I. Mit der Klage begehrt der Kläger die Übernahme der Fahrtkosten zum Erreichen seines Arbeitsplatzes nach dem
SGB IX.
Der Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 und diesbezüglich festgestellten Merkzeichen G, B, RF und Bl. Der Kläger wohnt in einem Einfamilienhaus in M. und arbeitet in H..
Als schwerstsehbehindert erhielt der Kläger neben sonstigen begleitenden Hilfen im Arbeitsleben nach dem
SGB IX auf seinen am 13.02.2008 gestellten Antrag hin vom Beklagten mit Bescheid vom 03.11.2008 einen Zuschuss zur Beförderung zum Erreichen seines Arbeitsplatzes für den Zeitraum vom 01.05.2008 bis 31.03.2009 i. H. v. 70,- Euro pro Beförderungstag (Taxikosten für Hin- und Rückfahrt); monatlicher Eigenanteil: 205,- Euro. Der Bescheid enthält den Hinweis, die Kostenzusage erfolge vor dem Hintergrund, dass der Kläger das Mobilitätstraining tatsächlich absolviere. Es werde davon ausgegangen, dass der Kläger nach dem Mobilitätstraining in der Lage sei, seinen Arbeitsplatz bei gleichzeitiger Inanspruchnahme von Umsteigehilfen durch die DB an den Hauptbahnhöfen selbstständig zu erreichen.
Mit weiterem Bescheid vom 01.10.2009 erhielt der Kläger einen Zuschuss in gleicher Höhe für die Beförderung zu seinem Arbeitsplatz für den Zeitraum vom 01.04.2009 bis 31.03.2010; monatlicher Eigenanteil: 189,- Euro. Der Bescheid erhielt einen inhaltlich identischen Hinweis wie der Erstbescheid hinsichtlich der zeitlich befristeten Leistung im Hinblick auf das vom Kläger zu absolvierende Mobilitätstraining.
Unter dem 09.03.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger erneut einen Zuschuss zur Beförderung an seinen Arbeitsplatz i. H. v. 70,- Euro pro Beförderungstag für den Zeitraum vom 01.04.2010 bis 31.05.2010; monatlicher Eigenanteil: 191,63 Euro. Dieser Bescheid enthielt den Hinweis, es werde davon ausgegangen, dass nach Abschluss des Mobilitätstrainings Ende Mai der Kläger die Möglichkeit habe, bei Helligkeit seine Arbeitsstelle selbstständig zu erreichen. Daher sei die Kostenzusage zunächst nur bis zum 31.05.2010 erfolgt. Eine erneute Antragstellung wäre ab Oktober möglich, wenn das Mobilitätstraining bei Dämmerung und Dunkelheit durchgeführt werden müsse.
Auf den gegen den vorgenannten Bescheid vom Kläger eingelegten Widerspruch hin erhielt er durch Teilabhilfebescheid vom 15.06.2010 auch für die Zeit vom 01.06. bis 31.07.2010 den üblichen Beförderungszuschuss (monatlicher Eigenanteil: 255,49 Euro) mit dem Hinweis, ab Oktober 2010 könne er einen weiteren Antrag stellen, da dann das Mobilitätstraining bei Dunkelheit erfolgen werde.
Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2010 mit der Begründung zurück, nach Beendigung des Mobilitätstrainings werde der Kläger ab dem 01.08.2010 in der Lage sein, seinen Arbeitsplatz bei Helligkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Dies habe sein Mobilitätsberater auf Anfrage des Beklagten bestätigt. Im August und September 2010 könne daher der Kläger ohne Inanspruchnahme eines Beförderungsdienstes zu seinem Arbeitsplatz gelangen. Nicht nachvollziehbar sei, dass der Kläger einwende, nach den starken Belastungen eines Arbeitstages sei es ihm gesundheitlich nicht zuzumuten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zurückzukehren. Insoweit habe er auch keine ärztliche Bestätigung, die vom ärztlichen Dienst des Versorgungsamtes überprüfbar wäre, vorgelegt. Aufgrund vergleichbarer Fälle sei vielmehr davon auszugehen, dass es dem Kläger nach einem intensiven Mobilitätstraining mit entsprechender Routine zumutbar sei, den
ÖPNV zu nutzen.
Für den Zeitraum vom 01.10.2010 bis 31.12.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 23.09.2010 erneut einen Beförderungszuschuss i. H. v. 70 Euro pro Beförderungstag; monatlicher Eigenanteil; 191,63 Euro. Der Beklagte ging davon aus, dass das Mobilitätstraining Ende 2010 abgeschlossen sei; so dass es dem Kläger ab Januar 2011 möglich sei, seinen Arbeitsplatz selbstständig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.
Unter Bezugnahme auf seine bisherigen Anträge und den diesbezüglichen Schriftverkehrt, in welchen die Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel dargelegt worden sei, beantragte der Kläger für den Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2011 die Gewährung eines Beförderungszuschusses für Fahrten zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte.
Den Antrag lehnte der Beklagte mit - hier streitgegenständlichem - Bescheid vom 03.02.2011 und der Begründung ab, die bisherige Übernahme der Kosten eines Fahrdienstes sei nur solange erfolgt, bis es dem Kläger nach Absolvierung eines Mobilitätstrainings möglich sei, seinen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Im Jahre 2010 habe der Kläger zwei Schulungen in Orientierung und Mobilität, auch bei Dämmerung und Dunkelheit, erhalten, die er nach Aussage seines Mobilitätstrainers erfolgreich abgeschlossen habe. Der Mobilitätstrainer habe auch bestätigt, dass es dem Kläger technisch möglich sei, seinen Wohn- und Arbeitsort ohne fremde Hilfe unter Zuhilfenahme des Blindenlangstockes zu erreichen. Daher lägen die Voraussetzungen des
§ 3 Abs. 1 i. V. m.
§ 9 Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) nicht mehr vor. Die vorgelegte Stellungnahme von
Prof. X vom 01.12.2010 sei nicht geeignet, die Feststellungen des Mobilitätstrainers infrage zu stellen. Aus langjährigen Erfahrungen mit gleich schwerbetroffenen Menschen könne die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch den Kläger zum Erreichen seines Arbeitsplatzes als zumutbar angesehen werden.
Gegen den vorgenannten Bescheid legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, die Entscheidung sei ermessensfehlerhaft erfolgt. Der Fahrdienst sei nämlich nicht nur zur Bewältigung des Weges zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erforderlich, sondern vor allem um den körperlich und psychisch sehr anstrengenden Berufsalltag einer Führungskraft als schwerbehinderter Mensch überhaupt bewältigen zu können. Die vorgelegte augenärztliche Stellungnahme sehe sogar Unterstützungsleistungen durch das Integrationsamt vor. Der Beklagte bewerte die Aussage seines Mobilitätstrainers höher als die eines Facharztes. Hierin sei ein Ermessensfehler zu erblicken. Entgegen seines ausdrücklich geäußerten Wunsches habe es der Beklagte unterlassen, ein fachärztliches Gutachten über die gesundheitliche Belastung seiner Arbeit und die hieraus resultierenden körperlichen Beeinträchtigungen bei der Bewältigung seines Arbeitsweges einzuholen. Finanzielle Erwägungen könnten eine ablehnende Entscheidung nicht rechtfertigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 01.07.2011 wies der Beklagte den Widerspruchsbescheid des Klägers zurück.
In der Widerspruchsbegründung ist ausgeführt,
gem. § 102 Abs. 3 SGB IX i.V.m. der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (
SchwbAV) könne der Beklagte auch Geldleistungen an Schwerbehinderte gewähren. Bei den Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes verweise
§ 20 SchwbAV auf die Bestimmungen der
KfzHV. Das dem Beklagten eingeräumte Ermessen werde durch die
KfzHV eingeschränkt. Bei seiner Ermessensentscheidung orientiere sich der Beklagte an den "Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für Leistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (
KfzHV)" vom 28.09.1987. Voraussetzung für die Gewährung der beantragten
Kfz-Hilfe sei nach § 3
KfzHV, dass der schwerbehinderte Mensch infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sei, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung zu erreichen. Dies gelte auch für die hier in Streit stehende Leistung
gem. § 9
Abs. 1 Satz 2
KfzHV. Die Bewilligung eines Beförderungszuschusses sei nur möglich, wenn dieser zur Aufnahme oder zur Fortsetzung einer beruflichen Tätigkeit unumgänglich sei (§ 9
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
KfzHV). Unumgänglich sei ein Beförderungszuschuss nur, wenn der Schwerbehinderte sein Fahrziel nicht auch auf eine andere, kostengünstigere, ihm zumutbare Weise zweckmäßig erreichen könne. Diese Voraussetzung gelte als erfüllt, wenn der behinderte Mensch wegen seiner Behinderung die genannten Orte nicht oder nicht zumutbar zu Fuß, mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf andere Weise
(z. B. Beförderungsdienst des Arbeitgebers) ohne Kraftfahrzeugnutzung oder Nutzung eines Beförderungsdienstes erreichen könne. Die Zumutbarkeit der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei bei dem Merkzeichen "aG" stets zu verneinen. Bei Behinderungen mit dem Merkzeichen "G" - wie hier - und bei anderen Behinderungen
(z. B. Störungen der Orientierungsfähigkeit, schwere Stoffwechselkrankheiten, entstellende Gesichtsverletzungen, Anfallsleiden oder Körperbehinderungen, die es unmöglich machen, sich im öffentlichen Verkehrsmittel festzuhalten) sei die Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nach den Umständen des Einzelfalles zu bewerten. Dies gelte auch bei Vorliegen des Merkzeichens Bl.
Nach Beendigung des Mobilitätstrainings sei der Kläger ab Dezember 2010 in der Lage, seinen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln auszusuchen. Dies gelte auch für den Nachhauseweg, wie der Mobilitätsberater auf Anfrage bestätigt habe. Fahrtzeiten von 1,5 bis 2 h für die einfache Wegstrecke seien zumutbar.
Prof. X. habe auf telefonische Anfrage hin bestätigt, dass eine Hilfestellung durch Übernahme der Taxikosten nicht erforderlich sei. Der Beklagte gehe aufgrund seiner Erfahrungen in vergleichbaren Fällen davon aus, dass dem Kläger nach dem intensiven Mobilitätstraining in Verbindung mit Routine die Benutzung des
ÖPNV zumutbar sei. Eine selbst erblindete, berufstätige, vom Beklagten befragte Person habe die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung bestätigt. Zu berücksichtigen sei weiterhin, dass der Kläger noch viele Berufsjahre vor sich habe. Der Kläger könne weitere Hilfen am Arbeitsplatz,
z.B. Arbeitsassistenz, erhalten. Ihm sei es daher möglich, Führungsaufgaben wahrzunehmen. Sollte dennoch nach Ausschöpfung aller Hilfen am Arbeitsplatz eine Arbeitsbelastung beim Kläger bestehen, müsse der Kläger unter Hinweis auf die Fürsorgepflicht auf seinen Dienstherrn zugehen.
Auf den am 22.07.2011 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 22.08.2011 Klage erhoben und beantragt,
den Bescheid des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg - Integrationsamt - vom 03.02.2011 und dessen Widerspruchsbescheid vom 01.07.2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten,
den Antrag des Klägers vom 14.12.2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu verbescheiden.
In der Klagebegründung wiederholte und vertiefte der Kläger das bereits Vorgetragene und hob darauf ab, dass es ihm auch nach erfolgtem Mobilitätstraining zwar technisch möglich, aber nicht zumutbar sei, mit öffentlichen Verkehrsmitteln seinen Arbeitsplatz zu erreichen und von dort nach hause zurückzukehren. In seiner Funktion als Leiter der Abteilung sei er in besonderem Maß Belastungen, sowohl psychischer als auch physischer Art ausgesetzt. Beeinflusst durch seine Sehbehinderung verlange dies ein besonderes Maß an Konzentration. Neben der regulären Arbeitszeit müsse er an Sitzungen teilnehmen, was eine zusätzliche Belastung darstelle. Dies alles sei ausschlaggebend dafür, dass er nicht in der Lage sei, den
ÖPNV gefahrlos zu benutzen. Dies ergebe sich auch aus der vorgelegten ärztlichen Stellungnahme des ... Dessen Feststellung könne nicht durch eine andere Einschätzung des Mobilitätstrainers begegnet werden. Ohne Bewilligung des Beförderungszuschusses sei es ihm nicht möglich, die von ihm erwartete Mehrarbeit zu erledigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Klageerwiderung nahm er Bezug auf die streitgegenständlichen Entscheidungen und hob darauf ab, dass nach einer telefonisch eingeholten Auskunft des .... am 19.01.2011 dieser nicht bestätigt habe, dass eine Hilfestellung bei den Heimfahrten des Klägers in Form der Übernahme von Taxikosten erforderlich sei. Bei der Beurteilung der Frage, ob es dem Kläger zumutbar sei, seinen Arbeitsplatz mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen, könne auf das Gutachten über das erfolgte Mobilitätstraining vom 12.01.2011 ebenso zugegriffen werden wie auf die langjährigen Erfahrungen des Beklagten bei der Förderung blinder Menschen.
II. Mit Zustimmung der Beteiligten konnte der Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden (§ 87 a
Abs. 2, 3
VwGO).
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er hat keinen Anspruch gegenüber dem Beklagten auf Übernahem der geltend gemachten Kosten für die Beförderung mit einem Taxi zu seinem Arbeitsplatz und nach Hause (§ 113
Abs. 5
VwGO). Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nach § 102
Abs. 1
Nr. 3,
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 b
SGB IX kann der Beklagte in seiner Funktion als Integrationsamt aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln für begleitende Hilfen im Arbeitsleben auch Geldleistungen zum Erreichen des Arbeitsplatzes erbringen. Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes können schwerbehinderten Menschen
gem. § 17 Abs. 1 Nr. 1 b i. V. m.
§ 20 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) nach Maßgabe der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (
KfzHV) gewährt werden.
Nach § 9
Abs. 1 Satz 2
Nr. 1
KfzHV kann im Rahmen dessen Satz 1
Nr. 2 ein Zuschuss für die Beförderung des behinderten Menschen, insbesondere durch Beförderungsdienste, geleistet werden, wenn der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug nicht selbst führen kann und auch nicht gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt. § 9
Abs. 1 Satz 2
KfzHV stellt eine Spezialvorschrift zu Gunsten von Behinderten dar, die die Merkmale des § 9
Abs. 1 Satz 2
Nr. 1 oder
Nr. 2
KfzHV aufweisen und denen deshalb die sonst nicht vorgesehene Leistung eines Zuschusses zu den Kosten der Beförderung durch einen Beförderungsdienst eröffnet wird. Auch Beförderungen durch ein Taxiunternehmen stellen eine Beförderung durch einen Beförderungsdienst
i. S. v. § 9
Abs. 1 Satz 2
KfzHV dar (
vgl. BSG, Urt. v. 20.02.2002 -
B 11 AL 60/01 R - br 2002, 132 (Leitsatz)). Als blinder Mensch kann der Kläger ersichtlich kein Kraftfahrzeug selbst führen. Auch Dritte, die für den Kläger regelmäßig ein Kraftfahrzeug zum Erreichen seines Arbeitsplatzes und auf dem Weg nach Hause führen könnten, sind nicht vorhanden. Dies räumt auch der Beklagte ein.
Aufgrund der von § 9
Abs. 1 Satz 2
KfzHV in Bezug genommenen Voraussetzungen des Satzes 1
Nr. 2 dieser Vorschrift kann ein Zuschuss für die Beförderung des behinderten Menschen zur Aufnahme oder Fortsetzung einer beruflichen Tätigkeit nur geleistet werden, wenn die Hilfeleistung "unumgänglich" ist. An Letzterem mangelt es hier. Die Beförderung des Klägers zu seiner Arbeitsstelle und zurück mit einem Taxi ist nicht unumgänglich für die Fortsetzung seiner beruflichen Tätigkeit. Die Fahrt mit dem Taxi zur Arbeit und nach Hause stellt sicher eine nicht unerhebliche Unterstützung des blinden Klägers bei seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter dar. Unumgänglich, also zur Fortsetzung seiner bisherigen beruflichen Aufgaben unabdingbar, ist sie indes nicht. Dem Kläger ist es auch ohne die Zuhilfenahme eines Beförderungsdienstes
i. S. v. § 9
Abs. 1 Satz 2
KfzHV ohne Weiteres möglich, seine beruflichen Aufgaben in dem gebotenen Maße wahrzunehmen.
Der Kläger ist in der Lage, die Wegstrecke zu seiner in H. gelegenen Arbeitsstelle von seinem Haus in M. aus mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen. Denn er hat eine ihn hierzu befähigende, vom Beklagte finanzierte Schulung in Orientierung und Mobilität für Blinde und Sehbehinderte in der Zeit vom 01.02.2010 bis 02.12.2010 erfolgreich absolviert. Die Ausbildung umfasste zwei Module, nämlich ein Training bei Helligkeit und ein weiteres bei Dämmerung
bzw. Dunkelheit. Nach der vom Beklagten eingeholten Auskunft seines Mobilitätstrainers ist der Kläger nach der Ausbildung "technisch" in der Lage, durch Einsatz des weißen Langstocks den Hin- und auch den Rückweg von
bzw. zu seiner Arbeitsstelle unabhängig von der Tageszeit zurückzulegen. Diese Aussage bestreitet der Kläger im Kern auch nicht. Er hält die Fahrt mit einem Taxi zur Arbeitsstelle und zurück insbesondere deshalb für erforderlich, weil er als Abteilungsleiter besonderen Belastungen ausgesetzt sei und zudem auch außerhalb der regulären Arbeitszeit an Sitzungen teilnehmen müsse. Deshalb sei er gerade nach Arbeitsende oftmals nicht in der Lage, sich hinreichend auf die Teilnahme am Straßenverkehr und die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu konzentrieren. Dies hat aber nicht zur Folge, dass die Inanspruchnahme eines Taxis für den Kläger unumgänglich
i. S. v. § 9
Abs. 1 Satz 2
i. V. m. Satz 1
Nr. 2
KfzHV ist.
Für den Weg zur Arbeitsstelle liegt dies auf der Hand, denn hier ist der Kläger im Regelfall ausgeruht. Der Kläger räumte dann auch in der der mündlichen Verhandlung ein, zu seinem Arbeitsplatz nach H. mit öffentlichen Verkehrsmitteln gelangen zu können. Er benutze für die Wegstrecke M. - H. nicht die Nahverkehrszüge, sondern eine "überörtliche" Straßenbahn, die von der Stadtmitte von M. bis in die Kernstadt von H. (und darüber hinaus) verkehre. Dadurch müsse er nicht die großen Hauptbahnhöfe von M. und H. zum Umsteigen benutzen und umgehe so die dort gerade in der Rushhour vorherrschenden großen Pendlerströme.
Aber auch auf dem Heimweg ist der Kläger nicht "unumgänglich" auf ein Taxi angewiesen. Es ist ihm möglich, auch die umgekehrte Wegstrecke von H. nach M. mit der "überörtlichen" Straßenbahn zu bewältigen. Etwas hiergegen Sprechendes hat der Kläger auch nicht in rechtsrelevanter Weise dargetan. Dass er meint, nur mit dem Taxi sicher nach Hause gelangen zu können, ist seine subjektive Einschätzung. Dieses Verlangen wird wohl auch dadurch genährt, dass der Beklagte dem Kläger von Mai 2008 bis Ende Dezember 2010 nahezu durchgängig die Taxifahrten zu seiner Arbeitsstelle und zurück bezahlt hat uns sich so der Kläger an die bequeme Beförderungsweise gewöhnen konnte. Der Beklagte hat aber - worauf er in all seinen Bewilligungsbescheiden hingewiesen hat - die Kosten für die Taxifahrten nur deshalb übernommen, weil der Kläger noch kein Mobilitätstraining erfolgreich durchführen und deshalb keine öffentlichen Verkehrsmittel als Blinder benutzen konnte. Der Kläger konnte daher von Anfang an nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte nach Abschluss des Mobilitätstrainings weiterhin einen persönlichen Beförderungsdienst im Rahmen der
KfzHV bezahlen wird.
Wie bereits oben ausgeführt, hält der frühere Mobilitätstrainer des Klägers diesen "technisch" für befähigt, die Wegstrecke von der Arbeitsstelle in H. zu seiner Wohnung in M. zu jeder Tageszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigen. Etwas anderes kann entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht der von ihm vorgelegten ärztlichen Stellungnahme des Landesarztes vom 01.10.2010 entnommen werden. Dort wird zwar dem Kläger attestiert, er sei nicht mehr in der Lage, nach einem anstrengenden Arbeitstag trotz Blindenlangstock und absolviertem Training in Orientierung und Mobilität den 100-minütigen Heimweg selbstständig anzutreten, weshalb aufgrund der erheblich erhöhten Gefährdung seitens des Integrationsamtes eine Unterstützung erforderlich sei. Dass der Kläger, wie er meint, ein Taxi für die sichere Bewältigung seines Heimwegs von der Arbeitsstelle nach M. benötige, wird in der Stellungnahme nicht erwähnt. Dies hält der Landesarzt auch nicht für erforderlich (
vgl. Aktenvermerk des Beklagten über ein Telefonat mit dem Landesarzt vom 19.01.2011). Auch gegenüber dem Berichterstatter hat der Landesarzt die Benutzung eines Taxis durch den Kläger in diesem Zusammenhang nicht für erforderlich gehalten. Dies könne er aus medizinischer Sicht auch gar nicht beurteilen, da es eine subjektive Einschätzung des Klägers sei, ob er sich noch im Stande sehe, seinen Arbeitsweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigen zu können. Abstrakt gesehen könne er als Landesarzt nur sagen, dass es Blinden nach erfolgreichem Absolvieren eines Mobilitätstrainings möglich sei, ihren Arbeitsplatz auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Ein (augen-)medizinisches Sachverständigengutachten könne hier auch nicht weiterführen.
Der Vertreter des Beklagten wies in Bezug auf die augenärztliche Stellungnahme des Landesarztes in der mündlichen Verhandlung darauf hin, dass das Integrationsamt bei einem konkreten Antrag des Klägers wohlwollend prüfen werde, ob und
ggf. welche Hilfestellung dem Kläger auf dem Arbeitsweg im Rahmen seiner Zuständigkeit zusätzlich gewährt werden könne. Schon bisher habe das Integrationsamt mit erheblichem finanziellen Aufwand, insbesondere bei der technischen Ausstattung seines Arbeitsplatzes, den Kläger bei dessen Berufsausübung unterstützt.
Zu Recht hat der Beklagtenvertreter darauf abgehoben, dass es dem Kläger nach einem anstrengenden Arbeitstag möglich und zumutbar sei, sich vor Antritt seines Nachhausewegs einige Zeit auszuruhen, um so die nötige Konzentrationsfähigkeit für die Teilnahme am Straßenverkehr und die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wieder zu erlangen. Weiterhin obliege es dem Dienstherrn des Klägers im Rahmen seiner gegenüber schwerbehinderten Bediensteten in besonderer Weise bestehenden Fürsorgepflicht dafür Sorge zu tragen, dass der Kläger nicht durchgängig wegen einer zu hohen Belastung am Arbeitsplatz nicht mehr in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel auf dem Nachhauseweg zu benutzen. Letztendlich hat der Kläger bei fortwährender (zeitlicher) Überbeanspruchung die Möglichkeit gegenüber seinem Dienstherrn zu verlangen, ihn von Mehrarbeit freizustellen (
vgl. § 124 SGB IX), ohne dass sich dies auf seinen beruflichen Werdegang nachteilig auswirken darf (
vgl. Lachwitz, Schellhorn, Welti, HK-SGB IX, 3. Aufl., § 124 Rn. 20).