Urteil
Beamtenrechtlicher Schadenersatz wegen verspäteter Reaktivierung eines Beamten - Verlust des Schadenersatzanspruchs wegen vorwerfbarer Versäumung der Einlegung eines Rechtsmittels

Gericht:

VG Berlin 26. Kammer


Aktenzeichen:

26 K 306.16 | 26 K 306/16


Urteil vom:

14.06.2019


Grundlage:

  • BeamtStG § 29 Abs. 1 |
  • LBG § 44 Abs. 2 LBG |
  • BGB § 839 Abs. 3 |
  • VwGO § 123 Abs. 1

Orientierungssätze:

Ein beamtenrechtlicher Schadenersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs bzw. wegen verspäteter Reaktivierung eines wieder uneingeschränkt dienstfähigen Beamten ist regelmäßig nicht gegeben, wenn der Beamte von einem ihm zumutbaren Rechtsmittel in vorwerfbarer Weise keinen Gebrauch gemacht hat.

Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO ist insoweit ein geeignetes Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB, um den durch die Verspätung einer Reaktivierung entstehenden Schaden zu mindern.

Rechtsweg:

OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.04.2021 - 4 B 10.19

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Berlin

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrags leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Schadensersatz wegen verspäteter Reaktivierung des inzwischen wieder vorzeitig zur Ruhe gesetzten Klägers.

Der 1956 geborene Kläger legte 1986 die Erste Technisch-Wissenschaftliche Staatsprüfung für das Amt des Studienrats mit den Fächern Bauwesen/Bauingenieurwesen und Sozialkunde ab. 1987 bestand er die Zweite Staatsprüfung für das Amt des Studienrats. Nach einer Tätigkeit als angestellter Lehrer ernannte der Beklagte den Kläger 1992 zum Studienrat. Er setzte ihn weiterhin in der W...Oberschule, einem Oberstufenzentrum für F..., als Lehrer für Fachkunde, Fachrechnen, Fachzeichnen und Sozialkunde ein. 1999 übertrug der Beklagte dem Kläger die Wahrnehmung der Aufgaben eines Studiendirektors in der Funktion eines Abteilungsleiters an dem Oberstufenzentrum. Schließlich ernannte er den im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit befindlichen Kläger im Juni 2001 zum Studiendirektor (als Abteilungsleiter, Besoldungsgruppe A 15 mit Amtszulage).

Im Mai 2013 reduzierte der Beklagte die Anzahl der Abteilungen des Oberstufenzentrums von drei auf zwei und verwandte den Kläger fortan als stellvertretenden Schulleiter/OSZ-Koordinator. Ab dem 2. August 2013 war der schwerbehinderte Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 22. Juli 2014 versetzte der Beklagte den Kläger mit Ablauf des 31. Juli 2014 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand.

Im März 2015 veranlasste der Beklagte - wie vom Amtsarzt im Zurruhesetzungsverfahren angeregt - eine amtsärztliche Untersuchung des Klägers. Am 21. Mai 2015 sprach der Kläger mit einer Schulrätin über seine Verwendung im Falle seiner Dienstfähigkeit. Der Amtsarzt untersuchte den Kläger am 15. Juli 2015 und schrieb in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom gleichen Tag, dass die volle und uneingeschränkte Dienstfähigkeit des Klägers wiederhergestellt sei; eine Dienstaufnahme könne ab sofort erfolgen. Das Gutachten ging am 17. Juli 2015 beim Beklagten ein. Unter dem 11. August 2015 bestätigte der Beklagte dem Kläger dessen Interessenbekundung vom 5. August 2015 an einer ausgeschriebenen Stelle eines Oberschulrats. Am 25. August und 8. Oktober 2015 führten der Kläger und Herr P... Gespräche über Einsatzmöglichkeiten.

Die Personalakte des Klägers enthält Folgendes zu seiner Reaktivierung:

- einen undatierten Vermerk unter dem 6. August 2015, wonach an dem bisherigen Oberstufenzentrum kein Arbeitseinsatz denkbar sei (Bl. 359),

- eine E-Post vom 5. Oktober 2015, wonach eine erste Einsatzabfrage abschlägig und eine zweite Anfrage vom 2. September 2015 bisher noch nicht beantwortet worden sei sowie eine zweite E-Post, wonach sich der Kläger an Herrn P... wenden solle (Bl. 364);

- einen Antrag des Klägers unter dem 11. November 2015 auf Wiederverwendung (Bl. 366) und

- das Schreiben der Senatsverwaltung unter dem 5. Januar 2016, wonach er zum nächstmöglichen Zeitpunkt an der M...-Oberschule eingesetzt werden soll (Bl. 377).

Am 8. Januar 2016 erhob der Kläger Klage (VG 26 K 6.16) mit dem Ziel, rückwirkend zum 5. August 2015 erneut in das Beamtenverhältnis berufen zu werden und eine Nachzahlung entsprechend der Besoldungsgruppe A 15 mit Amtszulage zu erhalten. Am 5. Februar 2016 berief der Beklagte den Kläger erneut in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit und ernannte ihn zum Studiendirektor. Darauf erklärten die Beteiligten das Verfahren VG 26 K 6.16 übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt.

Mit anwaltlichem Schreiben begehrte der Kläger im März 2016 den auch hier streitigen Schadensersatz i.H.v. 18.979,07 Euro. Mit Bescheid der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 27. April 2016 lehnte der Beklagte das Begehren des Klägers ab, weil keine schuldhafte Amtspflichtverletzung auf leistungsgerechte Einbeziehung in eine Bewerberauswahl vorliege. Der Kläger erhob dagegen Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 17. Oktober 2016 zurückwies. Darin verneinte der Beklagte eine Amtspflichtverletzung (Verletzung der allgemeinen Fürsorgepflicht). Es habe eine entsprechende Funktionsstelle für den Kläger gesucht werden müssen, da eine Rückkehr an seine frühere Einsatzschule von der zuständigen Schulaufsicht abschlägig beantwortet worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten des Widerspruchsbescheids wird auf die vom Kläger zur Akte gereichte Ablichtung davon (Bl. 11 bis 16 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat am 15. November 2016 Klage erhoben. Er macht geltend: Er habe unverzüglich, nämlich ab dem 15. Juli 2015, wieder verwendet werden müssen. Herr P... habe ihm im Gespräch bezüglich seiner Interessenbekundung für eine ausgeschriebene Stelle eines Oberschulrats mitgeteilt, dass er dafür nicht infrage komme. Er habe ihm aber etwa einen Monat später in einem weiteren Gespräch versichert, ihn kurzfristig wieder auf einem Dienstposten im aktiven Dienst zu verwenden. Dazu habe er ihm eine Projektarbeit vorgestellt. Zwar habe er nur über Grundkenntnisse der dafür nötigen Tabellenkalkulationsprogramme verfügt. Doch hätte der Beklagte ihn kurzfristig darin einarbeiten können. Der Beklagte habe Vorsorgemaßnahmen für seine, des Klägers, zu erwartende Wiederherstellung der Dienstfähigkeit treffen müssen. Er, der Kläger, habe auf diese Zusicherung vertraut. In diesem Vertrauen habe er alle erforderlichen Rechtsbehelfe im Sinne des §§ 839 Abs. 3 BGB ergriffen. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 23. Januar 2017 (Bl. 35 bis 44 d. A.), vom 29. März 2017 (Bl. 55 bis 59 d. A.) und vom 28. Juni 2017 (Bl. 67 bis 69 d. A.) verwiesen.


Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft vom 27. April 2016 in der Form seines Widerspruchsbescheids vom 17. Oktober 2016 zu verurteilen, an ihn 18.979,07 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. März 2016 zu zahlen.


Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er macht geltend: Es bestehe keine entsprechende Verpflichtung zur zeitnahen Ernennung eines wieder dienstfähigen Beamten. Es gebe keinen Anspruch auf eine Reaktivierung zu einem bestimmten Zeitpunkt. Er habe sich lediglich außerstande gesehen, dem Wunsch des Klägers in dem von ihm anvisierten Zeitraum nachzukommen. Auf dringende dienstliche Gründe berufe er, der Beklagte, sich dabei nicht. Er, der Beklagte, habe den Wunsch des Klägers nach einer zeitnahen Wiederverwendung ernst genommen und ein eigenes Interesse an der Wiederverwendung gehabt. Eine Tätigkeit in der Schulaufsicht sei mangels Erfahrung des Klägers ausgeschieden. Nach Rücksprache mit dem Schulaufsichtsbeamten, in dem dieser dem Kläger die selbst für einen erfahrenen Schulaufsichtsbeamten damit verbundene hohe Belastung dargestellt habe, habe der Kläger auf eine förmliche Bewerbung um die ausgeschriebene Stelle eines Oberschulrats verzichtet. Für die Arbeit in der anvisierten Projektgruppe sei der Kläger nicht geeignet gewesen. Für den Kläger seien im Jahr 2015 nur Stellen in vier Oberstufenzentren in Betracht gekommen. Aus Eignungs- bzw. Fürsorgegründen sei er dafür nicht ausgewählt worden. Er habe den Kläger ohne schuldhaftes Zögern reaktiviert. Der Kläger habe es unterlassen, einstweiligen Rechtsschutz zu suchen. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Schriftsätze vom 2. März 2017 (Bl. 50 bis 53 d. A.), vom 10. Mai 2017 (Bl. 60 bis 63 d. A.) und vom 6. Juni 2019 (Bl. 93 f. d. A.) Bezug genommen.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 2. August 2018 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Die Personalakte und der den streitigen Bescheid betreffende Widerspruchsvorgang haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Über die Klage hat infolge des Beschlusses vom 2. August 2018 gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Einzelrichter zu entscheiden. Diesem Beschluss hat eine Wertung zu § 839 Abs. 3 BGB zugrunde gelegen, die erst durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. September 2018 - VG 5 L 280.19 - in Frage gestellt worden ist. Eine die Rückübertragung nach § 6 Abs. 3 Satz 1 VwGO eröffnende wesentliche Änderung der Prozesslage liegt darin aber nicht.

Die Klage ist unbegründet, weil dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zusteht.

Eine (unterstellte) Ersatzpflicht des Beklagten tritt hier nicht ein, weil der Kläger es fahrlässig unterließ, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Ein beamtenrechtlicher Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs kann in Anwendung des dem Vorrang des Primär- vor dem Sekundärrechtsschutz dienenden Rechtsgedankens des § 839 Abs. 3 BGB daran scheitern, dass der Beamte von einem ihm zumutbaren Rechtsmittel im Sinne dieser Vorschrift in vorwerfbarer Weise keinen Gebrauch gemacht hat (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15. Juni 2018 - BVerwG 2 C 19.17 -, NVwZ 2018, 1637). Zwar handelt es sich hier - anders als im Ausgangsbescheid thematisiert - nicht um die Verletzung eines Bewerbungsverfahrensanspruchs, sondern um die Verletzung eines Anspruchs aus § 29 Abs. 1 BeamtStG, § 44 Abs. 2 LBG. Doch sieht das Gericht keinen Grund, den bezeichneten Rechtsgedanken nicht auf diesen Anspruch zu übertragen.

Der Begriff des Rechtsmittels wird in diesem Zusammenhang weit verstanden (Bundesverwaltungsgericht, a.a.O., Seite 1639 Rn. 26). Er umfasst auch Anträge nach § 123 Abs. 1 VwGO. Die hilfsweise angekündigten Anträge aus dem Verfahren VG 26 K 6.16 (Verpflichtung zur erneuten Berufung; Verpflichtung zur Bescheidung) wären als Anträge, die geeignet wären, zur Verringerung des Schadens beizutragen, in Betracht gekommen. Es lag auf der Hand, dass der wieder dienstfähige Kläger den nötigen Antrag gestellt hatte. Es wäre sodann Sache des Beklagten gewesen, anordnungsanspruchshemmende zwingende dienstliche Gründe im Sinne des § 44 Abs. 2 LBG glaubhaft zu machen. Darauf dürfte der Kläger nur dann nicht verwiesen werden, wenn von vornherein klar gewesen wäre, dass sein Eilantrag ungeachtet eines etwaigen Anordnungsanspruchs keinen Erfolg hätte haben können. Dann wäre ein Eilantrag nicht geeignet, den Schaden abzuwenden. So läge es etwa, wenn feststünde, dass ein Reaktivierungsantrag nicht im Wege einstweiliger Anordnung durchsetzbar ist, wenn nicht - hier offensichtlich nicht gegebene - Ausnahmeumstände vorliegen. Die Erfolglosigkeit eines Eilantrags stand hier nicht von vornherein fest, zumal da die 5. Kammer mit Beschluss vom 5. September 2014 - VG 5 L 131.14 - die dortige Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet hatte, den dortigen Antragsteller durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen und ihm ein bestimmtes Amt zu verleihen. Der gewandelten Auffassung der 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin im eingangs bezeichneten Beschluss (zu der sich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Beschwerdeverfahren ausdrücklich nicht äußerte [Beschluss vom 22. Mai 2019 - OVG 10 S 61.18 -, Abdruck Seite 4 zu 2.]) folgt die Kammer nicht. Die 5. Kammer meint nun, einem Reaktivierungsanspruch im Wege der einstweiligen Anordnung stehe bereits die Formenstrenge des Beamtenrechts entgegen. Die Dauer eines Klageverfahrens gebe keinen Anordnungsgrund bei einem ausreichend alimentierten Beamten, der keine Dienstleistung erbringen müsse, ab. Das überzeugt nicht.

Die Formenstrenge steht der Verpflichtung zur Ernennung nicht und erst recht nicht einer zur Bescheidung des Reaktivierungsantrags entgegen (vgl. Verwaltungsgericht Saarland, Urteil vom 14. September 2010 - 2 K 605/09 -, Juris Rn. 35 zu einer anderen Statusentscheidung). Denn mit einer derartigen Verpflichtung wird keine neue Form begründet. Auch das normativ nicht bestimmte Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache schließt in geeigneten Fällen eine Regelung nach § 123 Abs. 1 VwGO nicht aus (a.A. Oberlandesgericht Brandenburg, Urteil vom 12. Juni 2018 - 2 U 16/17 -, Juris Rn. 61). Im Übrigen sind derartige Verpflichtungen im Falle von Einstellungen in den Vorbereitungsdienst gängiges Thema in Eilverfahren, die nicht am Anordnungsgrund scheitern, und zuweilen auch Entscheidungsinhalt (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 29. September 2017 - OVG 4 S 32.17 - und vom 1. Februar 2019 - OVG 4 S 52.18 -). Die weitere, auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Januar 2008 - 1 B 1745/07 - gestützte Erwägung, dass einem Ruhestandsbeamten keine unzumutbaren Nachteile entstehen, wenn nicht im Eilverfahren über seinen Reaktivierungsanspruch befunden wird, überspannt die Anforderungen an den nach § 123 Abs. 1 VwGO drohenden Nachteil. Zwar trifft es zu, dass jede Verfahrensdauer zu einem zumindest zeitanteiligen Rechtsverlust führt, den die Rechtsordnung aber im Grundsatz hinnimmt, weil sie selbst Regeln aufstellt, die einem Klageverfahren eine gewisse Dauer verschaffen. Doch gebietet Art. 19 Abs. 4 GG, diesen Verlust nach Möglichkeit zu minimieren, was mit der Vorgehensweise auch des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen nicht in jedem Fall möglich ist, wie das Gericht einräumt (Juris Rn. 8).

Der Kläger unterließ es fahrlässig, von diesem zur Schadensminderung geeigneten Rechtsmittel Gebrauch zu machen. Von seiner Rechtsposition ausgehend, dass der Beklagte ihn schon am 15. Juli 2015 hätte ernennen müssen, ist das Unterbleiben des naheliegenden Eilantrags unerklärlich. Die vom Kläger auch in der mündlichen Verhandlung hervorgehobenen Umstände taugen dafür nicht. Allerdings ist ihm zuzustimmen, dass (auch) das Treueverhältnis zwischen den Beteiligten es ausschließt, sogleich vor Gericht zu ziehen. Abgesehen vom allgemeinen Prozessrecht steht einem sofort erhobenen Eilantrag wohl auch § 54 Abs. 2 BeamtStG entgegen. Treuepflicht und Vertrauen schließen aber keine Eilanträge aus. Vielmehr gibt es Fallgruppen, in denen es zu den Obliegenheiten eines Beamten gehört, zur Rechtswahrung Eilrechtsschutz gegen seinen Dienstherrn zu suchen. Die vom Kläger unter Beweis gestellten Gesprächsinhalte vom 25. August und 8. Oktober 2015 schufen keinen Vertrauenstatbestand, der den Kläger verständlicherweise davon abbringen konnte, von einem Eilantrag abzusehen. Wenn ihm dabei jeweils kurzfristige Besetzung oder Verwendung mitgeteilt oder versichert worden sein soll, dann ist es zunächst einmal unbestimmt. Bei der sicher auch dem Kläger bekannten Dauer von Verfahren zur Besetzung von Funktionsstellen im Bereich der Schulverwaltung ist die hier stattgehabte Dauer von etwa sechs Monaten wohl als "kurzfristig" anzusehen und vielleicht auch von seinen Gesprächspartnern gemeint gewesen. Selbst wenn man aber "kurzfristig" nur in Tagen oder allenfalls Wochen bemäße, läge auf der Hand, dass der Beklagte im Oktober 2015 keine Ernennung vornehmen wollte. Das etwa durch die Gespräche am 25. August und 8. Oktober 2015 begründete Vertrauen des Klägers in eine kurz (in wenigen Tagen) bevorstehende Ernennung war durch den Gang der Dinge enttäuscht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung der vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht § 167 VwGO und den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.

Die Berufung ist gemäß den §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage zuzulassen, ob ein Reaktivierungsanspruch nach § 29 Abs. 1 BeamtStG, § 44 Abs. 2 LBG mit einem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO verfolgt werden kann. Die Frage ist auch deshalb erheblich, weil nicht feststeht, dass zwingende dienstliche Gründe einer früheren Ernennung entgegenstanden, mag es auch fernliegen, dass der Beklagte zu einer Ernennung am 15. Juli 2015 verpflichtet gewesen sein könnte. Die in der mündlichen Verhandlung vorsorglich erörterte Frage nach den Anforderungen an den Dienstherrn im Vorfeld einer Reaktivierung bzw. nach den dienstlichen Gründen, die die Reaktivierung hinausschieben können, ist nicht geklärt.


Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf 18.979,07 Euro festgesetzt.

Referenznummer:

R/R9386


Informationsstand: 17.01.2022