Die gemäß § 151
Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Der Beschwerdewert des § 144
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGG von 750,00
EUR ist überschritten. Der Kläger begehrt die Erstattung von 930,00
EUR.
Die Berufung des Klägers ist auch begründet. Das Sozialgericht hätte die Klage nicht wegen der Nichteinhaltung des Beschaffungsweges abweisen dürfen. Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung des von ihm geltend gemachten Eigenanteils für die durch den Festbetrag nicht gedeckten Kosten der Hörgeräteversorgung mit dem Gerät Phonak eXtra 411 AZ Power in Höhe von 930,00
EUR. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 27. März 2012 war daher aufzuheben und der Bescheid der Beklagten vom 8. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2008 abzuändern.
Rechtsgrundlage des hier geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs ist
§ 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V. Danach gilt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entsprechenden Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Erstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, die die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung,
vgl. z. B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 -
B 3 KR 20/08 R -, veröffentlicht in juris). Der Anspruch ist daher gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbstbeschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts scheitert der Kostenerstattungsanspruch insbesondere nicht an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung. Ansprüche nach § 13
Abs. 3 Satz 1 Fall 2
SGB V sind zwar nur gegeben, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und den Versicherten "dadurch" Kosten für die selbstbeschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des
BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhen. Hieran fehlt es, wenn diese vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (
vgl. hierzu
BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009,
a. a. O. m. w. N.). Das ist hier nicht der Fall.
Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB IV -). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst
u. a. die Versorgung mit Hilfsmitteln (
§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des
§ 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (
§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß
§ 12 Abs. 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist (
BSG, Urteil vom 6. September 2007 -
B 3 KR 20/06 R -, veröffentlicht in juris). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des
SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2
Abs. 2 Satz 3
SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker (im Folgenden: BIHA) und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen
e. V. und dem Arbeiter-Ersatzkassen-Verband
e. V. (im Folgenden: VdAK/AEV) für die Zeit ab 1. Februar 2007 geschlossene Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4
Nr. 1 Satz 1 des Vertrags). Unter der Überschrift (Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung) ist
u. a. Folgendes vereinbart worden: "Nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten erstattet der Leistungserbringer eine Versorgungsanzeige (Anlage 3) gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse. Sowohl das Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung als auch das Verfahren bei Bewilligungsschreiben ohne vorherige ärztliche Verordnung sieht eine Versorgungsanzeige des Leistungserbringers an die Ersatzkasse, die die leistungsrechtlichen Voraussetzungen prüft, vor. Die Versorgung kann abgerechnet werden, wenn die zur Versorgung geeigneten Hörhilfen nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert sind und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt hat."
Der Senat kann offen lassen, ob der Kläger tatsächlich - wie von ihm behauptet - mit dem von ihm erstmals im Berufungsverfahren vorgelegten Schreiben vom 26. Januar 2007 bereits selbst bei der Beklagten den Antrag gestellt hat, die Kosten der den Festbetrag übersteigenden Hörgeräteversorgung zu übernehmen. Anhaltspunkte dafür, dass dieses Schreiben bei der Beklagten eingegangen ist, sind der Verwaltungsakte nicht zu entnehmen. Dies wirkt sich jedoch nicht zu Lasten des Klägers aus, denn der Umstand, dass es der Hörgeräteakustiker unterlassen hat, rechtzeitig eine Versorgungsanzeige des Klägers bei der Beklagten zu erstatten, fällt in die Sphäre der Beklagten, die sich ihrer leistungsrechtlichen Verantwortung durch so genannte Verträge zur Komplettversorgung nahezu vollständig entzogen und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlassen hat, ob dem Versicherten eine Leistung zu Teil wird. Damit hat die Beklagte ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33
SGB V nicht erfüllt und auch die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 12
Abs. 1 und
§ 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V) nicht befolgt. Sie verweigert sich letztendlich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 Erstes Buch Sozialgesetzbuch -
SGB I -), wenn sie den Vorgang komplett in die Hände des Leistungserbringers gibt. Wenn der Leistungserbringer in diesem Fall seinen sich aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrag ergebenden Pflichten nicht nachkommt, kann die Beklagte dem Leistungserbringer gegenüber vorgehen, sie kann sich jedoch nicht dem Versicherten gegenüber darauf berufen, es sei bei ihr kein Antrag gestellt worden (
vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 -
B 3 KR 5/12 R -;
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. November 2013 -
L 4 KR 85/12 -, beide veröffentlicht in juris).
Hier war der Kläger zwar vor der ablehnenden Entscheidung der Beklagten vom 8. Oktober 2007 bereits am 28. August 2007 endgültig mit dem Hörgerät versorgt worden. Er hatte sich das Hörgerät selbst beschafft, indem er gegenüber der Firma KIND Hörgeräte durch sein schriftliches Einverständnis mit der Zahlung der Mehrkosten ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft eingegangen war. Dies schließt jedoch entgegen der Auffassung des Sozialgerichts den Kostenerstattungsanspruch nicht aus, denn die erforderliche Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung ist nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu fingieren. Der Kläger wendet zu Recht ein, dass er auf das Erfordernis der Einhaltung des Beschaffungsweges durch den Hilfsmittelerbringer nicht hingewiesen worden ist. Dieser Beratungsfehler des Hörgeräteakustikers ist der Beklagten auch zuzurechnen.
Der in § 13
Abs. 3
SGB V geregelte Anspruch auf Kostenerstattung stellt sich insbesondere bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht als abschließende gesetzliche Regelung der auf dem Herstellungsgedanken beruhenden Kostenerstattungsansprüche im Krankenversicherungsrecht dar (
vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 2001 - B 3 KR 27/01 R -, veröffentlicht in juris). Denn die Vorschrift trifft keine Regelung für den Fall, dass eine gebotene, aber unterbliebene oder eine unzutreffende Beratung Ursache für eine kostenauslösende andersartige Leistungsbeschaffung durch den Versicherten ist. Nur wenn der Beratungsfehler zugleich mit einer Leistungsablehnung verbunden ist, werden diese Fälle über die zweite Alternative des § 13
Abs. 3
SGB V erfasst. Ansonsten steht weiterhin trotz der Regelung des § 13
Abs. 3
SGB V der sozialrechtliche Herstellungsanspruch offen. Der entgegenstehenden Rechtsprechung des
BSG im Urteil vom 2. November 2007 - B 1 KR 14/07 R - vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Zwar führt der 1. Senat in seiner Entscheidung aus, er habe sich mit dem 3. Senat des
BSG abgestimmt, dass § 13
Abs. 3 Satz 1
SGB V eine abschließende Kostenerstattungsregelung über die Ersetzung von Naturalleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle. Soweit sich der 3. Senat in dem zitierten Urteil vom 30. Oktober 2001 darauf berufen habe, dass der Herstellungsanspruch auch auf Kostenerstattung gerichtet sein könne, bestehe keine Divergenz, weil er auf die
BSG-Rechtsprechung zur Zeit der Geltung der Reichsversicherungsordnung verwiesen habe. Der Gesetzgeber habe den seinerzeit durch die Rechtsprechung konzipierten Kostenerstattungsanspruch indessen nunmehr selbst in § 13
Abs. 3 Satz 1
SGB V abschließend normiert. Die Ausführungen zur fehlenden Divergenz sind vor dem Hintergrund der vom 3. Senat im Urteil vom 30. Oktober 2001 gegebenen Begründung allerdings nicht nachvollziehbar. Schließlich führt dieser wörtlich aus: " Die Kostenerstattung nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist nicht durch die gesetzliche Kostenerstattungsregelung des § 13
Abs. 3
SGB V ausgeschlossen. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung galt bis zum 31. Dezember 1988, also in der Zeit vor dem Inkrafttreten des
SGB V, nach gefestigter Rechtsprechung der Grundsatz, dass die prinzipiell nur zu Sachleistungen verpflichteten Krankenkassen den Versicherten Aufwendungen zu erstatten haben, wenn dies ausdrücklich krankenversicherungsrechtlich so geregelt war (
vgl. § 185
Abs. 3 RVO: Selbstbeschaffte Krankenpflegeperson; § 185b
Abs. 2 RVO: Selbstbeschaffte Ersatzkraft; § 368d
Abs. 1 Satz 2 RVO: Notfallbehandlung) oder wenn die Kassen nach den durch § 131
Abs. 1 Satz 1
SGG anerkannten Grundsätzen zur Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes oder zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustands verpflichtet waren (BSGE 53, 273 = SozR 2200 § 182
Nr. 82 m. w. N.;
BSG SozR 2200 § 182
Nr. 86). Dies war grundsätzlich der Fall, wenn eine Kasse sich zu Unrecht geweigert hatte, die begehrte Sachleistung zu erbringen (BSGE 35, 10, 14) oder wenn sie den Versicherten nicht so aufgeklärt und beraten hatte, dass er mit einem sachgerechten Verhalten die angemessene Sachleistung ausgelöst hat (
BSG SozR 2200 § 182
Nr. 57). Diese Rechtsprechung wollte der Gesetzgeber mit der Einführung des
SGB V durch das Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (Bundesgesetzblatt I Seite 2477) in Gesetzesform übernehmen, was ihm mit § 13
Abs. 3
SGB V zwar weitgehend aber nicht vollständig gelungen ist. Die Vorschrift regelt - insoweit auch abschließend (BSGE 79, 125 = SozR 3-2500 § 13
Nr. 11) - die Kostenerstattung bei Selbstbeschaffung unaufschiebbarer Leistungen (Eil- und Notfälle) sowie im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung, trifft aber keine Regelung für den Fall, dass eine gebotene, aber unterbliebene oder eine unzutreffende Beratung Ursache für eine kostenauslösende andersartige Leistungsbeschaffung durch den Versicherten ist. Nur wenn der Beratungsfehler zugleich mit einer Leistungsablehnung verbunden ist, werden diese Fälle über die zweite Alternative des § 13
Abs. 3
SGB V erfasst. Ansonsten steht weiterhin, trotz der Regelung des § 13
Abs. 3
SGB V, der sozialrechtliche Herstellungsanspruch offen (so auch Höfler in Kassler Komm, sozialversicherungsrecht, Stand: August 2001, § 13
SGB V Rdnr 6, 8, 11; Abgrenzung zu BSGE 79, 125 - SozR 3-2500 § 13
Nr. 11). Es gibt keinen Anhaltspunkt für die Annahme, der Gesetzgeber habe die Kostenerstattungsansprüche bei Beratungsmängeln im Bereich der Krankenversicherung entweder ganz ausschließen wollen, soweit sie nicht von § 13
Abs. 3
SGB V erfasst werden, oder aber die Versicherten insoweit auf vor den Zivilgerichten geltend zu machende Amtshaftungsansprüche (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch (
BGB)) verweisen wollen. Der Gesetzgeber hat lediglich die gesamte Bandbreite sozialrechtlicher Herstellungsansprüche im Bereich der Krankenversicherung nicht vollständig erfasst und gesetzestechnisch umgesetzt."
Daraus folgt, dass der Verweis des 3. Senats auf die
BSG-Rechtsprechung zur Zeit der Geltung der Reichsversicherungsordnung nur dazu diente, die lückenhafte gesetzestechnische Umsetzung von Kostenerstattungsansprüchen bei Beratungsmängeln durch das
SGB V darzustellen und das Bedürfnis nach der Anwendbarkeit des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in Fallgestaltungen der hier vorliegenden Art zu unterstreichen. Dieser Rechtsauffassung ist auch zu folgen. Andernfalls käme es in Fällen, in denen der Beratungsfehler nicht zugleich mit der Leistungsablehnung verbunden, aber kausal dafür ist, dass der Beschaffungsweg nicht eingehalten wird, zu unannehmbaren Wertungswidersprüchen. Schließlich kann die fehlende Kausalität zwischen Kostenbelastung des Versicherten und Leistungsversagung der Krankenkasse nur nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs überwunden werden.
Hier hätte es dem versorgenden Hörgeräteakustiker als Hilfsmittellieferant oblegen, den Kläger über die Notwendigkeit der Einhaltung des Beschaffungsweges umfassend aufzuklären. Das hat der Zeuge B unterlassen, weil ihm nach seiner glaubhaften Einlassung in der mündlichen Verhandlung die Problematik der erforderlichen Kausalität zwischen Kostenbelastung des Versicherten und Leistungsversagung überhaupt nicht bewusst war, zumal sich die Krankenkassen - wie auch hier zunächst die Beklagte - in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen darauf nicht berufen hatten. Er hat zwar gemeinsam mit dem Kläger überlegt, wie die Versorgung unter Verwendung der vorgegebenen Formulare zum Abschluss gebracht und von der Firma KIND Hörgeräte mit der Beklagten abgerechnet werden kann, ohne den Anspruch des Klägers auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung zu gefährden. Diese Überlegungen richteten sich jedoch allein darauf, den Eindruck einer Verzichtserklärung des Klägers gegenüber der Beklagten zu vermeiden und führten deshalb zu dessen handschriftlichen Zusatz, dass die Erklärung zu Mehrkosten nur gegenüber der Firma KIND gelte und insbesondere keine Forderungen ausschließe, die er gegenüber der Beklagten geltend machen möchte.
Der Beratungsfehler des Hörgeräteakustikers ist der Beklagten auch zuzurechnen. Wer sich seiner leistungsrechtlichen Verantwortung durch den Abschluss eines Vertrages zur Komplettversorgung mit Hörsystemen nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer vom Beginn bis zum Abschluss der Versorgung die gesamte Betreuung des Versicherten überlässt, erfüllt weder seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33
SGB V noch seine Aufklärungs- und Beratungspflichten nach §§ 13
ff. SGB I. Wer sich bereits der Pflicht zur Antragsentgegennahme verweigert, kann sich nicht darauf berufen, es habe sich kein konkreter Anlass zur Beratung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ergeben. Hierauf hat sich die Beklagte zunächst auch selbst nicht gestützt. Denn dann wäre es konsequent gewesen, die Hilfsmittelbewilligung insgesamt wegen einer Vertragsverletzung des Hörgeräteakustikers und Nichteinhaltung des Beschaffungsweges abzulehnen. Schließlich hat die Firma KIND Hörgeräte die Versorgung des Klägers erstmals mit dem Abschlussbericht angezeigt und somit das im BIHA-Vertrag vorgesehene Procedere nicht eingehalten. Stattdessen hat die Beklagte aber die Pauschale von 638,40
EUR übernommen und sich hinsichtlich der Mehrkosten auf eine von ihr nicht zu leistende Optimalversorgung berufen.
Insoweit wendet der Kläger aber zu Recht ein, dass ihm geeignete eigenanteilsfreie Versorgungsvorschläge entgegen der von ihm unterzeichneten Mehrkostenerklärung und der Erklärung des Hörgeräteakustikers im Abschlussbericht zur Hörsystemversorgung vom 28. August 2007 nicht unterbreitet worden sind. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sämtliche Geräte, die die Firma KIND Hörgeräte zum Festpreis abgegeben hätte, das von der HNO-Klinik des UKSH vorgegebene Versorgungsziel, eine Verbesserung des Hörvermögens gegenüber der bisherigen Versorgung zu erreichen und somit ein CI-Implantat zu vermeiden, bereits aufgrund der mangelnden Regeltiefen und der auftretenden Rückkopplungsgeräusche nicht gewährleisten konnten. Der Senat hat keinen Anlass, den Wahrheitsgehalt der insoweit übereinstimmenden Aussagen des Klägers und des Zeugen B zu bezweifeln. Entsprechende Einwände sind auch von der Beklagten nicht vorgebracht worden. Sie stützt ihre Argumentation im Wesentlichen darauf, dass es sogenannte "Festbetragshörgeräte" nicht gebe, sondern es dem jeweiligen Hörgeräteakustiker obliege zu entscheiden, welche Hörgeräte er zu den vereinbarten Festbeträgen abgebe. Letztlich sei es sein wirtschaftliches Risiko, wenn er Versicherte mit starkem Hörverlust zu versorgen habe und günstigere Geräte für einen angemessenen Ausgleich des Hörverlusts nicht geeignet seien. Dabei verkennt die Beklagte jedoch, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
BSG im Urteil vom 17. Dezember 2009 -
B 3 KR 20/08 R -, veröffentlicht in juris -, der sich der erkennende Senat uneingeschränkt anschließt, auch
GKV-Versicherte Anspruch auf die Hörgeräteversorgung haben, die eine nach dem Stand der Medizintechnik bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubt, soweit dies im Alltagsleben einen erheblichen Gebrauchsvorteil bietet. Die Festbetragsregelung ermächtigt als Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu Leistungsbegrenzungen nur im Hinblick auf die Kostengünstigkeit der Versorgung, nicht aber zu Einschränkungen des
GKV-Leistungskatalogs; kann mit einem Festbetrag die nach dem
GKV-Leistungsstandard gebotene Versorgung durch Festbeträge nicht zumutbar gewährleistet werden, bleibt die Krankenkasse weiterhin zur Sachleistung verpflichtet.
Im Falle des Klägers konnten - auch im Alltagsleben - unzumutbare Rückkopplungsgeräusche beim Lächeln und Kauen durch kostengünstigere Hörgeräte als das von ihm gewählte nach der glaubhaften Aussage des Zeugen B nicht vermieden werden. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die erfolgte Versorgung zugleich einen beruflichen Gebrauchsvorteil bot. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Sachverständigenbeweis ist dem Senat verwehrt, weil die Messergebnisse der ausprobierten günstigeren Geräte nicht gespeichert wurden und somit ein Vergleich der Hörkurven ausscheidet, weil diese im Nachhinein nicht mehr reproduzierbar sind. Die Beweislast für eine kostengünstigere Versorgungsmöglichkeit gleicher Qualität trägt die Beklagte. Der Kläger hatte mithin, wovon auch das Sozialgericht zutreffend ausgeht, einen Sachanspruch auf das streitgegenständliche Hörgerät.
Der Kläger hat auch durch Vorlage der Rechnung der Firma KIND Hörgeräte vom 27. Dezember 2007 belegt, dass ihm eine Kostenbelastung von 930,00
EUR entstanden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Der Senat hat im Hinblick darauf, dass er von einer Divergenz des 1. und des 3. Senats des
BSG im Hinblick auf die Anwendbarkeit des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs im Rahmen der gesetzlichen Kostenerstattungsregelung des § 13
Abs. 3
SGB V ausgeht, die Revision nach § 160
Abs. 2
Nr. 2
SGG zugelassen. Außerdem wird der Rechtssache im Hinblick auf die hier entscheidende Rechtsfrage, ob ein Beratungsfehler des Leistungserbringers über den einzuhaltenden Beschaffungsweg der Krankenkasse zuzurechnen ist, grundsätzliche Bedeutung nach § 160
Abs. 2
Nr. 1
SGG zugemessen.