II.
Der Senat konnte über die Berufungen durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung jeweils nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher gehört worden (§ 153
Abs. 4
SGG).
Die Beiladung anderer Rehabilitationsträger kam nicht in Betracht. Die Zuständigkeit der Beklagten als Rehabilitationsträger erstreckt sich nach
§ 14 Abs. 1 und 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -
SGB IX - in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23. April 2004, BGBl I 606) im Verhältnis des Rehabilitationsträgers zu dem behinderten Menschen auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation vorgesehen sind (
vgl. z.B. Bundessozialgericht (
BSG), Urteil vom 24. Februar 2016 -
B 8 SO 18/14 R -, juris). Insoweit kann sich jedoch eine Verpflichtung des angegangenen Rehabilitationsträgers nur auf eine Neubescheidung seines Antrags erstrecken (
vgl. zu dem weiterhin zu beachtenden Auswahlermessen der Behörde
z.B. BSG, Urteil vom 11. Mai 2011 -
B 5 R 54/10 R - juris, RdNr. 17). Nicht erforderlich ist vor diesem Hintergrund die Beiladung von Rehabilitationsträgern, die nur abstrakt, aber nicht im konkreten Verhältnis zu dem behinderten Menschen leistungspflichtig sein können.
Ein Anspruch des Klägers im Rahmen der Vorschriften der Arbeitsförderung ist hier nicht naheliegend gewesen. Denn in Bezug auf die nach den
§§ 81 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung -
SGB III) möglichen Leistungen der Bundesagentur für Arbeit zur beruflichen Weiterbildung handelt es sich nicht um solche der Eingliederung behinderter Menschen, die von der Rentenversicherung in ihre Erwägungen hätten eingestellt werden müssen. Die im ersten Unterabschnitt des siebten Abschnitts des
SGB III (
§§ 112 ff.) geregelten allgemeinen Leistungen zur
LTA liegen bereits dem Grunde nach im Ermessen der Behörde (
vgl. z.B. Schubert/Schaumberg, JurisPraxiskommentar
SGB III, 2014, § 112 RdNr. 77). Der Kläger könnte u.a. aus diesem Grund mit seinem Antrag hier nicht durchdringen. Die Leistungen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung (§§ 112,
113 Abs. 1 Nr. 1,
114,
115 Nr. 3,
116 SGB III) müssen zudem erforderlich sein, um den bei der Teilhabe am Berufsleben behinderten Menschen in seiner Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt zu fördern. Dabei muss eine Kausalität zwischen den durch die Teilhabeleistungen auszugleichenden Defiziten und den berufsbedingten Einschränkungen am Arbeitsleben bestehen. Dies ist hier nicht der Fall, wie noch weiter auszuführen sein wird.
Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert (§§ 153
Abs. 1, 54
Abs. 2
S. 1
SGG). Ihm steht ein Anspruch auf Bewilligung von
LTA gegen die Beklagte nicht zu.
Nach § 9
Abs. 1
S. 1
SGB VI (in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung der Neufassung des
SGB VI vom 19. Februar 2002, BGBl I 754) erbringt die Rentenversicherung
LTA, um (
Nr. 1) die Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbstätigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und (
Nr. 2) dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben wiedereinzugliedern. Leistungen nach Absatz 1 können nach § 9
Abs. 2
SGB VI erbracht werden, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei unterliegt die Entscheidung über die Voraussetzungen, das "ob" der Leistung, der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle, während das "wie" der Leistung im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten steht (
BSG, Urteil vom 12. März 2019 -
B 13 R 27/17 R -, juris, RdNr. 12).
Der Kläger erfüllt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Sinne des § 11
Abs. 1
Nr. 1
SGB VI für einen Anspruch auf
LTA gegenüber dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, da er die Wartezeit von 15 Jahren zurückgelegt hat. Ein Ausschlusstatbestand i.
S. des § 12
SGB VI ist nicht gegeben. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.
Nicht erfüllt sind jedoch die persönlichen Voraussetzungen für
LTA nach § 10
Abs. 1
SGB VI (in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung der Neufassung des
SGB VI vom 19. Februar 2002, BGBl I 754; § 301
Abs. 1
S. 1
SGB VI). Die Regelungen in § 10
Abs. 2 und 3
SGB VI sind hier nicht einschlägig.
Nach § 10
Abs. 1
SGB VI haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist (§ 10
Abs. 1
Nr. 1
SGB VI). Darüber hinaus muss bei geminderter Erwerbsfähigkeit des Versicherten diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben voraussichtlich wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch eine wesentliche Verschlechterung abgewendet werden können (§ 10
Abs. 1
Nr. 2 Buchst. b
SGB VI).
Hier bestehen unstreitig wesentliche gesundheitliche Einschränkungen des Klägers, die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung als Teigmacher-Anlagenbediener, die u.a. mit dem Anheben von 25
kg schweren Mehl-/Aromasäcken verbunden war, weiter auszuüben. Bereits im aktenkundigen Entlassungsbericht vom 16. Februar 2010 über die ganztägig ambulante Rehabilitationsmaßnahme im E.
S. vom 20. Januar bis zum 9. Februar 2010, in dem ein chronisches Lumbalsyndrom mit Pseudoradikulärsymptomatik beidseits, eine Rumpfmuskeldysbalance, Bandscheibenvorfälle L3/4, L4/5, L5/S1 sowie ein Übergewicht festgestellt worden waren, ist das Leistungsvermögen für diese Tätigkeit mit unter drei Stunden täglich angegeben worden. Gesundheitlich zumutbar waren leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten ohne länger dauernde Körperzwangshaltungen in allen Schichtformen sechs Stunden und mehr täglich. An diesem Leistungsbild hat sich nach den Angaben des Klägers in seinen dem Berufungsverfahren zugrunde liegenden Anträgen nichts geändert.
Erwerbsfähigkeit i.
S. des § 10
Abs. 1
Nr. 1
SGB VI ist die Fähigkeit eines Versicherten, seinen bisherigen Beruf oder seine bisherige Tätigkeit weiter ausüben zu können. Ausgangspunkt der Betrachtung ist mithin die Erwerbsfähigkeit des Versicherten in Bezug auf die bisher ausgeübte(n) Tätigkeit(en). Auf eine etwaige Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kommt es grundsätzlich nicht an. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 10
Abs. 1
Nr. 1
SGB VI, der anders als § 43
SGB VI nicht auf die Erwerbsminderung unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes abstellt. Auch fehlt es an einer Bezugnahme des § 10
Abs. 1
Nr. 1
SGB VI auf § 43
SGB VI oder § 240
Abs. 2
SGB VI. Die dortigen Kriterien sind im Rahmen des § 10
Abs. 1
SGB VI nicht anwendbar (
vgl. BSG, Urteile vom 11. Mai 2011, a.a.O., RdNr. 46 und vom 12. März 2019 - B 13 R 27/17 R -, juris RdNr. 18).
Gleichzeitig setzt die Leistungsverpflichtung der Beklagten nach § 10
Abs. 1
Nr. 2
SGB VI voraus, dass bei dem betreffenden Versicherten voraussichtlich (a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann, (b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann oder (c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.
Diese Teilhabeziele nach
Nr. 2 der Vorschrift sind bei dem Kläger mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erreichen. Eine Abwendung der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers im Sinne von a) der Vorschrift scheidet hier aus. Der Kläger ist für eine Tätigkeit als Teigmacher-Anlagenbediener dauerhaft nicht mehr einsetzbar, ohne dass diese Beeinträchtigung durch Weiterbildung, Hilfsmittel oder Ähnliches abgewendet werden könnte. In Bezug auf die geminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne von b) kommt es, anders als für die entsprechenden Begriffe nach
Nr. 1 der Vorschrift, nicht auf den bisherigen Beruf des Versicherten, sondern auf sämtliche in Betracht kommende Tätigkeiten an (
vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 2011, a.a.O., RdNr. 47). Da für den Kläger noch körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten in allen Schichtformen nicht verschlossen sind und er auf die abgeschlossene Berufsausbildung Kaufmann für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft zurückgreifen könnte, bedarf es hier schon nicht der Gewährung von
LTA, um eine Abwendung oder Wiederherstellung im Sinne von b) zu erreichen. Schließlich kann nach dem bisherigen Verlauf des Berufslebens des Klägers auch im Hinblick auf die von der Beklagten - und der Bundesagentur für Arbeit - bewilligten
LTA nicht davon ausgegangen werden, dass "voraussichtlich" durch eine weitere
LTA die geminderte Erwerbsfähigkeit wiederhergestellt werden könnte. Denn eine dauerhafte Wiedereingliederung des Klägers in das Berufsleben ist trotz des Abschlusses von insgesamt drei Berufsausbildungen und zwei Qualifizierungen sowie anderer diverser
LTA - zuletzt in Form eines Eingliederungszuschusses an den Arbeitgeber - nie gelungen. Eine längerfristige Tätigkeit und damit eine belastbare Integration in den Arbeitsmarkt ist dem Kläger nach der Beendigung seiner Schulausbildung ab September 1983 zu keiner Zeit gelungen. Bei dieser Sachlage kann weder eine Verpflichtung der Bundesagentur für Arbeit noch der Beklagten erkannt werden, dem Kläger weitere
LTA zu bewilligen.