Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte der Berichterstatter anstelle der Kammer entscheiden (§ 87a
Abs. 2 und 3
VwGO).
Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere nicht verfristet. Denn der Widerspruchsbescheid ist dem Kläger erst am 20.03.2013 zugegangen. Der in den Akten des Beklagten angebrachte Vermerk, wonach der Widerspruchsbescheid bereits am 13.03.2013 als Einschreiben zur Post gegeben wurde, ist nach dem Eingeständnis der Vertreterin der Beklagten falsch, tatsächlich wurde das Einschreiben erst am 19.03.2013 zur Post gegeben. Somit ist die Klage am 18.04.2013 jedenfalls rechtzeitig erhoben worden, wobei es nicht mehr darauf ankommt, ob eine wirksame Zustellung im Sinne von § 73
Abs. 3
VwGO überhaupt vorlag (§ 73
Abs. 3
S. 2
VwGO in Verbindung mit § 8 VwZG).
Die Klage ist als Neubescheidungsklage auch unter Erhalt der bereits im Ermessenswege erlangten Zuschüsse statthaft. Es handelt sich insoweit um teilbare Leistungen und das Bestreben des Klägers, einen darüber hinaus gehenden Zuschuss zu erlangen, berührt nicht mehr das den bereits zugesprochenen Leistungen zugrunde gelegte Entschließungsermessen. Streitig ist vielmehr zwischen den Beteiligten, ob der Beklagte sein Auswahlermessen im Hinblick auf die Höhe der begehrten Leistung pflichtgemäß ausgeübt hat.
Die Klage ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind in diesem Sinne (teilweise) rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinem Anspruch auf eine (weitergehende) pflichtgemäße Ausschöpfung seines Ermessens (§ 113
Abs. 5
S. 2
VwGO).
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass das Ermessen eröffnet ist. Rechtsgrundlage dafür sind die
§§ 102 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1 Nr. 2b SGB IX in Verbindung mit
§ 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 lit. e und
§ 27 SchwbAV, deren Voraussetzungen auch nach der zutreffenden Auffassung der Beteiligten vorliegen.
Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so unterliegt die Verwaltungsentscheidung nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114
S. 1
VwGO. Danach prüft das Gericht nur, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114
VwGO), insbesondere ob die Behörde in ihre Ermessenserwägungen alle wesentlichen, den Streit zwischen den Beteiligten kennzeichnenden Gesichtspunkten eingestellt hat und ob sie dabei von einem richtigen und vollständigen Sachverhalt ausgegangen ist (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.05.1994 -
7 S 2294/92 -, Juris). Die Ermessensentscheidung ist danach fehlerhaft, wenn die Behörde Umstände außer Betracht lässt, die zu berücksichtigen wären (
vgl. hierzu und im weiteren auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.03.1998 - 9 S 1637/97).
Bei der Ausübung seines Ermessens ist der Beklagte nicht gehindert, sein Ermessen für bestimmte Fallgruppen gleichmäßig nach generellen Gesichtspunkten auszuüben und sich insoweit durch Richtlinien oder eine bestimmte Verwaltungspraxis zu binden, sich also an die "Grundsätze des Integrationsamtes Baden-Württemberg zur Gewährung von Leistungen an Arbeitgeber zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen nach § 27
SchwbAV vom 01.01.2010" zu halten. Wie das Bundesverwaltungsgericht durch Einhaltung einer bestimmten Verwaltungspraxis, sofern die ihr zugrunde liegenden Erwägungen der Zielsetzung der vom Gesetz eingeräumten Ermächtigung entsprechen, nicht nur sinnvoll, sondern zur Wahrung des Gleichheitssatzes sogar geboten; denn vielfach kann nur so erreicht werden, dass gleichliegende Fälle gleich behandelt werden (
vgl. hierzu auch Urteile vom 21.02.1963,
BVerwG - VI C 80.61 -, juris und vom 09.04.1963, - VI C 138.61 -, Juris). Wenn sich die Behörde für ihre Ermessenshandhabung in dieser Art zulässigerweise bindet, kann ein Ermessensfehler in aller Regel nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Antragsteller dartut, dass die Behörde in seinem Fall von der Verwaltungspraxis abgewichen sei (
BVerwG, Urteil vom 12.12.1962, - VC C 138.62 -, Juris).
Es ist auch nicht erkennbar, dass sich die "Grundsätze" selbst nicht innerhalb der Ermessensermächtigung halten. Nach der programmatischen Ausrichtung des Schwerbehindertenrechts in
§ 1 SGB IX ist an die Stelle der früher verfolgten Fürsorge die Förderung der selbstbestimmten und gleichberechtigten Teilhabe am Arbeitsleben getreten; deshalb hat das Integrationsamt zu prüfen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren dem Anspruch des schwerbehinderten Menschen auf eine seinen Fähigkeiten gerecht werdenden Beschäftigung Rechnung trägt (
vgl. Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 19.07.2004, - 8 K 3370/03, - unter Bezugnahme auf Düwell, LPK -
SGB IX, 1. A.,
Anm. 7 und 9 zu § 89, nunmehr 2. A.,
Anm. 14. f. zum Schwerbehinderten-Kündigungsschutz). Schon nach dem bisherigen (Schwerbehinderten-)Recht war anerkannt, dass durch die Regelungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen (nur) die Nachteile des Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeglichen werden sollen.
Für begleitende Hilfe im Arbeitsleben konkretisiert § 102
Abs. 2
S. 2
SGB IX diese Zielsetzung. Sie soll dahin wirken, dass die schwerbehinderten Menschen in ihrer sozialen Stellung nicht absinken, auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können sowie durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen der Arbeitgeber befähigt werden, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit nichtbehinderten Menschen zu behaupten. Dafür ermöglicht es die Regelung u.a. Arbeitgebern für außergewöhnliche Belastungen, die mit der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen verbunden sind, Geldleistungen zu erbringen, vor allem, wenn ohne diese Leistungen das Beschäftigungsverhältnis gefährdet würde.
Diesem gesetzlichen Ermessenszweck tragen die "Grundsätze" prinzipiell Rechnung. Sie sind danach ausgerichtet, die Arbeitgeber bei außergewöhnlichen Belastungen, die schwerbehinderte Menschen mit erheblichen behinderungsbedingten Leistungsminderungen verursachen, durch Zuschüsse zu entlasten, soweit diese Belastungen unzumutbar sind. Sie legen dabei einen Kriterienkatalog zugrunde, der sich im Rahmen der schwerbehindertenrechtlichen Vorgaben hält, indem er den Umfang der Leistungsminderung, das Bruttoeinkommen des schwerbehinderten Menschen sowie die Frage zugrunde legt, in welchem Umfange der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen Rechnung trägt. Bei der Ermessensbetätigung ist weiterhin auch von Bedeutung, ob Mittel dafür zur Verfügung stehen, wobei der Gesetzgeber die "zur Verfügung stehenden Mittel" im Rahmen des § 102
Abs. 3
SGB IX anders als ausdrücklich in den Absätzen 3a und 4 nicht auf solche aus der Ausgleichsabgabe beschränkt hat. Es kommt also darauf an, welche Mittel durch die zu dieser Entscheidung berufenen Organe des Beklagten rechtlich verbindlich überhaupt zur Verfügung gestellt worden sind, nicht darauf, ob diese (alleine) aus der Ausgleichsabgabe finanziert werden könnten. - Für die in aller Regel vorkommenden, also typischen, Fälle von außergewöhnlichen Belastungen in diesem Sinne dürften diese Ermessenskriterien der gesetzgeberischen Zielsetzung entsprechen und eine auf die "Grundsätze" gestützte Ermessensentscheidung somit auch - im Rahmen des § 114
S. 1
VwGO - nicht zu beanstanden sein.
Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens brauchte das Gericht der Frage nicht weiter nachgehen, ob der Sachverhalt für die Ermessensentscheidung zutreffend aufgeklärt worden war. Im Hinblick auf die tatsächliche Minderleistung des Herrn K. gehen die Meinungen der Beteiligten auseinander. Jedoch kann sich der Beklagte auf die insoweit sachverständige Einschätzung seines Technischen Beratungsdienstes vom 21.11.2012 beziehen, der eine behinderungsbedingte Minderleistung des Herrn K. von 40% festgestellt hatte, zumal der Beklagte eingeräumt hat, dass die Minderleistung des Herrn K. je nach Einsatzgebiet durchaus schwankte. Jedenfalls ist auch bei einem Ausfall von 40% der normalen Leistungsfähigkeit von einer erheblichen Minderleistung des schwerbehinderten Menschen auszugehen (
vgl. Ziffer 4.1 a) und 4.3
Abs. 2 a) der Grundsätze).
Das Gericht brauchte auch der Frage nicht weiter nachzugehen, ob die nach
§ 102 Abs. 3 SGB IX "zur Verfügung stehenden Mittel" für einen höheren Zuschuss in dem Beschäftigungs-
bzw. Zuschussbewilligungszeitraum ausreichten, nachdem die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung hierzu keinerlei Angaben machen konnte oder wollte. Denn die Darlegung derartiger Umstände dürfte dem Beklagten obliegen, in dessen Sphäre sie liegen.
Dennoch ist die angegriffene Ermessensentscheidung des Beklagten nach den angeführten Grundsätzen rechtswidrig, weil der Beklagte das Ermessen auch in Anwendung seiner "Grundsätze" nicht ausgeschöpft hat.
Zwar hat der Beklagte die Höhe des Minderleistungsausgleichs nach den Kriterien der "Grundsätze" in Ziff. 3 bis 5 und der Tabelle zutreffend berechnet. Jedoch hat er nicht von der Ermächtigung nach Ziff. 5.3 Gebrauch gemacht. Diese ermessensbindende und -leitende Regelung verpflichtet den Beklagten zu einer "abschließenden Gesamtbetrachtung", die es ermöglicht, den Zuschuss sogar weit über die in der Tabelle angegebenen Beträge, nämlich bis zur sogenannten Leistungsobergrenze von
max. 40% des Bruttoeinkommens des schwerbehinderten Menschen, anzuheben. Für die Anwendung dieser Ermessenserwägung sind in den "Grundsätzen" keine besonderen Voraussetzungen benannt. Es dürfte sich aber um eine Art Ausnahmevorschrift handeln, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch im Rahmen von ermessensbindenden Verwaltungsvorschriften geboten oder jedenfalls eröffnet sind, um dem Anspruch auf eine "echte Ermessensentscheidung" unter Berücksichtigung der Umstände des Falles (
BVerwG, Urteil vom 17.01.2958, - VII C 23.57 -, Juris;
BVerwG, Urteil vom 13.07.1964, - VI C 209.61 -, Juris) Rechnung zu tragen. Dies gilt insbesondere für Einzelfälle, die von den typischerweise von der ermessensbindenden Richtlinie erfassten Fällen abweichen, so dass "in der Regel" Ausnahmen zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, aber jedenfalls nur unter besonderen Umständen möglich sind (
vgl. BVerwG, Urteile vom 26.01.1966, - VI C 165.62 -, Juris; Urteil vom 07.12.1966, - VI C 47.64 -, Juris; Urteil vom 18.09.1984, - 1 A 4/83 -, Juris).
Vorliegend hat der Kläger solche Besonderheiten geltend gemacht, denen die bloße Anwendung der Tabelle nicht wirklich gerecht wird und die zumindest eine Ausübung des nach Ziff. 5.3 der Grundsätze eingeräumten Erhöhungsermessens geboten hätten und gebieten, von deren Anwendung der Kläger nach Ziff. 8 der Grundsätze auch nicht ausgenommen ist. Diese liegen zum einen in dem Umstand, dass der Kläger die Pflichtquote von beschäftigten schwerbehinderten Menschen nicht nur einhält, sondern ganz erheblich überschreitet (
vgl. dazu Ziff. 4.6.1 der Grundsätze im Hinblick auf die Frage der Un-/Zumutbarkeit). Die Tabelle sieht ab 3% Erfüllung der Pflichtquote nur einprozentige Erhöhungsstufen, bei einer Überschreitung der Quote von 5% aber keinerlei Differenzierung mehr vor, so dass die Tabelle einem Arbeitgeber wie dem Kläger mit einer Beschäftigungsquote von 9,29% nicht wirklich gerecht wird und keinen Anreiz dafür schafft, mehr als die Pflichtquote überhaupt zu erfüllen. Entsprechendes gilt für die unterschiedlichen Gehaltsstufen in der Tabelle, die nur die Unterscheidungen zwischen "unter 1.500
EUR", von "1.500 bis 2.000
EUR" sowie "über 2.000
EUR" enthält. Da K. (unter Einbeziehung von Weihnachtsgeld) ein monatliches Bruttoeinkommen von (2.427,50 x 12,8 = 31.072,-/12 =) 2589,33
EUR bezog, überstieg dieses Einkommen die Tabellenstufe auf der höchsten Ebene mit mehr als 500
EUR ebenfalls um mehr als die darunter liegenden Unterscheidungsstufen.
Dazu haben sich die angefochtenen Bescheide, insbesondere auch der Widerspruchsbescheid, nicht ausgelassen. Eine Ermessensbetätigung nach Ziff. 5.3 der Grundsätze ist nicht erkennbar.
Ebenso ist in den angefochtenen Bescheiden nicht ersichtliche, ob sich der Beklagte mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob ein auf
ca. 9% des Bruttoeinkommens des schwerbehinderten Menschen beschränkter Zuschuss im Sinne eines Minderleistungsausgleichs - neben dem Kriterium der Un-/Zumutbarkeit im Sinne der Ziff. 4.6 der Grundsätze - auch objektiv geeignet ist, das ohne diese Leistung gefährdete Beschäftigungsverhältnis zu erhalten. Es geht insoweit um den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das hierunter fallende Merkmal der objektiven Geeignetheit bezieht sich auf die bereits dargelegte Zielsetzung der Zuschussregelung, wie sie nach
§ 27 Abs. 1 S. 1 SchwbAV zur Konkretisierung des Teilhabeanspruchs des schwerbehinderten Menschen nach
§ 1 SGB IX zum Ausdruck gebracht wird. Ausgehend von einer Minderleistung des K. von 40% erscheint die Geeignetheit bei Gewährung eines Zuschusses in Höhe des absoluten Betrages von 280
EUR im Monat eher fraglich. Ein Indiz hierfür dürfte der Umstand geben, dass der Kläger den von ihm bereits umgeschulten und ausgebildeten, schwerbehinderten K., wie in der mündlichen Verhandlung dargelegt, nach Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses nicht mehr weiter beschäftigt hat, weil er die finanziellen Lasten - gemessen an der Höhe des Zuschusses - für viel zu hoch angesehen und die sofortige Wiedereinstellung des K. nur im Falle eines deutlich höheren Zuschusses in Aussicht gestellt hat.
Da die Vertreterin des Beklagten dem gerichtlichen Hinweis auf die Möglichkeit, fehlende Ermessenserwägungen nach § 114
S. 2
VwGO nachzuschieben, nicht nachgekommen ist, war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154
Abs. 1
VwGO. Das Verfahren ist nach § 188
S. 2
VwGO gerichtskostenfrei.