Streitig ist die Kostenübernahme für eine behinderungsbedingte Zusatzausstattung eines Kraftfahrzeugs (
Kfz).
Die 1946 geborene Klägerin ist als Angestellte versicherungspflichtig beschäftigt. Die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz beträgt etwa 11
km. Sie hat mehr als 180 Kalendermonate an Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Sie ist Schwerbehinderte (Grad der Behinderung: 100 vH; erhebliche Gehbehinderung und außergewöhnliche Gehbehinderung sind anerkannt). Wegen ua spastischer Lähmung an beiden Beinen darf sie ein
Kfz nur führen, wenn dieses ausgestattet ist mit: 1. automatischem Getriebe; 2. einer von Hand bedienbaren Betriebsbremse; 3. festeinstellbarem Handgas; 4. Handabblendung; 5. Drehknopf am Lenkrad; 6. Anbringung der Außenspiegel rechts und links im Sichtbereich der Windschutzscheibe.
Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) hatte ihr in den Jahren 1965, 1977 und 1982 jeweils Kosten für die behinderungsbedingten Zusatzeinrichtungen erstattet. Das damit zuletzt geförderte Fahrzeug mit einem Kilometerstand von 55.000
km gab die Klägerin nach eigenen Angaben am 16. August 1990 ab. Am 19. April 1990 kaufte die Klägerin einen Neuwagen, der laut Rechnung vom 3. Juli 1990 mit automatischem Getriebe (Zusatzkosten: 1.740,00 DM) und Servolenkung (Zusatzkosten: 826,00 DM) ausgerüstet ist. Ferner wurde laut Rechnung vom 10. August 1990 ein Handgerät mit Drehknopf zur beinlosen Bedienung von Bremse und Gas eingebaut (Zusatzkosten: 1.406,76 DM).
Am 6. September 1990 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe (
Kfz-Hilfe) im Sinne der Übernahme der Kosten für die behinderungsbedingt erforderliche Zusatzausstattung in Höhe von insgesamt 3.972,76 DM. Die BfA lehnte den Antrag ab, weil er entgegen § 10 der Verordnung über Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation (Kraftfahrzeughilfe- Verordnung
KfzHV) vom 28. September 1987 (BGBl I S 2251), geändert durch Verordnung vom 30. September 1991 (BGBl I S 1950), nicht "vor dem Abschluß" des Kaufvertrages über das
Kfz und die behinderungsbedingte Zusatzausstattung gestellt worden sei. § 10 Satz 1
KfzHV enthalte eine Sollvorschrift, die nur in begrenzten Ausnahmefällen eine verspätete Antragstellung zulasse, dies jedoch nur dann, wenn der Antrag spätestens innerhalb eines Monats nach Abschluß des Kaufvertrages gestellt werde. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Der Antrag sei auch später als einen Monat nach Abschluß des Vertrages gestellt worden ( streitiger Bescheid vom 7. Januar 1991; Widerspruchsbescheid vom 10. April 1991).
Das Sozialgericht (SG) München hat die Beklagte durch Urteil vom 8. August 1991 unter Aufhebung der streitigen Verwaltungsentscheidungen verurteilt, "der Klägerin
Kfz-Hilfe für die Kosten der Handbedienung und die Mehrkosten für die Servolenkung und das automatische Getriebe für das am 19. April 1990 angeschaffte Kraftfahrzeug zu gewähren".
Das SG hat die Berufung zugelassen und ausgeführt: Die Klägerin erfülle die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 13 Abs 1a Nr 2a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG; Versicherungszeit von 180 Kalendermonaten) und die persönlichen Voraussetzungen iS von § 3 Abs 1
KfzHV. Nach § 7
KfzHV habe sie einen Rechtsanspruch auf die beantragte Kostenübernahme, weil die drei Zusatzeinrichtungen behinderungsbedingt erforderlich seien. § 10 Satz 1
KfzHV sei bloß eine Ordnungsvorschrift. Insbesondere gebe sie der Beklagten keine Befugnis, den Antrag als verspätet abzulehnen und räume - wie die gesamte
KfzHV mit Ausnahme der Härteregelung in § 9 aaO - kein Ermessen ein. Daher könne die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (
BSG in BSGE 54, 91), nach der eine Antragstellung vor Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen erforderlich sei, keine Geltung beanspruchen (Hinweis auf SG Speyer, Breithaupt 1990, 436).
Das Bayerische Landessozialgericht (
LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ist folgender Auffassung:
Nach den Materialien zu § 10
KfzHV (BR-Drucks 266/87 S 28) solle Satz 1 aaO dem allgemeinen Grundsatz entsprechen, den Rehabilitationsträger vor Beginn der Maßnahme und damit zur Deckung des bestehenden Bedarfs einzuschalten. Die Regelung sei als Sollvorschrift formuliert, um Ausnahmen zu ermöglichen, beispielsweise wenn die Deckung des Bedarfs unaufschiebbar oder ein sofortiges Handeln aus sonstigen Gründen geboten sei. § 10
KfzHV gehe daher von dem Grundsatz aus, daß der Rehabilitationsantrag vor Durchführung der Maßnahme zu stellen sei. Es handele sich nicht um eine reine Ordnungsvorschrift. Mit der rechtzeitigen Antragstellung setze nämlich die Beratung durch den Leistungsträger ein, um die günstigste und zugleich optimale Ausstattung zu erreichen. Das Erfordernis, den Antrag "vor Abschluß eines Kaufvertrages" zu stellen, mache deutlich, daß es nicht darum gehe, dem Verwaltungsträger die Abrechnung anhand einzelner Rechnungsbelege zu erleichtern. Von der vorherigen Antragstellung könne nur in atypischen Fallgestaltungen abgesehen werden. Im Falle der Klägerin liege aber ein Regelfall und kein atypischer Fall vor.
Mit der - vom
LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der Vorschriften der
KfzHV, insbesondere der §§ 7 Satz 1 und 10 Satz 1 aaO. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der
Kfz-Hilfe in Form der Kostenübernahme für Zusatzausstattungen nach § 7 Satz 1
KfzHV lägen unstreitig vor. § 10 Satz 1
KfzHV gebe keine Ermächtigung zu einer formell-rechtlichen Abweisung des Antrags. Bereits der Wortlaut der Vorschrift belege, daß zweifellos keine "Ist-Norm" formuliert worden sei. Sie enthalte auch keine wie immer geartete Ausschlußfrist. Ein Leistungsträger müsse eine verspätete Vorlage gleichwohl im Wege der Ermessensausübung berücksichtigen (Hinweis auf
BSG SozR 5850 § 7 Nr 2). Durch einen nach Abschluß des Kaufvertrages gestellten Antrag werde die finale Ausrichtung der Rehabilitation nicht beeinträchtigt. Denn die
Kfz-Hilfe sei eine reine Zuschußzahlung. Sie eröffne dem Leistungsträger in der Regel keine Prüfungsmöglichkeit, ob das Rehabilitationsziel mit anderen Mitteln erreicht werden könne bzw welche Leistungen sinnvoll und zweckmäßig seien. § 10 Satz 1
KfzHV, der keinen Leistungsausschluß regele, sei eine bloße Ordnungsvorschrift.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen
LSG vom 24. Februar 1993 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG München vom 8. August 1991 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des
LSG für zutreffend. Auch bei der Zuschußleistung nach § 7
KfzHV sei zu prüfen, ob die Rehabilitationsziele mit anderen, zB wirtschaftlicheren Mitteln erreicht werden könnten. Oftmals entspreche die Finanzierung eines Fahrdienstes eher dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit als die Gewährung eines Zuschusses zum Erwerb eines
Kfz und seiner Zusatzeinrichtungen. Die Unabweislichkeit einer vorhergehenden Antragstellung ergebe sich auch aus dem Regelungszusammenhang und der Systematik von § 10 Satz 1 und Satz 2
KfzHV, der ein Regel-Ausnahmeverhältnis mit der gleichen finalen Zielrichtung ausdrücke.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes
SGG).
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das
LSG hat zu Recht der Berufung der beklagten BfA stattgegeben und die Klage abgewiesen.
Entgegen der Auffassung des SG ist die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4
SGG) nicht statthaft. Begehrt der Versicherte vom Rentenversicherungsträger zur beruflichen Wiedereingliederung ( Rehabilitation)
Kfz-Hilfe nach der
KfzHV, also die Gewährung einer einmaligen Geldleistung (verlorener Zuschuß oder Darlehen - §§ 2 Abs 2, 9 Abs 2
KfzHV), ist richtige Klageart die (kombinierte Anfechtungs- und) Verpflichtungsklage (vgl
BSG SozR 2200 § 1236 Nr 50 mwN), falls - wie im vorliegenden Fall - die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung eines Anspruchs auf einen bestimmten Zahlungsbetrag gerichtet ist (sonst: Verpflichtungsbescheidungsklage). Dem Rentenversicherungsträger steht nämlich auch bei Anwendung der Vorschriften der
KfzHV ein Handlungs- und Auswahlermessen zu.
Zwar schreibt § 7 Satz 1
KfzHV (vgl auch §§ 5, 6, 8 aaO) vor, daß ua für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung erforderlich ist, und für ihren Einbau die Kosten in vollem Umfang übernommen werden. Hieraus folgt jedoch - entgegen der Ansicht der Klägerin und des SG - nicht, daß der Versicherte gegen den Rentenversicherungsträger einen Rechtsanspruch darauf hat, dieser müsse ihm in jedem Fall und in voller Höhe die Kosten jeglicher von ihm wegen seiner Behinderung angeschafften Zusatzausstattung bezuschussen. Der Rentenversicherungsträger darf vielmehr nur die Kosten einer, gemessen an der Erfüllung seiner Rehabilitationsaufgabe, objektiv notwendigen behinderungsbedingten Zusatzausstattung übernehmen. § 7 Satz 1
KfzHV ist - wie alle anderen Vorschriften dieses materiellen Gesetzes - Bestandteil einer
Rechtsverordnung, also einer im Range unter dem vom Parlament beschlossenen Gesetz stehenden Rechtsquelle. Ermächtigungsgrundlage (iS von Art 80 Abs 1 des Grundgesetzes
GG) für die
KfzHV ist ua § 9 Abs 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG vom 7. August 1977, BGBl I S 1881,
idF durch Art 16 des Rentenanpassungsgesetzes RAG 1982 vom 1. Dezember 1981, BGBl I S 1205). Nach Satz 1 aaO erläßt die Bundesregierung zur Angleichung ua der berufsfördernden Leistungen zur Rehabilitation nach den Grundsätzen der §§ 10 bis 20 RehaAnglG "im Rahmen der für die Rehabilitationsträger geltenden besonderen gesetzlichen Vorschriften" durch
Rechtsverordnung (=
KfzHV) mit Zustimmung des Bundesrates "nähere Bestimmungen über Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen". Die
KfzHV paßt sich also auch mit ihrem Zweck, die bislang bei den verschiedenen Rehabilitationsträgern sehr unterschiedlich geregelten Leistungen der
Kfz-Hilfe zu vereinheitlichen, in das für den jeweils zuständigen Rehabilitationsträger geltende Rehabilitationsrecht ein. Ihre Vorschriften müssen deshalb innerhalb des für den jeweiligen Rehabilitationsträger verbindlichen, durch Parlamentsgesetz geschaffenen und damit vorrangigen Rahmens ausgelegt werden.
Die - gemäß § 301 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) hier noch anzuwendenden - Vorschriften der §§ 13, 14a, 204 AVG
iVm § 1545 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO; jetzt: §§ 9 Abs 2, 13 Abs 1, 115 Abs 1 und Abs 4
SGB VI) räumen der BfA ein Handlungs- und Auswahlermessen ein. Ist - wie im Falle der Klägerin - die Erwerbsfähigkeit einer Versicherten aus gesundheitlichen Gründen gemindert, "kann" die BfA Leistungen zur Rehabilitation, ua
Kfz-Hilfe als berufsfördernde Leistung (§ 14a Abs 1 Satz 1 Nr 1 AVG; dazu BSGE 54, 91 = SozR 2200 § 1236 Nr 37), erbringen. Zwar steht ihm für die sog Eingangsprüfung (
BSG SozR 3-2200 § 1237 Nr 1) nach - worauf zurückzukommen ist: rechtzeitigem - Eingang eines wirksamen Rehabilitationsantrages kein Ermessen zu; er muß also prüfen, ob im konkreten Fall eine Wiedereingliederungschance ( Rehabilitationsbedarf) besteht und ob es Mittel gibt, den in seine Zuständigkeit fallenden Rehabilitationszweck zu fördern; gibt es derartige Mittel, wird sein Ermessen - faktisch - regelmäßig auch insoweit reduziert sein, daß eine der geeigneten Leistungen (oder eine Kombination hiervon) zu bewilligen sein wird. Eine Betätigung des Handlungsermessens mit dem Ergebnis der Ablehnung des Rehabilitationsantrages ist daher grundsätzlich nur rechtmäßig, wenn es im Aufgabenbereich des Rentenversicherungsträgers keine Rehabilitationschance gibt (vgl § 116 Abs 2
SGB VI) oder - trotz Rehabilitationsbedarfs - keine im Einzelfall geeignete, erforderliche und dem Versicherten zumutbare (§ 33 Erstes Buch Sozialgesetzbuch
SGB I) Leistung in Betracht kommt.
Im übrigen stellt das (Parlaments-)Gesetz in die Ermessensentscheidung des Rentenversicherungsträgers, ob eine bestimmte Leistung und ggf in welchem Umfang und auf welche Art und Weise sie zu gewähren ist. Der Versicherte hat gemäß § 39 Abs 1 Satz 2
SGB I einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessensentscheidung, jedoch keinen Anspruch auf eine bestimmte Leistung.
Hieran kann und soll § 7 Satz 1
KfzHV nichts ändern. Diese Vorschrift setzt voraus, daß - worauf noch einzugehen ist - der Versicherte und der Rehabilitationsträger in einem dialogischen Verwaltungsverfahren zuvor geklärt haben, daß die - anzuschaffende -
Kfz-Zusatzausstattung nicht nur objektiv im wesentlichen behinderungsbedingt, sondern zur Förderung des Rehabilitationszweckes auch erforderlich, ferner den besonderen Umständen des Einzelfalles angemessen sowie wirtschaftlich und - unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichheit der Versicherten bei der Mittelverwendung - sparsam ist. Wenn und soweit eine vom Versicherten zur Anschaffung vorgesehene Zusatzausstattung diesen Anforderungen nicht genügt, also nicht notwendig ist, findet eine Kostenübernahme auch nach § 7 Satz 1
KfzHV nicht statt. Die Gewährung eines Zuschusses nach dieser Vorschrift setzt mithin eine Ermessensentscheidung des Rentenversicherungsträgers darüber voraus, ob und in welchem Umfang die vom Versicherten geplante Anschaffung einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung als dem Rehabilitationsziel förderlich anerkannt wird. Eine derartige Entscheidung darf das SG nur in den Grenzen des § 54 Abs 2 Satz 2
SGG, also nur daraufhin überprüfen, ob Ermessensfehler vorliegen. Richtige Klageart ist also die (kombinierte Anfechtungs- und) Verpflichtungsklage. Zutreffend hat das
LSG erkannt, daß die Klage unbegründet ist.
Die Klägerin kann weder die Bewilligung von 3.972,76 DM noch die Verpflichtung der BfA zur Neubescheidung des Antrages vom 6. September 1990 beanspruchen. Die Beklagte hat diesen Antrag nämlich rechtmäßig abgelehnt. Gemäß § 40 Abs 2
SGB I entsteht bei Ermessensleistungen ein Anspruch auf Sozialleistungen (hier: Geldleistung als Zuschuß nach § 7 Satz 1
KfzHV) grundsätzlich im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Ermessensentscheidung. Die Klägerin hat gegen die BfA schon deswegen keinen Anspruch auf Erlaß eines Leistungsbewilligungsbescheides, weil sie den Antrag auf Gewährung eines Zuschusses nach § 7 Satz 1
KfzHV nicht rechtzeitig gestellt hat. Gemäß § 10 Satz 1
KfzHV sollen Leistungen (iS der §§ 1 bis 9 aaO) "vor dem Abschluß" eines Kaufvertrages über das
Kfz und die behinderungsbedingte Zusatzausstattung (sowie "vor Beginn" einer nach § 8 aaO zu fördernden Maßnahme) beantragt werden.
Zutreffend haben das Berufungsgericht und die Beklagte erkannt, daß hier keine "bloße" Ordnungsvorschrift vorliegt. Die Norm konkretisiert vielmehr den für den Rentenversicherungsträger kraft parlamentsgesetzlicher Regelung (§ 19 Viertes Buch Sozialgesetzbuch
SGB IV, § 1545 Abs 1 RVO, § 115 Abs 1 und Abs 4
SGB VI) höherrangig festgeschriebenen Grundsatz, daß der Rehabilitationsantrag bzw die ihm gleichgestellte Zustimmung (§ 115 Abs 4
SGB VI) nicht nur verwaltungsverfahrensrechtliche, sondern auch materiell-rechtliche Bedeutung hat und Rechtswirkungen grundsätzlich ( abgesehen von atypischen Fallgestaltungen, dazu näher unten) nur für die Regelung von zukünftigen Rehabilitationsbedarfslagen entfaltet, dh für Bedarfe, die im Zeitpunkt des Antrags/ der Zustimmung beim Versicherungsträger entweder noch objektiv unbefriedigt fortbestehen oder sich erst später ergeben. Hierauf weist die vom
LSG zutreffend herangezogene Begründung der Bundesregierung zu § 10
KfzHV ausdrücklich hin (BR-Drucks 266/87 S 28, vgl auch S 11 f aaO).
Die auch materiell-rechtliche Bedeutung des Rehabilitationsantrages einschließlich seines in § 10
KfzHV geregelten Unterfalles ergibt sich gemäß § 40 Abs 2
SGB I daraus, daß erst die - wie ausgeführt: erforderliche - Ermessensentscheidung über die Bewilligung von Leistungen zur Rehabilitation einen Anspruch auf konkrete Leistungen begründet. Sie ist ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt und solange schwebend unwirksam, wie der Antrag/die Zustimmung noch nicht beim Rentenversicherungsträger eingegangen ist (vgl Erichsen in Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, 9. Aufl § 11 Rz 19; Badura, ebendort, § 39 Rz 2 ff, 7; Meyer
GK-SGB VI § 115 Rz 9, 33 ff, 37 ff; alle mwN). Der Antrag (die Zustimmung) hat Rechtswirkungen grundsätzlich jedoch nur für die Zukunft. Dies folgt daraus, daß die Ermessensentscheidung des Rentenversicherungsträgers über die Gewährung von Rehabilitationsleistungen eine zukunftsorientierte, mit prognoseähnlichen Elementen vermischte und die Umstände des Einzelfalles abwägende, Entscheidung ist (BSGE 54, 91 = SozR 2200 § 1236 Nr 37;
BSG SozR 2200 § 1236 Nr 45;
BSG USK 9254). In ihr wird bestimmt, welche Maßnahmen im konkreten Fall zur Verwirklichung der beim Versicherten festgestellten Rehabilitationschance geeignet, erforderlich, zumutbar, wirtschaftlich und sparsam sind und vom Versicherungsträger deswegen nach dem Naturalleistungsprinzip durchgeführt werden müssen. Ein Rehabilitationsbedarf, der bereits vor Eingang des Antrags/der Zustimmung beim Rentenversicherungsträger durch eigene Bemühungen des Versicherten (sog selbstbeschaffte Rehabilitation) oder durch Leistungen anderer befriedigt worden ist, kann nicht Gegenstand einer Ermessensentscheidung über die Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation sein (
BSG SozR 2200 § 1236 Nr 50). Denn der Rentenversicherungsträger ist kein bloßer "Kostenträger", sondern das verantwortliche Rechtssubjekt, das die Leistungen entweder mit eigenen Mitteln oder durch Vertragseinrichtungen erbringt.
Dies gilt auch für die in der
KfzHV vorgesehenen Geldleistungen. Hierbei hat der Rehabilitationsträger vor allem die Aufgabe, bei der Vorbereitung der Anschaffung eines
Kfz, einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung (oder einer Fahrerlaubnis) beratend und unterstützend darauf hinzuwirken, daß der Versicherte eine im Sinne der genannten Wertungsmaßstäbe des Rehabilitationsrechts angemessene Kaufentscheidung trifft und dabei auch Alternativen berücksichtigen kann (§ 14 Satz 2
SGB I). Hierdurch wird gesichert, daß auch die Geldleistungen nach der
KfzHV so gewährt werden, daß sie auf das für den jeweiligen Rehabilitationsträger maßgebliche Wiedereingliederungsziel ausgerichtet sind. Hiermit wäre - wie bereits der 5. Senat des
BSG zur Rechtslage vor Inkrafttreten der
KfzHV geklärt hat (BSGE 54, 91 = SozR 2200 § 1236
Nr. 37; SozR 2200 § 1236 Nr 45 S 102) - unvereinbar, wenn der Versicherungsträger darauf beschränkt würde, die Kosten einer selbstbeschafften Rehabilitationsleistung in der jeweils angefallenen Höhe zu bezuschussen. Auch die
Kfz-Hilfe ist nämlich regelmäßig nur eine von mehreren in Betracht zu ziehenden Maßnahmen, die zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes eingesetzt werden können; es ist aber gerade die Aufgabe des Versicherungsträgers, die im Einzelfall im og Sinne notwendigen Maßnahmen zur Rehabilitation zu bestimmen und durchzuführen. So wäre etwa im Falle der Klägerin bei rechtzeitiger Antragstellung nicht nur im einzelnen ua zu klären gewesen, ob ihr die weitere Benutzung des mit einer geförderten Zusatzausstattung versehenen, am 16. August 1990 abgegebenen
Kfz zumutbar gewesen wäre; ferner hätte geprüft werden müssen, ob ihr für den Weg zur Arbeitsstelle (zweimal 11
km täglich) eine andere Beförderungsmöglichkeit kostengünstiger hätte zur Verfügung gestellt werden können; außerdem wäre zu bedenken gewesen, ob die - soweit im wesentlichen behinderungsbedingt erforderliche - Zusatzausstattung nach Qualität und Preis von einem anderen Lieferanten kostengünstiger hätte beschafft werden können. Abgesehen davon, daß derartige Prüfungen mit wachsendem Zeitabstand nicht oder nicht mehr vollständig vorgenommen werden können, obliegt es dem Versicherten, den Rentenversicherungsträger so rechtzeitig in Anspruch zu nehmen, daß dieser die ihm übertragene Sachverhaltsaufklärung, Beratung und Ermessensentscheidung ordnungsgemäß durchführen bzw treffen kann (vgl schon BSGE 52, 239 = SozR 2200 § 1236 Nr 35; SozR 4100 § 57 Nr 2).
Das bedeutet: Der Rentenversicherungsträger darf durch seine Ermessensentscheidung eine einmalige Geldleistung nach der
KfzHV grundsätzlich nur gewähren, wenn er durch den Antrag nach § 10 Satz 1 aaO so rechtzeitig mit dem Fall befaßt worden ist, daß er seine Entscheidung "vor dem Abschluß des Kaufvertrages", also vor der Befriedigung des Bedarfs, iS von § 40 Abs 2
SGB I bekanntgeben kann. Die Klägerin hat jedoch die BfA erst am 6. September 1990 und damit nach Abschluß der Kaufverträge in Anspruch genommen. § 10 Satz 1
KfzHV läßt jedoch - auch insoweit in Übereinstimmung mit dem für Rentenversicherungsträger geltenden höherrangigen Recht (vgl BSGE 48, 88 = SozR 2200 § 1236 Nr 14; BSGE 48, 92 = SozR 2200 § 1236 Nr 15;
BSG SozR 2200 § 1236 Nr 16) - durch seine Ausgestaltung als "Sollvorschrift" in atypischen Fallgestaltungen ausreichen, daß ein Antrag auf Geldleistungen nach der
KfzHV spätestens innerhalb eines Monats nach Rechnungsstellung ua für die behinderungsbedingte Zusatzausstattung gestellt wird. Ein derartiger atypischer Sachverhalt liegt nur vor, wenn die Bedarfsdeckung objektiv unaufschiebbar und eine im vorgenannten Sinne rechtzeitige Antragstellung aus vom Versicherten nicht zu vertretenden Gründen unmöglich ist. Ein solcher Ausnahmefall ist regelmäßig nur gegeben, wenn berufsbedingte Umstände (
BSG SozR 3-4100 § 56 Nr 8 S 28) oder in der Funktionsfähigkeit der Zusatzausstattung (bzw des
Kfz) liegende Gründe den Abschluß des Kaufvertrages vor Antragstellung beim Rentenversicherungsträger unumgänglich machen. Da es keinen allgemeinen Erfahrungssatz mit dem Inhalt gibt, daß Rehabilitationsmaßnahmen regelmäßig keinen Aufschub zulassen (aA KassKomm-Niesel § 115 Rz 14), fällt es auch bei objektiv unaufschiebbar gewordenem, aber vorhersehbarem Bedarf dem Versicherten zur Last, wenn er die rechtzeitige Antragstellung "vor Abschluß des Kaufvertrages" aus Gründen unterläßt, die er zu vertreten hat. War also die rechtzeitige Antragstellung möglich, sind - wie der 5. Senat des
BSG sogar im Blick auf wiederkehrende Leistungen zur Rehabilitation geklärt hat (BSGE 57, 157 = SozR 2200 § 1236 Nr 45) - Leistungen (und Aufwendungsersatz) für die Zeit vor dem Antrag nicht zu gewähren.
§ 10 Satz 1
KfzHV regelt zwar nicht, innerhalb welcher Zeit nach Abschluß des Kaufvertrages der Antrag nachzuholen ist. Gemäß Satz 2 aaO sind aber Leistungen zur technischen Überprüfung und Wiederherstellung der technischen Funktionsfähigkeit einer behinderungsbedingten Zusatzausstattung spätestens innerhalb eines Monats nach Rechnungsstellung zu beantragen. Diese Bestimmung verdeutlicht nicht nur, daß § 10
KfzHV keine bloße Ordnungsvorschrift ist (wie hier: KassKomm-Niesel, Anhang zu § 16
SGB VI Rz 53, 54; Lueg
GK-SGB VI, § 16 Anhang 1 Rz 148 bis 153). Die Norm legt für zwei besonders typische Fälle eines unaufschiebbaren ( funktionsbedingten) Bedarfs fest, daß der Antrag "spätestens innerhalb eines Monats nach Rechnungsstellung" zu stellen ist. Dies gilt entsprechend für die in Satz 1 aaO erfaßten atypischen Fallgestaltungen des objektiv unaufschiebbaren Bedarfs, weil auch hier das öffentliche Interesse an einer möglichst zeitnahen Überprüfung der Notwendigkeit der selbstbeschafften Leistung durch den Rentenversicherungsträger besteht. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die den Senat binden (§§ 163, 164 Abs 2 Satz 3
SGG), hat die Klägerin den Antrag auf Gewährung von
Kfz-Hilfe in der Form der Übernahme der Kosten für behinderungsbedingte Zusatzausstattungen iS von § 7
KfzHV am 6. September 1990 gestellt. Die Rechnung über ua das automatische Getriebe (1.740,00 DM) und die Servolenkung (826,00 DM) datiert vom 3. Juli 1990. Die Ablehnung der Beklagten, diese Zusatzkosten zu übernehmen, ist also schon deswegen rechtmäßig, weil die Klägerin diese Leistung nicht spätestens innerhalb eines Monats nach Rechnungsstellung beantragt hat. Ihr Antrag ist aber auch im Blick auf die ihr am 10. August 1990 in Rechnung gestellte Zusatzausstattung ( Handgerät mit Drehknopf zur beinlosen Bedienung von Bremse und Gas; Zusatzkosten 1.406,76 DM) nicht rechtzeitig gestellt worden. Voraussetzung hierfür wäre, daß ein im og Sinne atypischer Fall vorgelegen hätte.
Das Berufungsgericht hat jedoch, ohne die rechtliche Bedeutung dieses Begriffes zu verkennen, festgestellt, daß ein Regelfall vorliegt. Anhaltspunkte dafür, die Bestellung der Zusatzausstattung sei objektiv unaufschiebbar gewesen, sind weder dargetan noch ersichtlich. Weil nach alledem die Ablehnung des Leistungsantrags der Klägerin vom 6. September 1990 rechtmäßig war, hat das Berufungsgericht richtig entschieden, so daß die Revision der Klägerin hiergegen zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1
SGG.