Die Beteiligten streiten im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage über die Erstattung der Kosten für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Versicherte C. ("Z") in Höhe von 16.626,31
EUR im Zeitraum vom 02.09.2013 bis 28.03.2014.
I.
Die 1983 geborene Z ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung (
GdB) von 50. Sie hat die Mittlere Reife und befand sich in Ausbildung zur Fahrradmechanikerin.
Wegen geminderter Erwerbsfähigkeit bewilligte die Beklagte der Z ab dem 23.08.2012 bis 31.08.2013 eine stationäre Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Die Entlassung erfolgte regulär als arbeitsunfähig bei folgenden Rehabilitationsdiagnosen:
- Rezidivierende depressive Störung.
- Emotionalinstabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ.
- Dissoziative Trancezustände.
- V.a. komplexe posttraumatische Belastungsstörung.
In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung des Entlassungsberichtes ist die Erwerbsfähigkeit von unter drei Stunden täglich für die abgebrochene Ausbildung zur Fahrradmechanikerin, jedoch unter Beachtung qualitativer Einschränkungen auf mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingeschätzt worden.
Mit Schreiben vom 28.06.2013 teilte die Rehabilitationseinrichtung der Klägerin mit, dass bei Z die Notwendigkeit einer nahtlos anschließenden Maßnahme im Eingangsverfahren / einer Berufsbildungsmaßnahme in den H. (Werkstatt für behinderte Menschen, "WfbM") gegeben sei. Aus Sicht der Beklagten sei hierfür die Zuständigkeit der Klägerin gegeben. Entsprechende Kostenübernahme werde beantragt. Da eine enge psychosoziale Begleitung im Wohnbereich erforderlich sei, solle die Maßnahme stationär mit Unterbringung in einer Übergangseinrichtung durchgeführt werden.
Am 28.08.2013 ging der entsprechende Antrag der Z auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Klägerin ein.
Daraufhin meldete die Klägerin am 04.09.2013 Z in den H. ab dem 02.09.2013 im Eingangs- und Berufsbildungsbereich der WfbM an und bewilligte die Maßnahme.
Am Folgetag teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass aus ihrer Sicht im direkten Anschluss an die medizinische Rehabilitation durch die Beklagte auch für die bewilligte berufliche Rehabilitation eine Zuständigkeit der Beklagten gegeben sei. Dies sei bekanntermaßen zwischen der Klägerin und der Beklagten in grundsätzlicher Weise umstritten. Aufgrund dessen habe die Klägerin die Maßnahme vorläufig in eigener Zuständigkeit übernommen und melde einen Erstattungsanspruch nach
§ 14 Abs. 4 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) an.
Die Beklagte lehnte daraufhin mit Schreiben vom 19.11.2013 den Erstattungsanspruch ab. Die durchgeführte medizinische Maßnahme führe nicht zur Erfüllung des § 11
Abs. 2a
Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI), da hier ausschließlich Leistungen in einer WfbM erforderlich seien, zielführend zur Erfüllung der Voraussetzungen der vorgenannten Vorschrift jedoch die Wiedereingliederung auf dem ersten Arbeitsmarkt sei.
Am 28.03.2014 schied Z aus der Maßnahme aus.
Mit Schreiben vom 30.10.2014 bezifferte die Klägerin die Maßnahmekosten auf 16.626,31
EUR, machte erneut einen Erstattungsanspruch geltend und verwies auf die Zuständigkeit der Beklagten. Die Zuständigkeit für die Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer WfbM sei in
§ 42 Abs. 1 SGB IX geregelt. Nach § 42
Abs. 1
Nr. 1
SGB IX erbringe die Agentur für Arbeit diese Leistungen, soweit nicht einer der in den Nummern 2 bis 4 genannten Träger zuständig sei. Nach Nummer 3 dieser Vorschrift sei die Rentenversicherung unter den Voraussetzungen der §§ 11 bis 13
SGB VI für die Leistungserbringung zuständig. Nach einem Urteil des Sozialgerichts Augsburg (S 7 AL 188/11) sei durch die Einführung des
Abs. 2a in den § 11
SGB VI die vormalige Zuständigkeit der Arbeitsverwaltung auf den Rentenversicherungsträger verlagert worden. Entsprechendes gelte bei berufsfördernden Leistungen, die unmittelbar im Anschluss an medizinische Leistungen zu erbringen seien (§ 11
Abs. 2a
Nr. 2
SGB VI).
Die Tatsache, dass ein Versicherter nur für Tätigkeiten in einer WfbM in Betracht kommen könnte, spreche nicht dagegen, dass eine positive Prognose im Sinne des § 10
Abs. 2b
SGB VI gestellt werden könne. Die Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der WfbM würden gerade zum Leistungskatalog der Beklagten als Rentenversicherungsträger nach § 16
SGB VI i.V.m. § 40 SGB IX gehören. Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer anerkannten WfbM könnten daher von der Beklagten als Rentenversicherungsträger auch für Versicherte erbracht werden, bei denen die bestehende Erwerbsminderung zwar nicht zu beheben, jedoch ein Verbleib in der Produktionsstufe der WfbM zu erreichen sei. Infolgedessen stelle § 16
SGB VI i.V.m. § 42
Abs. 1
Nr. 3
SGB IX mit Verweisung auf die Voraussetzungen der §§ 11 bis 13
SGB VI auch eine Sonderregelung zu § 10
SGB VI dar, indem sie anstelle der Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt lediglich die Erreichung von Wettbewerbsfähigkeit des Versicherten auf dem besonders geschützten Arbeitsmarkt der WfbM als prognostisch erreichbares Rehabilitationsziel verlange.
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 15.12.2014 erneut eine Erstattung ab und verwies auf eine fehlende rechtzeitige Weiterleitung im Sinne des § 14
SGB IX.
II.
Mit Schriftsatz vom 03.07.2015, eingegangen am 07.07.2015, hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben.
Zur Begründung hat die Klägerin im Wesentlichen ihre bisherige Auffassung wiederholt.
Der stetige Hinweis der Beklagten auf die fehlende Weiterleitung ignoriere die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
BSG) zum Erstattungsanspruch des erstangegangenen Leistungsträgers (
BSG, 26.06.2007, Az.:
B 1 KR 34/06 R). Darin habe das
BSG entschieden, dass in den Fällen, in denen der erstangegangene Rehabilitationsträger den Antrag auf Rehabilitation nicht innerhalb von zwei Wochen nach Eingang weiterleite, anknüpfend an die allgemeinen Grundsätze des Erstattungsrechts danach zu differenzieren sei, aus welchen Gründen die Weiterleitung unterblieben sei. Danach stehe dem erstangegangenen Rehabilitationsträger ein (privilegierter) Erstattungsanspruch aus § 14
Abs. 4 Satz 1 und 2
SGB IX - entsprechend § 102
Abs. 2
SGB X - ausnahmsweise dann zu, wenn die Prüfung des erstangegangenen Trägers innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nicht zu einem greifbaren Ergebnis, sondern etwa wegen einer komplizierten Rechtsproblematik zu ernstlichen Argumenten für und gegen die eigene Zuständigkeit
bzw. die eines anderen Trägers geführt habe und deshalb der angegangene Träger im Interesse der Beschleunigung eine Weitergabe des Rehabilitationsantrages unterlassen habe. In diesem Falle halte das
BSG eine Kostenerstattung nach den Grundsätzen des vorläufig leistenden Leistungsträgers für gegeben, wie sie entsprechend § 102
SGB X in § 14
Abs. 4 Satz 1
SGB IX vorgesehen sei. Nach dem
BSG müsse das System der Erstattungsansprüche sich dem Beschleunigungszweck des § 14
SGB IX unterordnen und den Fehlanreiz vermeiden, allein zur Wahrung potentieller Erstattungsansprüche Rehabilitationsanträge - mit der Folge einer vermeidbaren Verzögerung - an einen anderen Träger weiterzuleiten, der sich als zweitangegangener Träger gegen seine Zuständigkeit im Außenverhältnis nicht wehren könne. Genau dies würde es aber bedeuten, würde eine Weiterleitung verlangt werden, wenn - wie vorliegend - bekanntermaßen zwischen den Beteiligten die Zuständigkeit grundsätzlich umstritten sei.
Die Klägerin beantragt daher,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die für die Teilhabe am Arbeitsleben der Frau C. erbrachten Leistungen in Höhe von 16.626,31
EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte erneut darauf verwiesen, dass der Erstattungsanspruch bereits daran scheitere, dass eine fristgerechte Antragsweiterleitung nicht erfolgt sei. Die Klägerin sei als erstangegangene Trägerin infolge fehlender Weiterleitung zuständig geworden. Die Frage nach der sachlichen Zuständigkeit sei vor diesem Hintergrund nicht zu erörtern.
Aus der von der Klägerin zitierten
BSG-Rechtsprechung ergebe sich gerade nicht, dass eine Erstattungsberechtigung nach § 102
SGB X auch für erstangegangene Träger nach § 14
Abs. 4
SGB IX bestehe. Denn der eigentlich zur Leistung verpflichtete Leistungsträger sei danach erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger auf Grund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Eine "komplizierte Rechtsproblematik", wie sie die Klägerin behaupte, stelle keine gesetzliche Vorleistungsverpflichtung dar. Vielmehr gehe aus dem Schreiben der Klägerin vom 05.09.2013 hervor, dass sie die Beklagte für sachlich zuständig halte; dann hätte sie aber auch den Antrag weiterleiten müssen.
Unabhängig hiervon, könne die Beklagte aber auch keine eigene sachliche Zuständigkeit erkennen:
Die Rehabilitation psychisch Kranker (
RPK) werde in Rehabilitationseinrichtungen durchgeführt, die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen einer integrierten Komplexleistung durch ein multiprofessionelles Rehabilitationsteam unter ärztlicher Leitung und Verantwortung vorhalten. Dabei seien die Zugangsvoraussetzungen für die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben jedoch getrennt voneinander zu prüfen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass über die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erst auf der Basis der Ergebnisse der medizinischen Rehabilitation entschieden werden könne. Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben würden in der Regel in Kooperation mit anderen Rehabilitationseinrichtungen und Betrieben durchgeführt. Dabei kämen auch Leistungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich einer anerkannten WfbM in Betracht.
Die
RPK-Empfehlungsvereinbarung führe unter Ziffer 9.1 aus, dass die Voraussetzungen für die Durchführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß § 11
Abs. 2a
Nr. 2
SGB VI grundsätzlich erfüllt seien, wenn der Rentenversicherungsträger die medizinischen Leistungen zur Rehabilitation durchführe.
Diese Regelung könne aber nach Ansicht der Rentenversicherungsträger nicht in den Fällen gelten, in denen nach Durchführung des medizinischen Teils der
RPK Leistungen in einer WfbM erforderlich seien, und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht nach § 11
Abs. 1 oder § 11
Abs. 2a
Nr. 1
SGB VI erfüllt seien.
Die Leistungen für die Eingliederung in eine WfbM (
§§ 39 -
43 SGB IX) seien zwar in Teil 1 Kapitel 5 des Gesetzbuches unter "Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben" enthalten, aber nicht den, wenn auch nur beispielhaft aufgeführten, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in den
§§ 33 bis
37 SGB IX unmissverständlich zugeordnet. Auch hinsichtlich ihrer Zielsetzung (Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung) würden sie anders definiert (§ 40
Nr. 2
SGB IX im Gegensatz zu § 33
Abs. 1
SGB IX).
Nach
§ 7 Satz 2 SGB IX würden sich die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe nach den für den jeweiligen Leistungsträger geltenden Leistungsgesetzen richten. Dementsprechend erscheine es erforderlich, die Zuständigkeit für Leistungen zur Eingliederung in eine WfbM bei der Auslegung des § 11
Abs. 2a
Nr. 2
SGB VI hinsichtlich des Kriteriums "voraussichtlich erfolgreiche Rehabilitation" in Anlehnung an die §§ 9 und 10
SGB VI restriktiv so zu interpretieren, dass die Rehabilitationsziele der Leistungen der Rentenversicherung erfüllt sein müssen, wobei auf den allgemeinen ersten Arbeitsmarkt abgestellt werde, nicht aber die Mindestanforderungen zur Eingliederung in eine WfbM ausreichen würden.
Es sei auch zu bedenken, dass die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherungsträger nicht erbracht würden, um Leistungen zur Aufnahme in eine WfbM zu ermöglichen, da die Versicherten die persönlichen Voraussetzungen des § 10
SGB VI nicht erfüllen würden, sondern nur die Erhaltung der Werkstattfähigkeit, wenn dies zum Rentenanspruch führen solle. Es erscheine somit konsequent, Leistungen nicht zu Lasten der Rentenversicherung zu erbringen, wenn die Voraussetzungen einer "voraussichtlich erfolgreichen Rehabilitation" im Sinne des § 10
SGB VI nicht vorlägen.
Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 16.11.2017 hat der Vorsitzende die Beklagte darauf hingewiesen, dass er die Klage für begründet hält.
Die Beklagte hat gleichwohl an ihrer Rechtsauffassung festgehalten.
Die Beteiligten habe ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung
gem. § 124
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogenen Akten der Beteiligten sowie auf die gesamt Gerichtsakte Bezug genommen.
Die zulässige Klage erweist sich in vollem Umfang als begründet.
I.
Die form- und fristgerecht zum örtlich zuständigen Sozialgericht Nürnberg erhoben Klage ist zulässig.
Sie ist auch als allgemeine Leistungsklage
gem. § 54
Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) statthaft. Die Beteiligten streiten um die Erstattung von berufsfördernden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer WfbM. Im Rahmen dieses Erstattungsbegehens besteht zwischen der Klägerin und der Beklagten kein Über-/Unterordnungsverhältnis, welches im Wege eines Verwaltungsaktes durchgesetzt werden könnte. Aus diesem Grunde ist die allgemeine Leistungsklage die statthafte Klageart (
vgl. BSG, 01.04.1993, Az.: RK 10/92 mwN; Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer/Schmidt,
SGG Kommentar, 12. Auflage, RdNr. 41).
II.
Die Klage ist in vollem Umfang begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die für erbrachten berufsfördernden Leistungen zur Teilhabe in der WfbM in Höhe der geltend gemachten 16.626,31
EUR.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist zutreffende Anspruchsgrundlage eines erstangegangen Trägers nicht
§ 14 Abs. 4 SGB IX. Der diesbezügliche Einwand der Beklagten der fehlenden Weiterleitung trifft insoweit zu.
Auch kann sich die Klägerin nicht im Sinne der Entscheidung des
BSG vom 26.06.2007 (Az.:
B 1 KR 34/06 R) auf §§ 103, 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB X) deswegen berufen, weil ein Irrtum über die Zuständigkeit vorgelegen habe; auch insoweit folgt die Kammer der Ansicht der Beklagten, die zu Recht darauf hingewiesen hat, dass sich die Klägerin aus ihrer Sicht gerade nicht über ihre eigene Zuständigkeit geirrt habe, sondern vielmehr von der Zuständigkeit der Beklagten ausgegangen sei.
Allerdings irrt die Beklagte, wenn sie hieraus eine Weiterleitungspflicht der Klägerin ableiten will. Genau dies würde bei einem bekannten Kompetenzstreit - wie vorliegend zwischen der Klägerin und den Rentenversicherungsträgern - dem Beschleunigungszweck des § 14
SGB IX widersprechen (
BSG, 02.10.2009 - Az.
B 5 R 44/08 R mit weiteren Ausführungen.)
Zutreffende Anspruchsnorm sind daher weder § 14
Abs. 4
SGB IX noch die §§ 103, 104
SGB X, sondern bei bekannten Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Trägern und aufgrund dessen nicht erfolgter Weiterleitung ist dies direkt § 102
SGB X (
BSG, Urteil vom 02.10.2009 - Az. B 5 R 44/08 R).
Gemäß § 102
SGB X ist der zur Leistung verpflichtete Träger erstattungspflichtig, soweit ein anderer Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufige Sozialleistungen erbracht hat. Zeck des § 102
SGB X ist es danach, die aufgrund der vorläufigen Leistungszuständigkeit eingetretene, aber dem materiellen Sozialrecht an sich widersprechende Lastenverschiebung wieder rückgängig zu machen. Dem vorleistenden Träger soll der Ersatz seiner Aufwendungen gesichert werden (von Wulffen,
SGB X Kommentar, 6. Auflage, § 102 RdNr. 3).
Die Klägerin hat Z Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Eingangsbereich und im Berufsbildungsbereich einer WfbM in Höhe von 16.626,31
EUR erbracht
gem. §§ 5 Nr. 2,
6 Abs. 1 Nr. 2,
7, 14
Abs. 2,
33,
39,
40,
42 Abs. 1 Nr. 1,
136 SGB IX iVm.
§§ 112ff SGB III.
Diese Leistungen sind auch vorläufig im Sinne des § 102
SGB X erfolgt: Hierbei reicht es nach der Rechtsprechung des
BSG (Urteil vom 02.10.2009 - Az. B 5 R 44/08 R), dass im Lichte eines bekannten Kompetenzkonfliktes zwischen Trägern infolge des Beschleunigungsgedankens des § 14
SGB IX der erstangegangene Träger sich trotz des ihm eingeräumten Prüfungs- und Ablehnungsrechts einem Leistungszwang ausgesetzt sieht, der demjenigen des zweitangegangenen Trägers vergleichbar sei. Aufgrund des bekannten Kompetenzkonfliktes zwischen den Beteiligten und hinsichtlich des Beschleunigungsinteresses zugunsten der Z war dies vorliegend gegeben. Es würde gerade dem Beschleunigungszweck des § 14
SGB IX zuwiderlaufen, bei bekanntem Kompetenzkonflikt nur zur Erhaltung eines Erstattungsanspruches eine Weiterleitung vorzunehmen und dabei eine Verzögerung zu Lasten des Rehabilitanden in Kauf zu nehmen. Eine Pflicht zur Weiterleitung in derartigen Fällen besteht gerade nicht.
Infolge der fehlenden Weiterleitung ist die Klägerin nach § 14
Abs. 2
SGB IX im Außenverhältnis zu Z auch zuständig geworden, und zwar "vorläufig" im Hinblick auf § 102
SGB X. Dies ergibt sich aus dem Beschleunigungsgedanken des § 14
SGB IX bzw. entsprechend § 43
SGB I. Insbesondere hat die Klägerin auch ihren Willen, nur vorläufig im Außenverhältnis zu leisten, ausdrücklich und unverzüglich der Beklagten angezeigt und zugleich den Erstattungsanspruch dem Grunde nach angemeldet.
Die Klägerin hat einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, weil diese - entgegen ihrer Auffassung - der für die Maßnahme nach materiellem Sozialrecht zuständige Leistungsträger ist, und zwar
gem. §§ 42
Abs. 1
Nr. 3
SGB IX i.V.m. § 11
Abs. 2a
Nr. 2
SGB VI: Zum einzig hier relevanten Antragszeitpunkt hat die H. die hier streitbefangene Maßnahme der beruflichen Rehabilitation zur Sicherung des Rehabilitationserfolges der zuvor durchgeführten medizinischen Maßnahme der Rehabilitation für erforderlich erachtet.
Die von der Beklagten vorgetragene Argumentation, im Rahmen des § 11
Abs. 2a
Nr. 2
SGB VI ergebe sich eine Zuständigkeit der Beklagten ausschließlich dann, wenn eine Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt voraussichtlich erfolgreich sein wird, teilt die Kammer nicht, und zwar aus folgenden Gründen:
Die von der Beklagten vertretene Auffassung bedeutet im Ergebnis eine entsprechende Anwendung der §§ 9 und 10
SGB VI in einem Kontext wie dem vorliegenden. § 42
Abs. 1
Nr. 3
SGB IX verweist aber ausdrücklich ausschließlich auf die §§ 11 bis 13
SGB VI.
Das bedeutet aus Sicht des Vorsitzenden, dass für Teilhabemaßnahmen in einer WfbM nach § 16
SGB VI i.V.m. § 40
SGB IX, anders als in anderen Rehabilitationsbereichen der Rentenversicherung, § 10
SGB VI gerade keine Anwendung findet. Demnach muss es während oder im Anschluss an eine medizinische Rehabilitation in Trägerschaft des Rentenversicherungsträgers bereits ausreichen, wenn zumindest Werkstattfähigkeit gegeben ist, was vorliegend der Fall ist, um den Rehabilitationserfolg zu sichern. Nach den Empfehlungen der H. werden zur Sicherung des Reha-Erfolges Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben empfohlen, und zwar im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer WfbM.
Dem widerspricht aus Sicht der Kammer auch nicht der Hinweis der Beklagten, dass nach der Entscheidung des
BSG vom 16.06.2015 (Az.:
B 13 R 12/14 R) die Rentenversicherungsträger nur dann zu einer medizinischen Leistung der Rehabilitation verpflichtet werden können, um eine ursprünglich bestehende Werkstattfähigkeit zu erhalten oder nach zwischenzeitlicher Erkrankung wiederzuerlangen, nicht jedoch, um diese erstmals herzustellen.
Zum einen ist vorliegend die ursprünglich bestehende Werkstattfähigkeit der Z. überhaupt nicht in Frage zu stellen; die streitbefangene Maßnahme dient zum andern auch nicht der ursprünglichen Herstellung von Werkstattfähigkeit; darüber hinaus handelt es sich vorliegend wiederum nicht um eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation. Eine Übertragbarkeit der
BSG-Entscheidung auf die vorliegende Konstellation ergibt sich daher aus Sicht der Kammer nicht.
Aus Sicht der Kammer geht § 42
SGB IX als speziellere Norm hinsichtlich des für den jeweiligen Träger im Bereich der WfbM-Maßnahmen anwendbaren Rechts der Auffangnorm des § 7
SGB IX vor. Ansonsten wäre die gesamte Vorschrift des § 42
SGB IX widersinnig und überflüssig.
Danach wird aber gerade nicht auf § 10
SGB VI verwiesen, sondern nur auf die §§ 11 bis 13
SGB VI. Dies wäre bei einem zu weit verstandenen § 7
SGB IX daher völlig sinnlos.
Im Übrigen ist auch nicht § 10
SGB VI bzw. dessen Grundgedanke im Sinne einer einschränkenden Auslegung des hier anwendbaren § 11
Abs. 2a
Nr. 2
SGB VI heranzuziehen. Im Vergleich zu § 10
SGB VI, aber auch im Vergleich zu § 11
Abs. 1
SGB VI geht § 11
Abs. 2a als die speziellere Norm vor, so dass die Vorschriften nicht etwa kumuliert erfüllt sein müssen, sondern § 11
Abs. 2a die anderen Voraussetzungen ersetzt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut. Es ist daher ausreichend, wenn diese für eine erfolgreiche Rehabilitation erforderlich sind, was prognostisch aufgrund der Einschätzung der H. zu bejahen ist.
Doch selbst wenn man, wie die Beklagte, eine wie auch immer geartete Anlehnung an den Gedanken des § 10
SGB VI im Sinne einer teleologisch reduzierten Auslegung des § 11
Abs. 2a
Nr. 2
SGB VI annehmen würde, wonach etwa Erfolgsaussichten für eine Eingliederung des Rehabilitanden in den ersten Arbeitsmarkt zur Zuständigkeitsbegründung der Rentenversicherung erforderlich sei, wäre aus Sicht der Kammer im vorliegenden Fall dies bei Z gegeben.
Die von der H. in P. mit Schreiben vom 28.06.2013 mitgeteilten Diagnosen der Versicherten sind grundsätzlich therapierbar und damit nicht grundsätzlich einer Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt entgegenstehend, wie dies etwa im Extremfall bei von Geburt an bestehenden, nicht behebbaren Behinderungen der Fall sein könnte.
Da § 42
SGB IX grundsätzlich eine vorrangige Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger vor der der Bundesagentur für Arbeit anordnet, trifft für das Nichteingreifen des Zuständigkeitsvorrangs die Beweislast den Rentenversicherungsträger.
Aus den vorliegenden Unterlagen sind keine Umstände erkennbar, die eine Wiedereingliederung der Z in den ersten Arbeitsmarkt in jedem Falle ausschlössen.
Im Gegenteil: Mit der Bewilligung der Maßnahme der stationären Rehabilitation hat die Beklagte selbst prognostisch eine Rehabilitierbarkeit der Z im Sinne des § 10
SGB VI bejaht. Diese positive Prognose hat sich auch nicht durch die medizinische Rehabilitationsmaßnahme selbst verschlechtert: Es ist deutlich darauf hinzuweisen, dass im Entlassungsbericht sogar für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ein quantitatives Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich gesehen worden ist. Hieraus eine Negativprognose hinsichtlich der Integrierbarkeit der Z. in den ersten Arbeitsmarkt ableiten zu wollen, erschließt sich der Kammer nicht.
Dass aufgrund dieser medizinischen Reha-Maßnahme zur Sicherung des Rehabilitationserfolges im Anschluss daran im Hinblick auf die psychischen Erkrankungen und Behinderungen der Klägerin und den Abbruch ihrer Ausbildung eine Maßnahme im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer WfbM empfohlen worden ist, ändert auch nichts daran und widerlegt insbesondere nicht die Aussicht auf Integration der Z in den ersten Arbeitsmarkt.
In diesem Zusammenhang ist deutlich darauf hinzuweisen, dass mögliches Ziel und Ergebnis einer Maßnahme im Berufsbildungsbereich einer WfbM nach § 136
Abs. 1 Satz 2 der Übertritt in den ersten Arbeitsmarkt ist, wobei der Übertritt in den ersten Arbeitsmarkt nach § 136
Abs. 1 Satz 3
SGB IX sogar ausdrückliches Ziel der WfbM-Maßnahme ist.
Aus dem vorstehenden ergibt sich, dass die Beklagte die materiell-rechtlich für die streitbefangene Maßnahme zuständige Klägerin ist.
Gegen sie ist daher der Erstattungsanspruch zu richten, der sich nach § 102
Abs. 2
SGB X inhaltlich nach den Leistungsvorschriften der Klägerin richtet.
Die Frist des § 111
SGB X ist eingehalten und der Anspruch nicht nach § 113
SGB X verjährt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a
SGG i.V.m. § 154
Abs. 1
VwGO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a
SGG i.V.m. § 52
Abs. 3 GKG.