Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 2010 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Bundesverfahrens zu tragen, Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Beschluss ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Der am XX.XX.XXXX geborene Kläger ist wegen einer starken Sehminderung als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad von 100 anerkannt. Der als Physiotherapeut, Masseur und medizinischer Bademeister ausgebildete Kläger arbeitet seit dem 1. August 2002 als Physiotherapeut bei der X.
Mit Schreiben vom 25. April 2009 beantragte der Kläger bei dem Integrationsamt des Beklagten die Kostenübernahme einer Ausbildung zum Osteopathen bei dem Berufsförderungswerk in Mainz-Lerchenberg.
In dem vom Integrationsamt am 19. Mai 2009 mit dem Kläger, dessen Arbeitgeberin, den betrieblichen Interessenvertretungen und dem Integrationsfachdienst geführten Gespräch wies die Arbeitgeberin darauf hin, dass die Kenntnisse eines Osteopathen in ihrem Klinikum nicht eingesetzt werden könnten. Die osteopathische Behandlung werde von den Krankenkassen nicht bezahlt. Ein Angebot für Selbstzahler gebe es nicht.
Mit dem Schreiben vom 25. August 2009 teilte die Pflegedirektion des Klinikums X auf Nachfrage des Beklagten mit, dass eine Osteopathie-Ausbildung für die Physikalische Therapie nicht erforderlich sei. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei auch ohne diese Ausbildung nicht gefährdet. Der Kläger teilte dem Integrationsamt mit Schreiben vom 18. September 2009 mit, dass er sich als Arbeitnehmer nachfrageorientiert fortzubilden habe. Weiterbildungsmaßnahmen, die sich an zeitgemäßen Therapien orientieren, seien zur langfristigen Sicherung des Arbeitsplatzes und damit zur Verhinderung von Arbeitslosigkeit erforderlich. Mündlich teilte der Kläger dem Integrationsamt mit, dass er mit der Osteopathie-Ausbildung bereits begonnen habe.
Mit Bescheid des Integrationsamtes vom 30. September 2009 lehnte die Beklagte die Gewährung des beantragten Zuschusses mit der Begründung ab, die zu bezuschussende Maßnahme müsse den Bedürfnissen des konkreten Arbeitsplatzes entsprechen. Die Förderung zum beruflichen Aufstieg sei möglich, wenn die vermittelten Fertigkeiten und Kenntnisse in absehbarer Zeit beim Arbeitgeber sinnvoll tätigkeitsbezogen eingesetzt werden könnten. Da nach Auskunft des Arbeitgebers eine Osteopathie-Ausbildung für den Arbeitsplatz des Klägers nicht erforderlich und das Arbeitsverhältnis auch ohne die Ausbildung nicht gefährdet sei, diene die Maßnahme nicht der Sicherung des bestehenden Arbeitsverhältnisses.
Den hiergegen am 29. Oktober 2009 eingelegten Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt des Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 2010 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:
Die Voraussetzungen zur Gewährung eines Zuschusses für die Teilnahme an einer außerbetrieblichen Bildungsmaßnahme gemäß
§ 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e SGB IX i.V.m. § 24 SchwbAV lägen nicht vor. Die in § 102
Abs. 3
SGB IX aufgeführten Leistungen seien begleitende Hilfen im Arbeitsleben, die erst dann einsetzten, wenn der berufliche Eingliederungsprozess abgeschlossen, ein Arbeitsverhältnis somit bereits begründet sei. Die Leistungen der Integrationsämter hätten regelmäßig nur eine Sicherungs- und Stützungsfunktion in Bezug auf das bestehende Arbeitsverhältnis. Der Kläger sei auf einem behinderungsgerechten Arbeitsplatz beschäftigt und übe eine Tätigkeit aus, die seiner beruflichen Qualifikation entspreche. Eine Ausbildung zum Osteopathen sei daher nicht notwendig im Sinne der Vorschrift über die begleitende Hilfe im Arbeitsleben. Zweck des
SGB IX sei es, behinderungsbedingte Wettbewerbsnachteile auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugleichen. Dies beinhalte nicht das Ziel, schwerbehinderte Menschen gegen jede abstrakte Bestandsgefährdung ihres Arbeitsverhältnisses abzusichern. Dies würde letztlich zu einer Bevorzugung schwerbehinderter Arbeitnehmer führen, für die es keine sachliche Rechtfertigung gebe. Dies gelte auch, soweit der Kläger mit der Ausbildung zum Osteopathen eine Qualifizierung anstrebe, die ihm weitergehende berufliche Perspektiven ermögliche. § 24
SchwbAV sei kein Tatbestand einer allgemeinen Ausbildungs- und Berufsförderung, der nur an die Schwerbehinderteneigenschaft anknüpfe.
Mit seiner bei dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main am 21. April 2010 erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren vertieft und ergänzend vorgetragen, die Ausbildung zum Osteopathen am 11. September 2009 begonnen zu haben. Die Kosten für die Ausbildung beliefen sich auf insgesamt 21.485,80
EUR. In der mündliche Verhandlung vom 10. November 2010 hat der Kläger vorgetragen, die Klinikum X werde im Jahr 2011 die Physiotherapieleistungen an eine Drittfirma auslagern. Aller Voraussicht nach werde er dann zu dieser Firma wechseln und dort, wie bisher, Patienten in der Ambulanz behandeln.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Integrationsamtes vom 30. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2010 zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 24. April 2009 auf Gewährung eines Zuschusses für die fünfjährige Osteopathieausbildung beim Berufsförderungswerk Mainz, Zentrum für physikalische Therapie, Lortzingstraße 4, 55127 Mainz, mit dem Abschluss "Osteopath" unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er sich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid bezogen und ergänzend vorgetragen: Der Kläger habe keinen Anspruch auf den begehrten Zuschuss, selbst wenn seiner Rechtsansicht gefolgt werde. Zweck der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben sei nicht nur der Ausgleich von auf den konkreten Arbeitsplatz bezogenen behinderungsbedingten Nachteilen. Allein die Tatsache, dass eine zusätzliche Osteopathieausbildung Vorteile auf dem Arbeitsmarkt biete, begründe keinen Anspruch auf Kostenübernahme. Zu berücksichtigen sei vorliegend, dass es sich einerseits um eine sehr kostenintensive Maßnahme handele und der Kläger andererseits nicht nur als Physiotherapeut, sondern auch als Masseur und Medizinischer Bademeister ausgebildet sei. Mit der Ausbildung zum Osteopathen würde der Kläger eine Qualifikation erwerben, die nicht nur der Anpassung und Weiterentwicklung seiner bisher erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten diente, sondern wegen des Erlernen einer völlig neuen Behandlungsart einer erneuten Berufsausbildung gleichkäme.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, den angefochtenen Bescheid aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht aufgeführt: Die vom Kläger inzwischen aufgenommene Weiterbildung zum Osteopathen sei grundsätzlich nach § 24
SchwbAV förderungsfähig. Leistungen nach § 102
Abs. 3
Nr. 3 Bucht. e
SGB IX und § 24
SchwbAV seien - entgegen der Rechtsansicht des Beklagten nicht auf den von einem Schwerbehinderten konkret eingenommenen Arbeitsplatz bezogen. Aus § 24 Satz 2
SchwbAV folge die grundsätzliche Förderungsfähigkeit von Bildungsmaßnahmen zum beruflichen Aufstieg. Dass es sich insoweit nur um einen beruflichen Aufstieg im Rahmen eines Betriebs, in dem der Schwerbehinderte beschäftigt sei, handeln könne, lasse sich dieser Vorschrift nicht entnehmen. Aus
§ 18 Abs. 2 SchwbAV folge, dass bei der Entscheidung über einen Förderantrag auch eine arbeitsmarktbezogene Betrachtung zu erfolgen habe. Die Dynamik des Arbeitsmarkts im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen gebiete es, sich als Schwerbehinderter nicht nur in dem ausgeübten Beruf fortzubilden, sondern auch Zusatzqualifikationen zu erwerben um sich langfristig bessere Beschäftigungschancen - gegebenenfalls auch bei einem anderen Arbeitgeber - zu sichern. Daher komme es nicht darauf an, dass die Arbeitgeberin des Klägers derzeit keinen Bedarf an einer Fachkraft mit Osteopathie-Ausbildung habe.
Das Verwaltungsgericht hat gegen dieses Urteil die Berufung zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzlich Bedeutung habe.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 20. Dezember 2010 zugestellte Urteil mit dem Schriftsatz vom 30. Dezember 2010, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht am 31. Dezember 2010, Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 11. Februar 201, eingegangen beim Senat am 17. Februar 2011, begründete er seine Berufung und führt im Wesentlichen aus:
Die angestrebte Zusatzqualifikation vermittle dem Kläger keinen Vorteil zum Erhalt seiner gegenwärtigen Arbeitsstelle. Zwar erhöhten sich durch die Ausbildung zum Osteopathen die allgemeinen Vermittlungschancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt. Die Unterstützung eines solchen Vorhabens, das der Erschließung eines breiteren Spektrums an Erwerbsmöglichkeiten und Berufschancen diene, sei aber dem Aufgabenbereich der Arbeitsagentur zuzuordnen und könne mangels Bezug zu einem bestimmten Arbeitsplatz weder § 102
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 Buchst. e noch § 24
SchwbAV zugeordnet werden.
Hilfsweise trägt der Beklagte vor, sein Auswahlermessen durch eine interne Ermessensvorgabe rechtmäßig beschränkt zu haben. Nach den für ihn insoweit geltenden "Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten
gem. § 102
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 e
SGB IX i.V.m. § 24
SchwbAV" sei die Gewährung der Leistung regelmäßig davon abhängig zu machen, dass die Bildungsmaßnahme Fertigkeiten und Kenntnisse vermittle, die beim derzeitigen Arbeitgeber oder bei einem anderen Arbeitgeber in absehbarer Zeit sinnvoll einsetzbar seien. Im Falle des Klägers seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass Besonderheiten vorlägen, die den Beklagten zwängen, von dieser Vorgabe ausnahmsweise abzuweichen. Hilfsweise zu diesem Vorbringen trägt der Beklagte weiter vor, dass im Ergebnis keine andere als die getroffene Entscheidung möglich gewesen sei, weil der Kläger nicht nur als Physiotherapeut, sondern auch als Masseur und medizinischer Bademeister ausgebildet sei. Er verfüge somit bereits über mehrere Qualifikationen, die es ihm ermöglichten, sich auch auf dem Arbeitsmarkt zu behaupten und zu bewähren. Eine Bezuschussung der vom Kläger gewünschten Ausbildung wäre darüber hinaus nicht als Nachteilsausgleich, sondern als ungerechtfertigte Bevorteilung eines Schwerbehinderten zu werten. Auch nichtbehinderte Physiotherapeuten stünden unter Konkurrenzdruck. Der Erwerb einer weiteren Qualifikation sei für den Physiotherapeuten von Vorteil, auch für einen Nichtbehinderten.
An der vom Kläger besuchten Ausbildungsstätte habe der Beklagte zwar in den drei vom Kläger aufgeführten Fällen die Kosten einer Osteopathie-Ausbildung übernommen. In einem Fall habe es sich aber um einen Selbstständigen gehandelt, dessen Kosten auch nur zu 50 % übernommen worden seien. In den anderen zwei Fällen hätten die Arbeitgeber jeweils bestätigt, dass die Fortbildung erwünscht sei, die Behandlungsmethode im Betrieb verwendet werden könne und eine Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmer durch die Fortbildung gesichert werde. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 10. November 2010 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger stellt keinen Antrag,
tritt in der Sache jedoch der Berufung entgegen.
Zur Begründung führt er aus, dass begleitende Hilfe im Arbeitsleben nach § 102
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 Buchst. e
SGB IX i.V.m. § 23 SchwbAV nicht auf arbeitsplatzbezogene Maßnahmen beschränkt sei. Dies ergebe sich bereits eindeutig aus dem Wortlaut der Vorschrift, der nicht von einem "Arbeitsplatz" spreche, sondern den weiten Begriff des "Arbeitslebens" verwende. Eine den Wortlaut einengende Interpretation sei rechtswidrig. Auch dem Umstand, dass der Maßnahmenkatalog in § 102
Abs. 3 Satz 1
SGB IX nicht abschließend sei, lasse sich die Absicht des Gesetzgebers entnehmen, die Förderfähigkeit nicht auf arbeitsplatzbezogene Bildungsmaßnahmen zu beschränken. Die Entscheidung des Beklagten sei schon deshalb ermessensfehlerhaft, weil er die Grenzen des ihm gesetzlich eingeräumten Ermessens verkannt und auf die Arbeitsplatzbezogenheit der Ausbildungsmaßnahme als Kriterium für die Ermessensausübung abgestellt habe. Die erst nachträglich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeschobenen Ermessenserwägungen seien nicht gemäß § 114 Satz 2 VWGO berücksichtigungsfähig. Der Beklagte habe im Verwaltungsverfahren keinerlei Ermessenserwägungen angestellt; von einer Ergänzung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren könne daher keine Rede sein.
Ungeachtet des Umstandes, dass die Arbeitsplatzbezogenheit der Ausbildungsmaßnahme nicht maßgeblich sei, müsse im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung des Arbeitslebens des Klägers durch die bevorstehende Ausgliederung bei der Klinikum X berücksichtigt werden, dass es für den Kläger im Falle eines Arbeitsplatzverlustes sehr schwer werde, eine seinen Leistungen und Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit zu finden. Eine dauerhafte Beschäftigungsperspektive werde sich für ihn nur dann ergeben, wenn er eine spezifische Qualifikation wie die angestrebte Osteopathie-Ausbildung aufweisen könne. Die vom Beklagten im gerichtlichen Verfahren vorgetragenen Ermessenserwägungen trügen diesen Gesichtspunkten nicht ausreichend Rechnung. Der Kläger sei wegen seiner schweren Behinderung weder als Physiotherapeut noch als Masseur und Bademeister auch nur ansatzweise so flexibel einsetzbar wie ein nicht behinderter Kollege. Sinn der Hilferegelungen des
SGB IX sei es aber gerade, die berufsbezogenen Nachteile im Arbeitsleben auszugleichen und die Teilhabe des Schwerbehinderten am Arbeitsleben dauerhaft zu sichern.
Im Übrigen werde die Ausbildung schwerbehinderter Menschen zu Osteopathen ganz überwiegend von den Integrationsämtern übernommen. An der vom Kläger besuchten Schuleinrichtung habe der Beklagte in drei Fällen die Kosten übernommen.
Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Hefter) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitgegenstandes wird auf diese Unterlagen, auf die gewechselten Schriftsätze sowie den darüber hinausgehenden Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen, die der Beratung ebenfalls zu Grunde gelegen haben.
II.
Über die Berufung kann gemäß § 130a
VwGO durch Beschluss entschieden werden, weil der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält (§130a Satz 1
VwGO). Die Beteiligten sind hierzu nach § 130a Satz 2
VwGO i.V.m. § 125
Abs. 2 Satz 3
VwGO mit gerichtlicher Verfügung vom 4. November 2011 gehört worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat (§124a
Abs. 2 Satz 1
VwGO) nach der am 20. Dezember 2010 erfolgten Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht am 31. Dezember 2011 eingelegt worden. Sie ist auch innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils (§124 a
Abs. 3 Satz 1
VwGO) mit Schriftsatz vom 11. Februar 2011 begründet worden, der am 17. Februar 2011 bei dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht wurde. Die Begründung enthält schließlich einen bestimmten Berufungsantrag (§ 124a
Abs. 3 Satz 3
VwGO).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den angegriffenen Bescheid des Beklagten vom 30. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2010 zu Recht aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der angefochtene Bescheid des Integrationsamtes bei dem Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses bei dem Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Die angefochtenen Bescheide verstoßen gegen § 39
Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - (
SGB I). Nach dieser Vorschrift haben die Leistungsträger, soweit sie ermächtigt sind, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Dieser Pflicht korrespondiert auf Seiten eines Sozialleistungen begehrenden Antragstellers der Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39
Abs. 1 Satz 2
SGB I). Bei der Ablehnung einer in das Ermessen der Behörde gestellten Sozialleistung beschränkt sich die gerichtliche Nachprüfung gemäß § 114 Satz 1
VwGO darauf, ob die Ablehnung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind, oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
Der Beklagte hat gegen § 39
Abs. 1
SGB I verstoßen, weil er bei der Ablehnung der beantragten Übernahme der Kosten für eine Osteopathie-Ausbildung irrtümlich das Vorliegen eines ermessensbegründenden Tatbestandes verneint und deshalb die gebotene Ermessensausübung vollständig unterlassen hat. Eine Ergänzung von Ermessenserwägung konnte deshalb auch nicht im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfolgen. Der angefochtene Verwaltungsakt in der maßgeblichen Fassung des Widerspruchsbescheides hat auch nicht deshalb Bestand, weil bei der gebotenen Ermessensbetätigung im Ergebnis nur ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts ergehen dürfe, also jeder Verwaltungsakt mit einem anderen Inhalt als dem des angefochtenen Bescheides fehlerhaft wäre. Die Voraussetzungen für eine derartige Ermessensschrumpfung auf allein eine richtige Entscheidung liegen hier nicht vor.
Der geltende Förderungsanspruch des Klägers beurteilt sich nach
§ 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchst. e Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) I.V.m.
§ 24 Satz 1 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabenverordnung - SchwbAV - vom 28. März 1988 (BGBI. I
S. 484, zuletzt geändert durch
Art. 7 des Gesetztes vom 22. Dezember 2008, BGBI. I
S. 2959).
Im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben (§ 102
Abs. 1 Satz 1.
Nr. 3
SGB IX) "kann" das Integrationsamt nach § 102
Abs. 3 Satz 1
SGB IX aus den ihm zur Verfügung stehenden Geldmitteln auch Geldleistungen erbringen, insbesondere zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten (§ 102
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 Buchst. e
SGB IX).
Die auf die Verordnungsermächtigung in
§ 79 Nr. 2 SGB IX gestützte Schwerbehinderten- Ausgleichsabgabeverordnung bestimmt in
§ 14 Abs. 1 Nr. 2 SchwbAV, dass die Integrationsämter die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel der Ausgleichsabgabe u.a. für Leistungen zur begleitenden Hilfe am Arbeitsleben zu verwenden haben. Solche Leistungen "können" nach
§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. f SchwbAV erbracht werden zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten (
§ 24). Der in Bezug genommene § 24
SchwbAV bestimmt, dass schwerbehinderte Menschen, die an inner- oder außerbetrieblichen Maßnahmen der beruflichen Bildung zur Erhaltung und Erweiterung ihrer beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten oder zur Anpassung an die technische Entwicklung teilnehmen, die nach Art, Umfang und Dauer den Bedürfnissen dieser schwerbehinderten Menschen entsprechen, Zuschüsse bis zur Höhe der ihnen durch die Teilnahme an diesen Maßnahmen entstehenden Aufwendungen erhalten "können". Die in das pflichtgemäße Ermessen der Integrationsämter gestellten Geldleistungen erbringen die Integrationsämter gemäß
§ 77 Abs. 5 SGB IX aus den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln der Ausgleichsabgabe.
Der Beklagte ist bei seiner Entscheidung über die vom Kläger begehrte Förderung von einer fehlerhaften, weil zu engen Auslegung der heranzuziehenden Rechtsnorm in § 102
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 Buchst. e
SGB IX und § 24
SchwbAV ausgegangen und hat damit den gesetzlichen Rahmen, der seiner Ermessensentscheidung vorgegeben ist, nicht zutreffend bestimmt. Entgegen der Auffassung des Integrationsamtes und des Widerspruchsausschusses beim Integrationsamt des Beklagten beschränken weder § 102
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 Buchst. e
SGB IX noch § 24
SchwbAV die Förderung schon auf Tatbestandsebene auf Maßnahmen zum Ausgleich nur der behinderungsbedingten und arbeitsplatzbezogenen Defizite (
vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Mai 2008 -
5 B 36/08 -, juris, Rn. 4;
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Dezember 2007 -
12 A 2269/07-, juris, Rn. 26 - 38;
vgl. auch
BVerwG, Urteil vom 14. November 2003 -
5 C 13.02-, BVerwGE 119,200
ff. zu den bis zum 30. Juni 2001 geltenden Regelungen der §§ 31
Abs. 1
Nr. 3,
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 Buchst. f des Schwerbehindertengesetzes -
SchwbG -, die den seither geltenden und hier anzuwendenden Normen §§ 102
Abs. 1
Nr. 3 Satz 1
Nr. 1 Buchst. e
SGB IX inhaltlich entsprechen).
Der Senat schließt sich der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des
OVG Nordrhein-Westfalens an, in der zu Recht hervorgehoben wird, dass sich weder dem Wortlaut des § 102
Abs. 1
Nr. 3 Satz 1
Nr. 1 Buchst. e
SGB IX noch der Systematik in der Bestimmung der Aufgaben des Integrationsamtes generell eine Begrenzung der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben auf Hilfen entnehmen lässt, die auf einen konkreten, bereits innegehabten oder in Aussicht stehenden Arbeitsplatz im Sinne des
§ 73 Abs. 1 SGB IX bezogen sind. Auch aus den Aufgaben, die der Bundesagentur für Arbeit nach
§ 104 SGB IX im Bereich der Förderung schwerbehinderter Menschen zugewiesen sind, ergibt sich eine solche Beschränkung der Förderung nicht. Die Regelung in § 102
Abs. 5 Satz 1
SGB IX, wonach Verpflichtungen anderer durch die Absätze 3 und 4 nicht berührt werden, lässt vielmehr erkennen, dass das Gesetz von einer inhaltlichen Überschneidung einzelner Leistungskataloge der Leistungsträger ausgeht. Die sich für den Bereich der beruflichen Qualifizierung ergebende Konkurrenz zwischen Ansprüchen gegen die Bundesagentur für Arbeit und das jeweilige Integrationsamt wird durch die Zuständigkeitsbestimmung in § 102
Abs. 6
i.V.m. mit den Bestimmungen zur Zuständigkeitserklärung gemäß
§ 14 SGB IX geregelt. In materieller Hinsicht bestimmt § 102
Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz
SGB IX, dass eine Aufstockung der Leistung von Rehabilitationsträgern nach
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 SGB IX durch Leistungen des Integrationsamtes nicht stattfindet. Diese Regelung wäre entbehrlich, wenn eine Konkurrenz von Ansprüchen schwerbehinderter Menschen gegen die Bundesagentur für Arbeit einerseits und gegen das jeweilige Integrationsamt andererseits schon bei der Aufgabenzuweisung ausscheiden würde.
Die fehlerhafte Verengung des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums durch das Integrationsamt und den Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt des Beklagten hat im Verwaltungsverfahren zu einem Nichtgebrauch des Ermessens bei der Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Bezuschussung einer nicht arbeitsplatzbezogenen Ausbildungsmaßnahme geführt. Die Frage, ob überhaupt eine Ermessensentscheidung ergangen ist, beurteilt sich nach dem Inhalt des Ablehnungsbescheides in der maßgeblichen Fassung des Widerspruchsbescheides, insbesondere nach seiner Begründung. Diese muss die Ermessensentscheidung erkennen lassen; sie muss darüber hinaus auch diejenigen Gesichtspunkte aufzeigen, von denen die Behörde bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist.
Dass der Beklagte eine derartige Ermessensentscheidung getroffen hat, kann weder dem Ablehnungsbescheid des Integrationsamtes vom 30. September 2009 noch dem Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses vom 23. März 2010 entnommen werden. Die insoweit maßgebende Begründung der angefochtenen Bescheide lässt keine Gesichtspunkte erkennen, von denen der Beklagte bei der Ausübung seines Ermessens ausgegangen sein könnte (
vgl. § 35
Abs. 1 Satz 3
SGB X). Der Beklagte hat hinsichtlich des Förderantrags des Klägers lediglich die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung gemäß § 102
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 Buchst. e
SGB IX i.V.m. § 24
SchwbAV geprüft und entschieden, dass diese Voraussetzungen wegen der mangelnden Arbeitsplatzbezogenheit der vom Kläger gewünschten Ausbildung nicht vorliegen. Der Beklagte hat sich im Verwaltungsverfahren auch nicht in Form einer Alternativbegründung von seiner fehlerhaften Annahme über die Reichweite des gesetzlichen Ermessensrahmens gelöst und zumindest hilfsweise Ermessenserwägungen angestellt, die die Ablehnung der vom Kläger begehrten Förderung seiner Weiterbildung zum Osteopathen tragen.
Der Beklagte hat den Ermessensnichtgebrauch auch nicht durch die erstmals im Verwaltungsverfahren nachträglich hilfsweise angestellten Ermessenserwägungen im Klageerwiderungsschriftsatz vom 24. Juli 2010 und im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 11. Februar 2011 geheilt. Der Beklagte hat für die nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens hilfsweise vorgetragenen Ermessenserwägungen zwar den erweiterten Ermessensrahmen zugrundegelegt, der zutreffend auch nicht arbeitsplatzbezogene Ausbildungsmaßnahmen in das Förderungsermessen nach § 102
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 Buchst. e
SGB IX und § 24
SchwbAV einbezieht. Der Ermessensfehlgebrauch im Verwaltungsverfahren konnte damit jedoch nicht geheilt werden.
Zwar kann die erforderliche Begründung eines wirksamen Verwaltungsaktes gemäß § 41
Abs. 1 und
Abs. 2
SGB X noch bis zur letzten Instanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden. § 41
Abs. 2
SGB X ermöglicht es jedoch nicht, Ermessenserwägungen während des Klage- oder Berufungsverfahrens erstmals anzustellen und mit heilender Wirkung nachzuschieben. Denn zur möglichen Nachholung von Ermessenserwägungen enthält § 114 Satz 2
VwGO für das verwaltungsgerichtliche Verfahren eine gesonderte Regelung. Danach kann die Behörde ihre Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren "ergänzen". Damit schafft § 114 Satz 2
VwGO die prozessualen Voraussetzungen dafür, dass eine Behörde defizitäre Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen kann, nicht hingegen dafür, dass sie ihr Ermessen in Fällen des Ermessensnichtgebrauch erstmals im gerichtlichen Verfahren ausüben darf (
vgl. BVerwG, Urteile vom 5. September 2006 - 1 C 20.05 -, NVwZ 2007, 470 f. und vom 5. Mai 1998 - 1 C 17.97 - BVerwGE 106, 351, 365 sowie Beschluss vom 14. Januar 1999 - 6 B 133.98 -, NJW 1999,2912 f.). Vor diesem Hintergrund erlaubt § 41
Abs. 2
SGB X der Behörde allenfalls, die Ermessenserwägungen nachträglich mitzuteilen, die sie bei Erlass des Verwaltungsaktes tatsächlich angestellt, aber (irrtümlich oder nachlässigerweise) nicht in die Begründung des Bescheides aufgenommen hat. Eine solche Konstellation liegt im Falle eines Ermessensnichtgebrauchs aber nicht vor.
Trotz unterlassener Ermessensausübung im Verwaltungsverfahren ist ein - insofern an sich fehlerhafter - Verwaltungsakt aber ausnahmsweise dann nicht aufzuheben, wenn auch bei der gebotenen Ermessensbetätigung im Ergebnis nur ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts wie der angefochtene Bescheid ergehen könnte, also jeder Verwaltungsakt mit anderem Inhalt rechtsfehlerhaft sein würde. Denn auch bei pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens kann sich im Einzelfall eine so weitgehende Bindung der Behörde ergeben, dass allein eine ganz bestimmte Entscheidung pflichtgemäß ist. Weil in diesem Fall der Ermessensspielraum der Behörde derart geschrumpft ist, dass nur noch eine Entscheidung rechtmäßig ist, bedarf es einer Abwägung der für und gegen die Sachentscheidung sprechenden Gründe nicht mehr (
vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Januar 1975 - 3 C 40.74 -, Bh. 427.3 § 335a
LAG Nr. 54, vom 26. Oktober 1978 - 3 C 18.77 -, BVerwGE 57, 1, 6 vom 14. März 1984 - 6 C 107.82 -, BVerwGE 69, 90, 94, vom 15. Juli 1987 - 4 C 56.83-, BVerwGE 78, 40, 46; Kopp/Schenke,
VwGO 17. Aufl. 2011
Rdnr. 6 zu § 114; Rennert, in: Eyermann,
VwGO, 13. Aufl. 2010, Rdnr, 32 zu § 144). Eine solche Ermessensreduzierung auf Null kann nur dann in Betracht gezogen werden, wenn ermessensrelevante Gesichtspunkte weder vom Kläger geltend gemacht noch sonst ersichtlich sind. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden.
Dies gilt auch im Hinblick auf das Vorbringen des Beklagten, er habe sein Ermessen gebunden, weil er in ständiger Verwaltungspraxis die "Empfehlung der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für Hilfen zur Teilnahme an Maßnahmen zur Erhaltung und Erweiterung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten gemäß § 102
Abs. 3
Nr. 1 Buchst. e
SGB IX i.V.m. § 24
SchwbAV" umsetze. Nach
Nr. 3.1 dieser Empfehlungen werden die in § 24 Satz 1
SchwbAV genannten Maßnahmen der beruflichen Bildung nur gefördert, wenn es sich um eine Qualifizierungsmaßnahme handelt, die durch eine Veränderung oder Erweiterung der betrieblichen oder dienstlichen Anforderungen an den schwerbehinderten Beschäftigten erforderlich werden. Diese beruflichen Bildungsmaßnahme betreffen soweit "die notwendige Weiterentwicklung der bereits erworbenen beruflichen Kenntnisse zum Zweck des Verbleibs am bisherigen Arbeitsplatz" (
vgl. Nr. 3.2.
Abs. 1 Satz 2 BIH-Empfehlungen). Auch die nach § 24 Satz 2
SchwbAV genannten Hilfen zum beruflichen Aufstieg werden nach
Nr. 3.2
Abs. 3 Satz 1 BIH-Empfehlungen nur erbracht für Bildungsmaßnahmen, in denen "Wissen vermittelt wird, das entweder beim derzeitigen Arbeitgeber oder bei einem anderen Arbeitgeber in absehbarer Zeit zur Realisierung höherwertigen Tätigkeiten sinnvoll eingesetzt werden kann". Diese Empfehlungen gelten gemäß
Nr. 7
Abs. 2 Satz 1 BIH-Empfehlungen für den Regelfall der Erbringung von Leistungen zur beruflichen Bildung. Nach
Nr. 7
Abs. 2 Satz 2 BIH-Empfehlungen ist aber bei der Hilfegewährung stets wesentlichen Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen.
Im Hinblick auf die schwere Behinderung des Klägers, die geplante Ausgliederung seines Arbeitsplatzes bei der Klinikum X und die damit verbundene unsichere Beschäftigungsperspektive könnte sich der Beklagte bei der Ermessensausübung veranlasst sehen, dem Kläger eine finanzielle Förderung für die Ausbildung zum Osteopathen zu bewilligen und auch bei der Bestimmung des Umfangs der Förderung den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen. Bei Berücksichtigung besonderer Umstände des vorliegenden Falles ist es daher nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte bei sachgemäßer Ausübung seines Ermessens auch zu einem anderen Ergebnis als der Antragsablehnung kommen könnte.
Nach alledem hat das Fehlen einer Ermessensentscheidung des Beklagten zur Folge, dass der Bescheid des Beklagten vom 30. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 2010 keinen Bestand haben kann.
Da die Sache nicht spruchreif im Sinne des § 113
Abs. 5
VwGO war, hat das Verwaltungsgericht zu Recht gemäß § 113
Abs. 5 Satz 2
VwGO die Verpflichtung des Beklagten ausgesprochen, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Spruchreife liegt nicht vor, wenn - wie vorliegend - der begehrte Verwaltungsakt im Ermessen der Behörde steht und keine Ermessensreduktion auf Null gegeben ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154
Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VWGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt gemäß § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 10, 711
ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132
Abs. 2
VwGO nicht vorliegen.