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Urteil
Schadensersatz wegen Fehlverhaltens der personalführenden Stelle im Zurruhesetzungsverfahren

Gericht:

VG Düsseldorf 2. Kammer


Aktenzeichen:

2 K 5662/09


Urteil vom:

19.10.2010


Grundlage:

  • LBG § 45

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der am 0. April 1944 geborene Kläger stand seit 1970 als verbeamteter Lehrer im öffentlichen Schuldienst des beklagten Landes und war zuletzt an der städtischen Gemeinschaftsgrundschule I-Schule in O tätig. Er begehrt Schadensersatz wegen Fehlverhaltens der personalführenden Stelle im Zusammenhang mit seiner Zurruhesetzung.

Unter dem 15. Oktober 2006 schrieb er der Bezirksregierung E (nachfolgend: Bezirksregierung):

Ich werde am 5. April 2007 mein 63. Lebensjahr vollenden und bitte daher, mich mit Ablauf des Schuljahres 2006/2007, d.h. zum 1. August 2007, aus gesundheitlichen Gründen bei einem GdB von 40 v. H., Verschlimmerungsantrag läuft, in den Ruhestand zu versetzen.

Die Bezirksregierung wies ihn mit Schreiben vom 33. November 2006 darauf hin, eine Bearbeitung derartiger Anträge erfolge nur zeitnah, er werde rechtzeitig weitere Nachricht erhalten. Den Ausgang des die Schwerbehinderung betreffenden Verfahrens möge er mitteilen.

Mit Bescheid vom 4. April 2007, zugestellt am 7. April 2007, versetzte ihn die Bezirksregierung "gemäß § 45 Abs. 4 Nr. 1 Landesbeamtengesetz (LBG) antragsgemäß mit Ablauf des 31. Juli 2007 in den vorzeitigen Ruhestand". Die vorgenannte Vorschrift (zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2003, GV. NRW. S. 814; in Kraft bis zum 31. März 2009, daher nachfolgend: LBG a.F.) besagt, dass ein Beamter ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit auf seinen Antrag frühestens mit Vollendung des dreiundsechzigsten Lebensjahres in den Ruhestand versetzt werden kann.

Ausweislich eines Vermerks vom 22. Juni 2007 war der zuständige Sachbearbeiter der Bezirksregierung, Herr U, der Auffassung, der Kläger müsse vor Beginn des Ruhestandes amtsärztlich auf seine Dienstfähigkeit hin untersucht werden, und kündigte ihm dies mit Schreiben vom selben Tag an; irrtümlich sei diese Untersuchung nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt. Am 12. Juli 2007 unterzog sich der Kläger auf Veranlassung der Bezirksregierung einer solchen Untersuchung beim Gesundheitsamt des Rhein-Kreises Neuss.

Am 3. September 2007 legte er Widerspruch gegen den Zurruhesetzungsbescheid vom 4. April 2007 ein. Hilfsweise beantragte er, das Zurruhesetzungsverfahren gemäß § 51 VwVfG wieder aufzunehmen. Zur Begründung führte er aus, der Grund für die Zurruhesetzung sei § 45 Abs. 4 Nr. 2 LBG a.F., weil ihm vom Versorgungsamt ein GdB von 40 v.H. zuerkannt worden sei und er einen Verschlimmerungsantrag gestellt habe. Dieser werde dazu führen, dass spätestens ab Juli 2007 bei ihm eine Behinderung von 50 v.H. vorliege. Damit sei er als schwerbehindert im Sinne des § 45 Abs. 4 Nr. 2 LBG a.F. anzusehen. Nach dieser Vorschrift kann ein Beamter ohne Nachweis der Dienstunfähigkeit auf seinen Antrag frühestens mit Vollendung des sechzigsten Lebensjahres in den Ruhestand versetzt werden, wenn er schwerbehindert im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX ist. Weiter führte der Kläger aus, seine - zu erwartende - Schwerbehinderung müsse als wesentliche Änderung der Sachlage gemäß § 51 VwVfG berücksichtigt werden. Dies führe dazu, dass die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge ohne einen Versorgungsabschlag gemäß § 14 Abs. 3 BeamtVG festgesetzt werden müssten. Der Widerspruch könne bis zur abschließenden Bearbeitung des Verschlimmerungsantrages durch das Versorgungsamt ruhen.

Mit weiterem Schreiben vom 11. September 2007 beantragte der Kläger, als Grund für die Zurruhesetzung § 45 Abs. 1 LBG a.F. anzunehmen. Er habe in seinem Antrag vom 15. Oktober 2006 deutlich gemacht, dass er aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt werden wolle, sich also für dienstunfähig halte. Eine amtsärztliche Untersuchung zur Überprüfung seiner Dienstfähigkeit sei auf Veranlassung der Bezirksregierung auch durchgeführt worden. Bei Feststellung seiner Dienstunfähigkeit trete eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage zu seinen Gunsten ein; auch liege dann ein neues Beweismittel vor. Werde er wegen Dienstunfähigkeit oder Schwerbehinderung in den Ruhestand geschickt, habe er keine Versorgungsabschläge hinzunehmen.

Die Amtsärztin teilte der Bezirksregierung unter dem 23. Oktober 2007 mit, beim Kläger bestehe Dienstunfähigkeit.

Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Februar 2008 wies die Bezirksregierung den Widerspruch wegen Versäumung der Widerspruchsfrist als unzulässig zurück. Auch der Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens sei unzulässig, weil der Kläger nicht ohne grobes Verschulden außerstande gewesen sei, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren geltend zu machen. Die Rechtsgrundlage, auf die sich der Zurruhesetzungsbescheid stütze, sei dort benannt worden und ihm, dem Kläger, mithin bekannt gewesen, ohne dass er innerhalb der Widerspruchsfrist dagegen vorgegangen sei.

Hiergegen erhob der Kläger am 12. Februar 2008 Klage vor dem erkennenden Gericht (2 K 1165/08), mit der er unter Abänderung der Zurruhesetzungsverfügung begehrte, ihn auf der Grundlage des § 45 Abs. 1 LBG a.F. zur Ruhe zu setzen. Auf Hinweis des Gerichts zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2007 - 2 C 22.06 - und insbesondere dazu, dass die Geltendmachung von Schadensersatz eine unzulässige Klageänderung sei, nahm der Kläger am 21. April 2009 die Klage zurück.

Ausweislich eines am 13. November 2008 vor dem Landessozialgericht F geschlossenen Vergleiches (L 7 SB 67/07) bestand beim Kläger ab Juli 2006 ein Grad der Behinderung in Höhe von 50 v.H.

Mit Schreiben vom 3. Februar 2009 machte der Kläger gegenüber der Bezirksregierung vorsorglich den Schaden in Höhe des Versorgungsabschlages, der gemäß § 14 Abs. 3 BeamtVG in Höhe von 7,2 % von seinem Ruhegehalt abgezogen wird, geltend. Dieser sei auf Grund einer schuldhaften Pflichtverletzung der Bezirksregierung und des Schulamtes des Kreises O entstanden. Der Zurruhesetzungsantrag sei falsch ausgelegt worden, weil der dort zum Ausdruck gekommene Wunsch, wegen Dienstunfähigkeit bzw. Schwerbehinderung zur Ruhe gesetzt zu werden, nicht berücksichtigt worden sei. Auch seien Aufklärungspflichten verletzt worden. Hierdurch sei der Zurruhesetzung ein falscher Grund zu Grunde gelegt worden, was zu dem Schaden in Höhe des Versorgungsabschlages geführt habe. Dass auch die Bezirksregierung die Zurruhesetzung aus gesundheitlichen Gründen habe betreiben wollen, ergebe sich daraus, dass sie eine amtsärztliche Untersuchung angeordnet habe. In dem entsprechenden Schreiben vom 22. Juni 2007 werde ausdrücklich zugestanden, die amtsärztliche Untersuchung irrtümlich nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt veranlasst zu haben. Dass der Zurruhesetzungsbescheid nicht in diesem Sinne abgeändert worden sei, stelle ebenso eine Pflichtverletzung dar wie die unterbliebene Aufklärung, dass eine Abänderung des Zurruhesetzungsgrundes durch ein rechtzeitiges Zurückziehen des Antrages habe erreicht werden können. Diese Aufklärungspflicht ergebe sich insbesondere daraus, dass die Bezirksregierung durch die Ankündigung der amtsärztlichen Untersuchung suggeriert habe, es seien alle notwendigen Schritte für eine Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit in die Wege geleitet worden.

Mit Bescheid vom 6. August 2009 wies die Bezirksregierung den geltend gemachten Schadensersatzanspruch zurück. Der auf Zurruhesetzung gerichtete Antrag des Klägers habe vorrangig Bezug auf das Erreichen des 63. Lebensjahres genommen. Nachdem er das Bestätigungsschreiben von November 2006 erhalten habe, ohne dass eine amtsärztliche Untersuchung veranlasst worden sei, habe er bei der Bezirksregierung bzw. beim Schulamt nachfragen müssen. Das habe er unterlassen und den Zurruhesetzungsbescheid vom 4. April 2007 bestandskräftig werden lassen. Erst danach habe er sich wegen einer amtsärztlichen Untersuchung an die Bezirksregierung gewandt. Hiernach liege eine schuldhafte Pflichtverletzung nicht vor. Auch habe die Schwerbehinderung des Klägers zum Zeitpunkt seiner Zurruhesetzung noch nicht berücksichtigt werden können. Vielmehr sei die Behörde hinsichtlich des Grundes der Zurruhesetzung an den Antrag gebunden.

Der Kläger hat am 2. September 2009 die vorliegende Klage erhoben, mit der er das Schadensersatzbegehren weiter verfolgt. Er wiederholt und vertieft zur Begründung sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, er stütze sein Anliegen auf eine Verletzung der allgemeinen Fürsorgepflicht. Der Dienstherr habe schuldhaft seine sich aus der Fürsorgepflicht ergebenden Aufklärungspflichten verletzt. Außerdem bestehe die Pflichtverletzung auch darin, dass in dem Zurruhesetzungsbescheid ein falscher Grund angegeben und dies auch dann nicht korrigiert worden sei, nachdem die Bezirksregierung ihren Fehler erkannt habe. Sie habe durch die noch vor dem Zurruhesetzungszeitpunkt erfolgte Einleitung einer amtsärztlichen Untersuchung zugestanden, dass eine Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit zu erfolgen habe. Desweiteren sei eine Pflichtverletzung auch darin zu sehen, dass er nicht darüber aufgeklärt worden sei, dass er zur Abänderung des Grundes für die Zurruhesetzung seinen Antrag habe zurückziehen können. Hierzu sei die Bezirksregierung insbesondere deshalb verpflichtet gewesen, weil sie ihm durch die Einleitung der amtsärztlichen Untersuchung suggeriert habe, bei Feststellung der Dienstunfähigkeit nicht mit finanziellen Nachteilen rechnen zu müssen. Er habe deshalb den Eindruck gewinnen müssen, weiter nichts tun zu müssen, um wegen Dienstunfähigkeit zur Ruhe gesetzt zu werden. Soweit sich die Bezirksregierung darauf berufe, er habe den Bescheid bestandskräftig werden lassen, verkenne sie, dass er durch Rücknahme seines Zurruhesetzungsantrages eine Abänderung in seinem Sinne habe erreichen können. Außerdem habe sie nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist das Zurruhesetzungsverfahren gemäß § 51 VwVfG selbst wieder aufgenommen, indem sie die amtsärztliche Überprüfung seiner Dienstfähigkeit in die Wege geleitet habe. Daher setzte sie sich in Widerspruch zu ihrem eigenen, vorhergehenden Verhalten, wenn sie sich auf die spätere formelle Ablehnung des Wideraufgreifens und die Bestandskraft des Bescheides berufe. Im übrigen habe er die rechtlichen Konsequenzen der Verzögerung des Verfahrens nicht erkennen können.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,

das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 6. August 2009 zu verpflichten, ihn, den Kläger, im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als ob dieser bei seinem Ruhegehalt keinen Versorgungsabschlag in Höhe von 7,2 % gemäß § 14 Abs. 3 BeamtVG hinzunehmen hätte,

und das beklagte Land zu verurteilen, ihm den Differenzbetrag zwischen den Versorgungsbezügen mit und ohne Versorgungsabschlag ab seiner Zurruhesetzung in Höhe von 5 Prozentpunkten ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Auffassung, das Verwaltungsgericht sei sachlich unzuständig. Der den Schadensersatz ablehnende Bescheid sei nur irrtümlich mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen worden. In der Sache habe keine schuldhafte Pflichtverletzung stattgefunden. Vielmehr habe es der Kläger fahrlässig unterlassen, rechtzeitig an die Erledigung seines Antrages auf nachträgliche Änderung der Zurruhesetzungsverfügung zu erinnern. Nachdem ihm im November 2006 ein Bestätigungsschreiben zugegangen sei, ohne dass eine amtsärztliche Untersuchung veranlasst worden wäre, habe er nachfragen müssen. Er habe indes nicht nur dies unterlassen, sondern auch den Zurruhesetzungsbescheid bestandskräftig werden lassen. Diesem Bescheid habe durch die Nennung der zu Grunde gelegten Vorschrift auch der Grund für die Zurruhesetzung entnommen werden können. Dennoch habe sich der Kläger in der Folge zunächst um den Grund der Zurruhesetzung nicht weiter gekümmert, sich darauf verlassen, der Bescheid werde schon richtig sein und ihn bestandskräftig werden lassen. Indes könne vom Kläger, der als Lehrer der Laufbahn des gehobenen Dienstes angehört habe, verlangt werden, den Bescheid nicht ungeprüft zu lassen. Damit habe er es vorwerfbar im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB unterlassen, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsbehelfs zu verhindern. Die Bezirksregierung habe im übrigen auf Grund des zunächst fehlenden amtsärztlichen Gutachtens keine Änderung des Grundes für die Zurruhesetzung veranlassen können.

Im Rahmen eines Erörterungstermins hat der Beklagte ferner auf § 3 Abs. 1 BeamtVG verwiesen, wonach die Beamtenversorgung durch Gesetz geregelt wird. Diese Vorschrift stehe der Gewährung von Schadensersatz entgegen. Das habe das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einem Urteil vom 31. Mai 2010 (23 K 485/08) entschieden. Hierzu hat der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2010 Ausführungen gemacht, auf die verwiesen wird.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Entscheidungsgründe:

Die Entscheidung konnte im Einvernehmen mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter ergehen, vgl. §§ 101 Abs. 2, 87a Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 VwGO.

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sie ist allerdings zulässig.

Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 54 Abs. 1 BeamtStG eröffnet. Der Kläger stützt den von ihm geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht auf eine Amtspflichtverletzung, für die der ordentliche Rechtsweg nach § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegeben wäre, sondern auf eine Verletzung der allgemeinen beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO statthaft, da die Schadensersatzgewährung durch Verwaltungsakt zu geschehen hat,

vgl. Urteil der Kammer vom 9. Februar 2005 - 2 K 3678/03 -; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 5. Auflage, Rn. 419, Fn. 242 m.w.N.

Der Klageantrag ist gem. § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO ausreichend bestimmt, da er auf die Einräumung einer günstigeren Rechtsstellung gerichtet ist, welche im Klageantrag genau bezeichnet wird und nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften bestimmbar ist.

Jedoch ist die Klage unbegründet.

Der Bescheid der Bezirksregierung vom 6. August 2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Er hat keinen Anspruch gegen den Beklagten, im Wege des Schadensersatzes wegen einer von ihm so nicht gewollten Zurruhesetzung gemäß § 45 Abs. 4 Nr. 1 LBG a.F. so gestellt zu werden, als ob er bei seinem Ruhegehalt keinen Versorgungsabschlag in Höhe von 7,2 % gemäß § 14 Abs. 3 BeamtVG hinzunehmen hätte. Demgemäß steht ihm auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen auf den Differenzbetrag zu.

Der Kläger kann einen solchen Anspruch insbesondere nicht aus einer Verletzung der Fürsorgepflicht durch seinen Dienstherrn gemäß § 85 LBG a.F. (heute: § 45 BeamtStG) herleiten. Hiernach hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie zu sorgen, und zwar auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses. Er schützt ihn bei seiner amtlichen Tätigkeit und in seiner Stellung als Beamter. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung dieser Fürsorgepflicht setzt voraus, dass die für den Dienstherrn handelnden Personen schuldhaft eine gegenüber dem Beamten bestehende Pflicht des Dienstherrn verletzt haben, dem Beamten dadurch adäquat kausal ein Vermögensschaden entstanden ist und er es nicht schuldhaft unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil vom 6. November 2008 - 6 A 2186/05 -; Beschluss vom 30. Dezember 2009 - 6 A 921/07 -, jeweils www.nrwe.de.

Zwar spricht Vieles dafür, dass der zuständige Sachbearbeiter bei der Bezirksregierung, Herr U, schuldhaft die dem Kläger gegenüber bestehende Fürsorgepflicht verletzt hat, weil er trotz der Mehrdeutigkeit des Zurruhesetzungsantrages beim Kläger nicht nachgefragt hat, wie dieser seinen Antrag gemeint hat. Der Zurruhesetzungsantrag vom 15. Oktober 2006 war keineswegs eindeutig darauf gerichtet, allein wegen Vollendung des 63. Lebensjahres zur Ruhe gesetzt zu werden. Zwar hat der Kläger auf diesen Umstand hingewiesen, gleichzeitig aber darum gebeten, ihn aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe zu setzen. Auch erwähnte er seinen Grad der Behinderung von 40 v.H. und dem Umstand, dass er einen Verschlimmerungsantrag gestellt habe. Damit war der Antrag zumindest klärungsbedürftig. In einer solchen Situation wäre es die Pflicht des zuständigen Sachbearbeiters gewesen, mit dem Kläger Rücksprache zu nehmen, ihn ggf. über die rechtlichen Konsequenzen von Zurruhesetzungsanträgen aus Altersgründen bzw. aus gesundheitlichen Gründen hinzuweisen und letztlich zu ermitteln, auf welchen Grund er sich bei der von ihm begehrten Zurruhesetzung stützt. Unklarheiten bei Zurruhesetzungsanträgen dürfen nämlich nicht durch Auslegung beseitigt werden. Vielmehr hat die zuständige Behörde den Antrag nötigenfalls mit dem Beamten zu erörtern.

Vgl. Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Kommentar, Archiv Ordner I (Kommentierung Allgemeines Beamtenrecht anhand des LBG NRW i.d.F. vom 1. Mai 1981), § 45 LBG Rn. 125.

Dies hat der Sachbearbeiter der Bezirksregierung jedoch nicht getan, sondern ohne weitere Aufklärung am 4. April 2007 die vorzeitige Zurruhesetzung aus Altersgründen verfügt. Damit dürfte er zumindest fahrlässig gegen die ihm obliegende, sich aus § 85 LBG a.F. ergebende Aufklärungs- und Beratungspflicht verstoßen haben.

Die Bekanntgabe des Zurruhesetzungsbescheides vom 4. April 2007 dürfte zudem kausal für den vom Kläger geltend gemachten Schaden gewesen sein. Wäre der Kläger vor Erlass des Bescheides gefragt worden, worauf er die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand stützen wolle, hätte er darauf hingewiesen, dass er gesundheitliche Gründe oder die von ihm erwartete Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft geltend mache. Bei einer Zurruhesetzung auf Antrag aus gesundheitlichen Gründen (vgl. § 45 Abs. 1 LBG a.F.) oder wegen Schwerbehinderung (vgl. § 45 Abs. 4 Nr. 2 LBG a.F.) wäre es aber gemäß § 14 Abs. 3 BeamtVG ( in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1999, BGBl. I S. 322, zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juli 2006, BGBl. I S. 1652) nicht zu einer Verminderung des Ruhegehaltes um 3,6 v.H. pro Jahr gekommen, weil der Kläger erst nach Vollendung seines 63. Lebensjahres in den Ruhestand gehen wollte.

Letztlich kann die Frage einer schuldhaften und für den Schadenseintritt kausalen Pflichtverletzung aber offen bleiben. Hierauf kommt es nicht an. Es fehlt nämlich jedenfalls an einer weiteren Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch: Der Kläger hat es schuldhaft unterlassen, den Schaden durch den Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden (Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 BGB), da er nicht rechtzeitig Widerspruch gegen den - wohl rechtsfehlerhaften - Zurruhesetzungsbescheid vom 4. April 2007 eingelegt hat. Wäre dies geschehen, wäre der Bescheid noch vor Eintritt des Klägers in den Ruhestand zum 1. August 2007 aufgehoben worden. Die Versetzung in den Ruhestand konnte gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BBG a.F. bis zum Beginn des Ruhestandes zurückgenommen werden, vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2007 - 2 C 22.06 -, juris.

Der Kläger hätte Widerspruch einlegen können. Im April und Mai 2007 waren Bescheide in beamtenrechtlichen Statussachen noch mit einem Widerspruch gemäß §§ 68 ff. VwGO anzufechten. Das Vorverfahren in Sachen dieser Art wurde in NRW erst zum 1. November 2007 durch das Zweite Gesetz zum Bürokratieabbau vom 9. Oktober 2007 (GV. NRW. S. 393) abgeschafft. Der Kläger hat den mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Zurruhesetzungsbescheid vom 4. April 2007 jedoch nicht innerhalb der Monatsfrist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit einem Widerspruch angegriffen, sondern erstmalig am 3. September 2007 und damit zu spät schriftlich Widerspruch eingelegt. Hierauf ist abzustellen. Sein einige Tage vor dem 22. Juni 2007 - und damit zwar auch nach Ablauf der Monatsfrist, aber noch vor Eintritt in den Ruhestand zum 1. August 2007 - geführtes Telefonat mit dem Sachbearbeiter der Bezirksregierung (vgl. Sitzungsniederschrift vom 28. September 2010) kann hingegen nicht als Widerspruch gewertet werden. Zwar hat der Kläger bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen, dass er aus gesundheitlichen Gründen zur Ruhe gesetzt werden wolle und damit hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, mit dem Bescheid in dieser Form nicht einverstanden zu sein. Jedoch ist ein Widerspruch gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO schriftlich oder zur Niederschrift der Behörde zu erheben. Dieser Form genügt ein einfaches Telefonat nicht. Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 15. Auflage, § 70 Rn. 2.

Dem Kläger brauchte wegen des verspäteten Widerspruchs auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO gewährt zu werden. Ihm war spätestens bei dem Mitte Juni 2007 mit dem Sachbearbeiter geführten Telefonat klar, dass die Zurruhesetzung nicht in der Weise erfolgt war, wie er es gewünscht hatte. Von diesem Zeitpunkt an hätte er binnen zwei Wochen den Wiedereinsetzungsantrag stellen oder den Widerspruch nachholen müssen (§ 60 Abs. 2 VwGO). Das ist indes nicht geschehen. Der Zurruhesetzungsbescheid vom 4. April 2007 ist damit bestandskräftig geworden.

Das Unterlassen eines rechtzeitigen Rechtsbehelfs hat der Kläger verschuldet. Es ist ihm auch unter den hier vorliegenden, besonderen Umständen subjektiv vorwerfbar, sich nicht früher unter Einhaltung der Widerspruchsfrist gegen den Bescheid gewandt zu haben. Insoweit hat er sich fahrlässig verhalten, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt durch das Zuwarten nach Erhalt des Zurruhesetzungsbescheides verletzt hat. Im Einzelnen:

Der Kläger war als Grundschullehrer Beamter des gehobenen Dienstes. Bei ihm war also ein Bildungsniveau vorhanden, das ihn grundsätzlich in die Lage versetzte, den Zurruhesetzungsbescheid zu verstehen. Soweit er dies nicht auf Anhieb konnte, weil die Bezirksregierung eine im Bescheid nicht weiter erläuterte Vorschrift aus dem Landesbeamtengesetz genannt hat, wäre er fähig gewesen, diese Vorschrift entweder nachzuschlagen und zu lesen oder jemanden zu fragen, der hierzu in der Lage war. Ein solches Vorgehen drängte sich in seinem Fall auch auf. Zum einen handelt es sich bei der eigenen Zurruhesetzung um ein einmaliges Ereignis, das sich auf die weitere Lebensgestaltung entscheidend auswirkt. Es liegt daher nahe, dass ein Betroffener die hiermit im Zusammenhang stehenden Vorgänge und Schriftstücke besonders sorgfältig prüft. Zum anderen hat der Kläger im Erörterungstermin berichtet, sich bereits im Jahr 2005 über die Einzelheiten einer vorzeitigen Zurruhesetzung wegen Schwerbehinderung ohne Versorgungsabschläge informiert zu haben. Ihm musste also klar sein, dass eine vorzeitige, abschlagsfreie Zurruhesetzung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Daher bestand für ihn sogar Anlass, den Bescheid vom 4. April 2007 besonders sorgfältig zu prüfen. Dies hat er jedoch trotz der Rechtsbehelfsbelehrung, die auf die Widerspruchsmöglichkeit innerhalb eines Monats hinwies, über zwei Monate lang nicht getan, sodass ihm der aus seiner Sicht falsche Zurruhesetzungsgrund nicht auffiel und er den Bescheid bestandskräftig werden ließ. Deshalb ist er nicht so sorgfältig vorgegangen, wie es im Rechtsverkehr und besonders in seinem Fall erforderlich war, und hat sich deshalb fahrlässig verhalten.

Dem steht nicht entgegen, dass er den Bescheid in seinem Sinne gedeutet hat und davon ausging, auf eine Art zur Ruhe gesetzt worden zu sein, die für ihn nicht mit Versorgungsabschlägen verbunden war. Nach seiner Vorstellung hatte er einen Antrag gestellt, der auf eine Zurruhesetzung wegen Schwerbehinderung nach Vollendung des 63. Lebensjahres gerichtet war. Er hatte sich - wie ausgeführt - bei einer Beratung im Jahre 2005 darüber informiert, dass er nach Vollendung des 63. Lebensjahres ohne Versorgungsabschläge zur Ruhe gesetzt werden kann, wenn er schwerbehindert ist. Dieses Ziel hat er daraufhin verfolgt. Daher hat er in seinem Antrag vom 15. Oktober 2006 die Formulierung "aus gesundheitlichen Gründen bei einem GdB von 40 v.H., Verschlimmerungsantrag läuft" gewählt. Auf die Vollendung des 63. Lebensjahres hat er deshalb verwiesen, weil er bei einer Zurruhesetzung wegen Schwerbehinderung, die erst nach diesem Zeitpunkt erfolgt, keine Versorgungsabschläge hätte hinnehmen müssen. Er war mithin davon überzeugt, einen Zurruhesetzungsantrag gestellt zu haben, der auf die Schwerbehinderung bzw. gesundheitliche Gründe gestützt ist. Nachdem es dann im Bescheid vom 4. April 2007 hieß, er werde "antragsgemäß" zur Ruhe gesetzt, war er nach seinen Angaben im Erörterungstermin überzeugt, das Verfahren laufe in seinem Sinne.

Diese Überzeugung ist zwar nachvollziehbar, doch entbindet sie den Kläger nicht von einer sorgfältigen Überprüfung des Bescheides. Es wäre für ihn weder mit großem Aufwand verbunden gewesen, die dort genannte Vorschrift nachzulesen, noch war dies angesichts der großen Bedeutung eines Zurruhesetzungsbescheides für den Betroffenen im Allgemeinen und für den auf die Vermeidung finanzieller Verluste bei der Versorgung bedachten Kläger im Besonderen entbehrlich. Ihm ist deshalb vorzuwerfen, dem im Bescheid enthaltenen Hinweis auf § 45 Abs. 4 Nr. 1 LBG a.F. nicht nachgegangen zu sein. Damit hat der Kläger durch das Abwarten nach Erhalt des Bescheides bis Mitte Juni 2007 gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen und sich mithin schuldhaft im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB verhalten.

Auf die Frage, ob daneben auch § 3 Abs. 1 BeamtVG (Abs. 1: Die Versorgung der Beamten ... wird durch Gesetz geregelt. Abs. 2 Satz 1: Zusicherungen, Vereinbarungen und Vergleiche, die dem Beamten eine höhere als die ihm gesetzlich zustehende Versorgung verschaffen sollen, sind unwirksam.) einem auf abschlagsfreie Versorgung gerichteten Schadensersatzanspruch entgegensteht, so VG Düsseldorf, Urteil vom 31. Mai 2010 - 23 K 485/08 - , kommt es nach alledem nicht an.

Daher war die Klage mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Das Gericht lässt die Berufung nicht gemäß § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zu, weil es die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht für gegeben erachtet.

Referenznummer:

R/R4947


Informationsstand: 08.07.2011