Die als Verpflichtungsklage nach § 42
Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne der §§ 113, 114
VwGO in seinen Rechten verletzt.
1. Nach
§ 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 b) des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (
SGB IX) kann das Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auch Geldleistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes erbringen. Gemäß
§ 14 Abs. 1 Nr. 2 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (
SchwbAV) haben die Integrationsämter die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel u.a. für Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben zu verwenden. Nach
§ 17 Abs. 1 Nr. 1 b) SchwbAV können Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben zum Erreichen des Arbeitsplatzes erbracht werden, wozu auf
§ 20 SchwbAV verwiesen wird. Danach können schwerbehinderte Menschen Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (
KfzHV) erhalten. Die Kraftfahrzeughilfe umfasst nach
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 KfzHV auch Leistungen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges in Gestalt von Zuschüssen (§ 2
Abs. 2
KfzHV). Die Leistungen setzen u.a. gemäß
§ 3 Abs. 1 Nr. 1 KfzHV voraus, dass der behinderte Mensch infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen.
2. Wie sich aus dem Wort "kann" in § 102
Abs. 3 Satz 1
SGB IX ergibt, enthält die Entscheidung über die Gewährung von Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges Elemente des behördlichen Ermessens (
vgl. BSG vom 16.11.1993,
4 RA 22/93; vom 21.3.2006
B 5 RJ 9/04 R; jeweils zitiert nach juris;
VG Augsburg vom 3.6.2008
Au 3 K 07.914). Ermessensentscheidungen sind nach § 114
VwGO nur begrenzt gerichtlich überprüfbar. Das Gericht prüft nach § 114 Satz 1
VwGO, ob die Ablehnung eines Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Hält sich die Behörde innerhalb des so gesetzten Rahmens, kann das Gericht nicht seine Einschätzung an die Stelle der Behörden setzen, sondern muss die Behördenentscheidung respektieren.
Begehrt der Rechtsuchende einen auf die Gewährung einer Leistung gerichteten begünstigenden Verwaltungsakt, dessen Erlass letztlich im Ermessen der Behörde steht, so kommt eine Verpflichtung zur Gewährung der Leistung nur in Betracht, wenn der Handlungsspielraum der Behörde so eingeschränkt ist, dass nur eine bestimmte positive Entscheidung sowohl nach dem Ob als auch dem Wie der Leistung rechtlich möglich ist. Hiervon ist vorliegend aber nicht auszugehen. Auch eine Aufhebung des Bescheids bei gleichzeitiger Verpflichtung der Behörde, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, kommt nicht mehr in Betracht.
3. Der Bescheid des Integrationsamtes vom 22. September 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 8. März 2011 sind ermessensgerecht und damit rechtmäßig. Insbesondere hat die Behörde nunmehr die Frage, ob es dem Kläger zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel in Gestalt der konkreten Verbindung zwischen Wohn- und Arbeitsort des Klägers und ihren Gegebenheiten zu nutzen, durch die durchgeführte ärztliche Begutachtung ausreichend ermittelt und die Entscheidung so auf eine tragfähige Tatsachengrundlage gestellt.
a) Die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe für Schwerbehinderte mit dem Merkzeichen "G" setzt voraus, dass sie keine anderen tatsächlich nutzbaren Möglichkeiten als die Benutzung eines Kraftfahrzeuges haben, ihren Arbeitsplatz zu erreichen (
vgl. BSG vom 26.8.1992
9b RAr 14/91). Ist dies der Fall, so wird die Notwendigkeit der Nutzung eines Kraftfahrzeuges wegen der Behinderung nicht dadurch verdrängt, dass auch Nichtbehinderte mit denselben Verkehrsbeziehungen gezwungen wären, mit dem Kraftfahrzeug zur Arbeit zu fahren. Nach der zitierten Entscheidung muss es sich aber um tatsächlich nutzbare und - wie sich aus dem Leitsatz ergibt - zumutbare Verkehrsverbindungen handeln. Existieren derartige Verbindungen nicht, so darf dies nicht zur Folge haben, dass Schwerbehinderte von der Kraftfahrzeughilfe ausgeschlossen sind.
In diesem Zusammenhang kommt es aber nicht darauf an, ob das an sich vorhandene und zumutbare Verkehrsmittel zu der Zeit, in der es zur Erreichung des Arbeitsplatzes benötigt würde, auch tatsächlich verkehrt. Denn insoweit stellt sich die Situation des Behinderten nicht anders dar als die von Nichtbehinderten.
Schließlich dient die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges weder dazu, dem Schwerbehinderten allgemein zu größerer Mobilität zu verhelfen noch dazu, generell seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Sie ist ausschließlich beschränkt auf die Hilfe zum Erreichen des Arbeitsplatzes.
b) Davon ausgehend kann hier die ablehnende Entscheidung des Beklagten nicht beanstandet werden. Das Integrationsamt hat nicht nur die für seine Ermessensentscheidung maßgeblichen Tatsachen nunmehr umfassend ermittelt, indem es ein Gutachten eines Vertrauensarztes über die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers und die sich daraus
ggf. ergebenden Probleme bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel eingeholt hat. Es hat dieses Gutachten im Rahmen seiner Entscheidungen auch im Hinblick auf das vom Kläger eingereichte ärztliche Attest vom 25. Oktober 2010 gewürdigt. Dass es dabei zu dem Ergebnis kam, die Benutzung der Verbindung des öffentlichen Nahverkehrs sei dem Kläger zumutbar, ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
Insbesondere hat auch die Einvernahme des Vertrauensarztes, der das Gutachten aufgrund einer ausführlichen Untersuchung des Klägers erstellt hat, ergeben, dass dem Kläger die Nutzung der Bahnverbindung zwischen Heimat- und Arbeitsort zumutbar ist.
Der sachverständige Zeuge hat ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, dass der rechte Arm des Klägers durch die spastische Parese gravierend betroffen, auch das rechte Bein hinsichtlich der Kraftentfaltung noch um etwa ein Fünftel gemindert und der Kläger zudem rechtsseitig von Koordinationsproblemen betroffen ist. Linksseitig ist die Kraftentfaltung des Klägers jedoch alters- und staturgemäß entwickelt. Aufgrund dessen könne er die Strecke mit öffentlichen Verkehrsmitteln auch unter Berücksichtigung der konkreten Anforderungen der Verbindung nutzen.
c) Ebenso ist nicht zu beanstanden, dass das Integrationsamt davon ausgeht, dass dem Kläger bei guter Witterung zugemutet werden könne, die
ca. 400 m lange Fußwegstrecke zwischen Wohnung und Bahnhof alternativ auch mit dem Fahrrad zurückzulegen, das er in seiner Freizeit nutzt, oder bei sehr schlechter Witterung eine Gehhilfe zur Vermeidung von Stürzen oder Sturzängsten zu benutzen. Auch muss dem Beklagten zugestanden werden, dass die Tatsache, dass sich die für den Arbeitsweg zu veranschlagende Zeit durch Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs erheblich verlängert, nicht speziell ihre Ursache in der Behinderung des Klägers hat, sondern alle auf die Verbindung Angewiesenen gleichermaßen trifft. Insoweit kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger infolge seiner Behinderung auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, um seinen Arbeitsort zu erreichen.
4. Der Kläger trägt als unterliegende Partei die Kosten des gemäß § 188
VwGO gerichtskostenfreien Verfahrens gemäß § 154
Abs. 1
VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 711
ZPO.