Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 101
Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -).
Die als allgemeine Leistungsklage statthafte Klage ist zulässig. Insbesondere ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Als Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers kommt (nur)
§ 102 Abs. 6 Satz 4 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch (SGB IX) in Betracht. Nach dieser Vorschrift hat das Integrationsamt einen Ersatzanspruch, wenn von ihm vorläufig eine Leistung erbracht worden ist, für die ein anderer Träger zuständig ist. Der Kläger begehrt die Kostenerstattung für diejenigen Leistungen, die er zu Gunsten des Leistungsempfängers als vorläufige Leistung gemäß § 102
Abs. 6 Satz 3
SGB IX erbracht hat. Bei dem geltend gemachten Begehren handelt es sich demgemäß um den auf Erstattung einer vorläufig erbrachten Leistung im Sinne auch des § 102
Abs. 1
SGB X gerichteten Anspruch, für den nach § 114
SGB X derselbe Rechtsweg wie gegen den vorleistenden Leistungsträger gegeben ist. Dies ist vorliegend der Anspruch auf vorläufige Leistung gegen das Integrationsamt nach § 102
Abs. 6 Satz 3
SGB IX, für den der allgemeine Verwaltungsrechtsweg nach § 40
Abs. 1
VwGO eröffnet ist.
Vgl.
VG Koblenz, Urteil vom 23. Februar 2011 -
5 K 1319/10.KO - unter Berufung auf Bundesverwaltungsgericht (
BVerwG), Urteil vom 12. September 1991 -
5 C 52.88 - ;
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Oktober 2011 -
7 A 10405/11 -, zitiert nach Juris.
Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Erstattung der von ihm für den Leistungsberechtigten V. I. erbrachten Leistungen für eine Arbeitsassistenz. Denn vorliegend ist nicht die Beklagte als anderer Rehabilitationsträger im Sinne des § 102
Abs. 6 Satz 4
SGB IX für die fragliche Leistung zuständig; die Leistung war vielmehr von dem Kläger in eigener Zuständigkeit zu erbringen.
Dabei ist für die Klärung der Zuständigkeit allerdings nicht auf die Regelungen des
§ 14 SGB IX abzustellen; es kann vielmehr offen bleiben, ob das Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit gemäß § 102
Abs. 6 Satz 1
i. V. m. § 14
SGB IX eingehalten worden ist. Denn die Regelungen in § 14
Abs. 1 und
Abs. 2
SGB IX beziehen sich allein auf das Außenverhältnis zwischen dem Leistungsberechtigten und der leistungsverpflichtenden Behörde und treffen keine Aussage zum internen Ausgleichsverhältnis zwischen dem Integrationsamt und dem zuständigen Rehabilitationsträger.
Vgl.
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Oktober 2011 - 7 A 10405/11 -, zitiert nach Juris.
Die Vorschrift des § 14
SGB IX soll dem Bedürfnis Rechnung tragen, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteile des gegliederten Systems des Rechts der Teilhabe behinderter Menschen entgegen zu wirken. Streitigkeiten über die Zuständigkeit einschließlich der Pflicht zur Erbringung vorläufiger Leistungen bei ungeklärter Zuständigkeit oder bei Eilbedürftigkeit der Maßnahme sollen nicht zu Lasten der behinderten Menschen
bzw. der Schnelligkeit und der Qualität der Leistungen gehen, durch eine rasche Klärung soll das Verwaltungsverfahren deutlich vereinfacht werden, damit die Berechtigten die erforderlichen Leistungen schnellstmöglich erhalten. Die Vorschrift nimmt es danach gerade in Kauf, dass eine endgültige Klärung der Zuständigkeit erst nach der Leistungsbewilligung durch vorläufig zuständige Rehabilitationsträger erfolgt.
So im Ergebnis auch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (
OVG NRW), Beschluss vom 13. Mai 2013 - 13 B 400/13 -, zitiert nach Juris.
Die Zuständigkeit des Klägers für die bewilligten Leistungen folgt aus der anspruchsbegründenden Norm für den Leistungsberechtigten. Der Anspruch des Leistungsberechtigten auf Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz ergibt sich vorliegend aus § 102
Abs. 4
SGB IX, der ausdrücklich das Integrationsamt als Leistungsträger nennt, und nicht, wie der Kläger meint, aus
§ 33 Abs. 3 Nr. 1 und 6 SGB IX allein oder in Verbindung mit § 33
Abs. 8
SGB IX, wonach entsprechend den Vorschriften der
§§ 5 Nr. 3 i. V. m.
6 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX die Beklagte als zuständiger Rehabilitationsträger die Leistung an den Leistungsberechtigten zu erbringen hat.
Nach § 33
Abs. 1
SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wieder herzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern; die Leistungen nach dieser Vorschrift umfassen gemäß § 33
Abs. 3
Nr. 1
SGB IX insbesondere Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Beratung und Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen, sowie gemäß § 33
Abs. 3
Nr. 6
SGB IX sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten. Nach § 33
Abs. 8
Nr. 3
SGB IX umfassen die Leistungen nach
Abs. 3
Nr. 1 und
Nr. 6 dieser Vorschrift die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes.
Der Anspruch des Leistungsberechtigten auf Übernahme der Kosten für die für ihn notwendige Arbeitsassistenz beruht nicht auf § 33
Abs. 8
Nr. 3
SGB IX, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht vorliegen. Denn es handelt sich bei der Leistung für den Leistungsberechtigten V.I. nicht um eine Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes im Sinne des § 33
Abs. 8
Nr. 3
SGB IX.
Dabei ist zunächst darauf abzustellen, dass ein Arbeitsplatz im Sinne dieser Vorschrift eine abhängige Beschäftigung und nicht, wie im Fall des Leistungsberechtigten V. I., eine selbständige Tätigkeit ist. Die Leistung nach § 33
Abs. 8
Nr. 3
SGB IX setzt danach voraus, dass der schwerbehinderte Mensch in einem Beschäftigungsverhältnis auf einem Arbeitsplatz im Sinne von § 73
Abs. 1
bzw. § 102
Abs. 2 Satz 3
SGB IX beschäftigt ist. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 33
Abs. 8
SGB IX selbst, der ausdrücklich den Begriff des "Arbeitsplatzes" verwendet, wogegen beispielsweise in § 33
Abs. 3
Nr. 6
SGB IX von einer "Beschäftigung" die Rede ist und auch die selbständige Tätigkeit ausdrücklich erwähnt wird. Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass dieser Begriff in § 33
Abs. 8
SGB IX etwa - ungeachtet der Stellung der jeweiligen Vorschriften im ersten
bzw. im zweiten Teil des
SGB IX - eine andere, umfassendere Bedeutung haben sollte als in
§ 73 SGB IX, der die Legaldefinition des Arbeitsplatzes im oben aufgeführten Sinn enthält.
Vgl. auch Luik in Juris Praxis-Kommentar
SGB IX, 1. Auflage 2010, Stand 2013, § 33
Rdnr. 163.
Hätte der Gesetzgeber im Rahmen des § 33
Abs. 8
Nr. 3
SGB IX eine Arbeitsassistenz auch für Selbständige regeln wollen, hätte es nahe gelegen, wie in § 33
Abs. 3
Nr. 6
SGB IX die Begriffe der Beschäftigung
bzw. der selbständigen Tätigkeit ausdrücklich aufzuführen; die getroffene Wortwahl spricht dafür, dass in dieser Vorschrift die Einrichtung einer Arbeitsassistenz gerade auf die Fälle abhängig Beschäftigter beschränkt werden sollte.
Das steht in Einklang damit, dass die Leistungen für eine notwendige Arbeitsassistenz nach § 33
Abs. 8
Nr. 3
SGB IX auch nur für die Erlangung - und nicht den Erhalt - eines Arbeitsplatzes bewilligt werden. Ausgehend von dem Ziel des § 33
Abs. 1
SGB IX, die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit dauerhaft zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen, macht es Sinn, eine Arbeitsassistenz einzurichten, um dem Betreffenden eine Möglichkeit zu geben, im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung am Arbeitsleben teilzuhaben, weil davon auszugehen ist, dass die Chancen für eine dauerhafte Erwerbstätigkeit dann als deutlich besser anzusehen sein dürften als bei einer selbständigen Tätigkeit.
Die Voraussetzungen des § 33
Abs. 8
Nr. 3
SGB IX sind danach im Fall des Leistungsempfängers V. I. auch insoweit nicht erfüllt, als es bei ihm auch nicht um die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes geht.
Allerdings regelt § 33
Abs. 3
Nr. 1
SGB IX auch Hilfen zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes; diese Regelung wird aber in
Abs. 8 dahingehend eingeschränkt, dass die Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz nur in den Fällen in Betracht kommt, in denen diese für die Erlangung eines Arbeitsplatzes notwendig ist, nicht aber, wenn es um deren Erhalt geht.
Auch insoweit geht die Kammer zunächst von dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift aus. Diese Wertung wird bestätigt durch die Systematik der Vorschrift. Denn danach sollen die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz gemäß § 33
Abs. 8 Satz 2 nur für die Dauer von bis zu 3 Jahren übernommen werden; das bestätigt, dass es nur um eine Hilfe gehen kann, die erforderlich ist, bis der betreffende Leistungsberechtigte ein festes Arbeitsverhältnis angebahnt und über einen gewissen Zeitraum aufrecht erhalten hat. Ist eine Arbeitsassistenz darüber hinaus für einen weiteren Zeitraum, ggfs. dauerhaft, notwendig, also zur (ggfs. dauerhaften) Erhaltung eines Arbeitsplatzes
bzw. einer Beschäftigung, ist hierfür das Integrationsamt zuständig. Das ergibt sich aus § 33
Abs. 8 Satz 4, wonach der Anspruch nach § 102
Abs. 4
SGB IX unberührt bleibt. Dies ist aber gerade der Anspruch gegen das Integrationsamt auf Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz als begleitende Hilfe im Arbeitsleben.
Dieser Konstruktion trägt § 33
Abs. 8 Satz 2
SGB IX auch dadurch Rechnung, dass die Leistung nach Satz 1
Nr. 3 bereits in Abstimmung mit dem Rehabilitationsträger nach § 6
Abs. 1
Nr. 1 bis 5 durch das Integrationsamt nach § 102
Abs. 4 ausgeführt wird und diesem lediglich die Kosten erstattet werden. Hierdurch soll ein Wechsel des Trägers und im Idealfalle auch des Arbeitsassistenten vermieden werden.
Vgl. Luik in Juris, Praxis-Kommentar
SGB IX, 1. Auflage, Stand: August 2013, Rndnr. 160; Wiegand, Hand-Kommentar zum
SGB IX, § 33, Rndnr. 173.
Der Anspruch des Leistungsberechtigten ergibt sich vorliegend auch nicht etwa unmittelbar aus der Vorschrift des § 33
Abs. 3
Nr. 1 und 6
SGB IX. Zwar heißt es in § 33
Abs. 3 Satz 1
SGB IX, dass die Leistungen nach dieser Vorschrift "insbesondere" den dann folgenden Leistungskatalog umfassen, was den Schluss zulässt, dass dieser nicht abschließend ist, sondern darüber hinaus weitere Leistungen nach § 33
Abs. 3
SGB IX bewilligt werden können. Hierzu gehört aber nicht die Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz, denn diese ist gerade in § 33
Abs. 8
Nr. 3
SGB IX, und zwar wie oben aufgeführt, für einen eingeschränkten Anwendungsbereich, ausdrücklich geregelt. Diese Regelung kann nur so verstanden werden, dass der Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz in anderen Fällen als dem ausdrücklich geregelten Fall der Notwendigkeit der Erlangung eines Arbeitsplatzes (im Rahmen eines abhängig beschäftigten Arbeitsverhältnisses) nach dieser Vorschrift nicht in Betracht kommt. Hierzu besteht auch keine Notwendigkeit, weil - wie bereits dargelegt - gemäß § 33
Abs. 8 Satz 4
SGB IX der Anspruch nach § 102
Abs. 4
SGB IX gegen das Integrationsamt auf Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben unberührt bleibt, die Leistungsberechtigten mithin die für sie notwendigen Hilfen erhalten können.
Ausgehend von dem Vorstehenden hatte der Leistungsberechtigte V. I. keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz zur Aufrechterhaltung seiner Tätigkeit als Selbständiger in seinem eigenen Betrieb gegen die Beklagte als Rehabilitationsträger; sein Anspruch beruht vielmehr auf § 102
Abs. 4
SGB IX, für diesen Anspruch ist das Integrationsamt des Klägers zuständiger Leistungsträger.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass das Gesetz in § 102
Abs. 5 einen Vorrang der Rehabilitationsleistung anderer Rehabilitationsträger vor der begleitenden Hilfe durch das Integrationsamt anordnet mit der Folge, dass dem nachrangig verpflichteten Integrationsamt ein Erstattungsanspruch gegen den eigentlich zuständigen Rehabilitationsträger zusteht, wenn es die Leistung - vorläufig - erbracht hat.
Vgl.
OVG Rheinland-Pfalz,
a. a. O.Denn dieser Nachrang setzt voraus, dass ein anderer Rehabilitationsträger - hier die Beklagte - überhaupt vorrangig verpflichtet gewesen ist. Dies ist nach dem oben Ausgeführten vorliegend aber gerade nicht der Fall.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154
Abs. 1, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167
VwGO i. V. mit den §§ 708
Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (
ZPO).
Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124
Abs. 2
Nr. 3, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.