor. Nach § 48
Abs. 1 Satz 1
SGB X ist ein Verwaltungsakte mit Dauerwirkung auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorlagen, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine solche Änderung im Ausmaß der Behinderung ist unter anderem dann nach Ziffer 24
Abs. 2 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (
AHP) wesentlich, wenn der Vergleich des gegenwärten mit dem den verbindlich festgestellten Gesundheitszustands des Klägers eine
GdB-Differenz von mindestens 10 bedingt. Dabei ist auf den Gesundheitszustand des Klägers und die dadurch bedingten Funktionsbehinderungen zum Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung, hier des Widerspruchsbescheides vom 21.02.2008, abzustellen und dieser Zustand mit dem des Zeitpunkts des Erlasses des zuvor ergangenen Feststellungsbescheides, hier des Bescheides vom 30.05. 2005 zu vergleichen. Der Ablauf einer Heilungsbewährung stellt die nach § 48
Abs. 1
SGB X erforderliche Änderung dar (
BSG, Urteil vom 19.08.2003,
B 9 SB 6/02 R). Maßgeblich bleiben die
AHP. Die mit Wirkung zum 01.01.2009 in Kraft getretene
Versorgungsmedizinverordnung vom 10.12.2008 und die
Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung wirken sich bei der Beurteilung von Herabsetzungsbescheiden aus der Zeit vor dem 01. 01. 2009 nicht aus. Auf das Ergebnis der Entscheidung hätte dies, auch bei Anwendung der Versorgungsmedizinverordnung nebst Anlage keinen Einfluss.
Das Gericht geht davon aus, dass die von
Dr. Klingler beschriebenen Behinderungen bei dem Kläger vorliegen und auch wie von ihm vorgeschlagen zu bewerten sind. Im Funktionssystem Stoffwechsel, innere Sekretion liegt bei dem Kläger ein Zustand nach Entfernung der Schilddrüse und Nebenschilddrüsen wegen eines papillärem Schilddrüsenkarzinoms vor. Nach
AHP Ziffer 26.15, Seite 100/101, ist nach Entfernung eines malignem Schilddrüsentumors in den ersten fünf Jahren eine Heilungsbewährung abzuwarten. Der
GdB während dieser Zeit beträgt nach Entfernung eines papillären Tumors ohne Lymphknotenbefall 50. Um einen solchen papillärem Tumor handelte sich nach dem Bericht des Marienhospital Wesel vom 14.02. 2007 an den Facharzt für innere Medizin
Dr. Grieshoff. Gegen die Zusammenfassung dieser Krebserkrankung mit der im Anschluss daran erfolgten Entfernung der Nebenschilddrüsen zu einem einheitlichen Behinderungskomplex und einer einheitlichen Bewertung bestanden und bestehen keine Bedenken, denn der Verlust der Nebenschilddrüsen erfährt nach den
AHP keine eigenständige
GdB-Bewertung. Die Heilungsbewährung von fünf Jahren ist erfolgreich abgelaufen. Nach dem Bericht des Marienhospitals Wesel vom 02.01.2006 an die Doktores Nikolas einerseits und dem Ergebnis der Untersuchung durch
Dr. Klingler andererseits sind weder Rezidive noch Metastasen aufgetreten. Auch der Kläger berichtet nicht darüber. Nach
AHP Ziffer 26.15, Seite 100, ist für Schilddrüsenfunktionsstörungen (Überfunktion und Unterfunktion - auch nach Schilddrüsenresektion) im Regelfall kein
GdB festzustellen, weil diese Schilddrüsenfunktionsstörungen gut behandelbar sind. Auch der Kläger ist insoweit in ständiger Behandlung mit - wie
Dr. Klingler als Ergebnis seiner Untersuchung und in Auswertung der aktenkundigen Befunde zutreffend mitteilt - gutem Ergebnis. Dass der Kläger sein Leben lang insoweit ausgleichende Medikamente einnehmen muss bedingt keinen feststellbaren Grad der Behinderung. Die Bewertung von Schilddrüsenkrankheiten nach der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung vom 10.12.2008, Ziffer 15.6, Seite 75, deckt sich mit der Bewertung, die auch nach den
AHP (a.a.O.) vorzunehmen war. Unter Berücksichtigung einer solchermaßen durchgeführten Anwendung der
AHP wäre bei dem Kläger grundsätzlich sogar für den Leidenskomplex Entfernung der Schilddrüse und Nebenschilddrüsen kein
GdB mehr festzustellen gewesen. Die Tatsache, dass durch
Dr. Klingler einerseits und schon zuvor durch die Versorgungsverwaltung andererseits für diesen Leidenskomplex ein
GdB von 20 zugrunde gelegt wird, benachteiligt den Kläger jedenfalls nicht.
Die übrigen feststellbaren Behinderungen entsprechen im wesentlichen den Feststellungen, die auch
Dr. Wild in seinem Gutachten für das Sozialgericht Duisburg im Verfahren S 22 SB 47/04 getroffen hat, auch wenn
Dr. Klingler insoweit geringfügig andere Bezeichnungen verwendet hat. Neu ist lediglich die Nierenstindiastese, die mit einem Einzel-
GdB von 10 bewertet wird, ohne dass sich dies jedoch auf das Gesamt-Ergebnis auswirkt.
Der nachgewiesener Maßen eingetretenen Heilungsbewährung stehen weder Auswirkungen von seit längerem bestehendem noch hinzugekommenen Behinderungen gegenüber, die rechtfertigen könnten, einen höheren
GdB als 30 festzustellen. Insoweit verweist das Gericht auf die zutreffenden Feststellungen von
Dr. Klingler in seinem Gutachten in Verbindung mit seiner ergänzenden Stellungnahme. Höhere Einzel-
GdB lassen sich zu den einzelnen dort genannten Behinderungen keinesfalls rechtfertigen.
Nach den
AHP ist ausgehend von der schwerwiegendsten Gesundheitsstörung zu prüfen, ob und in wieweit das Ausmaß der Behinderungen durch die anderen Funktionsbeeinträchtigungen vergrößert wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass leichte Gesundheitsstörungen, die einen
GdB von 10 bedingen, in der Regel nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesundheitsbeeinträchtigungen führen und das ist vielfach bei leichten Behinderungen mit einem
GdB von 20 nicht gerechtfertigt, eine Erhöhung vorzunehmen. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zu einander (Ziffer 19
AHP).
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien liegen bei dem Kläger zwei Einzelbehinderungen mit einem
GdB von 20 und drei mit einem
GdB von 10 vor. Ein höherer Gesamt-
GdB als 30 lässt sich hieraus nicht ableiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.