Urteil
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren - Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Rentenversicherungsträgers gegen die vorrangig verpflichtete Krankenkasse - medizinische Rehabilitation - Begrenzung der Erstattungshöhe durch Vergütungsvereinbarungen nach § 111 Absatz 5 SGB V

Gericht:

BSG


Aktenzeichen:

B 1 KR 23/22 R


Urteil vom:

29.06.2023


Leitsätze:

Unter den Begriff der Rechtsvorschrift, die den Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers begrenzt, fällt auch eine gesetzlich vorgesehene Preisvereinbarung zwischen dem vorrangig verpflichteten Leistungsträger und dem Leistungserbringer.

Hinweis:

Einen Fachbeitrag zum Urteil finden Sie im Diskussionsforum Rehabilitations- und Teilhaberecht der Deutschen Vereinigung für Rehabilitation (DVfR) unter: https://www.reha-recht.de/fachbeitraege/beitrag/artikel/beitrag-a9-2024

Rechtsweg:

SG Hannover (NSB) - S 86 KR 178/20
LSG Niedersachsen-Bremen - L 4 KR 437/21

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. August 2022 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 389,55 Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

I

Die Beteiligten streiten um die Erstattung weiterer Pflegekosten einer stationären Rehabilitation (im Folgenden: Reha).

Die klagende Rentenversicherungsträgerin bewilligte dem bei ihr und bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten R (geb 1953, Versicherter) auf dessen Antrag (14.4.2016) eine Anschluss-Reha (Bescheid vom 19.4.2016). Nach Bewilligung der Reha und noch vor deren Antritt beantragte der Versicherte bei der Klägerin die Bewilligung von Altersrente (Antrag vom 22.4.2016). In der Folge wurde die Reha durchgeführt. Nach Abschluss der Reha bewilligte die Klägerin dem Versicherten auf seinen Antrag Altersrente ab dem 1.9.2016 (Bescheid vom 27.7.2016). Im September 2016 meldete die Klägerin einen Erstattungsanspruch in Höhe von 3438,02 Euro für die RehaMaßnahme bei der Beklagten an, die den Anspruch dem Grunde nach anerkannte, aber die enthaltenen Pflegekosten von 2819,64 Euro auf 2430,10 Euro kürzte, weil aufgrund der zwischen ihr und der Reha-Klinik vereinbarten Vergütung nur Kosten in dieser Höhe angefallen wären, wenn sie die Reha erbracht hätte.

Das SG hat die Klage auf Zahlung der Differenz von 389,55 Euro abgewiesen (Urteil vom 26.8.2021). Rechtsgrundlage des Anspruchs der Klägerin sei § 104 SGB X. Die verfahrensrechtlichen und materiellen Voraussetzungen seien erfüllt. Die Vergütungsvereinbarungen der Beklagten nach § 111 Abs 5 SGB V seien gemäß § 104 Abs 3 SGB X auch im Verhältnis der Beteiligten zu berücksichtigen. Ob Vergütungsvereinbarungen Rechtsvorschriften iS des § 104 Abs 3 SGB X seien, könne dahinstehen. Jedenfalls für das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ergebe sich die Bindung an Vergütungsvereinbarungen aus § 111 Abs 5 Satz 1 SGB V. Das LSG hat die Berufung der Klägerin mit Einverständnis der Beteiligten durch den Senatsvorsitzenden als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG zurückgewiesen und die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Ergänzend hat es ausgeführt, nach der Rspr des BSG (Urteil vom 22.5.1985 1 RA 45/84 BSGE 58, 128 = SozR 1300 § 103 Nr 4) dürfe ein Erstattungsanspruch zum Schutz der Einhaltung der fiskalischen Belastungsverteilung innerhalb des vorgesehenen materiellen Zuständigkeitssystems grundsätzlich nicht in das gesetzlich vorgesehene Finanzierungsverhältnis zwischen den Leistungsträgern eingreifen, sofern nicht eine gesetzliche Ausnahme vorgesehen sei. Zwar sei keine Neuorientierung der gesetzgeberischen Tätigkeit erkennbar, angesichts einer nicht unerheblichen Vielzahl vergleichbarer Streitigkeiten betreffend die aktuelle Gesetzeslage werde die Revision jedoch zugelassen (Urteil vom 10.8.2022).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 104 Abs 3 SGB X. Sie habe den Anspruch des Versicherten in dem Umfang erfüllt, wie er auch nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften zu leisten gewesen wäre. Sie habe die Pflegekosten jedoch nur nach den vertraglich vereinbarten Vergütungssätzen der Rentenversicherungsträger abrechnen können. Die Beklagte könne dem Erstattungsanspruch nun nicht entgegenhalten, dass die von ihr mit der RehaEinrichtung vereinbarten Vergütungssätze niedriger seien. Für das Erstattungsverfahren sei es unbeachtlich, ob und ggf in welcher Höhe die Beklagte mit einem außerhalb der Rechtsbeziehungen zum Versicherten stehenden Dritten der Reha-Einrichtung Vergütungssätze vereinbart habe, weil dies keine Drittwirkung entfalte. Auch § 111 Abs 1 SGB V iVm § 111 Abs 5 Satz 1 SGB V stünden der Erstattung der Pflegekosten in Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsbetrages nicht entgegen. Eine Vergütungsvereinbarung nach § 111 Abs 5 Satz 1 SGB V sei kein Normenvertrag; ihre Wirkung erstrecke sich nicht über die Parteien der Vergütungsvereinbarung hinaus.


Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 10. August 2022 und das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 26. August 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 389,55 Euro zu zahlen.


Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

II

Die zulässige Revision ist nicht begründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen. Der klagenden Rentenversicherungsträgerin steht kein Anspruch auf Zahlung von weiteren 389,55 Euro gegen die beklagte KK zu.

1. An einer Sachentscheidung ist der Senat nicht dadurch gehindert, dass das LSG über die Berufung der Klägerin gemäß § 155 Abs 3 und 4 SGG durch den konsentierten Einzelrichter entschieden und die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat. Zwar ist in der Rspr des BSG überwiegend anerkannt, dass es grundsätzlich ermessensfehlerhaft ist, wenn das LSG durch den Einzelrichter entscheidet und selbst die Revision zum BSG wegen grundsätzlicher Bedeutung der entschiedenen Rechtssache zulässt. Die Entscheidung solcher Rechtssachen soll grundsätzlich dem LSGSenat in seiner vollen Besetzung und mit ehrenamtlichen Richtern (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGG) vorbehalten sein (vgl ua BSG vom 8.11.2007 B 9/9a SB 3/06 R BSGE 99, 189 = SozR 41500 § 155 Nr 2, RdNr 22; BSG vom 31.8.2011 GS 2/10 BSGE 109, 81 = SozR 41200 § 52 Nr 4, RdNr 7; BSG vom 7.8.2014 B 13 R 37/13 R juris RdNr 14 ff; BSG vom 29.1.2019 B 2 U 5/18 R juris RdNr 13 ff; BSG vom 1.6.2022 B 3 KS 1/21 R juris RdNr 9; BSG vom 27.9.2022 B 7/14 AS 59/21 R SozR 44200 § 42 Nr 1 RdNr 16; BSG vom 21.12.2022 B 9 SB 3/20 R juris RdNr 8; BSG vom 13.12.2022 B 12 KR 14/20 R juris RdNr 8).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist aber ua für den Fall anerkannt, dass die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Einzelrichterentscheidung in Kenntnis der beabsichtigten Zulassung der Revision erklärt haben (vgl BSG vom 31.8.2011 GS 2/10 BSGE 109, 81 = SozR 41200 § 52 Nr 4, RdNr 7 f; BSG vom 29.1.2019 B 2 U 5/18 R juris RdNr 18 mwN; BSG vom 13.12.2022 B 12 KR 14/20 R juris RdNr 9). Dies war vorliegend der Fall.

Der LSGVorsitzende hat in der Anfrage an die Beteiligten, ob einer Entscheidung durch ihn als Einzelrichter zugestimmt werde, ausgeführt, dass die Entscheidung im Falle einer Zustimmung "zeitnah ergehen und dabei die Notwendigkeit einer Revisionszulassung geprüft werden" könne. Die Beteiligten haben hierauf jeweils mitgeteilt, mit einer Entscheidung durch den Senatsvorsitzenden als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung einverstanden zu sein. Sie haben ihr Einverständnis mit einer Einzelrichterentscheidung damit bei Auslegung ihrer Erklärungen gerade auch für den Fall der Zulassung der Revision erklärt, zumal der Vorsitzende die Revisionszulassung als konkrete Möglichkeit mit hinreichender Deutlichkeit in Aussicht gestellt hatte (zu einem Fall, in dem darauf hingewiesen worden war, dass "aller Voraussicht nach die Revision zuzulassen sein" werde BSG vom 31.8.2011 GS 2/10 BSGE 109, 81 = SozR 41200 § 52 Nr 4, RdNr 8; zu dem Fall, dass "die Beteiligten ihr protokolliertes Einverständnis mit einer Einzelrichterentscheidung auch für den Fall der Zulassung der Revision erklärt haben" BSG vom 3.12.2009 B 11 AL 38/08 R SozR 44300 § 53 Nr 4 RdNr 14). Gerade angesichts des Umstands, dass eine Zulassung der Revision durch den Einzelrichter grds nicht in Betracht kommt, mussten die Beteiligten nach dem Hinweis des Vorsitzenden mit einer Revisionszulassung ernstlich rechnen. Dies gilt umso mehr, als mit einer Rentenversicherungsträgerin und einer KK hier professionelle Beteiligte am Verfahren beteiligt sind, denen die Bedeutung des Hinweises des Vorsitzenden und die prozessualen Folgen ihres Einverständnisses bekannt gewesen sein müssen.

2. Das Urteil des LSG ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs sind dem Grunde nach erfüllt, die Klägerin hat aber keinen Anspruch auf Erstattung auch des begehrten Differenzbetrages in Höhe von weiteren 389,55 Euro. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich aus § 104 SGB X (dazu a). Dessen Voraussetzungen sind erfüllt und der Anspruch ist nicht ausgeschlossen (dazu b). Der Umfang des Erstattungsanspruchs wird aber durch die von der beklagten KK abgeschlossene Vergütungsvereinbarung nach § 111 Abs 5 SGB V der Höhe nach begrenzt (dazu c).

a) Der Senat hat wie das SG und ihm folgend das LSG zutreffend erkannt haben für die bis zum Inkrafttreten des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016 (BGBl I 3234) gültige Rechtslage bereits entschieden, dass in Fällen, in denen der Reha-Träger auf den Reha-Antrag hin seine Zuständigkeit gegenüber dem Versicherten geprüft und bejaht hat, § 14 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 und 2 SGB IX (idF durch Art 1 Nr 2 Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen vom 23.4.2004, BGBl I 606 ) für das Erstattungsverhältnis zwischen den Trägern eine nachrangige Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers iS des § 104 SGB X begründet, wenn er nach den Zuständigkeitsregelungen außerhalb von § 14 SGB IX unzuständig, ein anderer Träger aber zuständig gewesen wäre (BSG vom 11.9.2018 B 1 KR 6/18 R BSGE 126, 269 = SozR 43250 § 14 Nr 29, RdNr 12 ff mwN). Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch dann, wenn der erstangegangene Träger zunächst zuständig ist, als zuständiger Träger die Leistung bewilligt und vor Erfüllung der Leistungspflicht nach der Zuständigkeitsordnung außerhalb von § 14 SGB IX seine Zuständigkeit verliert; auch dann bleibt der erstangegangene Träger nach § 14 Abs 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Leistungsberechtigten zuständig (BSG aaO, RdNr 16 ff). Diese Voraussetzungen sind hier ebenso wie in dem vom Senat bereits entschiedenen Fall (aaO) erfüllt. Denn der Anspruch des Versicherten auf medizinische Reha nach § 15 SGB VI gegen die Klägerin als Rentenversicherungsträger ist durch die Rentenantragstellung gemäß § 12 Abs 1 Nr 2 SGB VI nach Bewilligung der Reha, jedoch vor Erfüllung des Leistungsanspruchs entfallen und an seine Stelle ein Anspruch auf stationäre medizinische Reha nach § 40 Abs 2 SGB V gegen die beklagte KK getreten. Ein Fall des § 103 SGB X liegt dagegen nicht vor. Diese Norm regelt den Anspruch des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist. Der Anspruch auf die geleistete Reha-Maßnahme gegen die Klägerin ist aber nicht nachträglich entfallen. Die einmal begründete Außenzuständigkeit nach § 14 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 und 2 SGB IX für eine beantragte Leistung zur Teilhabe dauert jedenfalls bis zur vollständigen Erfüllung der Leistungspflicht an (vgl zum Ganzen BSG, aaO, RdNr 21).

b) Auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs nach § 104 SGB X liegen vor. § 104 Abs 1 SGB X regelt:

"Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. … "

Ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X setzt demnach voraus, dass die betroffenen Leistungsträger vergleichbaren Leistungspflichten unterliegen, und zwar unter Berücksichtigung einer zeitlichen Kongruenz und Personenidentität (hierzu aa). Die Leistung des die Erstattung begehrenden Leistungsträgers muss rechtmäßig gewesen sein (hierzu bb). Derjenige, von dem Erstattung verlangt wird, muss seiner Leistungspflicht verspätet, also nicht rechtzeitig, nachgekommen sein. Der Erstattungspflichtige darf seine Leistung gegenüber dem Leistungsempfänger nicht bereits in Unkenntnis der Leistung des Erstattungsberechtigten erbracht haben (hierzu cc) und der Erstattungsberechtigte muss seinen Anspruch vor Ablauf der Ausschlussfrist geltend gemacht haben (hierzu dd).

aa) Vorliegend handelte es sich um vergleichbare und zeitlich kongruente Leistungen. An die Stelle des Anspruchs auf medizinische Reha gegen die Rentenversicherungsträgerin (vgl § 15 SGB VI) trat ein Anspruch auf stationäre medizinische Reha nach § 40 Abs 2 SGB V (idF durch Art 1 Nr 26 GKVWSG vom 26.3.2007, BGBl I 378 und Art 6 Nr 6 PflegeWeiterentwicklungsgesetz vom 28.5.2008, BGBl I 874 mWv 1.7.2008). Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Voraussetzungen dieses Anspruchs erfüllt waren, die RehaMaßnahme also insbesondere medizinisch erforderlich war.

bb) Die Leistung der Klägerin war rechtmäßig. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass dem Versicherten die RehaMaßnahme als solche nicht zustand, auch die Beklagte ist dem Erstattungsanspruch vielmehr "dem Grunde nach" nicht entgegengetreten. Weiter war die Klägerin wie ausgeführt gemäß § 14 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 und 2 SGB IX im Außenverhältnis zum Versicherten für die Leistungserbringung zuständig (vgl zu einem VorrangNachrangVerhältnis auch Kater in BeckOGK, SGB X, Stand 1.8.2022, § 104 RdNr 32).

cc) Der Erstattungsanspruch ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte bereits selbst geleistet hätte, bevor sie von der Leistung der Klägerin Kenntnis erlangte (§ 104 Abs 1 Satz 1 aE SGB X). Denn die Beklagte leistete gar nicht.

dd) Die Klägerin hat die Frist zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs nach § 111 SGB X eingehalten.

c) Der Umfang des Erstattungsanspruchs der Klägerin ist der Höhe nach auf den Betrag begrenzt, den die Beklagte als vorrangig verpflichteter Leistungsträger selbst hätte aufbringen müssen. Nach § 104 Abs 3 SGB X richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger hier also die beklagte KK geltenden Rechtsvorschriften. Hierzu zählt die von der Beklagten abgeschlossene Vergütungsvereinbarung nach § 111 Abs 5 SGB V mit der Folge, dass der Erstattungsanspruch der Höhe nach auf die von ihr getroffene Preisvereinbarung begrenzt ist. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut (dazu aa), wie auch Systematik sowie Sinn und Zweck der Regelung (dazu bb).

aa) Der Wortlaut von § 104 Abs 3 SGB X bestimmt, dass der Umfang der Leistungspflicht nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften begrenzt ist. Welche Leistungen der zuständige Leistungsträger an den Leistungsberechtigten zu erbringen hat, beurteilt sich nach dem für den zuständigen Leistungsträger geltenden Recht.

Eine Beschränkung dahingehend, dass "Rechtsvorschriften" iS des § 104 Abs 3 SGB X nur solche wären, die das Verhältnis des Trägers zum Leistungsberechtigten und dort Art und Umfang des Leistungsanspruchs gleichsam "im Außenverhältnis" regelten, lässt sich dieser Vorschrift nicht entnehmen (so aber die von der Klägerin angeführte Entscheidung des LSG BadenWürttemberg vom 24.4.2015 L 8 AL 2430/12 juris RdNr 75). Der Wortlaut des § 104 Abs 3 SGB X knüpft allein an "Rechtsvorschriften" an, ohne insoweit weiter zu differenzieren. Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten keine andere Auslegung (vgl dazu sogleich).

Unter den Begriff der Rechtsvorschrift, die den Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers begrenzt, fällt auch eine gesetzlich vorgesehene Preisvereinbarung iS des § 111 Abs 5 SGB V zwischen dem vorrangig verpflichteten Leistungsträger und dem Leistungserbringer. Das gesetzlich vorgesehene Vertragsmodell in § 111 Abs 1 iVm Abs 5 SGB V stellt den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen nämlich nicht in das freie Belieben der KK, sondern bewirkt eine Verpflichtung der KK, mit zugelassenen Einrichtungen Verträge über die Vergütung von Leistungen der Reha zu schließen. Zwar kommt einer Vergütungsvereinbarung nach § 111 Abs 5 SGB V keine normative Wirkung zu. Es handelt sich um einen öffentlichrechtlichen Vertrag, aber keinen Normenvertrag. Denn anders als die für stationäre Vorsorge und RehaLeistungen gemäß § 23 Abs 4, § 40 Abs 2 SGB V nach § 111 Abs 1 SGB V zu schließenden Versorgungsverträge sind die Vergütungsvereinbarungen auf Kassenseite nicht durch die Verbände zu schließen. § 111 Abs 5 Satz 1 SGB V sieht vielmehr Vergütungsvereinbarungen mit jeder einzelnen KK vor. Die Wirkung eines Versorgungsvertrages erstreckt sich somit nicht über die Parteien der Vergütungsvereinbarung hinaus (vgl Hannes in Hauck/Noftz, SGB V, § 111 RdNr 95). Dies ändert aber nichts daran, dass der Abschluss von Vergütungsvereinbarungen in § 111 Abs 5 SGB V gesetzlich und damit unzweifelhaft durch eine "Rechtsvorschrift" vorgesehen ist. Entgegen der Auffassung der Klägerin beinhaltet das Gesetz in § 111 Abs 5 Satz 1 SGB V nicht nur die Ermächtigung zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit zugelassenen Einrichtungen, sondern den klaren gesetzlichen Auftrag hierzu. Zwar kann es zu einem vertragslosen Zustand kommen, es ist jedoch durchaus zweifelhaft, ob und in welchen Konstellationen in einem gesetzlich vorgesehenen Vertragsmodell Zahlungsansprüche ohne vertragliche Grundlage durch schlichte Leistungserbringung überhaupt erworben werden können. Zudem sieht das Gesetz gerade zur Vermeidung vertragsloser Zustände in § 111 Abs 5 Satz 6 SGB V (bis 28.10.2020: § 111 Abs 5 Satz 2 SGB V) ein Schiedsverfahren vor (vgl Engelmann in Schlegel/Voelzke, jurisPKSGB V, Stand 22.2.2023, § 111 SGB V, RdNr 67 unter Bezugnahme auf BSG vom 10.4.2008 B 3 KR 5/07 R SozR 42500 § 133 Nr 2 RdNr 15; vgl auch BSG vom 14.7.2022 B 3 KR 2/22 R BSGE 134, 270 = SozR 42500 § 132a Nr 13 zum erforderlichen Schiedsspruch für einen Anspruch auf Vergütung von Beatmungsleistungen der Höhe nach bei vertragslosem Zustand).

bb) Systematik und Sinn und Zweck der maßgebenden Vorschriften bestätigen, dass die von der Beklagten getroffene Preisabrede im Rahmen der Höhe des Erstattungsanspruchs nach § 104 Abs 3 SGB V zu berücksichtigen ist. Das Gesetz differenziert hinsichtlich des Umfangs des Erstattungsanspruchs nach der Schutzbedürftigkeit des erstattungsberechtigten Leistungsträgers und berücksichtigt, ob dieser durch eine "aufgedrängte" Zuständigkeit belastet wird, derer er sich nicht erwehren kann. Privilegiert in dem Sinne, dass sie eine vollständige Erstattung der ihnen entstandenen Aufwendungen verlangen könnten, werden danach der vorläufig leistende (§ 102 SGB X) und der zweitangegangene Leistungsträger (§ 14 Abs 1 Satz 2 SGB X; hierzu <1>). Begehrt hingegen wie vorliegend ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger (§ 104 Abs 1 SGB X) Erstattung, beschränkt das Gesetz den Umfang des Erstattungsanspruchs auf den Ausgleich der ungerechtfertigten Bereicherung des "eigentlich" zuständigen Leistungsträgers (hierzu <2>).

(1) Unter den Erstattungsansprüchen nach §§ 102 ff SGB X bemisst lediglich § 102 Abs 2 SGB X den Umfang des dem erstattungsberechtigten konkret: dem vorläufig leistenden Träger zustehenden Erstattungsanspruchs nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften, so dass er alle von ihm rechtmäßig erbrachten Aufwendungen erstattet verlangen kann. Der Gesetzgeber sieht den vorläufig leistenden Leistungsträger als besonders schutzwürdig an, weil dieser gegen seinen Willen zur Leistung verpflichtet wurde (vgl Begründung des Gesetzentwurfs, BTDrucks 9/95 S 24). Die Erstattungsansprüche nach §§ 103 ff SGB X stellen dagegen auf die für den erstattungsverpflichteten Träger geltenden Rechtsvorschriften ab (§ 103 Abs 2, § 104 Abs 3 und § 105 Abs 2 SGB X). Diese gesetzliche Wertung spiegelt sich auch in der Rangfolge der Erstattungsansprüche. § 106 Abs 1 SGB X privilegiert insoweit Ansprüche des vorläufig leistenden Leistungsträgers (iS des § 102 SGB X; Nr 2) gegenüber Ansprüchen des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist (iS des § 103 Abs 2 SGB X; Nr 3), des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers (iS des § 104 Abs 3 SGB X; Nr 4) und des unzuständigen Leistungsträgers (iS des § 105 Abs 3 SGB X; Nr 5; vgl hierzu BSG vom 26.6.2007 B 1 KR 34/06 R BSGE 98, 267 = SozR 43250 § 14 Nr 4, RdNr 18).

Ähnliches gilt in den Fällen, in denen der sich selbst für unzuständig haltende erstangegangene Reha-Träger den Antrag weitergeleitet hat (vgl § 14 Abs 1 Satz 2 bis 4 SGB IX). In diesen Fällen kann der zweitangegangene RehaTräger im Nachhinein vom "eigentlich" zuständigen RehaTräger die Aufwendungen nach den für ihn, den zweitangegangenen RehaTräger, geltenden Rechtsvorschriften erstattet erhalten (§ 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX aF). Der zweitangegangene RehaTräger ist im Verhältnis zum behinderten Menschen nicht nur vorläufig, sondern endgültig und umfassend leistungspflichtig. Er erhält im Gegenzug hierfür einen vollständigen Ersatz aller Aufwendungen, wenn er nach der Zuständigkeitsordnung der RehaTräger (außerhalb von § 14 SGB IX) Leistungen, für die er nicht zuständig war, aufgrund der Zuständigkeit als zweitangegangener Träger (nach § 14 Abs 2 Satz 3 bis 5 SGB IX) erbringen musste (§ 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX aF; hierzu BSG aaO, RdNr 18 f). § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX aF begründet mithin einen Ausgleich dafür, dass der zweitangegangene RehaTräger bei Vorliegen eines entsprechenden RehaBedarfs die erforderlichen RehaLeistungen selbst dann erbringen muss, wenn er der Meinung ist, hierfür nicht zuständig zu sein; dabei handelt es sich um eine gleichsam "aufgedrängte Zuständigkeit" (vgl BSG vom 8.3.2016 B 1 KR 27/15 R SozR 43250 § 14 Nr 23 RdNr 9 mwN).

(2) Die Klägerin war als Trägerin der Rentenversicherung vorliegend als nachrangig verpflichteter Leistungsträger (§ 104 Abs 1 SGB X) nicht durch eine "aufgedrängte" Zuständigkeit belastet. Sie war bei Antragstellung am 14.4.2016 zuständig und prüfte und bejahte ihre Zuständigkeit mit der Folge, dass sie die Reha mit Bescheid vom 19.4.2016 bewilligte.

In den Fällen, in denen der erstangegangene RehaTräger den Antrag auf Reha nicht innerhalb von zwei Wochen nach Eingang weiterleitet, weil er seine Zuständigkeit geprüft und bejaht hat, ist er im Nachhinein zwar zu einer Korrektur befugt. § 14 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 und 2 SGB IX regeln einerseits die Zuständigkeit gegenüber dem behinderten Menschen schnell, klar und endgültig, wollen aber andererseits die "eigentliche" Zuständigkeitsordnung (außerhalb des § 14 SGB IX) im Verhältnis der Reha-Träger untereinander nicht antasten. Deshalb schafft § 14 Abs 1 Satz 1 iVm Abs 2 Satz 1 und 2 SGB IX nur eine iS des § 104 SGB X nachrangige Zuständigkeit, die es zulässt, dass der erstangegangene RehaTräger sich im Rahmen eines Erstattungsstreits die Kosten der Reha-Maßnahmen nach § 104 SGB X vom "eigentlich" zuständigen, in diesem Sinne vorrangigen RehaTräger erstatten lässt. Er wird nicht dauerhaft mit den Kosten der RehaMaßnahme belastet. Er wird aber auch nicht wie ein vorleistungspflichtiger oder zweitangegangener Träger in der Rechtsfolge privilegiert, sondern erhält Erstattung nur im Umfang des § 104 Abs 3 SGB X nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Der Anspruchsumfang entspricht in diesem Fall also dem Ausgleich einer ungerechtfertigten Bereicherung des "eigentlich" zuständigen Leistungsträgers (vgl dazu auch Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand November 2017, § 102 RdNr 56). Folglich soll der erstattungspflichtige Leistungsträger nicht mehr erstatten müssen, als er nach dem für ihn maßgebenden Recht zu leisten gehabt hätte. Die Höhe des Erstattungsanspruchs ist begrenzt durch das, was der erstattungspflichtige Träger selbst hätte erbringen müssen. Er hat grundsätzlich nicht mehr zu erstatten, als er unmittelbar dem Berechtigten gegenüber zu leisten gehabt hätte, mithin an eigenen Leistungen erspart hat (vgl BTDrucks 9/95 S 25 zu § 110 SGB X; BSG vom 22.?5.1985 1 RA 45/84 BSGE 58, 128, 133 = SozR 1300 § 103 Nr 4 S 20 mwN; BSG vom 30.5.2006 B 1 KR 17/05 R SozR 43100 § 18c Nr 2 RdNr 45).

(3) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Zuständigkeit der Klägerin durch die Rentenantragstellung vom 22.4.2016 sogar vor Ablauf der Frist von zwei Wochen für die Weiterleitung des Antrags (§ 14 Abs 1 Satz 2 SGB IX) entfiel. Denn auch wenn der erstangegangene Träger zunächst zuständig ist, als zuständiger Träger die Leistung bewilligt, aber vor Erfüllung der Leistungspflicht nach der Zuständigkeitsordnung außerhalb von § 14 SGB IX seine Zuständigkeit verliert, bleibt er nach § 14 Abs 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Leistungsberechtigten jedenfalls bis zur vollständigen Erfüllung der Leistungspflicht zuständig. Dies trägt dem Bedürfnis Rechnung, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken. Solche Nachteile drohten, wollte man es nicht bei der einmal begründeten Außenzuständigkeit belassen. Trotz Bewilligung wäre der Leistungsempfänger des Rechts entkleidet, die Leistungen zur Teilhabe aus einer Hand zu erhalten (so BSG vom 11.9.2018 B 1 KR 6/18 R BSGE 126, 269 = SozR 43250 § 14 Nr 29, RdNr 16 ff).

Es besteht kein Anlass, den zunächst zuständigen und seine Zuständigkeit bejahenden erstangegangenen Träger hinsichtlich des Umfangs seines Erstattungsanspruchs zu privilegieren, wenn er die Zuständigkeit vor Erfüllung der Leistungspflicht (nach der Zuständigkeitsordnung außerhalb von § 14 SGB IX) verliert. Nur soweit die Prüfung des erstangegangenen RehaTrägers innerhalb der ZweiWochenFrist nicht zu einem greifbaren Ergebnis, sondern etwa wegen einer komplizierten Rechtsproblematik zu ernstlichen Argumenten für und gegen die eigene Zuständigkeit und für und gegen die Zuständigkeit eines anderen RehaTrägers geführt hat und deshalb der angegangene Träger im Interesse der Beschleunigung eine Weitergabe des Reha-Antrags unterlassen hat, ist Kostenerstattung nach den Grundsätzen des vorläufig leistenden Leistungsträgers zu erwägen, wie sie entsprechend § 102 SGB X in § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX aF vorgesehen ist (vgl BSG vom 26.6.2007 B 1 KR 34/06 R BSGE 98, 267 = SozR 43250 § 14 Nr 4, RdNr 29; bejahend BSG vom 20.10.2009 B 5 R 44/08 R BSGE 104, 294 = SozR 43250 § 14 Nr 9, RdNr 15; eingrenzend BSG vom 12.12.2013 B 4 AS 14/13 R juris RdNr 15; BSG vom 11.9.2018 B 1 KR 6/18 R BSGE 126, 269 = SozR 43250 § 14 Nr 29, RdNr 14 mwN). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die Klägerin ist als nachrangig verpflichtete Leistungsträgerin nicht in gleicher Weise wie ein vorläufig leistender Leistungsträger oder ein zweitangegangener Leistungsträger einem Leistungszwang ausgesetzt, obwohl ihre Zuständigkeit vor Erfüllung der Leistungspflicht entfiel. Denn sie hat ihre Zuständigkeit trotz der ihr innerhalb der ZweiWochenFrist eingeräumten Prüfungs, Ablehnungs und Weiterleitungskompetenz geprüft und vor Ablauf der Frist bejaht. Sie hat die vor Ablauf der Zwei-Wochen-Frist ausgesprochene Bewilligung der Reha-Leistung auch nicht mit einem Widerrufsvorbehalt (§ 47 SGB X) für den Fall versehen, dass innerhalb der Weiterleitungsfrist ein Rentenantrag gestellt würde. Es kann insoweit offenbleiben, ob dies sie ggf dazu berechtigt hätte, den Bewilligungsbescheid nach Rentenantragstellung mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen (§ 47 Abs 1 Nr 1 SGB X), so dass die noch nicht durchgeführte Reha-Leistung bei Wegfall der Zuständigkeit nicht zu erbringen gewesen und eine Weiterleitung des Antrags innerhalb der Zwei-Wochen-Frist wieder möglich gewesen wäre (vgl zur Wirkung eines Widerrufsvorbehalts Kater in BeckOGK, SGB VI, Stand 15.2.2023, § 12 RdNr 14).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

4. Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 52 Abs 3 Satz 1, § 63 Abs 2 Satz 1 sowie § 47 Abs 1 Satz 1 GKG.

Referenznummer:

R/R9715


Informationsstand: 23.05.2024