I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob bei einer stufenweisen Wiedereingliederung Fahrtkosten erstattet werden.
Der 1964 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er war seit dem 1. September 2009 arbeitsunfähig erkrankt. Mit Zustimmung der Beklagten begann der Kläger eine stufenweise Wiedereingliederung bei der (S) Personaldienstleistung
GmbH & Co.
KG in C, wobei diese eine Erstattung der Fahrtkosten des Klägers ablehnte. Der Kläger beantragte daraufhin am 21. Juli 2010 bei der Beklagten die Erstattung der Fahrtkosten, die ihm bei der stufenweisen Wiedereingliederung entstanden sind und noch entstehen. Mit Bescheid vom 26. Juli 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab, der eingelegte Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2010).
Im Klageverfahren bezifferte der Kläger die geltend gemachten Fahrtkosten auf 660
EUR. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 9. Oktober 2012 abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. Die Fahrtkostenerstattung richte sich nach
§ 60 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V). Es lägen weder die Voraussetzungen nach § 60
Abs. 1
SGB V noch nach § 60
Abs. 2
SGB V vor. Auch eine Fahrtkostenerstattung nach § 60
Abs. 5
SGB V i.V.m. § 53 Abs. 1 bis 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) scheide aus, weil es sich bei der stufenweisen Wiedereingliederung nicht um eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation gehandelt habe.
Im Beschwerdeverfahren macht der Kläger geltend, dass sich der Anspruch auf Fahrtkostenerstattung aus § 11
Abs. 2
SGB V i. V. m. § 53
SGB IX ergebe. Ein Ermessensspielraum sehe das Gesetz nicht vor. Darüber hinaus verweist er auf ein Urteil des 13. Senats des Bundessozialgerichts (
BSG) vom 5. Februar 2009 (Az.:
B 13 R 27/08 R), wonach eine stufenweise Wiedereingliederung, wenn sie - wie bei ihm - im unmittelbaren Anschluss an eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme erfolge, mit dieser einer einheitliche Maßnahme bilde. Es liege dann insgesamt eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme vor. Im Übrigen verweist er noch auf eine Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (www.einfach-teilhaben.de), auf der angegeben werde, dass die stufenweise Wiedereingliederung eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation sei.
Der Kläger beantragt,
1. die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Meiningen vom 9. Oktober 2012 zuzulassen.
2. dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren sowie die Berufungsinstanz zu gewähren und ihm Rechtsanwältin A K, B, S beizuordnen.
Die Beklagte beantragt,
die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass unter medizinischer Rehabilitation im Sinne des
SGB V nur Maßnahmen nach
§ 40 SGB V, nicht aber die stufenweise Wiedereingliederung gefasst werden könne. Eine Fahrtkostenerstattung nach § 60
Abs. 5
SGB V scheide daher aus.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie der beigezogenen Prozessakte (S 16 KR 61/11) und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung war.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft.
Nach § 145
Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (
SGG) kann die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht durch Beschwerde angefochten werden. Nach § 144 Absatz 1 Satz 1
Nr. 1
SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144
Abs. 1 Satz 2
SGG). Die Berufung bedurfte hier der Zulassung, weil die streitigen Fahrtkosten 750
EUR nicht übersteigen und es sich nicht um wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr handelt. Eine Berufungszulassung ist durch das Sozialgericht nicht erfolgt.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Die einzig in Betracht kommenden Zulassungsgründe des § 144
Abs. 2
Nr. 1 und 2
SGG liegen nicht vor.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung ist wie in § 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG auszulegen. Demnach hat eine Rechtssache über den Einzelfall hinaus nur dann eine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Berufungsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (
vgl. BSG, Beschluss vom 3. April 2008 - Az.: B 11b AS 15/07 B, nach juris). Die vom Kläger in der Sache aufgeworfene Frage, ob bei einer stufenweisen Wiedereingliederung nach § 74
SGB V eine Erstattung von Fahrtkosten nach
§ 11 Abs. 2 SGB V i. V. m. § 53
SGB IX bzw. § 60
Abs. 5
i. V. m. § 53
Abs. 1 bis 3
SGB IX in Betracht kommt, ist nicht klärungsbedürftig, weil die höchstrichterliche Rechtsprechung ausreichend Anhaltspunkte dafür gibt, wie die Frage zu beantworten ist (
vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer,
SGG, 10. Auflage 2012, § 160 Rn. 8).
Eine Erstattung von Fahrtkosten für die stufenweise Wiedereingliederung nach § 11
Abs. 2
SGB V i.V.m. § 53
SGB IX kommt nicht in Betracht. Nach Auffassung beider für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zuständigen Senate des
BSG ist § 60
SGB V hinsichtlich der Erstattung von Fahrtkosten eine abschließende Regelung, allein hieraus kann sich im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ein Erstattungsanspruch ergeben (
vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2008 - Az.: B 1 KR 22/07 R; Urteil vom 22. April 2009 - Az.: B 3 KR 5/08 R, jeweils nach juris).
Ein Anspruch des Klägers nach § 60
Abs. 1 und 2
SGB V scheidet ersichtlich aus, was durch den Kläger auch nicht in Zweifel gezogen wird. Es kommt allerdings auch kein Anspruch nach § 60
Abs. 5
SGB V i. V. m. § 53
Abs. 1 bis 3
SGB IX in Betracht. Nach dieser Vorschrift können Fahr- und andere Reisekosten im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation übernommen werden. Die vom Kläger wahrgenommene stufenweise Wiedereingliederung nach
§ 74 SGB V ist keine Leistung der medizinischen Rehabilitation im Sinne von § 60
Abs. 5
SGB V.
Nach Auffassung beider für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zuständigen Senate des
BSG (
vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2008 - Az.: B 1 KR 22/07 R; Urteil vom 22. April 2009 - Az.: B 3 KR 5/08 R, jeweils nach juris) ist im Krankenversicherungsrecht zwischen "Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" und "anderen ergänzenden Leistungen" zu differenzieren. Bereits § 11
Abs. 2
SGB V macht diese Unterscheidung, die Detailregelungen des Leistungsrechts nehmen die Differenzierung auf:
§ 40 SGB V enthält die von einer Krankenkasse zu erbringenden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, während
§ 43 SGB V in näher umschriebener Weise ergänzende Leistungen zur Rehabilitation regelt. § 60
Abs. 5
SGB V gewährt nur bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation einen Kostenerstattungsanspruch, nicht aber bei ergänzenden Leistungen. Aus diesem Grund haben beide für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zuständigen Senate des
BSG einen Anspruch auf Erstattung von Fahrten zum Rehabilitationssport abgelehnt, weil es sich hierbei um eine ergänzende Leistung handelt, die krankenversicherungsrechtlich nicht zu den medizinischen Rehabilitationsleistungen im Sinne von § 40
SGB V gehört (
vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2008 - Az.: B 1 KR 22/07 R; Urteil vom 22. April 2009 - Az.: B 3 KR 5/08 R, jeweils nach juris).
Unter Beachtung dieser Rechtsprechung muss der Begriff der medizinischen Rehabilitation in § 60
Abs. 5
SGB V eng ausgelegt werden. Es muss sich um eine Maßnahme nach § 40
SGB V handeln, ein bloßer Zusammenhang genügt nicht. Die stufenweise Wiedereingliederung nach § 74
SGB V ist keine Maßnahme nach § 40
SGB V. Es ergebe sich im Übrigen auch ein Wertungswiderspruch, wenn Fahrten zur Wiedereingliederung erstattet würden, Fahrten zum Rehabilitationsport aber nicht, obwohl es sich in beiden Fällen um ergänzende Leistungen handelt. Der pauschalen Angabe auf der vom Kläger angegebenen Internetseite, dass es sich bei der stufenweisen Wiedereingliederung immer um eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme handelt, kann so nicht gefolgt werden.
Es liegt auch kein Zulassungsgrund nach § 144
Abs. 2
Nr. 2
SGG vor, denn das Sozialgericht ist nicht von einer Entscheidung des
BSG abgewichen, insbesondere nicht von dem Urteil des für die gesetzliche Rentenversicherung zuständigen 13. Senats vom 5. Februar 2009 (
B 13 R 27/08 R). Zum einen ging es hier um die Erstattung von Krankengeld und nicht von Fahrtkosten. Zum andern handelt es sich um eine Entscheidung aus dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, welches hinsichtlich der stufenweisen Wiedereingliederung eine andere Regelung und Gesetzessystematik als das hier einschlägige
SGB V aufweist. Nach § 15
Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI) erbringt der Rentenversicherungsträger Leistungen der medizinischen Rehabilitation nach den
§§ 26 bis
31 SGB IX, mit Ausnahme von § 26
Abs. 2
Nr. 2 und
30 SGB IX. Es wird also auch auf die Regelung des
§ 28 SGB IX verwiesen, der die stufenweise Wiedereingliederung zum Gegenstand hat. Eine solche Verweisung fehlt im
SGB V nicht nur, es wird vielmehr in § 74
SGB V eine eigene Regelung getroffen. Auch im Übrigen wird die medizinische Rehabilitation eigenständig geregelt, diese Vorschriften sind gegenüber dem
SGB IX vorrangig (
§ 7 Satz 1 SGB IX).
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe war aus den oben genannten Gründen abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193
SGG.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177
SGG).