Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Abzweigung, die die Beklagte von dem an den Kläger gewährten Übergangsgeld nach § 48 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (
SGB I) wegen nicht erfüllter Unterhaltspflichten für dessen Sohn K. (geboren am 13.07.2000) zugunsten des Jobcenters J. vorgenommen hat.
Der am 29. Juni 1975 geborene Kläger hatte nach Erlangung des Hauptschulabschlusses eine Ausbildung zum Raumausstatter absolviert. In der Folgezeit war er bis zum Jahr 2010 mit Unterbrechungen in diesem Beruf tätig. Nachdem der Kläger bei der Bundesagentur für Arbeit eine Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation) beantragt hatte, leitete diese den Antrag an die Beklagte weiter. Im September 2011 stellte die Beklagte bei dem Kläger für die Tätigkeit als Raumausstatter ein Restleistungsvermögen von unter drei Stunden (Bl. 13 Verwaltungsakte - VA -) fest. Nachdem der Kläger an einer ambulanten Arbeitserprobung und Berufsfindung teilgenommen hatte, gewährte die Beklagte ihm eine Umschulungsmaßnahme zum staatlich geprüften Pflegeassistenten, welche der Kläger in dem Zeitraum vom 4. September 2012 bis 10. Juli 2014 durchführte. In dem Zeitraum davor hatte der Kläger Leistungen des beigeladenen Jobcenters J. zur Sicherung seines Lebensunterhaltes in Höhe von monatlich 669,00
EUR (Bescheid vom 31. Mai 2012) erhalten. Während der Maßnahme erhielt der Kläger von der Beklagten Übergangsgeld (täglich 35,30 Euro; monatlich 1059,- Euro), eine teilweise Erstattung seiner Fahrkosten sowie auch eine teilweise Erstattung von Arbeitsmitteln.
Mit Beschluss vom 1. Februar 2012 hatte das Amtsgericht J. das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Der Kläger hatte einen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt. Mit Schreiben vom 10. Januar 2013 gab die Beklagte gegenüber dem Insolvenzverwalter Rechtsanwalt L. eine Drittschuldnererklärung dahingehend ab, dass sich bei einem Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 35,30
EUR und einer unterhaltsberechtigten Person nach § 850 C
ZPO kein pfändbarer Betrag ergebe.
Am 16. Mai 2013 beantragte das beigeladene Jobcenter J. bei der Beklagten eine Abzweigung zu ihren Gunsten gemäß § 48
SGB I. Der Kläger gewähre seinem Kind K. trotz Unterhaltspflicht keinen Unterhalt. Daher müsse sie dem Kind monatlich 259,00
EUR mehr Leistungen zum Lebensunterhalt gewähren. In dieser Höhe gehe der Unterhaltsanspruch gemäß § 33
Abs. 1
SGB II ab 1. März 2013 auf das Jobcenter über. Am 30. Mai 2013 ging bei der Beklagten der Beschluss des Amtsgerichts J. vom 29. Mai 2013 ein, wonach der Sohn des Klägers bei der Berechnung des unpfändbaren Einkommens in voller Höhe unberücksichtigt zu bleiben habe.
Mit Schreiben vom 10. Juni 2013 hörte die Beklagte den Kläger zu einer Abzweigung in Höhe von monatlich 259,00
EUR zu Gunsten des Beigeladenen an. Der Kläger erläuterte daraufhin, dass er bereit sei, einen angemessenen Unterhaltsbeitrag zu leisten, dies aber nicht in der von der Beklagten geforderten Höhe könne, da er
z. B. Fahrkosten seines Sohnes zum Fußballverein sowie die Ausstattung des Sohnes mit Fußballschuhen, Trikot
u. ä. finanziere.
Mit Bescheid vom 23. Juli 2013 führte die Beklagte aus, dass ab dem nächst möglichen Zeitpunkt ein Betrag in Höhe von 259,00
EUR von dem Übergangsgeld des Klägers abgetrennt und an das Jobcenter J. gezahlt werde.
Mit seinem Widerspruch vom 9. August 2013 trug der Kläger vor, dass ihm ein Selbstbehalt in Höhe von 1.000,00
EUR belassen werden müsse. Im Rahmen seiner Umschulung zum Pflegeassistenten sei er wie ein Erwerbstätiger zu behandeln. Die Umschulung erfolge, weil er als Raumausstatter aufgrund gesundheitlicher Schwierigkeiten, nämlich diverser Bandscheibenoperationen, nicht mehr tätig sein könne. Mit Schreiben vom 23. April 2014 bestätigte die Beklagte dem Kläger, dass seit 1. August 2013 von seinem kalendertäglichen Übergangsgeld ein Betrag von 8,63 Euro Unterhalt abgezweigt werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die Festlegung des monatlich abzuzweigenden Betrages in Höhe von je 259,00
EUR sei nicht zu beanstanden. Der Vortrag bezüglich der Freizeitaktivitäten des Sohnes könne nicht berücksichtigt werden. Übergangsgeldbezieher würden grundsätzlich einem nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen gleichgestellt. Dies gelte insbesondere auch für Übergangsgeldbezieher aufgrund der Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Deshalb sei für den Übergangsgeldbezieher generell der Selbstbehalt eines nichterwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich zugrunde zu legen. Der Kläger habe auch nicht nachgewiesen, dass seine tatsächlichen Aufwendungen für seinen Lebensunterhalt höher seien als bisher zugrunde gelegt. Die Auszahlung sei auch gerechtfertigt, da der Kläger seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachkomme und es nicht einzusehen sei, dass insoweit die öffentliche Hand die Leistungsverpflichtung des Klägers übernehmen müsse.
Gegen den am 8. November 2013 abgesandten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 11. Dezember 2013 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben. Der zeitliche Umfang der Tätigkeit des Klägers, die dieser für die Umschulung aufwende, entspreche mindestens dem Umfang der Tätigkeit eines Erwerbstätigen. Dienstags und mittwochs müsse er von 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr praktische Zeiten absolvieren. Montags habe er sechs, donnerstags drei und freitags acht Unterrichtsstunden. Hinzu kämen die Fahrzeiten, sodass er unter Berücksichtigung der diversen Nacharbeiten und Hausaufgaben einen Arbeitsaufwand von 45 bis 50 Wochenstunden absolviere. Dementsprechend stehe auch nicht so viel Zeit zur Verfügung, um seien Lebensbedarf besonders günstig zu decken. Auch der Bekleidungsbedarf entspreche dem eines Erwerbstätigen. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Maßnahme zur Schaffung einer Erwerbsgrundlage in dem angestrebten Beruf diene, damit zukünftig auch die Unterhaltsverpflichtung bedient werden könne. Das Übergangsgeld
bzw. das Anschlussübergangsgeld habe bis zum 10. Oktober 2014 zur Verfügung gestanden. Streitgegenständlich sei die Abzweigung bis zum Ende der Ausbildung am 10. Juli 2014.
Mit Urteil vom 16. September 2015 hat das SG Hildesheim die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer Abzweigung grundsätzlich vorliegen. Die Beklagte habe auch zutreffender Weise den kleinen Selbstbehalt in Höhe von 800,00
EUR zugrunde gelegt. Umschüler seien im Regelfall Erwerbstätigen nicht gleichzustellen. Bei dem Kläger seien Fahrtkosten und Aufwendungen für notwendige Arbeitsmittel jedenfalls teilweise von der Beklagten übernommen worden. Darüber hinaus sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger daran gehindert sei, seinen alltäglichen Bedarf auf günstige Weise zu decken, da die Unterrichtseinheiten am Freitag enden würden und die Geschäfte auch an den Sonnabenden geöffnet seien. Auch das Argument der sogenannten "Anreizfunktion", welches bei der Gewährung eines höheren Selbstbehaltes für Erwerbstätige herangezogen werde, greife im vorliegenden Fall nicht. Teilnehmer an Bildungsmaßnahmen, die - anders als Erwerbstätige - nicht für ihren Lebensunterhalt aufzukommen hätten, würden einen erheblichen (auch finanziellen) Anreiz für die Aufnahme einer späteren Erwerbstätigkeit bereits durch die Teilnahme an der Umschulungsmaßnahme erfahren.
Gegen das am 19. Oktober 2015 abgesandte Urteil hat der Kläger am 20. November 2015 Berufung eingelegt. Er bezieht sich auf seinen bisherigen Vortrag und ergänzt, dass sich der Umschüler bei Belassung nur des niedrigeren Selbstbehaltes die Frage stellen könne, warum er die Maßnahme überhaupt durchführen solle, da er als Empfänger von Leistungen nach dem
SGB II die gleichen Leistungen erhalte. Darüber hinaus müsse er sich auch am Umschulungsort verpflegen, so dass dadurch Mehraufwendungen entstünden.
Der Kläger beantragt nach dem schriftsätzlichen Vortrag,
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 16. September 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2013 dahingehend zu ändern, dass lediglich 59,00
EUR im Monat vom gezahlten Übergangsgeld abgezweigt werden.
Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Beklagte trägt ergänzend vor, dass Umschüler höhere Fahrkosten als Arbeitnehmer ersetzt bekommen. Bei diesen werde im Rahmen der Werbungskosten lediglich die einfache Fahrstrecke zugrunde gelegt und die Fahrkostenpauschale mindere lediglich das zu versteuernde Einkommen. Umschüler hingegen bekämen die Fahrkosten direkt ausgezahlt, wobei eine Erstattung für Hin- und Rückweg erfolge. Darüber hinaus müssten mit einer Verpflegung am Umschulungsort nicht zwangsläufig höhere Ausgaben verbunden sein.
Das Gericht hat das Job-Center J. mit Beschluss vom 14. Juni 2017 zum Rechtsstreit beigeladen.
Die Beteiligten haben sich mit bei Gericht am 5. und 16. Dezember 2016 sowie 23. Juni 2017 eingegangenen Erklärungen mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrages der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung geworden sind.
Der Senat entscheidet durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten dieser Verfahrensweise zugestimmt haben und der Senat eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Die Berufung ist zulässig und begründet. Entsprechend den erst- und zweitinstanzlichen Anträgen des Klägers ist streitgegenständlich die anteilige Abzweigung des (bis zum 10. Juli 2014 gewährten) Übergangsgeldes, soweit dieses 59,00
EUR im Monat überschreitet. Vorliegend handelt es sich um eine Anfechtungsklage.
Der Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit eine Abzweigung zugunsten des Jobcenters J. in Höhe von monatlich mehr als 59
EUR angeordnet worden ist. Daher war der Bescheid vom 23. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. November 2013 - soweit er streitgegenständlich ist - aufzuheben. Dies führt zu einer Abänderung des angefochtenen Urteils in dem tenorierten Umfang.
Nach § 48
Abs. 1 Satz 1
SGB I (in der vom 18. Juni 1994 bis 25. November 2015 geltenden Fassung) können laufende Geldleistungen, die der Sicherung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt sind, in angemessener Höhe an den Ehegatten oder die Kinder des Leistungsberechtigten ausgezahlt werden, wenn er ihnen gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt. Gemäß § 48
Abs. 1 Satz 4
SGB I kann die Auszahlung auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Ehegatten oder den Kindern Unterhalt gewährt. Wenn der Leistungsberechtigte seine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Ehegatten oder den Kindern nicht erfüllt, lässt § 48
Abs. 1
SGB I zu, dass solche Geldleistungen dem Unterhaltsberechtigten ohne Umweg über einen Prozess oder Pfändung zufließen (
vgl. BT-Drucksache 7/868,
S. 31). Insbesondere hindert auch ein Insolvenzverfahren die Abzweigung wegen einer Unterhaltsforderung nicht (
vgl. §§ 40, 89
Abs. 2 Satz 2 Insolvenzordnung).
Der Kläger hat gemäß §§ 1601, 1603
BGB eine Unterhaltspflicht gegenüber seinem minderjährigen Sohn, der er nicht nachkommt.
Die Auszahlung des abgezweigten Betrages kann vorliegend auch an den Beigeladenen erfolgen. Dieser hat im streitbetroffenen Zeitraum dem Sohn fortlaufend Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts (in Höhe von mehr als monatlich 259
EUR) gewährt (
vgl. insbesondere auch die Ausführungen des Beigeladenen in dem Antragschreiben vom 16. Mai 2013; eingegangen bei der Beklagten am 21. Mai 2013). Der Unterhaltsanspruch des Kindes K. gegen den Kläger ist aufgrund der Zahlungen des Beigeladenen gemäß § 33 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (
SGB II) - Grundsicherung für Arbeitssuchende - in der vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung, auf diesen übergegangen. Hätte der Kläger im streitbetroffenen Zeitraum dem Kind Unterhalt geleistet, so hätte sich damit korrespondierend aufgrund des dadurch auf Seiten des Kindes erzielten Einkommens in Form von Unterhaltsleistungen die Leistungspflicht des Beigeladenen reduziert.
Eine Abzweigung nach § 48
SGB I kann auch grundsätzlich aus dem Übergangsgeld erfolgen, da dieses eine laufende Leistung darstellt, die der Sicherung des Lebensunterhaltes zu dienen bestimmt ist.
Die Beklagte hat aber bei der Festsetzung des abzuzweigenden Betrages die gesetzlichen Grenzen verkannt. § 48
Abs. 1 Satz 1
SGB I lässt eine Abzweigung von Leistungen der vorliegend zu beurteilenden Art nur in "in angemessener Höhe" zu. Im vorliegenden Fall ist jedoch lediglich eine Abzweigung in Höhe eines monatlichen Teilbetrages von 59
EUR zulässig; insoweit hat der Kläger auch von einer Anfechtung des zur Überprüfung gestellten Bescheides abgesehen.
Eine Abzweigung von Sozialleistungen nach § 48
Abs. 1 Satz 1
SGB I ist nur zulässig, wenn nach den Maßstäben des Zivilrechts für den Leistungsberechtigten eine konkrete Pflicht zur Zahlung von Unterhalt an seine Angehörigen besteht, während eine lediglich abstrakte, nur an das Bestehen der Ehe oder an das Verwandtschaftsverhältnis anknüpfende Unterhaltsverpflichtung (§§ 1361, 1601
BGB) nicht genügt (stRspr,
vgl. ua BSGE 57, 59 = SozR 1200 § 48 Nr 8; BSGE 59, 30 = SozR 1200 § 48 Nr 10;
BSG SozR 1200 § 48 Nr 11;
BSG FamRZ 1987, 274;
BSG SozR 3-1200 § 48 Nr 4). Da die Verletzung einer konkreten Pflicht zur Unterhaltszahlung Tatbestandsvoraussetzung des § 48
SGB I ist, hat die Beklagte auch erst nach Feststellung dieses Merkmals - dessen Vorliegen gerichtlich voll nachprüfbar ist (ua
BSG SozR 1200 § 48 Nr 12 mwN) - ihr Ermessen auszuüben, ob und in welchem Umfang sie eine Abzweigungsregelung zu Gunsten des Antragstellers trifft (
vgl. zum Vorstehenden:
BSG, Urteil vom 07. Oktober 2004 - B 11 AL 13/04 R -, BSGE 93, 203).
Im vorliegenden Fall bestand im streitbetroffenen Zeitraum eine entsprechende - nach zivilrechtlichen Vorgaben zu beurteilende (
BSG, Urteil vom 07. Oktober 2004, aaO) - Unterhaltspflicht des Klägers nur in Höhe eines monatlichen Teilbetrages von 59
EUR (bezüglich dessen die Abzweigung auch von seiner Seite nicht angefochten wird). Weitergehenden Unterhaltsansprüchen des Sohnes stand hingegen die Regelung des § 1603
BGB entgegen.
Nach § 1603
Abs. 1
BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Da der im Jahr 2000 geborene Sohn des Klägers minderjährig ist, ist diese Vorschrift gemäß § 1603
Abs. 2 Satz 1
BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass in solchen Fallgestaltungen Eltern ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet sind, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden.
Nach ständiger zivilgerichtlicher Rechtsprechung wird die nach dem Gesetzeswortlaut im Ausgangspunkt vorgesehene Verpflichtung zur gleichmäßigen Verwendung der verfügbaren Mittel im Interesse einer sachgerechten und effektiven Gesetzesanwendung (vor dem Hintergrund der im bundesdeutschen Sozialstaat zur Verfügung stehenden staatlichen Unterstützungsleistungen für Bedürftige) dahingehend modifiziert, dass auch im Hinblick auf Unterhaltsansprüche von Minderjährigen dem unterhaltsverpflichteten Elternteil auf jeden Fall der sog. notwendige Selbstbehalt zu belassen ist. Im Ausgangspunkt ist dieser notwendige Selbstbehalt (gegenüber den Unterhaltsansprüchen minderjähriger oder privilegierter volljähriger Kinder) mit Beträgen zu bemessen, die dem sozialhilferechtlichen Bedarf entsprechen oder allenfalls geringfügig darüber hinausgehen (
BGH, Urteil vom 09. Januar 2008 - XII ZR 170/05 -, FamRZ 2008, 594).
Ob und in welchem Umfang der dem Unterhaltsschuldner zu belassende (hier: notwendige) Selbstbehalt über den jeweils regional maßgeblichen sozialhilferechtlichen Mindestbedarf hinausgehen kann, haben die Gerichte unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben zu bestimmen, die sich insbesondere aus der Bedeutung und Ausgestaltung des jeweiligen Unterhaltsanspruchs und seiner Rangfolge im Verhältnis zu anderen Unterhaltsansprüchen ergeben (
BGH, Urteil vom 09. Januar 2008 - aaO).
Bezüglich der Bemessung dieses notwendigen Selbsthalts differenzieren die Leitlinien der Oberlandesgerichte und insbesondere auch die sog. Düsseldorfer Tabelle insbesondere zwischen dem notwendigen Selbstbehalt eines erwerbstätigen Unterhaltsschuldners und demjenigen eines nicht erwerbstätigen Unterhaltsschuldners. Dies ist im Ausgangspunkt in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebilligt worden (
BGH, Urteil vom 09. Januar 2008 - aaO). Der
BGH (aaO) stellt darauf ab, dass ein nicht erwerbstätiger Unterhaltsschuldner regelmäßig mehr Zeit zur Verfügung hat, seine Ausgaben durch sparsame Lebensführung zu reduzieren. Daneben dient ein so differenzierter Selbstbehalt auch dem gebotenen Erwerbsanreiz für den Unterhaltsschuldner (wie es auch beim Ehegattenunterhalt - dort schon bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs durch Berücksichtigung eines Erwerbstätigenbonus - der Fall ist).
Eine entsprechende Differenzierung prägt seit Jahrzehnten die zivilgerichtliche Rechtsprechung; sie wird letztlich auch von dem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannten "gewohnheitsrechtlichen Charakter" (
BGH, Urteil vom 28. März 1984 - IVb ZR 53/82 -, juris) der entsprechenden Auslegungsgrundsätze mit erfasst.
Bei der Anwendung dieser Vorgaben im Einzelfall ist diesem rechtlichen Ausgangspunkt angemessen Rechnung zu tragen. Es gibt keine gesetzgeberische Entscheidung, der zufolge zwischen "erwerbstätigen" und "nicht erwerbstätigen" Unterhaltsschuldnern bezüglich der Höhe des notwendigen Selbstbehalts zu differenzieren ist, vielmehr hat sich in Jahrzehnten in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung der Ansatz verfestigt, dass bei der Bemessung des notwendigen Selbstbehalts auch der Anstrengungsbereitschaft des Versicherten namentlich in Form der Ausübung einer Erwerbsfähigkeit Rechnung zu tragen ist.
Die sog. Unterhaltstabellen beinhalten ohnehin nur Erfahrungs- und Richtwerte. Sie vermögen die Gerichte insbesondere nicht von der Notwendigkeit einer Prüfung zu entheben, ob und inwieweit im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung gebieten (
BGH, Urteil vom 09. Januar 2008, aaO). Hiervon ausgehend und insbesondere auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des
Art. 3
Abs. 1
GG sind in den Unterhaltstabellen vorgesehene Differenzierungen nicht allein nach ihrem Wortlaut, sondern insbesondere auch nach Maßgabe der ihnen zugrunde liegenden sachlichen Differenzierungsgründe im jeweiligen Einzelfall heranzuziehen.
Dabei ist bezogen auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art zu berücksichtigen, dass die Gruppe der nicht erwerbstätigen Unterhaltsschuldner ganz unterschiedliche Ausprägungen aufweisen kann: Ein Teil der betroffenen Unterhaltsschuldner nimmt - insbesondere aus Alters- und/oder Gesundheitsgründen - dauerhaft oder jedenfalls über längere Zeiträume überhaupt nicht am Erwerbsleben teil, ohne sich konkret um eine Überwindung des Zustandes zu bemühen. Bei anderen Unterhaltsschuldnern ist hingegen eine nur vorübergehende Nichtteilnahme am Erwerbsleben aufgrund etwa von Maßnahmen zur beruflichen Umschulung zu verzeichnen, die ihrerseits mittelfristig gerade auf bessere Integration des Schuldners in das Berufsleben und damit auch auf eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abzielen.
Eine sachgerechte Zuordnung entsprechender Fallgestaltungen des jedenfalls vorübergehenden Fehlens einer aktiven Teilnahme am Erwerbsleben zu den Fallgruppen des sog. großen (d.h. angemessenen im Sinne des § 1603
Abs. 1
BGB)
bzw. - wie hier - des sog. kleinen (notwendigen) Selbstbehalts im Sinne des § 1603
Abs. 2
BGB (
bzw. ggfs. auch zu einem zwischen beiden Werten liegenden Betrag) kann letztlich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller diesen prägenden Umstände erfolgen.
Auch in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung wird durchaus jedenfalls in Einzelfällen unterhaltspflichtigen Umschülern ein notwendiger Selbstbehalt in Höhe des einem erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen zustehenden Betrages zugesprochen (
OLG Hamm, Beschluss vom 5. April 2005 - 2 WF 475/05 - juris;
OLG Koblenz, Urteil vom 28. November 2001 - 9 UF 291/01 - juris). Entsprechendes soll auch zugunsten von Arbeitslosen in Betracht kommen, sofern im Einzelfall das Ausmaß ihrer Arbeitsbemühungen eine entsprechende Gleichstellung sachgerecht erscheinen lässt (
OLG Koblenz, Beschluss vom 1. April 1998 - 13 WF 274/98 - FamRZ 1998, 1616).
Nach den ab dem 1. Januar 2013 geltenden Werten der sog. Düsseldorfer Tabelle beträgt der notwendige Eigenbedarfselbstbehalt (
vgl. dort die Anmerkung 5) gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern beim nichterwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich 800,00
EUR, beim erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen monatlich 1.000,00
EUR. Der angemessene Eigenbedarf, insbesondere gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern, beträgt hingegen in der Regel mindestens monatlich 1.200,00
EUR.
Im vorliegenden Einzelfall erachtet es der Senat für angemessen, von einem Unterhaltsanspruch nur mit der Maßgabe auszugehen, dass dem Kläger im streitbetroffenen Zeitraum der sog. große notwendige Selbstbehalt in Höhe von monatlich 1.000
EUR zu belassen ist. Ausgehend von monatlichen Übergangsgeldzahlungen in Höhe von 1.059
EUR verbleibt damit nur ein monatlicher Unterhaltsanspruch in Höhe von 59
EUR. Diesbezüglich hat der Kläger zutreffend von einer Anfechtung des Abzweigungsbescheides abgesehen.
Im vorliegenden Fall stellt es sich als sachgerecht dar, den Kläger bezogen auf den streitbetroffenen Zeitraum mit einem erwerbstätigen Unterhaltsschuldner gleichzustellen. Durch die seinerzeit besuchte von der Beklagten geförderte Umschulungsmaßnahme war der Kläger - zumal unter Berücksichtigung der damit verbundenen häuslichen Vor- und Nachbereitungsarbeiten - in zeitlicher Hinsicht jedenfalls nicht weniger eingebunden als dies bei einer vollschichtigen beruflichen Tätigkeit zu erwarten wäre.
Bezogen auf den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung herangezogenen Gesichtspunkt eines "Erwerbsanreizes" wäre es im vorliegenden Fall nicht sachgerecht, diesen im Sinne eines Anreizes zur Aufgabe der Umschulung und zur Aufnahme von Gelegenheitsarbeiten zu konkretisieren. Sowohl im eigenen Interesse des Klägers als auch im öffentlichen Interesse an seiner möglichst langfristigen beruflichen Integration war die Umschulung sachgerecht und förderungswürdig; gerade aus diesem Grunde hat die Beklagte diese auch dem Kläger gewährt. Dementsprechend war für den vorliegend zu beurteilenden Fall der mit dem Gesichtspunkt eines "Erwerbsanreizes" zum Ausdruck gebrachte Privilegierungsgrund im Sinne eines sachlich gebotenen "Umschulungsanreizes" zu konkretisieren. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist damit im Ergebnis eine Gleichstellung geboten.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der Kläger an erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen leide, aufgrund derer ihm eine weitere Ausübung des zuvor ausgeübten Berufes eines Raumgestalters nicht mehr möglich ist. Bei dieser Ausgangslage war eine berufliche Neuorientierung, wie sie mit der von der Beklagten geförderten Umschulung angestrebt wurde, letztlich die einzig sinnvolle Lösung. Es ist anerkennend zu berücksichtigen, dass der Kläger trotz der gesundheitlichen Einschränkungen gewillt war, einen neuen Beruf, den er fortdauernd ausüben kann, zu erlernen. Dies bedeutete gerade im Hinblick auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers eine große Kraftanstrengung. Mit der Möglichkeit eine längerfristige Eingliederung des Unterhaltspflichtigen in das Erwerbsleben zu erreichen, ist auch eine Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten regelmäßig verknüpft und dient damit letztlich auch dazu, die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit - auch im Interesse des Kindeswohls - zu erhöhen. Gerade im Hinblick auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers war der erhöhte Selbstbehalt geeignet, die Motivation zur erfolgreichen Teilnahme an einer solchen - für ihn mit erheblicher Mühewaltung verbundenen - Maßnahme zu fördern.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der Anwendung des § 193
SGG.
Ein Grund, die Revision zuzulassen (§ 160
Abs. 2
SGG), ist nicht gegeben.