Die Entscheidung konnte im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter ergehen,
vgl. §§ 101
Abs. 2, 87a
Abs. 3
i.V.m. Abs. 2
VwGO.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Sie ist allerdings zulässig.
Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 54
Abs. 1 BeamtStG eröffnet. Der Kläger stützt den von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht auf eine Amtspflichtverletzung, für die der ordentliche Rechtsweg nach § 40
Abs. 2 Satz 1
VwGO gegeben wäre, sondern auf eine Verletzung der allgemeinen beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 42
Abs. 1
VwGO statthaft, da die Schadensersatzgewährung durch Verwaltungsakt zu geschehen hat,
vgl. Urteil der Kammer vom 9. Februar 2005 - 2 K 3678/03 -; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Auflage, Rn. 419, Fn. 242
m.w.N.Der Klageantrag ist
gem. § 82
Abs. 1 Satz 2
VwGO ausreichend bestimmt, da er auf die Einräumung einer günstigeren Rechtsstellung gerichtet ist, welche im Klageantrag genau bezeichnet wird und nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften bestimmbar ist.
Jedoch ist die Klage unbegründet.
Der Bescheid der Bezirksregierung vom 6. August 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113
Abs. 5
VwGO). Er hat keinen Anspruch gegen den Beklagten, im Wege des Schadensersatzes wegen einer von ihm so nicht gewollten Zurruhesetzung gemäß § 45
Abs. 4
Nr. 1
LBG a.F. so gestellt zu werden, als ob er bei seinem Ruhegehalt keinen Versorgungsabschlag in Höhe von 7,2 % gemäß § 14
Abs. 3 BeamtVG hinzunehmen hätte. Demgemäß steht ihm auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen auf den Differenzbetrag zu.
Der Kläger kann einen solchen Anspruch insbesondere nicht aus einer Verletzung der Fürsorgepflicht durch seinen Dienstherrn gemäß § 85
LBG a.F. (heute: § 45 BeamtStG) herleiten. Hiernach hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie zu sorgen, und zwar auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses. Er schützt ihn bei seiner amtlichen Tätigkeit und in seiner Stellung als Beamter. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung dieser Fürsorgepflicht setzt voraus, dass die für den Dienstherrn handelnden Personen schuldhaft eine gegenüber dem Beamten bestehende Pflicht des Dienstherrn verletzt haben, dem Beamten dadurch adäquat kausal ein Vermögensschaden entstanden ist und er es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (
OVG NRW), Urteil vom 6. November 2008 - 6 A 2186/05 -; Beschluss vom 30. Dezember 2009 - 6 A 921/07 -, jeweils www.nrwe.de.
Zwar spricht Vieles dafür, dass der zuständige Sachbearbeiter bei der Bezirksregierung, Herr U, schuldhaft die dem Kläger gegenüber bestehende Fürsorgepflicht verletzt hat, weil er trotz der Mehrdeutigkeit des Zurruhesetzungsantrages beim Kläger nicht nachgefragt hat, wie dieser seinen Antrag gemeint hat. Der Zurruhesetzungsantrag vom 15. Oktober 2006 war keineswegs eindeutig darauf gerichtet, allein wegen Vollendung des 63. Lebensjahres zur Ruhe gesetzt zu werden. Zwar hat der Kläger auf diesen Umstand hingewiesen, gleichzeitig aber darum gebeten, ihn aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe zu setzen. Auch erwähnte er seinen Grad der Behinderung von 40 v.H. und dem Umstand, dass er einen Verschlimmerungsantrag gestellt habe. Damit war der Antrag zumindest klärungsbedürftig. In einer solchen Situation wäre es die Pflicht des zuständigen Sachbearbeiters gewesen, mit dem Kläger Rücksprache zu nehmen, ihn
ggf. über die rechtlichen Konsequenzen von Zurruhesetzungsanträgen aus Altersgründen
bzw. aus gesundheitlichen Gründen hinzuweisen und letztlich zu ermitteln, auf welchen Grund er sich bei der von ihm begehrten Zurruhesetzung stützt. Unklarheiten bei Zurruhesetzungsanträgen dürfen nämlich nicht durch Auslegung beseitigt werden. Vielmehr hat die zuständige Behörde den Antrag nötigenfalls mit dem Beamten zu erörtern.
Vgl. Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, Archiv Ordner I (Kommentierung Allgemeines Beamtenrecht anhand des
LBG NRW i.d.F. vom 1. Mai 1981), § 45
LBG Rn. 125.
Dies hat der Sachbearbeiter der Bezirksregierung jedoch nicht getan, sondern ohne weitere Aufklärung am 4. April 2007 die vorzeitige Zurruhesetzung aus Altersgründen verfügt. Damit dürfte er zumindest fahrlässig gegen die ihm obliegende, sich aus § 85
LBG a.F. ergebende Aufklärungs- und Beratungspflicht verstoßen haben.
Die Bekanntgabe des Zurruhesetzungsbescheides vom 4. April 2007 dürfte zudem kausal für den vom Kläger geltend gemachten Schaden gewesen sein. Wäre der Kläger vor Erlass des Bescheides gefragt worden, worauf er die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand stützen wolle, hätte er darauf hingewiesen, dass er gesundheitliche Gründe oder die von ihm erwartete Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft geltend mache. Bei einer Zurruhesetzung auf Antrag aus gesundheitlichen Gründen (
vgl. § 45
Abs. 1
LBG a.F.) oder wegen Schwerbehinderung (
vgl. § 45
Abs. 4
Nr. 2
LBG a.F.) wäre es aber gemäß § 14
Abs. 3 BeamtVG ( in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999, BGBl. I
S. 322, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juli 2006, BGBl. I
S. 1652) nicht zu einer Verminderung des Ruhegehaltes um 3,6 v.H. pro Jahr gekommen, weil der Kläger erst nach Vollendung seines 63. Lebensjahres in den Ruhestand gehen wollte.
Letztlich kann die Frage einer schuldhaften und für den Schadenseintritt kausalen Pflichtverletzung aber offen bleiben. Hierauf kommt es nicht an. Es fehlt nämlich jedenfalls an einer weiteren Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch: Der Kläger hat es schuldhaft unterlassen, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (Rechtsgedanke des § 839
Abs. 3
BGB), da er nicht rechtzeitig Widerspruch gegen den - wohl rechtsfehlerhaften - Zurruhesetzungsbescheid vom 4. April 2007 eingelegt hat. Wäre dies geschehen, wäre der Bescheid noch vor Eintritt des Klägers in den Ruhestand zum 1. August 2007 aufgehoben worden. Die Versetzung in den Ruhestand konnte gemäß § 47
Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BBG a.F. bis zum Beginn des Ruhestandes zurückgenommen werden,
vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 -
2 C 22.06 -, juris.
Der Kläger hätte Widerspruch einlegen können. Im April und Mai 2007 waren Bescheide in beamtenrechtlichen Statussachen noch mit einem Widerspruch gemäß §§ 68
ff. VwGO anzufechten. Das Vorverfahren in Sachen dieser Art wurde in
NRW erst zum 1. November 2007 durch das Zweite Gesetz zum Bürokratieabbau vom 9. Oktober 2007 (GV.
NRW.
S. 393) abgeschafft. Der Kläger hat den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Zurruhesetzungsbescheid vom 4. April 2007 jedoch nicht innerhalb der Monatsfrist des § 70
Abs. 1 Satz 1
VwGO mit einem Widerspruch angegriffen, sondern erstmalig am 3. September 2007 und damit zu spät schriftlich Widerspruch eingelegt. Hierauf ist abzustellen. Sein einige Tage vor dem 22. Juni 2007 - und damit zwar auch nach Ablauf der Monatsfrist, aber noch vor Eintritt in den Ruhestand zum 1. August 2007 - geführtes Telefonat mit dem Sachbearbeiter der Bezirksregierung (
vgl. Sitzungsniederschrift vom 28. September 2010) kann hingegen nicht als Widerspruch gewertet werden. Zwar hat der Kläger bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, dass er aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe gesetzt werden wolle und damit hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, mit dem Bescheid in dieser Form nicht einverstanden zu sein. Jedoch ist ein Widerspruch gemäß § 70
Abs. 1 Satz 1
VwGO schriftlich oder zur Niederschrift der Behörde zu erheben. Dieser Form genügt ein einfaches Telefonat nicht. Vgl. Kopp/Schenke,
VwGO, Kommentar, 15. Auflage, § 70 Rn. 2.
Dem Kläger brauchte wegen des verspäteten Widerspruchs auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60
VwGO gewährt zu werden. Ihm war spätestens bei dem Mitte Juni 2007 mit dem Sachbearbeiter geführten Telefonat klar, dass die Zurruhesetzung nicht in der Weise erfolgt war, wie er es gewünscht hatte. Von diesem Zeitpunkt an hätte er binnen zwei Wochen den Wiedereinsetzungsantrag stellen oder den Widerspruch nachholen müssen (§ 60
Abs. 2
VwGO). Das ist indes nicht geschehen. Der Zurruhesetzungsbescheid vom 4. April 2007 ist damit bestandskräftig geworden.
Das Unterlassen eines rechtzeitigen Rechtsbehelfs hat der Kläger verschuldet. Es ist ihm auch unter den hier vorliegenden, besonderen Umständen subjektiv vorwerfbar, sich nicht früher unter Einhaltung der Widerspruchsfrist gegen den Bescheid gewandt zu haben. Insoweit hat er sich fahrlässig verhalten, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch das Zuwarten nach Erhalt des Zurruhesetzungsbescheides verletzt hat. Im Einzelnen:
Der Kläger war als Grundschullehrer Beamter des gehobenen Dienstes. Bei ihm war also ein Bildungsniveau vorhanden, das ihn grundsätzlich in die Lage versetzte, den Zurruhesetzungsbescheid zu verstehen. Soweit er dies nicht auf Anhieb konnte, weil die Bezirksregierung eine im Bescheid nicht weiter erläuterte Vorschrift aus dem Landesbeamtengesetz genannt hat, wäre er fähig gewesen, diese Vorschrift entweder nachzuschlagen und zu lesen oder jemanden zu fragen, der hierzu in der Lage war. Ein solches Vorgehen drängte sich in seinem Fall auch auf. Zum einen handelt es sich bei der eigenen Zurruhesetzung um ein einmaliges Ereignis, das sich auf die weitere Lebensgestaltung entscheidend auswirkt. Es liegt daher nahe, dass ein Betroffener die hiermit im Zusammenhang stehenden Vorgänge und Schriftstücke besonders sorgfältig prüft. Zum anderen hat der Kläger im Erörterungstermin berichtet, sich bereits im Jahr 2005 über die Einzelheiten einer vorzeitigen Zurruhesetzung wegen Schwerbehinderung ohne Versorgungsabschläge informiert zu haben. Ihm musste also klar sein, dass eine vorzeitige, abschlagsfreie Zurruhesetzung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Daher bestand für ihn sogar Anlass, den Bescheid vom 4. April 2007 besonders sorgfältig zu prüfen. Dies hat er jedoch trotz der Rechtsbehelfsbelehrung, die auf die Widerspruchsmöglichkeit innerhalb eines Monats hinwies, über zwei Monate lang nicht getan, sodass ihm der aus seiner Sicht falsche Zurruhesetzungsgrund nicht auffiel und er den Bescheid bestandskräftig werden ließ. Deshalb ist er nicht so sorgfältig vorgegangen, wie es im Rechtsverkehr und besonders in seinem Fall erforderlich war, und hat sich deshalb fahrlässig verhalten.
Dem steht nicht entgegen, dass er den Bescheid in seinem Sinne gedeutet hat und davon ausging, auf eine Art zur Ruhe gesetzt worden zu sein, die für ihn nicht mit Versorgungsabschlägen verbunden war. Nach seiner Vorstellung hatte er einen Antrag gestellt, der auf eine Zurruhesetzung wegen Schwerbehinderung nach Vollendung des 63. Lebensjahres gerichtet war. Er hatte sich - wie ausgeführt - bei einer Beratung im Jahre 2005 darüber informiert, dass er nach Vollendung des 63. Lebensjahres ohne Versorgungsabschläge zur Ruhe gesetzt werden kann, wenn er schwerbehindert ist. Dieses Ziel hat er daraufhin verfolgt. Daher hat er in seinem Antrag vom 15. Oktober 2006 die Formulierung "aus gesundheitlichen Gründen bei einem
GdB von 40 v.H., Verschlimmerungsantrag läuft" gewählt. Auf die Vollendung des 63. Lebensjahres hat er deshalb verwiesen, weil er bei einer Zurruhesetzung wegen Schwerbehinderung, die erst nach diesem Zeitpunkt erfolgt, keine Versorgungsabschläge hätte hinnehmen müssen. Er war mithin davon überzeugt, einen Zurruhesetzungsantrag gestellt zu haben, der auf die Schwerbehinderung
bzw. gesundheitliche Gründe gestützt ist. Nachdem es dann im Bescheid vom 4. April 2007 hieß, er werde "antragsgemäß" zur Ruhe gesetzt, war er nach seinen Angaben im Erörterungstermin überzeugt, das Verfahren laufe in seinem Sinne.
Diese Überzeugung ist zwar nachvollziehbar, doch entbindet sie den Kläger nicht von einer sorgfältigen Überprüfung des Bescheides. Es wäre für ihn weder mit großem Aufwand verbunden gewesen, die dort genannte Vorschrift nachzulesen, noch war dies angesichts der großen Bedeutung eines Zurruhesetzungsbescheides für den Betroffenen im Allgemeinen und für den auf die Vermeidung finanzieller Verluste bei der Versorgung bedachten Kläger im Besonderen entbehrlich. Ihm ist deshalb vorzuwerfen, dem im Bescheid enthaltenen Hinweis auf § 45
Abs. 4
Nr. 1
LBG a.F. nicht nachgegangen zu sein. Damit hat der Kläger durch das Abwarten nach Erhalt des Bescheides bis Mitte Juni 2007 gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen und sich mithin schuldhaft im Sinne des § 839
Abs. 3
BGB verhalten.
Auf die Frage, ob daneben auch § 3
Abs. 1 BeamtVG (
Abs. 1: Die Versorgung der Beamten ... wird durch Gesetz geregelt.
Abs. 2 Satz 1: Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche, die dem Beamten eine höhere als die ihm gesetzlich zustehende Versorgung verschaffen sollen, sind unwirksam.) einem auf abschlagsfreie Versorgung gerichteten Schadensersatzanspruch entgegensteht, so
VG Düsseldorf, Urteil vom 31. Mai 2010 - 23 K 485/08 - , kommt es nach alledem nicht an.
Daher war die Klage mit der sich aus § 154
Abs. 1
VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 711
ZPO.
Das Gericht lässt die Berufung nicht gemäß § 124 a
Abs. 1 Satz 1
VwGO zu, weil es die Voraussetzungen des § 124
Abs. 2
Nr. 3 und 4
VwGO nicht für gegeben erachtet.