Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Das Integrationsamt hat den Antrag der Klägerin auf Gewährung eines Zuschusses zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs zu Recht abgelehnt. Der Klägerin steht gegen den Beklagten weder ein Rechtsanspruch (im engeren Sinne) auf Gewährung einer solchen Leistung noch - als Minus dazu - auf fehlerfreie Ermessensausübung zu. Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
1. Die Klägerin begehrt Leistungen, die das Integrationsamt nach
§ 102 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b) des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (
SGB IX) aus den Mitteln der Schwerbehindertenausgleichsabgabe als begleitende Hilfe im Arbeitsleben zum Erreichen des Arbeitsplatzes erbringen kann. Gemäß
§ 14 Abs. 1 Nr. 2,
§ 17 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) und
§ 20 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) können Leistungen nach Maßgabe der Verordnung über Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation - Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (
KfzHV) gewährt werden. Die Kraftfahrzeughilfe-Verordnung sieht vor, für behinderte Menschen, die zum Erreichen ihres Arbeitsplatzes auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sind, Kraftfahrzeughilfe zu leisten, wenn nur auf diese Weise die Teilhabe am Arbeitsleben dauerhaft gesichert werden kann (
§ 3 Abs. 3 KfzHV).
2. Auf eine (angebliche) telefonische Zusage einer Sachbearbeiterin des Integrationsamtes kann sich die Klägerin nicht berufen. Eine Zusicherung wäre nur dann wirksam, wenn sie in schriftlicher Form abgegeben worden wäre (§ 34
Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren (
SGB X)). Das trifft jedoch nicht zu und wird von der Klägerin auch nicht vorgetragen.
3. Die Klägerin gehört zwar unstreitig zum Personenkreis der schwerbehinderten Menschen, für die die Erbringung von Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben nach § 102
SGB IX und §§ 14 ff
SchwbAV sowie den Vorschriften der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung grundsätzlich möglich ist. Es ist jedoch nicht erkennbar, dass sie nicht mittels öffentlicher Verkehrsmittel ihren Arbeits-
bzw. Ausbildungsplatz erreichen kann, sie also auf einen individuellen Transport mit eigenem Kraftfahrzeug angewiesen ist. Da die Klägerin nicht gehbehindert oder sonst in ihrer Bewegungsfähigkeit relevant eingeschränkt ist, bedürfte es besonderer behinderungsbedingter Umstände, die die Erforderlichkeit einer Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges rechtfertigen könnten. Die Klägerin meint, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihr behinderungsbedingt nicht möglich
bzw. zumutbar. Es sind jedoch keine Tatsachen erkennbar, die diese Annahme stützen könnten.
3.1. Soweit sie sich auf eine durch die im Januar 2011 begonnene (und zwischenzeitlich abgeschlossene) Interferon-Therapie verursachte Immunschwäche beruft, verhilft dies ihrem Antrag nicht zum Erfolg. Wie von den vom Integrationsamt beteiligten Versorgungsärzten des Ärztlichen Dienstes - im Widerspruchsverfahren auch unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten Laborbefunde - dargelegt, macht es die Therapie
bzw. machen es deren Nebenwirkungen nicht erforderlich, Menschenansammlungen
z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln zu meiden. Dieser fachkundigen Beurteilung ist die Klägerin nur mit eigenen laienhaften Behauptungen und mit Zitaten aus der "Fachliteratur" entgegengetreten. Eine ärztliche Stellungnahme, die potentiell geeignet wäre, die versorgungsärztliche Beurteilung - gerade für ihren Fall - zu widerlegen oder zumindest in Frage zu stellen, hat sie dagegen nicht beigebracht. Dagegen kommt auch der vom Integrationsamt auf Anregung des Gerichts zuletzt beauftragte
Dr. med. ... in seinem Gutachten vom 2. Mai 2012 zu dem Schluss, dass die Behauptung der Klägerin, wegen einer Schwächung des Immunsystems keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen zu können, "in keiner Weise nachvollziehbar" sei. Die Behandlung der Hepatitis B sei abgeschlossen und es bestünden "überhaupt keine Hinweise dafür, dass das Immunsystem beeinträchtigt sein könnte". Für die erkennende Kammer besteht kein Grund, an der Richtigkeit dieser gutachterlichen Beurteilung zu zweifeln. Im Übrigen kann die Auffassung der Klägerin auch deshalb nicht überzeugen, weil sie während des Studiums am Fachbereich Finanzwesen wie auch der fachpraktischen Ausbildung am Finanzamt ... (wie auch im Privatleben) ständig mit einer Vielzahl von Personen in Kontakt und konfrontiert sein wird. Wäre ihre Infektanfälligkeit tatsächlich derart gesteigert (gewesen), wie die Klägerin glauben machen will, wäre sie für die beabsichtigte Ausbildung ungeeignet.
3.2 Es kann weiter auch nicht erkannt werden, dass die Klägerin aufgrund ihrer psychischen Störung zwingend auf ein eigenes Kraftfahrzeug angewiesen ist, um ihre Ausbildungsorte zu erreichen. Dass sie aufgrund der von ihr beschriebenen Ängste nicht in der Lage ist, öffentliche Verkehrsmittel (auch leere Zugabteile) zu benutzen, oder ihr das nicht zumutbar ist, ist nicht belegt.
In den beiden im Verwaltungsverfahren (einschließlich des Widerspruchsverfahrens) vom Integrationsamt eingeholten Stellungnahmen des Ärztlichen Dienstes des Zentrums Bayern Familie und Soziales - Region ... - vom 28. Februar 2011 und vom 28. März 2011 (die allerdings nach Aktenlage d.h. ohne persönliche Untersuchung der Klägerin durch die betreffenden Ärzte erstellt wurden) wird durchwegs ausgeführt, dass aus versorgungsärztlicher Sicht die von der Klägerin geltend gemachten Gründe, die gegen die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sprächen, nicht nachvollziehbar seien. Auch aus dem "Verlängerungsantrag psychosomatisch-/psychotherapeutische Krankenhausbehandlung" der ...klinik vom 29. April 2011, der auf Veranlassung der Klägerin dem Integrationsamt übermittelt wurde, kann nicht konkret entnommen werden, dass die Klägerin wegen ihrer seelischen Störung nicht in der Lage wäre, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Die Klägerin hat zwar im gerichtlichen Verfahren ein fachärztliches Attest ihres Psychotherapeuten
Dr. med. ... vorgelegt, doch kann das Verwaltungsgericht daraus nicht die Überzeugung gewinnen, dass eine behinderungsbedingte Notwendigkeit der Kraftfahrzeugbenutzung besteht. So ist beispielsweise die fachärztlich Aussage, dass als "Trigger für Angst und Wiedererleben" auch unbekannte Menschen in der näheren Umgebung fungierten, mit früheren Äußerungen der Klägerin in ihrem Widerspruchsschreiben vom 7. März 2011 nicht in Einklang zu bringen. Danach löse nicht die Anwesenheit von Menschen in einem Raum Ängste aus, sondern das Alleinsein in leeren Räumen und verlassenen Gegenden. Im Widerspruchsschreiben beklagt die Klägerin auch ausdrücklich die geringe Fluktuation der Züge von Augsburg zum (seinerzeit noch vorgesehenen) Studienort .... Vor diesem Hintergrund ist es nicht verständlich, wenn das Attest das eigene Kraftfahrzeug, in dem die Klägerin allein zum Studienort und zurück zum Wohnort unterwegs ist und dabei auch "weitere Flächen" und "verlassene Gegenden" zu durchfahren hat, als "sicheren Raum" bezeichnet. Auch im Hinblick auf ihr Sozial- und Freizeitverhalten, so wie es von der Klägerin im Verwaltungsverfahren und auch zuletzt gegenüber dem Gutachter
Dr. med. ... geschildert wurde, sind die Aussagen des Attestes nicht überzeugend. Auch wenn das Verwaltungsgericht das genannte Attest vom 2. Februar 2012 nicht als sog. "Gefälligkeitsattest" bezeichnen mag, erscheint dessen Aussage- und Beweiswert jedenfalls eingeschränkt.
Demgegenüber hat die Kammer keine Zweifel an der Richtigkeit des fachärztlich-psychiatrischen Gutachtens des
Dr. med. ... vom 2. Mai 2012. Dieses ausführliche, nicht nur nach Aktenlage, sondern aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Klägerin erstellte umfangreiche Gutachten, das auch die genannten versorgungsärztlichen Stellungnahmen, das Attest des Psychotherapeuten der Klägerin vom 2. Februar 2011 sowie den Verlängerungsantrag der ...klinik vom 29. April 2011 berücksichtigt, ist in sich schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Es ist somit geeignet (gleichsam auch als "Obergutachten" gegenüber dem kurzen fachärztlichen Attest des Therapeuten der Klägerin) der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugrunde gelegt zu werden. Konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die Verwertbarkeit dieses Gutachtens sind seitens Klägerin nur insoweit erhoben worden, als sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass der Gutachter hinsichtlich der Ursachen ihrer Angstzustände keine Einzelheiten erfragt habe; im Übrigen sei es nicht nachvollziehbar, dass er zwar Ängste diagnostiziert aber in der Konsequenz das (behinderungsbedingte) Erfordernis der Benutzung eines individuellen Kraftfahrzeugs verneint hat. Nach den eindeutigen Ausführungen in dem Gutachten war es jedoch die Klägerin, die traumatisierende Erlebnisse in ihrer Kindheit wie sexuellen Missbrauch nicht näher habe thematisieren wollen, was der Gutachter dann bewusst nicht weiter vertieft habe. Die Schlüssigkeit des Gutachtens leidet auch keineswegs darunter, dass der Gutachter zwar spezifische Ängste vor fremden Männern bejaht, daraus aber nicht die von der Klägerin erwünschte Konsequenz gezogen hat.
Dr. med. ... führt dazu Folgendes aus (siehe Seite 15 f. des Gutachtens vom 2. Mai 2012):
"Ängste vor fremden Männern und vor dunklen Straßen rechtfertigen ebenfalls nicht die Erfordernis eines Kraftfahrzeugs, um nicht mit Bus oder Bahn fahren zu müssen. Im Grunde ist das Gegenteil der Fall, gerade in Bus und Bahn befindet sich Frau A. ja unter Menschen und ist dort keinesfalls alleine, so dass besonders in diesem Rahmen mehr Sicherheit gewährleistet wäre, als wenn sie alleine mit ihrem Auto unterwegs ist.
Bemerkenswert, dass derzeit die ambulante Psychotherapie bei Herrn
Dr. ... seit zwei Monaten ausgesetzt wird, da sie sich dem Unterricht und den Prüfungen im Rahmen der beruflichen Ausbildung widmen müsse."
Das Verwaltungsgericht kann insoweit keine Widersprüchlichkeiten oder Unstimmigkeiten erkennen und folgt den überzeugenden Darlegungen des Gutachters.
Die Bestätigung des Fachbereichs Finanzwesen der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in ... vom 17. Oktober 2011 die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2012 vorgelegt hat (und die im Übrigen nicht unterzeichnet ist), hilft der Klägerin schon deshalb nicht weiter, weil darin "triftige Gründe" für eine Kraftfahrzeugbenutzung (nur) für die Anreise am 10. Oktober 2011 und die Abreise am 26. April 2012 sowie für Ab- und Anreise am 23. Dezember 2011 und 2. Januar 2012 wegen "dienstlichen Gepäcks" anerkannt wurden. Über ein behinderungsbedingtes Erfordernis wird darin nichts ausgeführt. Die Bestätigung dürfte (wohl) nur Bedeutung für eine eventuelle Erstattung von Reisekosten nach beamtenrechtlichen Vorschriften haben. Im vorliegenden Fall kann ihr keine Relevanz beigemessen werden.
4. Nach allem ist die Klage mit der Kostenfolge nach § 154
Abs. 1
VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
VwGO, §§ 708
ff. der Zivilprozessordnung (
ZPO).
Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2
VwGO gerichtskostenfrei.