Urteil
Kostenübernahme für Arbeitsassistenz bei blindem Rechtsanwalt

Gericht:

VG Schwerin 6. Kammer


Aktenzeichen:

6 A 2151/16 SN | VG 6 A 2151/16 SN


Urteil vom:

18.04.2018


Grundlage:

Zum Anspruch eines selbständigen blinden Rechtsanwalts auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz nach Erreichen der (rentenversicherungsrechtlichen) Regelaltersgrenze (hier bejaht)

Tenor:

Der Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 20. Januar 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2016 verpflichtet, die tatsächlichen Kosten des Klägers für die von diesem im Hinblick auf dessen selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt beschäftigte Arbeitsassistenz in Höhe von monatlich 1.807,50 Euro für den Zeitraum vom 1. September 2016 bis zum 30. Juni 2018 zu übernehmen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Der am ... 1951 geborene Kläger wendet sich gegen die Versagung laufender Leistungen für eine Arbeitsassistenz zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben für die Zeit nach Erreichen der sog. Regelaltersgrenze.

Der Kläger ist blind und als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt. Seit 1991 ist er freiberuflich als Rechtsanwalt tätig und erhielt von Juni 1994 bis zum 31. August 2016 laufende Leistungen für eine Arbeitsassistenz (seit Mai 2010 i.H.v. mtl. 1.807,50 Euro).

Das Leistungsende ergibt sich aus dem Bescheid vom 20. Januar 2016, mit dem der Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag vom 8. Oktober 2015 entsprechende Leistungen gemäß dem bis zum 31. Dezember 2017 gültigen § 102 Abs. 4 SGB IX nach einer vorangegangenen, bis zum 31. März 2016 befristeten Weiterbewilligung nur noch für den Zeitraum vom 1. April 2016 bis zum 31. August 2016 bewilligte. Zur Begründung stellte er darauf ab, dass der Kläger seit dem 1. September 2016 eine Altersrente beziehe.

Gegen den Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, soweit die Leistungen nur noch bis zum 31. August 2016 bewilligt wurden. Da er freiberuflich tätig sei, gelte für ihn kein gesetzliches Rentenalter. § 102 SGB IX a.F. sehe ebenfalls keine entsprechende Begrenzung der Leistungen vor. Da er - der Kläger - nur bis September 1991 gesetzlich rentenversichert gewesen sei, müsse er seine Tätigkeit als Rechtsanwalt über den 31. August 2016 hinaus fortsetzen. Diese diene weiterhin dem Erwerb des Lebensunterhalts und sei nicht etwa eine bloße Hobbytätigkeit.

Die vom Beklagten daraufhin erbetene Mitteilung der Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung und privaten Altersvorsorge sowie Vorlage des letzten Einkommensteuerbescheides lehnte der Kläger ab. § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. knüpfe nicht an die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schwerbehinderten an.

Am 1. Juni 2016 wies der Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt Mecklenburg-Vorpommern den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Der entsprechende Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2016 wurde dem Kläger am 1. Juli 2016 zugestellt.

Zur Begründung führt der Widerspruchsausschuss aus, es sei zwar unstreitig, dass der Kläger für die weitere Ausübung seiner freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt auf eine Arbeitsassistenz angewiesen sei. Anspruch auf die entsprechenden Leistungen bestehe aber mit Erreichen des gesetzlichen Rentenalters nicht mehr. Dies folge aus Sinn und Zweck des § 102 SGB IX a.F. sowie der ergänzend heranzuziehenden Schwerbehindertenausgleichsverordnung. Primärer Zweck der Vorschriften sei die Sicherung und Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dementsprechend beziehe sich der Begriff des Arbeitslebens in § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. auf den gesellschaftlichen Rahmen der Arbeitsphase, die mit Erreichen der Regelaltersgrenze ihr Ende finde.

Mit der am 29. Juli 2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Förderbegehren weiter. Aus der allgemeinen Aufgabenstellung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch folge keine Altersgrenze. Dies werde zudem durch die Anrechenbarkeit schwerbehinderter Arbeitnehmer im Rentenalter auf Pflichtplätze bestätigt, die aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 1990 (Az. 5 C 74/86) folge. Ein förmliches oder allgemein anerkanntes Ende der Lebensarbeitszeit gebe es für selbständig Tätige ohnehin nicht. Im Fall eines freiberuflich tätigen Rechtsanwalts mit eigener Kanzlei komme hinzu, dass zur Berufstätigkeit ein allmähliches "Herunterfahren" des Kanzleibetriebes gehöre, um die Bestellung eines "Kanzleiabwicklers" zu vermeiden.

Im Übrigen seien die Vorstellungen des Beklagten vom Arbeitsleben überholt. Letzteres beginne mit der Arbeitsaufnahme und ende erst mit der Beendigung der Berufstätigkeit. Bestätigt werde dies durch das Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben (Flexirentengesetz) vom 8. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2838) sowie durch § 41 SGB VI, wonach der Anspruch auf eine Rente wegen Alters nicht als ein Grund anzusehen sei, der die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach dem Kündigungsschutzgesetz bedingen könne. Auch sei das Flexirentengesetz eine Antwort des Gesetzgebers auf den zunehmenden Anteil der Erwerbstätigen, die das 65. Lebensjahr überschritten hätten.

Auf die Gründe für die Fortführung der Berufstätigkeit über das 65. Lebensjahr hinaus komme es im vorliegenden Fall nicht an. Dass er - der Kläger - seine Berufstätigkeit weiterhin in vollem Umfang ausübe, könne die Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern bestätigen. Im Übrigen sei auf die von ihm im Hinblick auf die Arbeitsassistenz vorgelegten Lohnsteuerbescheinigungen zu verweisen. Aus dem Kammerrundschreiben Nr. 2/2017 der Rechtsanwaltskammer folge zudem, dass mit Stand 01/2017 mindestens 6 % der hier im Lande tätigen Rechtsanwälte die Regelaltersgrenze überschritten hätten.


Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 20. Januar 2016 und des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2016 zu verpflichten, die tatsächlichen Kosten für die von ihm im Hinblick auf seine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt beschäftigte Arbeitsassistenz in Höhe von monatlich 1.807,50 Euro für den Zeitraum vom 1. September 2016 bis zum 30. Juni 2018 zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Hinblick auf den Gesetzeszweck könnten die vom Kläger begehrten Leistungen aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters nicht mehr gewährt werden. Dann gehe es nämlich nicht mehr um die Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Dies gelte auch dann, wenn der Kläger keine ausreichende Altersvorsorge getroffen habe. Selbst wenn im Hinblick auf das Erreichen des Rentenalters nicht die für die gesetzlich Rentenversicherten geltenden Regelungen heranzuziehen seien, so folge eine entsprechende Altersgrenze aus den Vorschriften des Versorgungswerks für Rechtsanwälte. Nach § 13 der dortigen Satzung habe das Mitglied mit Vollendung des 67. Lebensjahres (Altersgrenze) Anspruch auf eine lebenslange Altersrente, bei bis Ende 2009 eingetretenen Mitgliedern sogar schon sechs Monate nach Erreichen des 65. Lebensjahres. Auf die Frage, wie viele Rechtsanwälte ihre freiberufliche Tätigkeit über die Regelaltersgrenze hinaus weiter ausübten, komme es ebenso wenig an wie auf die Höhe der im Einzelfall zur Verfügung stehenden Altersversorgung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten, und den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern

Entscheidungsgründe:

I. Die zulässige Klage ist begründet.

Da der Beklagte verpflichtet ist, die tatsächlichen Kosten des Klägers für die von diesem im Hinblick auf dessen selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt beschäftigte Arbeitsassistenz in Höhe von monatlich 1.807,50 Euro für den Zeitraum vom 1. September 2016 bis zum 30. Juni 2018 zu übernehmen, und der den entsprechenden Antrag des Klägers teilweise ablehnende Bescheid vom 20. Januar 2016 sowie der Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2016 daher insoweit rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen, ist die begehrte Verpflichtung des Beklagten auszusprechen (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der klägerische Anspruch ergibt sich aus der für den Zeitraum vom 1. September 2016 bis zum 31. Dezember 2017 maßgeblichen Vorschrift des § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. und der für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2018 geltenden Bestimmung des § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. (vgl. hierzu Art. 1 des Bundesteilhabegesetzes vom 23.12.2016, BGBl. I S. 3234; BVerwG, Urt. v. 23.01.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 6). Danach haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Diese Kostenübernahme kommt auch für eine selbstständige Tätigkeit des schwerbehinderten Menschen in Betracht, die nachhaltig betrieben wird und dem Aufbau oder der Sicherung einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu dienen geeignet ist. Nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 2 Satz 2 SGB IX n.F. soll die begleitende Hilfe im Arbeitsleben u.a. dahin wirken, dass schwerbehinderte Menschen auf geeigneten Arbeitsplätzen beschäftigt werden. Zwar werden Arbeitsplätze durch § 73 Abs. 1 SGB IX a.F. bzw. § 156 Abs. 1 SGB IX n.F. als Stellen definiert, auf denen abhängig Beschäftigte tätig sind. Das führt aber nicht dazu, dass selbstständige Tätigkeiten eines schwerbehinderten Menschen nicht durch Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz unterstützt werden können. § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c SGB IX a.F. und § 185 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c SGB IX n.F. sehen im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben nämlich ausdrücklich auch Geldleistungen des Integrationsamtes zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz vor (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.01.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 10; VG Berlin, Beschl. v. 25.07.2017 - 22 K 37.16 -, juris Rn. 5). Der mit dem Klageantrag vorgegebene Zeitraum orientiert sich in hinreichender Weise am regelmäßigen zweijährigen Bewilligungszeitraum für entsprechende Leistungen (vgl. hierzu auch Knittel, SGB IX, 7. Aufl., § 102 Rn. 63).

Ausgehend davon sind hier die Voraussetzungen des § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. erfüllt.

1. Für den Kläger als schwerbehinderten Menschen geht es im Hinblick auf seine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt im hier maßgeblichen Zeitraum auch ungeachtet seines Lebensalters um eine begleitende Hilfe im Arbeitsleben.

Der Kläger übte auch insoweit eine selbstständige Tätigkeit aus, bei der nicht zweifelhaft ist, dass sie nachhaltig betrieben wurde und dem Aufbau oder der Sicherung einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu dienen geeignet war (vgl. zu diesbezüglichen Anforderungen auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.10.2017 - OVG 6 B 86.15 -, juris Rn. 32; VG Dresden, Beschl. v. 17.02.2017 - 1 L 179/17 -, juris Rn. 22 ff.). Davon ist schon deshalb auszugehen, weil er über den Monat September 2016 hinaus entsprechende Lohnleistungen gegenüber seiner Arbeitsassistenz erbrachte.

Sein Lebensalter steht der begehrten Leistungsgewährung ebenfalls nicht entgegen.

Eine Altersgrenze sieht das Gesetz nicht ausdrücklich vor. Im Gegensatz zu den vorgenannten Bestimmungen begrenzen § 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX a.F. bzw. § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 3 SGB IX n.F. die Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz als Hilfe "zur Erlangung eines Arbeitsplatzes" auf die Dauer von bis zu drei Jahren (§ 33 Abs. 3 Satz 2 SGB IX a.F. bzw. § 49 Abs. 8 Satz 2 SGB IX n.F.). Diese Hilfe ist als eine "zeitlich befristete berufliche Einstiegshilfe" (BR-Drs. 49/01 S. 320) angelegt. § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. enthalten demgegenüber keine derartige Zweckbestimmung und auch keine Höchstdauer der Leistungsgewährung. Der Bezug auf ein in der Regel mehrere Jahrzehnte währendes Arbeitsleben, das durch die Hilfe begleitet werden soll, weist darauf hin, dass das Gesetz nicht nur eine punktuelle Unterstützung des schwerbehinderten Menschen (etwa zur Überwindung von Arbeitslosigkeit) ermöglicht, sondern darüber hinausgehend auch eine länger andauernde, unter Umständen sogar permanente Hilfe vorsieht.

Auch soweit die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz nach § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. allein als begleitende Hilfen "im Arbeitsleben" übernommen werden, kann daraus für den als Rechtsanwalt selbstständig tätigen Kläger bezogen auf den hier maßgeblichen Zeitraum nicht hergeleitet werden, dass der Leistungsanspruch mit Erreichen der Regelaltersrente, gegebenenfalls in Verbindung mit dem Bezug einer Altersrente oder der Berechtigung hierzu, endete. Der Begriff des Arbeitslebens verbindet die Arbeit mit dem sozialen Rahmen, in dem sie sich vollzieht. Damit knüpft er nicht allein an die subjektiven Bedürfnisse und Wünsche des schwerbehinderten Menschen an, sondern wird auch in zeitlicher Hinsicht maßgeblich geprägt durch den gesellschaftlichen Rahmen, in dem sich die Arbeitsphase des menschlichen Lebens vollzieht (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 21.12.2005 - 5 C 26/04 -, juris Rn. 14; VGH Mannheim, Urt. v. 15.05.1991 - 6 S 888/90 -, juris Rn. 23). Ausgehend davon kann für die Frage nach dem Ende des Arbeitslebens nicht pauschal für sämtliche Betätigungsfelder unter generellem Einschluss von Selbständigen auf die (rentenversicherungsrechtliche) Regelaltersgrenze (§§ 35, 235 SGB VI) abgestellt werden. Vielmehr kann bei Letzteren schon dann nicht von einem entsprechenden gesellschaftlichen Rahmen ausgegangen werden, wenn für den betreffenden Tätigkeitsbereich eine nennenswerte Anzahl von Selbständigen über das betreffende Alter hinaus ihren Beruf ausübt oder dies aus anderen Gründen als üblich erscheint. Dann gehört auch dies zum Arbeitsleben im Sinne des § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F., für das unter den diesbezüglichen weiteren Voraussetzungen begleitende Hilfe zu leisten ist.

Ausgehend davon kann für den vorliegenden Fall nicht angenommen werden, dass die Regelaltersgrenze für die Dauer der Berufsausübung in einer Weise maßgeblich ist, dass die begehrte Leistung dem Kläger zu einer beruflichen Tätigkeit verhilft, die dem gesellschaftlichen Rahmen zufolge nicht mehr üblich ist, d.h. im sozialen Leben in dem betreffenden Alter normalerweise nicht mehr ausgeübt wird. Für freiberuflich Tätige ging die Rechtsprechung aufgrund des Fehlens einer grundsätzlichen Altersgrenze bereits 1991 davon aus, dass sie in der Regel mit 65, spätestens mit 68 Jahren aufhörten zu arbeiten (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 15.05.1991, a.a.O.). Für den hier maßgeblichen Zeitraum belegt schon das vom Kläger mit Schriftsatz vom 27. März 2017 eingereichte Rundschreiben der hiesigen Rechtsanwaltskammer (Heft 2/2017) zur Altersstruktur, dass eine erhebliche Anzahl vergleichbarer Selbständiger im Rentenalter weitergearbeitet hat. So waren 89 der mit Stand vom 1. Januar 2017 in Mecklenburg-Vorpommern zugelassenen Rechtsanwälte sogar vor 1950 geboren. Soweit sich der Beklagte auf § 13 der Satzung des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Mecklenburg-Vorpommern beruft, ist danach die Altersgrenze grundsätzlich mit Vollendung des 67. Lebensjahres erreicht (Absatz 1 Satz 1). Wird diese für Mitglieder, die bis zum 31. Dezember 2009 in das Versorgungswerk eingetreten sind, unter bestimmten Voraussetzungen vorverlegt (Absatz 1 Satz 2), ist zu berücksichtigen, dass das Mitglied den Beginn der Rentenzahlung über die Altersgrenze gemäß Absatz 1 hinaus um bis zu drei Jahre aufschieben kann (Absatz 3). Soweit für durchaus vergleichbare Bereiche sogar eine Altersgrenze für die Berufsausübung selbst vorgeschrieben ist, zeigt sich ebenfalls, dass eine Tätigkeit über die Regelaltersgrenze hinaus als üblich angesehen werden kann. So erreichen etwa Notare die Altersgrenze erst mit dem Ende des Monats, in dem sie das 70. Lebensjahr vollenden (§ 48a BNotO), und Prüfingenieure und Prüfsachverständige nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 der Prüfingenieure- und Prüfsachverständigenverordnung vom 10. Juli 2006 (GVOBl. M-V S. 595; ersetzt durch die Bauprüfverordnung M-V v. 14.04.2016, GVOBl. M-V S. 171) erst mit Vollendung des 68. Lebensjahres. Ausgehend davon lässt sich ein gesellschaftlicher Rahmen, in dem sich die Arbeitsphase des menschlichen Lebens vollzieht, für die freiberufliche Tätigkeit des Klägers nicht dahingehend feststellen, dass die Regelaltersgrenze, die für ihn bei 65 Jahren und fünf Monaten liegen würde (vgl. § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI), darauf übertragen werden könnte. Vor allem deshalb, weil im zeitlichen Zusammenhang mit dem hier maßgeblichen Zeitraum eine nennenswerte Zahl von Rechtsanwälten über die (rentenversicherungsrechtliche) Regelaltersgrenze hinaus tätig war, aber auch im Hinblick auf eine gesellschaftlich anerkannte Normalität der Berufsausübung dieser und anderer Selbständiger über die Regelaltersgrenze hinaus ist die vom Kläger insoweit weiter ausgeübte selbständige Tätigkeit als Rechtsanwalt nach wie vor dem Arbeitsleben im Sinne des § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. und § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. zuzurechnen.

Dem steht auch nicht der Förderungszweck entgegen, der beim Anspruch auf Arbeitsassistenz in der Sicherung und Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liegt (vgl. aber auch VGH Kassel, Beschl. v. 15.12.2016 - 10 B 2438/16 -, juris Rn. 13 f.). Die entsprechenden Leistungen sollen die Erwerbsfähigkeit erhalten, verbessern, wiederherstellen und die Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer sichern (vgl. § 102 Abs. 2 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 2 SGB IX n.F.). Für den als Rechtsanwalt selbständig tätigen Kläger kann daraus jedoch nicht geschlossen werden, dass auch für ihn der Förderungszweck nur bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze erfüllt werden könne. Aus den arbeitsmarktpolitischen Zielsetzungen der Behindertenintegration ergibt sich ebenfalls nicht, dass auch für Selbständige stets an das Erreichen des "Rentenalters" anzuknüpfen ist.

Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Eingliederungshilfe, wonach die Gewährung von Eingliederungshilfe mit Erreichen des Ruhestandsalters nicht mehr dem Zweck dienen kann, den behinderten Menschen in das Arbeitsleben zu integrieren oder ihm die Tagesstruktur einer im Arbeitsprozess integrierten Person zu vermitteln (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.12.2005 - 5 C 26/04 -; vgl. auch Berlit, jurisPR-BVerwG 9/2006 Anm. 3). Dies gilt schon deshalb, weil es in dem zugrunde liegenden Fall um die Betreuung im Förderbereich einer Förderwerkstatt für behinderte Menschen und nicht um selbständig tätige Behinderte ging. Im Übrigen sieht auch § 58 Abs. 1 Satz 3 SGB IX (in der ab dem 01.01.2018 geltenden Fassung vom 23.12.2016) für Leistungen im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen keine strikte Altersgrenze vor. Vielmehr sollen diese Leistungen in der Regel längstens bis zum Ablauf des Monats erbracht werden, in dem das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch erforderliche Lebensalter erreicht wird.

Aus der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) lässt sich für den vorliegenden Fall ein striktes Abstellen auf das Erreichen des "Rentenalters" als Endzeitpunkt für Hilfen nach § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. ebenso wenig herleiten. Es kann nicht angenommen werden, dass der Anspruch auf eine Arbeitsassistenz für selbstständig tätige schwerbehinderte Menschen dem Anspruch von schwerbehinderten Arbeitnehmern nachgebildet sei und deshalb auch in zeitlicher Hinsicht nicht über diesen hinausgehen könne (vgl. aber auch VGH Kassel, Beschl. v. 15.12.2016 - 10 B 2438/16 -, juris Rn. 17). Insbesondere ist der Verordnung nicht die Systematik einer Übertragung der Förderung auf Selbstständige zu entnehmen, aus der folgt, dass auch bei Selbstständigen mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze der Anspruch auf Mittel für eine notwendige Arbeitsassistenz (jedenfalls als gebundener Anspruch) endet.

Wie bereits ausgeführt, folgt die Arbeitsassistenz als Förderung im Arbeitsleben bei selbstständig tätigen Behinderten bereits aus § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c SGB IX n.F. und beruht nicht auf einer entsprechenden Anwendung gemäß § 21 Abs. 4 SchwbAV. Zwar sieht § 17 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c SchwbAV originäre Leistungen zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz vor. Gleichwohl hat die Anordnung des Verordnungsgebers, dass die Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben, die abhängig beschäftigten Schwerbehinderten gewährt werden können, unter den entsprechenden Voraussetzungen auch an selbständige Schwerbehinderte erbracht werden können (§ 21 Abs. 4 SchwbAV), bezogen auf die Arbeitsassistenz (§ 17 Abs. 1a SchwbAV) keine konstituierende Wirkung (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 23.01.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 10).

Eine die Regelaltersgrenze strikt zugrunde legende Auslegung des Begriffs des Arbeitslebens im Sinne von § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. ist auch nicht mit Blick darauf geboten, dass das Integrationsamt insoweit die ihm aus der Ausgleichsabgabe im Sinne von § 77 Abs. 1 SGB IX a.F. bzw. § 160 Abs. 1 SGB IX n.F. zur Verfügung stehenden Mitteln einzusetzen hat (vgl. aber auch VGH Kassel, Beschl. v. 15.12.2016 - 10 B 2438/16 -, juris Rn. 18). Der Aufkommensseite der Mittel, die als Begrenzungstatbestand ausdrücklich im Gesetz genannt ist, lässt sich nämlich die Notwendigkeit einer vollständigen Parallelität des Endzeitpunkts der Leistung für abhängig beschäftigte und selbständig tätige Schwerbehinderte ebenfalls nicht entnehmen.

Die Finanzierung der Arbeitsassistenz erfolgt aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe, soweit diese zur Verfügung stehen. Damit haben die Arbeitgeber, die ihrer Verpflichtung zur Beschäftigung behinderter Menschen nicht in ausreichendem Maße nachkommen, die Ausgleichsabgabe zu zahlen. Die Zahlungsverpflichtung knüpft also an die nicht ausreichende Beschäftigung behinderter Menschen als Arbeitnehmer an. Ungeachtet dessen lässt sich daraus nicht schließen, dass dies einer Verwendung der Mittel zur Unterstützung einer selbstständigen Tätigkeit entgegensteht, wenn diese - entsprechend dem gesellschaftlichen Rahmen der Arbeitsphase des menschlichen Lebens - im Einzelfall ungeachtet des Überschreitens der Regelaltersgrenze dem Arbeitsleben zuzurechnen ist. Die begrenzten Mittel sind ohnehin nicht nur für die Kosten der Arbeitsassistenz, sondern auch noch für andere Aufgaben des Integrationsamtes zu verwenden. Hierdurch unterscheidet sich die Bewirtschaftung dieser Mittel aber nicht grundlegend von der Bewirtschaftung anderer Finanzmittel. Die Verwendung der Mittel aus der Ausgleichsabgabe entbindet daher nicht von der Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs auf die Kosten einer Arbeitsassistenz (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.01.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 21 f.). Die Finanzierung aus der Ausgleichsabgabe vermag es demnach ebenfalls nicht zu rechtfertigen, den Kläger als schwerbehinderten Menschen, der als Rechtsanwalt selbständig tätig ist, für den hier maßgeblichen Zeitraum von der Unterstützung durch Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz auszunehmen.

Die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelungen spricht - neben dem Sinn und Zweck der Kostenübernahme für eine notwendige Arbeitsassistenz als begleitende Hilfe im Arbeitsleben - ebenfalls dafür, dass das Überschreiten der Regelaltersgrenze jedenfalls für den im vorliegenden Fall maßgeblichen Zeitraum, der kurz nach Erreichen des 67. Lebensjahres endet, nicht entgegensteht. Die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz wurde erstmals als § 31 Abs. 3a des Schwerbehindertengesetzes eingeführt (vgl. Art. 1 Nr. 17 Buchst. c des Gesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter vom 29.09.2000, BGBl. I S. 1394, im Jahre 2001 übernommen in das Neunte Buch Sozialgesetzbuch). Nach der allgemeinen Begründung zum entsprechenden Gesetzentwurf sollte damit dem Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG Rechnung getragen werden. Vor dem Hintergrund einer vom Gesetzgeber festgestellten überdurchschnittlichen Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen sollte ihre Chancengleichheit im Arbeits- und Berufsleben verbessert und ihre Arbeitslosigkeit schnellstmöglich abgebaut werden (BT-Drs. 14/3372 S. 15). Dem Abbau der Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen kam und kommt damit im Rahmen der auf die Erwerbstätigkeit bezogenen Regelungen des Neunten Buches Sozialgesetzbuch zwar eine wesentliche Bedeutung zu. Das bedeutet aber nicht, dass drohende oder bereits eingetretene Arbeitslosigkeit zugleich eine notwendige Bedingung für das Eingreifen dieser Regelungen im Allgemeinen und speziell der Vorschriften des § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. wäre. Dies ergibt sich schon aus dem ebenfalls verfolgten Ziel der Verbesserung der Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeits- und Berufsleben im Vergleich zu nichtbehinderten Menschen. Dem soll nicht nur bei erstmaliger Aufnahme einer Beschäftigung, sondern während der gesamten Zeitdauer der Erwerbstätigkeit Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.01.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 17), was bei Selbständigen auch einen Zeitraum nach Erreichen der für abhängig Beschäftigte maßgeblichen Regelaltersgrenze einschließen kann. Nichtbehinderten Menschen steht es frei zu entscheiden, wie sie ihre Arbeitskraft einsetzen. Namentlich können sie nach eigenem Gutdünken darüber befinden, welchen Beruf sie ergreifen wollen, ob sie diesem ihre Arbeitskraft vollumfänglich widmen oder sie anteilig auf mehrere Erwerbstätigkeiten aufteilen. Bei Selbständigen kommt zumeist die Entscheidung dazu, ob sie im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze ihre Beschäftigung ebenfalls aufgeben oder wie lange sie über diesen Zeitpunkt hinaus ihre Tätigkeit weiter ausüben, letzteres etwa auch im Hinblick auf eine möglichst reibungslose Gestaltung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand. Für den schwerbehinderten Kläger kann aus den dargelegten Gründen nichts anderes gelten.

In die gleiche Richtung weisen § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 2 Satz 2 SGB IX n.F., wonach die von den Integrationsämtern durchgeführte begleitende Hilfe im Arbeitsleben dahin wirken soll, dass die schwerbehinderten Menschen in ihrer sozialen Stellung nicht absinken, auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können sowie durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen der Arbeitgeber befähigt werden, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit nichtbehinderten Menschen zu behaupten. Die Maßnahmen zielen somit auch darauf ab, dem schwerbehinderten Menschen eine vollständige Umsetzung seiner vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnisse im Erwerbsleben zu ermöglichen und diese darüber hinaus weiterzuentwickeln. Dem liegt das Verständnis eines Menschen zugrunde, bei dem sich auch im Beruf die Persönlichkeit entfaltet und der seine Arbeitskraft hierfür einsetzt. Deshalb ist es (ebenso wie bei einem nichtbehinderten Menschen) grundsätzlich Sache des schwerbehinderten Menschen zu entscheiden, welchem Beruf er nachgeht, ob er diesem seine Arbeitskraft vollumfänglich widmet oder ob er sie anteilig für mehrere Erwerbstätigkeiten einsetzt und ob er eine Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung ausüben möchte (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.01.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 15). Entsprechendes gilt für den Endzeitpunkt, wenn eine nennenswerte Zahl vergleichbar selbständig Tätiger über die Regelaltersgrenze hinaus tätig ist oder dies aus anderen Gründen gesellschaftlich als üblich angesehen wird.

Das trägt nicht nur dem Benachteiligungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG und dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (vgl. hierzu auch BSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 5/14 R -, juris Rn. 21) Rechnung, sondern ebenso dem in Art. 27 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention - UN-BRK) zum Ausdruck kommenden Menschenbild. Nach dessen Absatz 1 Satz 1 Halbsatz 2 beinhaltet das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit u.a. das Recht, diese frei zu wählen. Die UN-Behindertenrechtskonvention ist seit dem 1. Januar 2009 als innerstaatliches Recht im Rang einfachen Bundesrechts anzuwenden (vgl. Gesetz v. 21.12.2008, BGBl. II S. 1419) und kann als Auslegungshilfe für die Bestimmung und den Inhalt der Grundrechte und des einfachen Gesetzesrechts herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.01.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 16).

Aus den vorstehenden Gründen folgt zudem, dass der Bezug einer Rente aufgrund des Umstands, dass der Kläger bis September 1991 gesetzlich rentenversichert war, dem geltend gemachten Anspruch ebenfalls nicht entgegensteht.

2. Die Notwendigkeit der Arbeitsassistenz nach § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. für den blinden Kläger im Hinblick auf seine selbstständige Berufsausübung ist zwischen den Beteiligten unstreitig und auch im Übrigen nicht zweifelhaft. Bei diesem Tatbestandsmerkmal handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff ohne Beurteilungsspielraum der zuständigen Behörde, welcher der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.01.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 9). Die Notwendigkeit ist hier zu bejahen. Erst die Arbeitsassistenz ermöglicht dem Kläger eine seiner anwaltlichen Tätigkeit entsprechende Arbeitsleistung. Auch ist die Arbeitsassistenz lediglich auf eine unterstützende, gezielt den behinderungsbedingten Nachteil ausgleichende Arbeitskraft gerichtet, wobei die Arbeit im Kern vom schwerbehinderten Kläger selbst geleistet wird (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch OVG Bremen, Urt. v. 29.06. 2011 - 2 A 159/10 - juris Rn. 43; VG Saarlouis, Urt. v. 08.04.2014 - 3 K 940/13 - juris Rn. 19).

3. Nach § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. haben schwerbehinderte Menschen als begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den insoweit zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Diese Vorschrift begründet nach ihrem insoweit unmissverständlichen Wortlaut und im Unterschied zu § 102 Abs. 3 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 3 SGB IX n.F. ("kann") einen nicht im Ermessen der Behörde stehenden Anspruch auf Kostenübernahme (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.01.2018 - 5 C 9.16 -, juris Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.10.2017 - OVG 6 B 86.15 -, juris Rn. 47 ff.: weder dem Grund noch der Höhe nach). Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Kostenübernahme aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe bestritten wird. Daraus ergibt sich eine höhenmäßige Begrenzung, wenn die Mittel erschöpft sind. Solange das nicht der Fall ist, gewährt die Norm einen Anspruch auf Übernahme der gesamten zur Finanzierung der Arbeitsassistenz notwendigen Kosten.

4. Die aus Mitteln der Ausgleichsabgabe finanzierte Kostenübernahme nach § 102 Abs. 4 SGB IX a.F. bzw. § 185 Abs. 5 SGB IX n.F. steht naturgemäß unter dem Vorbehalt, dass diese Mittel zur Verfügung stehen und nicht erschöpft sind (vgl. auch VG Lüneburg, Urt. v. 14.11.2017 - 4 A 100/16 -, juris Rn. 32). Auf eine Erschöpfung der Mittel hat der Beklagte sich nicht berufen. Dafür ist auch sonst nichts ersichtlich.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.

Die Berufung ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (vgl. § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die sich im Hinblick auf eine Altersgrenze stellenden Fragen sind - soweit ersichtlich - bislang durch das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern nicht entschieden und auch nicht höchstrichterlich geklärt.

Referenznummer:

R/R7925


Informationsstand: 19.11.2018