Tenor:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und um die Gewährung von Verletztengeld über den 25. Januar 2015 hinaus.
Der im Jahr 1982 geborene Kläger wurde am 22. Mai 2014 mit einem Schädelhirntrauma mit Kalottenfraktur und Subarachnoidalblutung sowie einer Kontusionsblutung frontal dem Durchgangsarzt vorgestellt.
Im Durchgangsarztbericht vom Unfalltag wird ausgeführt, dass der Kläger während der Arbeit vermutlich aufgrund eines epileptischen Anfalls vom Trittbrett des Müllautos gestürzt sei. Der Status epilepticus konnte trotz Gabe von Midazolam und Lorazepam nicht durchbrochen werden, so dass der Kläger vom Notarzt intubiert und ins Bezirksklinikum gebracht wurde.
Anamnestisch war bekannt, dass der Kläger im Alter von 2 Jahren nach einem Schädel-Hirn-Trauma eine Epilepsie entwickelt habe. Die Medikamentation sei inzwischen abgesetzt worden, nachdem der letzte cerebrale Krampfanfall 2005 aufgetreten war.
In der Unfallanzeige vom 23. Juni 2014 gab der Arbeitgeber des Klägers an, dass der Kläger beim Verladen von Sperrmüll über Übelkeit geklagt habe. Er habe sich vom Fahrzeug einen Schluck Wasser geholt. Er habe dann
ca. 5 Minuten weiter gearbeitet und sei dann bewusstlos zusammengebrochen.
Das Bezirksklinikum E-Stadt führte im Antrag auf Weiterführung der neurologischen Rehabilitation aus, dass bei dem Kläger ein Schädelhirntrauma mit nachfolgendem Status epilepticus vorgelegen habe. Zum Unfallhergang wurde hier angegeben, dass der Kläger bei der Arbeit vom Trittbrett des Müllautos auf die Bordsteinkante gestürzt sei und danach generalisiert gekrampft habe.
Die Lebensgefährtin des Klägers, Frau L., gab gegenüber der G. an, dass der Kläger am 22. Mai 2014 während der Arbeitszeit gestürzt sei. Er habe hinten auf dem Trittbrett des Müllwagens gestanden, als er gestürzt sei und sei gegen den Randstein geprallt. Er habe einen schweren epileptischen Anfall gehabt. Es könne nicht gesagt werden, ob der Sturz oder der Anfall zuerst war.
Der Kläger gab im Unfallfragebogen unter dem 08. Juli 2014 an, dass er keinerlei Erinnerung an den Unfall habe.
Ausweislich eines Besuchsberichts der Beklagten im Bezirksklinikum E-Stadt gaben die behandelnden Ärzte an, dass der im D-Arzt-Bericht beschriebene Unfallhergang unwahrscheinlich sei. Man gehe davon aus, dass der epileptische Anfall dem Sturz nachgefolgt ist. Die vorbestehende Grunderkrankung - bei zuletzt jahrelanger Anfallsfreiheit - habe dies ermöglicht. Der Sturz sei jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit als rechtlich wesentliche Ursache anzusehen.
Der Zeuge P. gab im Unfallfragebogen der Beklagten an, dass er den Unfall nicht selbst gesehen habe. Er habe den Kläger bewusstlos liegen gesehen. Der Unfall habe sich beim Einladen von Sperrmüll in den Lkw ereignet. Direkte Augenzeugen gebe es nicht.
Am 04. November 2014 erlitt der Kläger einen neuen generalisierten Krampanfall.
Ausweislich eines Besuchsberichts der Beklagten bei dem Arbeitgeber des Klägers war der Kläger am Unfalltag auf einem Sperrmüllfahrzeug eingesetzt. Hier stehe man nicht hinten auf dem Lkw. Die Kollegen fahren vielmehr als Beifahrer zur Ladestelle, stellen das Fahrzeug ab und beladen es gemeinsam. Nach Auskunft des Fahrers sei dem Kläger schwindelig geworden. Er sei dann in Richtung Führerhaus gegangen, um etwas zu trinken. Dabei sei er dann unbeobachtet gewesen. Wenige Augenblicke später habe der Fahrer den Kläger krampfend am Boden liegend gesehen.
Es habe somit niemand gesehen, ob der Anfall dem Sturz oder der Sturz dem Anfall gefolgt sei.
Mit Schreiben vom 09. Dezember 2014 führte der Zeuge C. noch einmal aus, dass der Kläger auf eine Teer Straße gestürzt sei. Den Sturz selbst habe er nicht gesehen. Er könne sich nicht erinnern, ob der Kläger auf eine Bordsteinkante gefallen sei.
Mit Bescheid vom 07. Januar 2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 22. Mai 2014 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger sei auf dem Weg zum Führerhaus zusammengebrochen. Dabei habe er sich ein Schädelhirntrauma mit Einblutung sowie eine Kalottenfraktur rechts zugezogen. Zusätzlich sei ein epileptischer Anfall diagnostiziert worden. Nach den vorliegenden Zeugenaussagen sei dem Kläger unwohl geworden. Auf dem Weg zum Führerhaus sei er dann zusammengebrochen und habe sich die erhebliche Kopfverletzung zugezogen. Der Kläger sei allein infolge des Schwindels/Unwohlseins gestürzt. Eine andere Sturzursache habe nicht festgestellt werden können. Der Boden sei eben gewesen. Der Kläger habe keine Lasten getragen. Eine besondere betriebliche Gefahr habe nicht festgestellt werden können.
Mit Schreiben ebenfalls vom 07. Januar 2015 hörte die Beklagte den Kläger zu einer Einstellung von Verletztengeld an. Mit Bescheid vom gleichen Tag wurde die Heilbehandlung eingestellt.
Mit Bescheid vom 22. Januar 2015 stellte die Beklagte die Gewährung von Verletztengeld mit dem 25. Januar 2015 ein.
Mit Schreiben vom 22. Januar 2015 legte der Kläger gegen die Nichtanerkennung des Ereignisses vom 22. Mai 2014 Widerspruch ein.
Mit Schreiben vom 30. Januar 2015 legte der Kläger auch gegen die Einstellung von Verletztengeld Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2015 wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück. Zur Begründung führt sie aus, der Arbeitgeber habe mitgeteilt, dass der Kläger am Unfalltag auf einem Sperrmüllfahrzeug eingesetzt war, bei dem man nicht hinten auf einem Trittbrett steht. Unter Berücksichtigung der vorbestehenden epileptischen Erkrankung sprächen die Gesamtumstände für einen Sturz aus innerer Ursache. Für einen unfallbedingten Sturz bestünden keine Anhaltspunkte. Versicherungsschutz sei daher abzulehnen.
Mit seiner am 22. Juni 2015 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der Kläger hat im Rahmen der Klagebegründung ausgeführt, dass nicht erwiesen sei, dass er bereits mit 2 Jahren einen epileptischen Anfall hatte. Dies gehe aus den damaligen ärztlichen Unterlagen nicht hervor.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
1. die Bescheide der Beklagten vom 07. Januar 2015 und vom 22. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2015 aufzuheben.
2. Festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 22. Mai 2014 um einen Arbeitsunfall handelt.
3. Die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger über den 25. Januar 2015 hinaus Verletztengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.
Die Kammer hat die Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt und ein Sachverständigengutachten bei dem Neuroradiologen
Dr. E. in Auftrag gegeben.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen. Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C. und D. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Feststellungs- und Leistungsklage gemäß § 54
Abs. 1 und
Abs. 4, § 55 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässig aber unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 07. Januar 2015 und vom 22. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat am 22. Mai 2014 keinen Arbeitsunfall erlitten. Dementsprechend steht ihm auch kein Anspruch auf die Gewährung von Verletztengeld zu.
Nach § 8
Abs. 1
SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6
SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität);
vgl. BSG, Urt. v. 17.02.2009 -
B 2 U 18/07 R - Rn. 9 zitiert nach juris.
Diese Voraussetzungen liegen aus Sicht der Kammer jedoch nicht vor. Zwar hat sich der Sturz während der Arbeitszeit des Klägers als Müllwerker ereignet. Aus Sicht der Kammer fehlt es vorliegend jedoch an der sog. Unfallkausalität.
Der Begriff der Unfallkausalität kennzeichnet die Kausalität zwischen der mit der versicherten Tätigkeit im inneren Zusammenhang stehenden Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis. Insoweit gilt ebenso wie für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (
BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8
Nr. 14 jeweils RdNr. 17). Diese beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist allerdings zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (
BSG vom 9. Mai 2006 -
B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8
Nr. 17 jeweils RdNr. 13 f mwN). Erst nachdem feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis eine naturwissenschaftliche Ursache für einen Erfolg ist, stellt sich die Frage nach einer wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis.
Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 17. Februar 2009 - B 2 U 18/07 R - (zitiert nach juris) entschieden, dass für die Prüfung der Unfallkausalität grundsätzlich nur dann Raum ist, wenn abgesehen von der versicherten Tätigkeit eine Konkurrenzursache etwa in Form einer inneren Ursache für den Sturz, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist. Allein die Möglichkeit einer inneren Ursache reicht demgegenüber nicht. Nur wenn mit Vollbeweis erwiesen ist, dass auch eine innere Ursache vorgelegen hat, stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage, ob diese innere Ursache oder die versicherte Tätigkeit die wesentliche Ursache für den Sturz ist.
Ausgehend von diesen Vorgaben hat die Kammer zunächst medizinisch ermittelt und ein Sachverständigengutachten auf neuroradiologischem Fachgebiet in Auftrag gegeben.
Dr. E. kam mit Gutachten vom 02. November 2016 zu dem Ergebnis, dass seines Erachtens die Wahrscheinlichkeit eines Krampfanfalles am Tag des Ereignisses als Ursache für das Trauma nicht unwahrscheinlich sei. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit könne die Frage jedoch nicht beantwortet werden. Ausgehend hiervon lag ein Vollbeweis für eine innere Ursache, die zu dem Sturz geführt haben kann, nicht vor.
Aufgrund der Aussagen des Zeugen D. und auch des Zeugen C. ist die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung jedoch im Sinne des Vollbeweises zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger am 22. Mai 2014 aus einer inneren Ursache heraus gestürzt ist und diese innere Ursache auch die wesentliche Ursache für den Sturz und das hieraus resultierende Schädelhirntrauma mit Kalottenfraktur und Subarachnoidal- und Kontusionsblutung war.
Zwar ist für die Kammer nicht erwiesen, dass der Kläger den Krampfanfall tatsächlich bereits vor dem Sturz hatte. Die Kammer ist jedoch davon überzeugt, dass der Kläger ausschließlich aufgrund eines Schwindels
bzw. eines allgemeinen Unwohlseins gestürzt ist.
Beide Zeugen haben insofern glaubhaft und übereinstimmend angegeben, dass der Kläger am Unfalltag vor dem Sturz über ein Unwohlsein geklagt hat und zum Führerhaus des Lkw gegangen ist, um einen Schluck Wasser zu trinken. Nach der übereinstimmenden Aussage beider Zeugen hat der Kläger seine Arbeit danach wieder aufgenommen. Der Zeuge C. hat den Sturz nicht selbst wahrgenommen. Der Zeuge D. hat - wenn auch in gebrochenem Deutsch - den Unfallhergang jedoch mehrfach dahingehend beschrieben, dass der Kläger nach dem Einwerfen von Sperrmüll in den Lkw zunächst kurze Zeit regungslos dagestanden sei und dann nach hinten umgekippt sei. Der Zeuge D. hat an dieser Unfallbeschreibung durch die gesamte Vernehmung festgehalten und den Unfallhergang schließlich auch selbst demonstriert, so dass die Kammer auch keine Zweifel daran hat, dass die Aussage des Zeugen D. aufgrund von Sprachschwierigkeiten verfälscht sein könnte.
Beide Zeugen und auch der Kläger selbst haben zudem übereinstimmend erklärt, dass keinerlei Gegenstände am Boden lagen, über die der Kläger gestolpert sein könnte. Der Zeuge C. hat zudem verneint, dass der Kläger auf einen Bordstein gestürzt ist.
Ausgehend von einer Gesamtbetrachtung steht für die Kammer vor dem Hintergrund der Zeugenaussage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, dass der Kläger am Unfalltag nicht etwa gestolpert ist, sondern ohne eine äußere Einwirkung allein aufgrund eines inneren Unwohlseins gestürzt ist. Das vom Kläger vor dem Sturz beklagte Unwohlsein, die vom Zeugen D. beschriebene Art des Sturzes nach einem kurzen regungslosen Dastehen und auch die Schwere der Verletzung, die auf das Fehlen von körperlichen Abwehrreflexen schließen lassen, fügen sich für die Kammer nahtlos zusammen und belegen, dass der Kläger ohne eine sonstige äußere Ursache gestürzt ist.
Diese innere Ursache ist auch als die wesentliche Ursache für den Sturz anzusehen. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass die versicherte Tätigkeit einen wesentlichen Beitrag zum Sturz geleistet hat. Für die Kammer ist nicht ersichtlich, dass sich ein besonderes Risiko des Arbeitsortes verwirklicht hat. Es gibt ausgehend von den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen und des Klägers keinerlei Anhalt dafür, dass der Kläger über einen Gegenstand gestolpert ist. Auch hatte der Kläger zunächst die ihm vom Zeugen C. eingeräumte Möglichkeit, einen Schluck Wasser zu trinken
bzw. sich kurz auszuruhen.
Eine Unfallkausalität ist vor diesem Hintergrund nicht gegeben.
Da das Ereignis vom 22. Mai 2014 nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden kann, kommt auch die Gewährung von Verletztengeld gemäß § 45
SGB VII nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.