Urteil
Keine Berechtigung von Beschäftigten in einer Werkstatt für behinderte Menschen zur Wahl einer Schwerbehindertenvertretung im Bereich des MVG.EKG

Gericht:

KGH.EKD


Aktenzeichen:

KGH.EKD I-0124/N81-07


Urteil vom:

07.04.2008


Grundlage:

  • MVG.EKD § 2 |
  • MVG.EKD § 9 |
  • MVG.EKD § 50 |
  • MVG.EKD § 51 |
  • MVG.EKD § 52 a |
  • SGB IX § 94 Abs. 2 |
  • SGB IX § 144 Abs. 2 |
  • MAVO § 28 a |
  • MAVO § 52 |
  • MVG-EKiR § 50 Abs. 3 |
  • MVG.KW § 50 Abs. 3 Satz 1

Leitsatz:

Im Bereich des MVG.EKD sind die in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigten Schwerbehinderten zur Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson nicht wahlberechtigt.

Rechtsweg:

Kirchengericht des Nordelbischen Diakonischen Werks - Kammer Hamburg -, Beschluss vom 07.12.2007 - 04-2007-HH

Quelle:

Fachinformationssystem Kirchenrecht der Evangelischen Kirche in Deutschland

Tenor:

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 5. und 6. wird in Abänderung des Beschlusses des Kirchengerichts des Nordelbischen Diakonischen Werks, Kammer Hamburg, vom 7. Dezember 2007 - Az.: 04-2007-HH - der Wahlanfechtungsantrag der Antragsteller vom 15. März 2007 zurückgewiesen.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson am 30. November 2006 in der Dienststelle. Dabei geht es um die Frage, ob den "WfbM-Beschäftigten" das aktive Wahlrecht zusteht oder ob sie zutreffend "nicht an der Wahl teilnehmen" "konnten".

Antragsteller sind noch vier Beschäftigte in der Werkstatt für behinderte Menschen bei der Dienststelle, die alle als Schwerbehinderte mit einem Grad von mindestens 50 anerkannt sind. Antragsgegner ist die derzeit amtierende Schwerbehindertenvertrauensperson.

Am 30. November 2006 fand die Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson im vereinfachten Verfahren statt. Als wahlberechtigt wurden vom Wahlvorstand nur die etwa 15 schwerbehinderten Menschen, die sich in "normalen" Arbeitsverhältnissen befinden, angesehen. Die in der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) etwa 500 beschäftigten schwerbehinderten Menschen, u.a. die Antragsteller, durften an der Wahl nicht teilnehmen. Die Wahl wurde nicht dienststellenöffentlich bekannt gemacht. Die Antragsteller erfuhren erst am 15. März 2007 von dem Werkstattratsvorsitzenden bei der Dienststelle, dass im November 2006 eine Wahl einer Schwerbehindertenvertrauensperson in der Dienststelle stattgefunden hat. Im Protokoll über die Wahl einer Vertrauensperson für die Schwerbehinderten am 30. November 2006 ist festgehalten, dass von den insgesamt fünf Anwesenden fünf ihre Stimme abgegeben haben. Fünf Stimmen fielen auf die jetzige Schwerbehindertenvertrauensperson, fünf Stimmen auf die Stellvertreterin.

Mit dem beim Kirchengericht am 13. April 2007 eingegangenen Schreiben vom 15. März 2007 haben die jetzigen Antragsteller sowie drei weitere Personen, die ihre Anträge inzwischen zurückgenommen haben, die Wahl angefochten.

Die Beschäftigten der WfbM seien zu Unrecht bei der Festlegung des Kreises der Wahlberechtigten nicht einbezogen worden. Das Wahlrecht bei der Wahl zur Schwerbehindertenvertrauensperson sei nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass nach der Konzeption der Diakonie-Werkstättenmitwirkungsverordnung vom 4. Juni 2004 (DWMV) eine Interessenvertretung der in der WfbM Beschäftigten allein durch die Werkstatträte stattfinde. Die Aufgaben der Werkstatträte und der Schwerbehindertenvertrauensperson seien nicht identisch. Trotz einzelner Überschneidungen blieben die Aufgaben beider Vertretungen insgesamt verschieden.

Es sei nicht ersichtlich, dass sich aus den Normen des MVG.EKD i.V.m. der DWMV im Hinblick auf die Frage der Wahlberechtigung zur Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson materiell eine andere Rechtslage als nach staatlichem Recht für die Wahl der Schwerbehindertenvertretung ergebe. Es fänden nämlich alle kirchlichen Regelungen eine Entsprechung im staatlichen Recht oder umgekehrt. Deshalb seien die von der Rechtsprechung zum Wahlrecht nach dem SGB IX entwickelten Grundsätze uneingeschränkt anwendbar oder auf die kirchlichen Regelungen übertragbar.

Da die Gruppe der in den WfbM Beschäftigten etwa 500 Personen umfasse, sei der Verstoß gegen das Wahlrecht auch von Einfluss auf das Wahlergebnis. Daher sei die Wahlanfechtung begründet.


Die Antragsteller haben beantragt,

die am 30. November 2006 durchgeführte Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson bei der Dienststelle für unwirksam zu erklären.


Die Schwerbehindertenvertrauensperson und die Dienststelle haben beantragt,

den Wahlanfechtungsantrag vom 15. März 2007 zurückzuweisen.

Die in der WfbM beschäftigten behinderten Menschen seien zur Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson nicht wahlberechtigt gewesen. Die im MVG.EKD auf der Grundlage des verfassungsrechtlich gesicherten autonomen Regelungsbereichs der Kirche - hier: EKD - getroffenen Regelungen über die Schwerbehindertenvertretung der schwerbehinderten Mitarbeitenden und die speziellen Regelungen für in Werkstätten tätige schwerbehinderte Menschen stellten eine im Rahmen der staatlichen Gesetze zulässige und abschließende Regelung im Rahmen der kirchenrechtlichen Personalverfassung dar.

Ferner stünden die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 52a MVG.EKD für die Vertretung in Werkstätten tätigen behinderten Menschen getroffenen Vertretungsregelungen gegenüber den Regelungen im MVG.EKD über die Schwerbehindertenvertrauensperson (§§ 50-52 MVG.EKD) im Verhältnis der Spezialität mit der Folge, dass es neben den Werkstatträten eine weitere Vertretung durch die Schwerbehindertenvertrauensperson nicht gebe.

Die Regelungen über die Vertretung der in Werkstätten tätigen behinderten Menschen seien in der DWMV auch und insbesondere im Hinblick auf ihre Interessenvertretung in ihren speziellen Interessenlagen (z.B. § 5 DWMV) so umfassend, dass mit diesen Regelungen die Schwerbehindertenvertretung der in den Werkstätten beschäftigten behinderten Menschen abschließend erfolgt sei. Die Aufgaben der Werkstätten seien deckungsgleich mit den Aufgaben der Schwerbehindertenvertrauensperson. Es bleibe im Hinblick auf die abschließend getroffenen kirchenrechtlichen Regelungen kein Raum, im Vergleich mit den staatlichen gesetzlichen Regelungen (insbesondere § 5 SGB IX) im Bereich der Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung zu den Werkstatträten "Lücken" herauszuarbeiten.

Das Kirchengericht hat mit dem der Schwerbehindertenvertrauensperson und der Dienststellenleitung am 12. Dezember 2007 zugestellten Beschluss vom 7. Dezember 2007 festgestellt, dass die am 30. November 2006 durchgeführte Wahl zur Schwerbehindertenvertrauensperson bei der Dienststelle unwirksam ist.

Als Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die rechtzeitig angefochtene Wahl sei unwirksam. Bei der Durchführung der Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson in der Dienststelle sei gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlverfahren verstoßen worden. Die in der WfbM der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Mitarbeitenden, u.a. die Antragsteller, seien zu Unrecht von der Teilnahme an der Wahl zur Schwerbehindertenvertrauensperson ausgeschlossen worden. Sie seien nach § 50 Abs. 3 MVG.EKD wahlberechtigt gewesen. Die Wahl sei deshalb zu Unrecht im vereinfachten Wahlverfahren nach § 50 Abs. 1, § 11 Abs. 1 MVG.EKD statt im förmlichen Wahlverfahren erfolgt.

Das Kirchengericht verweist auf die Entscheidung des BAG vom 16. April 2003 - 7 ABR 27/02 - BAGE 106, 57 und meint, die zum staatlichen Recht entwickelten Grundsätze seien uneingeschränkt auf die von den Kirchen im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV geschaffene Regelung des § 50 Abs. 3 MVG.EKD übertragbar. Auch der Umstand, dass in der WfbM der Dienststelle aufgrund der Diakonie-Werkstättenmitwirkungsverordnung vom 4. Juni 2004 (DWMV), die auf der Grundlage von § 52a MVG.EKD geschaffen worden sei, ein Werkstattrat als Interessenvertretung der in der WfbM Beschäftigten gebildet werde, sei für die Wahlberechtigung der dort tätigen Menschen, die alle schwerbehindert seien, nach § 50 Abs. 3 MVG.EKD unbeachtlich.

Die Regelungen des MVG.EKD i.V.m. der DWMV stellten kein kirchenautonomes Regelungsgefüge dar, das vom staatlichen Recht, insbesondere dem SGB IX, abweichend Regelungen treffe, weshalb die Rechtsprechung des BAG zum Schwerbehindertenrecht einschlägig sei.

Das wird im Einzelnen ausgeführt.

Dagegen wenden sich die Schwerbehindertenvertrauensperson und die Dienststellenleitung mit ihrer am 19. Dezember 2007 eingelegten und zugleich begründeten Beschwerde vom 18. Dezember 2007.

Sie weisen darauf hin, die Regelungen im MVG.EKD über die Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (§§ 50-52 MVG.EKD) i.V.m. der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 52a MVG.EKD vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland erlassenen Diakonie-Werkstättenmitwirkungsverordnung (DWMV) vom 4. Juni 2004 enthielten eine den Regelungsbereich der Schwerbehindertenvertretung abschließende kirchliche Regelung.

Nach der danach durch das MVG.EKD vorgegebenen Systematik stehe die nach § 52a MVG.EKD i.V.m. der DWMV für die Vertretung behinderter Menschen in Werkstätten enthaltene Regelung im Spezialitätsverhältnis zu der Regelung in § 50 MVG.EKD über die Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeitenden i.S.v. § 2 MVG.EKD mit der Folge, dass die nach der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 52a MVG.EKD erlassenen DWMV im kirchenautonomen Bereich gebildeten Werkstatträte an die Stelle der allgemeinen Schwerbehindertenvertretung träten, so dass für die in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigten Schwerbehinderten die Vertrauensperson für die schwerbehinderten Mitarbeitenden i.S.v. § 2 MVG.EKD keine unmittelbare Zuständigkeit besitze. Hieraus folge dann zugleich, dass bei der Wahl der Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeitenden i.S.v. § 2 MVG.EKD die in der Werkstatt tätigen schwerbehinderten Menschen kein aktives Wahlrecht hätten.

Das führt die Beschwerde im Einzelnen aus.


Die Beschwerdeführer beantragen,

unter Aufhebung des Beschlusses des Kirchengerichts des Nordelbischen Diakonischen Werkes e.V. - Kammer Hamburg - vom 7. Dezember 2007 - Az.: 04-2007-HH - den Wahlanfechtungsantrag der Antragsteller vom 15. März 2007 zurückzuweisen.


Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss und bekräftigen und vertiefen ihre Auffassung, die in den WfbM beschäftigten Menschen mit Behinderungen seien bei der Wahl zur Schwerbehindertenvertretung wahlberechtigt.

Auf die Beschwerdebegründung vom 18. Dezember 2007 und auf die Beschwerdebeantwortung vom 14. Februar 2008 wird hinsichtlich der Einzelheiten des jeweiligen Vorbringens Bezug genommen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 25. Februar 2008 die Beschwerde zur Entscheidung angenommen.


II. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

1. Die Entscheidung über die Statthaftigkeit, Zulässigkeit und über das Verfahren der Beschwerde richtet sich nach § 63 MVG.EKD i.V.m. § 1 KGMVG der Nordelbischen Ev.-Luth. Kirche (GVOBl. 2008, S. 4).

2. Der Antrag, die am 30. November 2006 durchgeführte Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson bei der Dienststelle für unwirksam zu erklären, ist unbegründet.

a) Das Kirchengericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Anfechtungsfrist nach § 50 Abs. 1, § 14 Abs. 1 Satz 1 MVG.EKD gewahrt ist. Nachdem die Beschwerde diesen Punkt nicht aufgegriffen hat, brauchte der Senat darauf nicht weiter einzugehen.

b) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist die angefochtene Wahl wirksam. Die WfbM-Beschäftigten sind zur Wahl der Vertrauensperson für die Schwerbehinderten nicht wahlberechtigt.

Das ergibt sich aus dem Wortlaut des § 50 Abs. 3 MVG.EKD.

Das MVG.EKD hat das staatliche Recht in der Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht nicht übernommen, sondern, anders als im katholischen Bereich, in dem nach § 28a Abs. 1 Satz 2 Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) die Mitarbeitervertretung auf die Wahl einer Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeitenden hinwirkt, die MAVO aber die Wahl nicht regelt und nach § 52 Abs. 1 Satz 1 von der Wahl der Schwerbehindertenvertretung nach staatlichem Recht ausgeht, eine eigenständige Regelung geschaffen, die entgegen der Auffassung der Vorinstanz unter die Kirchenautonomie fällt.

aa) Gemäß § 50 Abs. 3 MVG.EKD "sind alle in der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter" wahlberechtigt. Wer Mitarbeiterin oder Mitarbeiter i.S.d. MVG.EKD ist, regelt § 2 Abs. 1 MVG.EKD. Danach sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die in öffentlich-rechtlichen oder in privatrechtlichen Dienst- und Arbeitsverhältnissen oder zu ihrer Ausbildung Beschäftigten einer Dienststelle, soweit die Beschäftigung oder Ausbildung nicht überwiegend ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, beruflichen oder sozialen Rehabilitation oder Erziehung dient.

Während § 9 MVG.EKD für die Wahlberechtigung zur Mitarbeitervertretung besondere Vorschriften vorsieht, heißt es in § 50 Abs. 3 MVG.EKD lediglich, dass alle in der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Mitarbeiter wahlberechtigt sind.

Dieser Wortlaut unterscheidet sich deutlich vom Wortlaut des § 94 Abs. 2 SGB IX, wonach alle in dem Betrieb oder in der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen wahlberechtigt sind.

Schon der Wortlaut der Vorschrift des § 94 Abs. 2 SGB IX zieht den Kreis der Wahlberechtigten weiter: das Wort "Beschäftigten" ist umfassender als der Begriff des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin, wie er in § 2 Abs. 1 MVG.EKD seinen Niederschlag gefunden hat.

Das gilt auch für den Bereich der Nordelbischen Ev. Kirche (NEK). Denn nach § 1 des KGMVG in der Fassung vom 7. Dezember 2007 (a.a.O.) gilt das MVG.EKD in der jeweils geltenden Fassung für die NEK nach Maßgabe einzelner ergänzender Bestimmungen, die aber § 50 Abs. 3 MVG.EKD nicht betreffen.

Das hat das Kirchengericht nicht hinreichend beachtet, sondern ohne Rücksicht auf den Wortlaut die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. April 2003 - 7 ABR 27/02 - BAGE 106, 57 zu § 94 Abs. 2 SGB IX auf das MVG.EKD übertragen.

Dass es auch im Bereich der evangelischen Kirche - wie oben für den katholischen Bereich aufgezeigt - von § 50 Abs. 3 MVG.EKD abweichende Regelungen gibt, zeigt u.a. § 50 Abs. 3 MVG-EKiR. Nach dieser Bestimmungen sind alle in der Dienststelle beschäftigten Schwerbehinderten wahlberechtigt. Dieser Wortlaut entspricht im Wesentlich dem des § 94 Abs. 2 SGB IX.

Deshalb ist auch die Kommentierung von Bauer u.a., Mitarbeitervertretungsgesetz für den Bereich der ev. Kirchen und Diakonischen Werke im Rheinland, Westfalen und Lippe, Stand Mai 2006, zutreffend, wenn es dort in Anm. 3.2. zu § 50 heißt, Schwerbehinderte, die an Maßnahmen der Rehabilitation teilnehmen, sind bei der Wahl der Schwerbehindertenvertrauensperson wahlberechtigt. Sie gehören zu den im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten Menschen. Dazu gehören dann auch die Antragsteller im vorliegenden Verfahren, nämlich die "WfbM-Beschäftigten, die nicht in einem 'normalen' Arbeitsverhältnis zur Firma stehen".

Nach § 50 Abs. 3 Satz 1 des MVG der Ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck "sind alle in der Dienststelle beschäftigten Schwerbehinderten" wahlberechtigt. Auch hier wird auf den Begriff der Beschäftigung und nicht auf den Mitarbeiterbegriff in § 2 Abs. 1 MVG.KW abgestellt.

Die Beschwerde weist zutreffend auf § 50 Abs. 1 MVG.EKD hin. Dort heißt es, in Dienststellen, in denen mindestens fünf schwerbehinderte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, werden in einer Versammlung der schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine Vertrauensperson und mindestens ein Stellvertreter oder mindestens eine Stellvertreterin gewählt.

Wenn dann in Absatz 3 die Wahlberechtigung entsprechend formuliert wird, ergibt sich daraus, dass nur schwerbehinderte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter i.S.d. § 2 MVG.EKD wahlberechtigt sind.

Sieht das ein Mitarbeitervertretungsgesetz für seinen Bereich anders, ist bei mit § 50 Abs. 1 MVG.EKD gleichlautendem Absatz 1 davon auszugehen, dass die in der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen einzubeziehen sind.

Auch § 52a MVG.EKD steht für ein am Wortlaut des § 50 Abs. 3 MVG.EKD haftenden Verständnis dieser Bestimmung:

§ 52a Satz 1 MVG.EKD enthält eine Verordnungsermächtigung für die Regelung der Mitwirkungsrechte behinderter Menschen in Werkstätten.

Aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 144 Abs. 2 SGB IX hatte der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung die Werkstätten-Mitwirkungsverordnung erlassen. Vor Erlass der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung hatten der Verband der Diözesen Deutschlands und die EKD geltend gemacht, die Werkstättenmitwirkungsverordnung zähle nicht zu dem "für alle geltenden Gesetz" nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Regelungen über derartige Ehrenämter im Bereich der Interessenvertretung seien wie bei der Mitarbeitervertretung oder Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nach § 50 von den Religionsgemeinschaften selbst zu treffen. § 1 Abs. 2 der Werkstättenmitwirkungsverordnung bestimmt daher:

"Diese Verordnung findet keine Anwendung auf die Religionsgesellschaften und ihre Einrichtungen, soweit sie eigene gleichwertige Regelungen geschaffen haben".

Der Rat der EKD hat von der Verordnungsermächtigung des § 52a Gebrauch gemacht und die Diakonie-Werkstättenmitwirkungsverordnung (DWMV) vom 4. Juni 2004 (ABl.EKD S. 529) am 1. Juli 2004 in Kraft gesetzt.

bb) Der Senat vermag auch der Auffassung der Vorinstanz nicht zu folgen, dass die Regelungen des MVG.EKD i.V.m. der DWMV kein kirchenautonomes Regelungsgefüge darstellten, das wirksam vom staatlichen Recht, insbesondere dem SGB IX, und seiner Auslegung durch das BAG abweichen dürfte.

Die Regelung des § 50 Abs. 3 MVG.EKD ist gerade nicht inhaltsgleich mit § 94 Abs. 2 SGB IX. Das wurde im Einzelnen unter aa) ausgeführt. Selbst wenn sich die übrigen Bestimmungen der Sache nach mit dem staatlichen Recht decken, ist das gerade bei § 50 Abs. 3 MVG.EKD und § 94 Abs. 2 SGB IX nicht der Fall. Nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts ist es Aufgabe der Schwerbehindertenvertretung, die Interessen aller schwerbehinderten Menschen im Betrieb zu vertreten und nicht nur die der schwerbehinderten Arbeitnehmer (BAGE 106, 57, 60). Wenn dem so ist, sieht das auch das MVG.EKD so. Denn die Vertrauensperson der Schwerbehinderten nach § 50 MVG.EKD hat durch die dynamische Verweisung auf das "staatliche Recht" die identischen Aufgaben wie die Schwerbehindertenvertretung nach § 94 f. SGB IX. Das schließt aber nicht notwendigerweise das aktive Wahlrecht der WfbM-Beschäftigten zur Wahl der Vertrauensperson für die Schwerbehinderten ein.

Die Schaffung einer Vertretung schwerbehinderter Personen, die bei der verfassten Kirche oder ihren Untergliederungen tätig sind, fällt unter die Kirchenautonomie nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV. Zwar bestehen durch die dynamische Verweisung in § 51 Abs. 1 MVG.EKD auf das staatliche Recht keine Unterschiede bei der Aufgabenzuweisung. Bei der Frage der Wahlberechtigung zur Wahl der Vertrauensperson für Schwerbehinderte durfte das MVG.EKD vom staatlichen Recht des § 94 Abs. 2 SGB IX in der Auslegung durch das Bundesarbeitsgericht abweichen.

Die Schwerbehindertenvertretung hat die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb zu fördern, deren Interessen im Betrieb zu vertreten und ihnen beratend und helfend zur Seite zu stehen (§ 95 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Sie ist kein Organ des Betriebsrats, sondern eine von Gesetzes wegen eingerichtete zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der Arbeitnehmer. Die Schwerbehindertenvertretung ist ebenso ein gesetzliches Organ der Verfassung des Betriebes oder der Dienststelle wie der Betriebs- oder Personalrat oder der Sprecherausschuss für leitende Angestellte (BAG vom 21. September 1989 - 1 AZR 465/88 - BAGE 62, 382, 386 [zu I 3 a.E. der Gründe]; vgl. zum Ganzen Richardi/Thüsing, BetrVG, 11. Auflage, § 32 Rn. 3).

Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist auch für das kollektive kirchliche Arbeitsrecht maßgeblich, § 118 Abs. 2 BetrVG, § 112 BPersVG enthalten die - mit Rücksicht auf die Verfassungsgarantie deklaratorische - Freistellung der Religionsgemeinschaften vom Geltungsbereich der genannten staatlichen Gesetze. In der Terminologie des Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV sind diese also keine "für alle geltenden Gesetze". Damit weicht das staatliche Recht nicht in unangemessener Weise vor kirchlichen Ansprüchen zurück, es nimmt vielmehr auf das verfassungsrechtlich Gebotene Rücksicht. Der staatliche Gesetzgeber wollte Staatsbürger in kirchlichen Arbeitsverhältnissen nicht in ein mitbestimmungsrechtliches Vakuum stützen. Es ging ihm vielmehr darum, den Kirchen die Möglichkeit zu eröffnen, den verbindlichen Mitbestimmungsgedanken innerhalb kirchlicher Einrichtungen mit einer eigenen, zugleich die kirchlichen Grundsätze berücksichtigenden Regelung zu verwirklichen. Dieser Erwartung sind die Kirchen mit eigenen Mitarbeitervertretungsordnungen nachgekommen (vgl. von Campenhausen/De Wall, Staatskirchenrecht, 4. Auflage 2006, S. 182 f.).

Selbst wenn man im Lichte des Vorstehenden etwa wegen der im SGB IX fehlenden Bereichsausnahmen (vgl. Hammer, Kirchliches Arbeitsrecht 2002, S. 262) die Verpflichtung zur Wahl einer Schwerbehindertenvertretung gemäß § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX an sich für "kirchenfest" hält (wie wohl Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX, 2. Lieferung Stand Juli 2002, § 94 Rn. 7 meint), so bleibt den Kirchen aufgrund ihrer verfassungsrechtlich garantierten Autonomie die Möglichkeit, die zum Betriebsverfassungsrecht/Personalvertretungsrecht gehörende Schwerbehindertenvertretung als einen Teil ihres Mitarbeitervertretungsrechts anders zu gestalten. Sie entscheiden, wie sie den kirchlichen Dienst und seine arbeitsrechtliche Ordnung gestalten wollen (BVerfG vom 4. Juni 1985 - 2 Bv 1703, 1718/83 u.a. - BVerfGE 70, 138, 164). Daher haben die Kirchen auch das Recht, eigenständige Regelungen in Abweichung von den §§ 94 ff. SGB IX zu treffen (Adlhoch a.a.O. mit Beispielen). Dazu gehört die gegenüber § 94 Abs. 2 SGB IX in der Auslegung durch das BAG erfolgte Einschränkung des aktiven Wahlrechts auf Mitarbeitende i.S.d. § 2 MVG.EKD.

cc) Nach alledem war der angefochtene Beschluss abzuändern und der Wahlanfechtungsantrag der Antragsteller zurückzuweisen.


III. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich (§ 63 Abs. 7 MVG.EKD i.V.m. § 22 Abs. 1 KiGG.EKD).

Referenznummer:

R/R7609


Informationsstand: 26.04.2018