Urteil
Leistungen im Eingangsverfahren einer Werkstatt für behinderte Menschen - Regelaltersgrenze - Arbeitsbereich - Dauerhaftigkeit

Gericht:

LSG Berlin-Brandenburg 16. Senat


Aktenzeichen:

L 16 R 256/19


Urteil vom:

11.12.2019


Grundlage:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2019 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Gerichtsbescheides wie folgt neu gefasst wird:

Der Bescheid der Beklagten vom 17. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 2018 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Eingangsverfahren einer Werkstatt für behinderte Menschen zu erbringen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) in Gestalt eines Eingangsverfahrens in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM).

Die 1956 geborene Klägerin erlernte den Beruf einer Diplom-Sozialpädagogin (Diplom vom 18. Februar 1998) und absolvierte erfolgreich eine Weiterbildung zur Suchttherapeutin (Abschluss 14. April 2002); sie arbeitete in diesem Beruf bis zum 31. März 2007. Seit 1. November 2007 bezieht sie von der Beklagten Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen eines posttraumatischen Belastungssyndroms, außerdem ergänzende Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII). Ihr wurde vom Versorgungsamt ein Grad der Behinderung von 70 zuerkannt. Ihre Regelaltersgrenze beläuft sich auf 65 Jahre und 10 Monate. Ein Anspruch auf Regelaltersrente besteht ab 1. Februar 2022.

Im Zeitraum 29. Mai 2017 bis 2. Juni 2017 absolvierte die Klägerin ein Vollzeitpraktikum im Bereich Mediengestaltung und Digitalisierung bei der C GmbH in B, im Zeitraum Juni 2017 bis Februar 2018 hospitierte sie dort einmal wöchentlich. In der Praktikumsauswertung vom 14. Mai 2018 wurde die Klägerin aus sozialpädagogischer Sicht fähig erachtet, im geschützten Rahmen mit sozialpädagogischer/psychologischer Begleitung eine LTA-Maßnahme zu absolvieren.

Die Klägerin stellte im Juni 2017 bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von LTA in der Form der Übernahme in eine WfbM. Die Beklagte zog daraufhin einen Befundbericht der behandelnden Fachärztin für Nervenheilkunde H vom 8. Juni 2018 bei und lehnte den Antrag der Klägerin auf LTA durch Bescheid vom 17. August 2017, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2018, ab. Im Hinblick auf den Beginn der Altersrente der Klägerin sei eine dauerhafte Eingliederung nicht zu erwarten.

Mit der Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) hat die Klägerin eine LTA "für die C GmbH" begehrt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ihre Regelaltersrente beginne erst am 1. Februar 2022, und sie wolle trotz ihrer Erkrankung bis dahin wieder arbeiten und ihren Lebensunterhalt verdienen. Sie beabsichtige nicht, eine vorzeitige abschlagsfreie Altersrente ab Februar 2020 in Anspruch zu nehmen. In einer WfbM wäre es möglich, ihre gesundheitlichen Einschränkungen zu berücksichtigen. Sie könne bis zur Regelaltersgrenze noch mindestens fast zwei Jahre nach Beendigung des Eingangs- und Berufsbildungsverfahrens im Arbeitsbereich der WfbM oder am ersten Arbeitsmarkt und sogar noch über den Zeitpunkt des Rentenbeginns hinaus tätig sein, soweit sie einen Arbeitgeber fände, der hiermit einverstanden sei.

Durch Gerichtsbescheid vom 19. März 2019 hat das SG die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Leistungen im Eingangsverfahren einer anerkannten WfbM zu gewähren und nach Abschluss des Eingangsverfahrens Leistungen im Berufsbildungsbereich nicht mit der Begründung mangelnder wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung wegen eines absehbaren Regelaltersbeginns der Klägerin abzulehnen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klägerin erfülle die Voraussetzung des § 56 Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (SGB IX), sie sei insbesondere nach Teilnahme an Leistungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich in der Lage, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung iSd § 219 SGB IX zu erbringen. Der Erwartung einer wirtschaftlich verwertbaren Arbeitsleistung stehe auch nicht der absehbare Altersrentenbeginn entgegen. Denn die Prognose für den Berufsbildungsbereich nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 SGB IX setze nur ein Minimum an Arbeitsleistung voraus, insoweit reiche jeder wirtschaftlich verwertbarer Beitrag aus. Eine Wirtschaftlichkeitsabwägung, in der die Dauer und der Aufwand der Förderung zum Ausmaß und Dauer der anschließenden Arbeitsleistung ins Verhältnis gesetzt würden, sei im Rahmen der Prognose nicht zulässig. Die durch die Ablehnungsentscheidung eingetretene Verzögerung könne der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen, vielmehr sei sie insoweit nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, wie sie ohne die Verzögerung gestanden hätte, weshalb auf den Zeitpunkt spätestens der Widerspruchsentscheidung abzustellen sei. Hingegen habe die Klägerin keinen Anspruch auf Durchführung der Maßnahmen der Werkstatt der C GmbH. Die dortige Durchführung der Maßnahme sei zwar als berechtigter Wunsch im Sinne des § 8 SGB IX von der Beklagten grundsätzlich zu prüfen, die Auswahl der betreffenden Werkstatt sei hingegen durch die Beklagte noch zu klären, weshalb insofern mangels behördlicher Vorbefassung keine spezifische Verpflichtung durch das Gericht ausgesprochen werden könne.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Eine dauerhafte Tätigkeit der Klägerin im Arbeitsbereich einer WfbM sei nicht zu erwarten, weil für das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich 27 Monate in Ansatz zu bringen seien, so dass ausgehend von der Regelaltersgrenze der Klägerin im April 2021 auch bezogen auf den Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung keine dauerhafte Tätigkeit im Arbeitsbereich von mehr als einem Jahr zu erwarten sei.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 19. März 2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin, die klargestellt hat, mit der Klage die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen im Eingangsverfahren einer WfbM geltend zu machen, beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend. Es komme bei der vorzunehmenden Prognose allein auf eine dauerhafte berufliche Eingliederung an. Eine solche könne im Falle der Klägerin durch die angestrebte Maßnahme erreicht werden. Eine dauerhafte Eingliederung liege bereits dann vor, wenn die Arbeitsleistung für den Zeitraum, in dem auch nicht behinderte Menschen üblicherweise arbeiteten, also bis zum Eintritt in das Rentenalter, erbracht werden könne.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der die Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Rechtsweg:

SG Berlin, Urteil vom 19.03.2019 - S 19 R 706/18

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Berlin

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet, war allerdings mit der tenorierten Maßgabe unter Berichtigung des erstinstanzlichen Urteilsausspruches zurückzuweisen. Das SG hat ausgehend von dem von der Klägerin - sachgerecht - im Verhandlungstermin konkretisierten Klagebegehren zutreffend entschieden, dass diese Anspruch auf Gewährung von LTA in Gestalt der Übernahme in das Eingangsverfahren einer WfbM hat. Die so verstandene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist begründet.

Gemäß § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) erbringt die Rentenversicherung unter anderem berufsfördernde LTA. Die Klägerin erfüllt, was auch zwischen den Beteiligten nicht streitig ist, die persönlichen Voraussetzungen gemäß § 10 SGB VI und die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gemäß § 11 SGB VI. Die Beklagte ist auch gemäß § 16 SGB VI iVm § 6 Abs. 1 Nr. 4 iVm § 63 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX zuständiger Rehabilitationsträger für die Erbringung von Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer anerkannten WfbM und gemäß § 63 Abs. 3 SGB IX für LTA bei einem anderen Leistungsanbieter.

Rechtsgrundlage für den Anspruch behinderter Menschen auf LTA ist § 49 Abs. 1 und 3 SGB IX iVm § 56 SGB IX in der ab dem 1. Januar 2018 gültigen und hier anwendbaren Fassung (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2018). Danach werden LTA in anerkannten WfbM erbracht, um die Erwerbsfähigkeit der Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohten Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die LTA in den WfbM sollen auf das Ziel eines selbstbestimmten Lebens in der Gesellschaft vorbereiten. Die WfbM umfasst drei Leistungsbereiche: das Eingangsverfahren, den Berufsbildungs- und den Arbeitsbereich (§§ 57, 58 SGB IX).

Die Klägerin hat Anspruch auf Leistungen im Eingangsverfahren einer WfbM. Gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX erhalten Menschen mit Behinderungen im Eingangsverfahren Leistungen zur Feststellung, ob die Werkstatt die geeignete Einrichtung für die Teilhabe des Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben ist sowie welche Bereiche der Werkstatt und welche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für die Menschen mit Behinderungen im Betracht kommen, und um einen Eingliederungsplan zu erstellen, nach Nr. 2 im Berufsbildungsbereich, wenn die Leistungen erforderlich sind, um die Leistungs- oder Erwerbsfähigkeit des Menschen mit Behinderungen soweit wie möglich zu entwickeln, zu verbessern oder wiederherzustellen und erwartet werden kann, dass der Mensch mit Behinderungen nach Teilnahme an diesen Leistungen in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Sinne des § 219 SGB IX zu erbringen. Gemäß § 57 Abs. 2 SGB IX werden Leistungen im Eingangsverfahren in der Regel für drei Monate erbracht, wobei die Leistungsdauer auf bis zu vier Wochen verkürzt werden kann, die Leistungen im Berufsbildungsbereich gemäß Abs. 3 der Vorschrift für zwei Jahre, wobei diese in der Regel zunächst für ein Jahr bewilligt werden (Satz 2). Den Leistungen im Berufsbildungsbereich sind denjenigen im Eingangsverfahren zwingend vorgeschaltet. Es besteht ein Stufenverhältnis im Rahmen der Leistungserbringung. Ein Eingangsverfahren muss immer durchgeführt werden, ohne die Durchführung des Eingangsverfahrens kommen Leistungen im Berufsbildungs- und im Arbeitsbereich nicht in Betracht.

Die Klägerin erfüllt die persönlichen Voraussetzungen für die Aufnahme in eine WfbM (sog Werkstattfähigkeit). Gemäß § 219 Abs. 1 Satz 2 SGB IX ist die WfbM einer Einrichtung zur Teilhabe für diejenigen behinderten Menschen, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden können. Diesen steht sie unabhängig von Art oder Schwere der Behinderung offen, sofern erwartet werden kann, dass sie spätestens nach Teilnahme an Maßnahmen im Berufsbildungsbereich wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung erbringen werden (Abs. 2 Satz 1) § 219 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verlangt damit eine vom zuständigen Reha-Träger im Benehmen mit dem Fachausschuss vorzunehmende und von den Sozialgerichten voll überprüfbare Prognose des vom behinderten Menschen durch die Maßnahmen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich zu erwartenden Leistungsvermögens. Ist zu erwarten, dass der Leistungsempfänger spätestens nach der Teilnahme an der Maßnahme im Berufsbildungsbereich in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen, so ist - bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen - der Förderanspruch begründet. Ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung ist zu erwarten, wenn der behinderte Mensch an der Herstellung der von der betreffenden WfbM vertriebenen Waren oder Dienstleistungen durch nützliche Arbeit beteiligt werden kann. Eine solche Arbeitsleistung ist ausreichend, ohne dass es auf ein wirtschaftliches Verhältnis von Personalaufwand und Arbeitsergebnis im Sinne betriebswirtschaftlicher Erwägungen ankommt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29. Juni 1995 - 11 RAr 57/94; BSG SozR 4100 § 58 Nr. 14; BSG SozR 3-4100 § 58 Nr. 6). Eine positive Prognose ist bereits dann gerechtfertigt, wenn davon auszugehen ist, dass der behinderte Mensch nach der Teilnahme an der Förderung irgendwie am Arbeitsablauf der Werkstatt mitwirkt, ohne sich oder andere zu gefährden (vgl. BSG, Urteil vom 1. April 1993 - 7 RAr 86/92 - juris). Dass die Klägerin eine derartige Arbeitsleistung nach der Teilnahme im Berufsbildungsbereich bei prognostischer Betrachtung erbringen können wird, wird durch den Praktikumsbericht der C GmbH eindrucksvoll bestätigt. Darin heißt es unter anderem, die Klägerin habe im Medienbereich gut mitarbeiten können. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang entgegen der Ansicht der Beklagten von vornherein, ob und wie lange die Klägerin ggf. wegen der Möglichkeit des Bezuges einer abschlagsfreien vorzeitigen Altersrente im Arbeitsbereich der WfbM (§ 58 SGB IX) tätig sein kann. Einer solchen Betrachtungsweise steht zum einen das Verbot betriebswirtschaftlicher Erwägungen bei der Prognose der Leistungsfähigkeit der Klägerin entgegen. Zum anderen geben weder § 57 SGB IX noch § 219 SGB XI eine bestimmte Dauer einer Tätigkeit vor. Vielmehr regelt § 220 Abs. 2 SGB IX, dass behinderte Menschen so lange in der Werkstatt beschäftigt werden, wie die Aufnahmevoraussetzungen nach § 220 Abs. 1 SGB IX iVm § 219 Abs. 2 SGB IX vorliegen.

Vor dem Hintergrund des hohen verfassungsrechtlichen Ranges der Teilhabe Leistungen kann auch keine Altersgrenze in die Vorschrift des § 57 SGB IX hineingelesen werden. Auch § 219 Abs. 2 Satz 2 Alt. 3 SGB IX iVm § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB IX steht einem Anspruch der Klägerin und einer entsprechenden Verurteilung der Beklagten jedenfalls zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht entgegen. Danach steht die WfbM behinderten Menschen nicht offen, bei denen sonstige Umstände ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung im Arbeitsbereich "dauerhaft" nicht zulassen. Leistungen im Arbeitsbereich sollen indes in der Regel längstens bis zum Ablauf des Monats erbracht werden, in dem das für die Regelaltersrente im Sinne des SGB VI erforderliche Lebensalter erreicht wird (bei der Klägerin daher der Ablauf des Monats Januar 2022, da bei ihr die Regelaltersgrenze sich gemäß § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI auf 65 Jahre und 10 Monate beläuft). Ausgehend vom Termin zur mündlichen Verhandlung und einer Regeldauer von Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich von insgesamt 27 Monaten wäre damit zwar ein Eintritt der Klägerin in den Arbeitsbereich nicht vor April 2022 zu erwarten, mithin zu einem Zeitpunkt nach der Regelaltersgrenze.

Hier gilt jedoch, dass derzeit weder absehbar noch prognostizierbar ist, wie lange die Klägerin, die bereits Praxis bei einem zugelassenen Träger gesammelt hat und deren berechtigten Wünschen (vgl. § 8 SGB IX) zu entsprechen ist, im Eingangsverfahren verweilen wird, das auf vier Wochen verkürzt werden kann. Sollte sich der Berufsbildungsbereich anschließen, kann auch dieser verkürzt werden. Denn bei der in § 57 Abs. 3 Satz 1 SGB IX bezeichneten Dauer von zwei Jahren handelt es sich um die Höchstförderungsdauer. Im Übrigen erlaubt § 58 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 SGB IX auch eine Abweichung vom Grundsatz, dass Leistungen im Arbeitsbereich (erst) im Anschluss an Leistungen im Berufsbildungsbereich erbracht werden, nämlich dann, wenn der Mensch mit Behinderungen bereits über die für die in Aussicht genommene Beschäftigung erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, die er durch eine Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erworben hat. Auch dies kann bei der Klägerin, die bis März 2007 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund ihrer Fachausbildung beschäftigt war, nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Besteht aber - wie hier - grundsätzlich und von Gesetzes wegen die Möglichkeit, bereits deutlich früher als nach der "Regelzeit" in den Arbeitsbereich einer WfbM zu wechseln, kann derzeit auch nicht sicher festgestellt werden, dass die Klägerin vor Erreichen ihrer Regelaltersgrenze eine verwertbare Arbeitsleistung im Arbeitsbereich dauerhaft nicht mehr erbringen kann. Hinzu kommt, dass Leistungen im Arbeitsbereich "in der Regel" (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB IX) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zu erbringen sind, was indes nach der Gesetzesbegründung flexible Übergange aus dem Arbeitsbereich in den Ruhestand auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht ausschließt (vgl. BT- Drucks 18/10523, S 55), falls sich die Klägerin zu einer späteren Beantragung der Regelaltersrente (mit der daraus resultierenden Erhöhung des Zugangsfaktors gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2b SGB VI) entschließen sollte. Da vorliegend nur über Leistungen im Eingangsverfahren zu entscheiden ist, durfte die Beklagte diese daher nicht mit der Begründung ablehnen, im Arbeitsbereich sei prognostisch keine dauerhafte Arbeitsleistung mehr zu erwarten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Referenznummer:

R/R9008


Informationsstand: 23.01.2020