Urteil
Erhöhung eines Arbeitsassistenzbudgets - Umfang einer notwendigen Arbeitsassistenz in Form eines Gebärdensprachmittlers - selbstständiger gehörloser Juwelier

Gericht:

VG Würzburg


Aktenzeichen:

W 3 K 15.163 | W 3 K 15/163


Urteil vom:

17.09.2015


Grundlage:

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

I.
Der schwerbehinderte Kläger ist Empfänger einer Leistung der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben in Form der Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Er begehrt eine Erhöhung dieser Leistung.

Der Kläger ist von Geburt an gehörlos. Ihm wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 wegen Gehörlosigkeit zuerkannt. Außerdem ist er Inhaber und Geschäftsführer von "...", einem Geschäft für Schmuck, Dekorationsbedarf, Dekoservice für Gewerbe und Gastronomie und Projektmanagement im Bereich Inneneinrichtung mit einem Verkaufsladen in .... Seit 2003 erhält der Kläger für diese Tätigkeit aufgrund seiner Schwerbehinderung eine Hilfeleistung in Form der Übernahme der Kosten einer Arbeitsassistenz, die jeweils im Zweijahresrhythmus gewährt wird.

Ausweislich einer Stellungnahme des Integrationsfachdienstes vom 2. November 2003 ist die Muttersprache des Klägers, die deutsche Gebärdensprache, völlig anders aufgebaut als die deutsche Lautsprache. Es bestünden permanent Verständigungsschwierigkeiten, da Notizen oder Schriftsätze für Hörende unverständlich seien. Geschäftliche Faxe und E-Mails eigneten sich ohne Kontrolle durch einen Hörenden nicht zum Versand. Der Kläger beschäftige seit fünf Jahren eine Verkäuferin auf geringfügiger Basis. Diese schließe morgens den Laden auf und wenn der Kläger gegen Mittag komme, gehe sie bald darauf nach Hause. Während sie im Geschäft sei, bediene sie auch das Telefon. Anfragen von Vertretern und Reklamationen terminiere sie auf den Nachmittag, wenn die Arbeitsassistentin des Klägers anwesend sei. Die Arbeitsassistentin unterstütze den Kläger bei Telefonaten, persönlichen Gesprächen mit Vertretern sowie Beratungsgesprächen mit Kunden und helfe im Verkauf mit. Ferner erledige sie für den Kläger Schreibdienste, weil dieser als Gehörloser die deutsche Grammatik nicht beherrsche, begleite ihn zu Messen, unterstütze ihn bei Kontakten mit Behörden, Banken, Anwälten und dem Steuerberater und nehme mit ihm regelmäßig an Stadtratssitzungen oder Versammlungen, die sein Geschäft beträfen, teil. Der Kläger habe bereits erprobt, inwieweit der Einsatz einer Assistenz für ihn sinnvoll sei. Im Laufe dieser Erprobung habe sich herausgestellt, dass die Anwesenheit am Nachmittag am besten sei. Seine Angabe eines Bedarfs von 25 bis 30 Stunden wöchentlich erscheine durchaus realistisch und angemessen. Aufgrund des Unterstützungsbedarfs von ca. 120 Stunden monatlich werde eine Förderung in Höhe von 1.100,00 EUR als Arbeitsassistenzbudget für angemessen gehalten.

In einer Stellungnahme des Technischen Beratungsdienstes des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) - Region ... - Integrationsamt - (im Folgenden: Integrationsamt) vom 23. Dezember 2011 heißt es, der Kläger beschäftige vier Mitarbeiter, von denen zwei in Teilzeit und zwei auf Minijob-Basis tätig seien. Nach Aussage des Klägers seien ohne seine Gehörlosigkeit lediglich zwei Mitarbeiter auf Minijob-Basis nötig. Der Assistenzbedarf liege deutlich über drei Stunden täglich, was den Höchstsatz der Arbeitsassistenz rechtfertige. Der alltägliche Assistenzbedarf könne mit ca. zwei bis knapp unter drei Stunden veranschlagt werden. Hierzu zählten Assistenztätigkeiten des laufenden Tagesgeschäfts wie die Unterstützung bei der Kundenbetreuung und Bedienung des Telefons. Diese Zeiten könnten durch Mitarbeiter im Ladengeschäft abgeleistet werden. Hinzu kämen Außendiensttermine, die ein Geschäftsführer wahrnehmen müsse, und Verhandlungen mit Lieferanten und Kunden. Diese Termine fielen nicht täglich an und könnten aufgrund der Komplexität der Gespräche nicht durch einen Laien unterstützt werden. Hinzu komme Assistenzbedarf bei Messen und Fortbildungen.

Des Weiteren fanden im Rahmen der Verfahren zur Bewilligung der Hilfeleistungen des Integrationsamtes ohne Wissen des Klägers in und vor dessen Laden Beobachtungen und Testkäufe/-beratungen durch Mitarbeiter des Beklagten und durch von diesem beauftragte Personen statt, und zwar am 19. Oktober 2012, am 15. Januar 2013, am 29. Juli 2013, am 7. November 2013 und am 26. November 2013. Wegen des Ergebnisses der Beobachtungen und Testkäufe/-beratungen wird auf die jeweiligen Aktenvermerke und Protokolle (Blatt 21 bis 24 der Behördenakte) Bezug genommen.

Auf Antrag des Klägers vom 10. Dezember 2013 auf die Übernahme der Kosten einer Arbeitsassistenz in Höhe von 3.591,95 EUR monatlich (Stundenlohn von 15,00 EUR bei einer 49 Stunden-Woche zuzüglich Arbeitgeberanteil zu den Sozialabgaben), technischer Kommunikationshilfen in Höhe von 300,00 EUR monatlich, eines Dolmetscherbudgets von mindestens 5.000,00 EUR im Jahr und der Kosten einer Assistenz für den Bereitschaftsdienst in Höhe von pauschal 300,00 EUR monatlich wurde dem Betrieb des Klägers ("...") mit Bescheid des Integrationsamts vom 18. Februar 2014, gestützt auf § 102 SGB IX i. V. m. §§ 17 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e, 27 SchwbAV, ein jährlicher Zuschuss zu den Nettokosten für den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern in Höhe von bis zu 5.000,00 EUR und darüber hinaus ein monatlicher Nettobetrag von bis zu 250,00 EUR für technische Kommunikationshilfen gewährt.

Mit weiterem Bescheid des Integrationsamts vom 19. Februar 2014 wurde dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis. 31. Dezember 2015 ein Zuschuss in Höhe von bis zu 1.111,00 EUR als monatliches Budget für die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz bewilligt. Weiter heißt es in dem Bescheid, dies entspreche einem tatsächlichen arbeitstäglichen Unterstützungsbedarf/Kommunikationsaufwand ausschließlich für die Person des Klägers von ca. 3,5 Stunden. Als Aufwandspauschale für Regiekosten (z. B. Lohnbuchhaltung, Abführung der Sozialabgaben) könne der Bewilligungsbetrag bei einer Fremdvergabe an Dritte (Steuerberatungsbüro) um einen Betrag von 30,00 EUR pro Monat erhöht werden. Darüber hinaus erhalte der Kläger eine jährliche Pauschale für die Abdeckung des Bereitschaftsdienstes (Alarm außerhalb der Geschäftszeiten) in Höhe von 2.600,00 EUR. Dies entspreche einem wöchentlichen Betrag von bis zu 50,00 EUR.

Zur Begründung wurde ausgeführt, nennenswerter Mehraufwand bei den laufenden behinderungsbedingt notwendigen Mehrkosten, die durch eine Arbeitsassistenz gemindert oder aufgehoben werden könnten, im Vergleich zu dem zuletzt bewilligten Budget für die Kostenübernahme (Bescheid vom 29.12.2011) habe nicht festgestellt werden können mit Ausnahme des Mehraufwands hinsichtlich der Bereitschaftszeiten in der Nacht. Eine der Grundlagen der Förderung blieben daher die fachdienstliche Stellungnahme des Integrationsfachdienstes vom 2. November 2003 sowie die Stellungnahme des technischen Beratungsdienstes des Integrationsamts vom 23. Dezember 2011. Des Weiteren stütze sich die Bestimmung des alltäglichen Assistenzbedarfs auf die Eindrücke diverser Betriebsbesuche durch den Fachdienst bzw. eigene Recherchen und die vom Kläger eingereichten Unterlagen vom 10. Dezember 2013. Pro Bedarfsstunde werde ein Zahlbetrag von 12,70 EUR gewährt, der sich aus 10,00 EUR Stundenentgelt und einem 27%-Sozialversicherungszuschlag von 2,70 EUR zusammensetze.

Mit Schreiben vom 24. März 2014 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. Februar 2014, soweit dieser die Bewilligung eines Arbeitsassistenzbudgets zum Gegenstand hat. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das in der Vergangenheit gewährte Budget von 1.100 EUR nicht mehr ausreiche, weil stark erhöhter Kommunikationsbedarf bestehe. Die Feststellungen aus den Jahren 2011 und 2003 seien veraltet. Es bestehe ein Bedarf von 35 Stunden in der Woche. Der schwerbehinderte Mensch müsse in der Lage sein, den das Beschäftigungsverhältnis inhaltlich prägenden Kernbereich der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsaufgabe selbstständig zu erledigen. Ohne eine Arbeitsassistenz sei die Tätigkeit des Klägers nicht möglich. Er sei aufgrund seiner Hörbehinderung nur äußerst schwer zu verstehen. Ihm selbst sei es nur bedingt möglich, von den Lippen abzulesen. Verkauf und Einkauf seien stark von Kommunikation abhängig - telefonisch und persönlich. Vor allem beim Verkauf von teurem Schmuck und Uhren sei persönliche Beratung unerlässlich und Unterstützung hierfür zwingend notwendig. Es gebe zwar Tage, an denen weniger los sei, aber auch Tage, an denen die Arbeitsassistenz "geklont" werden müsste. Im Durchschnitt seien mindestens sieben Stunden täglich angemessen, insbesondere wenn man berücksichtige, dass der Kläger selbst 12 bis 15 Stunden täglich arbeite. Offensichtlich hätten sich die Zeugen der Behörde nicht lange genug im Laden aufgehalten, um die Zusammenwirkung des Klägers und seiner Mitarbeiterin zu beobachten oder hätten sich nicht als interessierte Kunden ausgegeben. Soweit ein Kunde einen Zettel bei sich gehabt habe, sei dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Zweit- oder Dritttermin gewesen, nachdem der Kläger den Kunden bereits gemeinsam mit der Arbeitsassistenz beraten und gebeten hätte, seine Wünsche zu konkretisieren. Außerdem gehe es vorliegend um die Jahre 2014 und 2015, nicht um die Jahre 2012 und 2013, auf die sich unter anderem die "Stippvisiten" des Beklagten bezögen. Für die Arbeitsassistenz angemessen erscheine eine Kostenübernahme von mindestens 1.800,00 EUR monatlich (ca. 1.500,00 EUR Bruttolohnkosten - 8,93 EUR Stundenlohn x 7 Arbeitsstunden pro Tag x 24 Arbeitstage pro Monat - zuzüglich 289,13 EUR für den Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben).

In der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eingeholten betriebswirtschaftlichen Stellungnahme des Dipl.-Betriebswirts (FH) E. vom ZBFS Region Niederbayern - Integrationsamt - vom 11. Juli 2014 heißt es, dass nach Rücksprache mit der IHK Niederbayern/Oberpfalz und dem Bundesverband der Juweliere festzustellen sei, dass ein kleiner Anteil der 9.000 Juweliere im Bundesgebiet als Ein-Mann-Betrieb ohne Verkaufspersonal geführt würden. Dies betreffe kleinere Läden im ländlichen Raum mit geringer Umsatztätigkeit. Der Laden des Klägers liege hinsichtlich der Jahresumsätze über dem Branchenmittelwert. Gerade bei Juwelieren bestehe ein hoher Bedarf an fachlicher Beratung und dieser erfolge in aller Regel nicht allein durch den Geschäftsführer. Nach Auskunft des Bundesverbands der Juweliere würden im Durchschnitt pro Betrieb 2,9 Vollkräfte (Verkaufspersonal mit hoher Fachkompetenz) beschäftigt. Eine Differenzierung zwischen Minijobbern und fest angestelltem Personal werde nicht vorgenommen. Im Durchschnitt würden 20% der Umsätze für Verkaufspersonal ausgegeben. Für das Geschäft des Klägers ergäbe sich hieraus ein branchenüblicher Personalaufwand von 72 TEUR in 2012 und von 80,8 TEUR in 2013. Unter Zugrundelegung der Recherche der FERI EuroRating Services AG über die Personalaufwandsquote von 12,5% der Gesamtleistung (Umsatz) im Einzelhandel ohne den Handel von Kfz errechne sich ein branchenüblicher Personalaufwand für das klägerische Geschäft von 45 TEUR in 2012 und 50,5 TEUR in 2013. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei die mit Bescheid vom 19. Februar 2014 gewährte Arbeitsassistenz in Verbindung mit dem Budget für Dolmetschereinsätze und Bereitschaftsdienste angemessen. Die Widerspruchsgründe bezögen sich in erster Linie auf veränderte Marktgegebenheiten, die auch von nichtbehinderten Firmeninhabern zu bewältigen seien.

Der Kläger führte hierzu im Rahmen des Widerspruchsverfahrens aus, dass die betriebswirtschaftliche Stellungnahme unrichtig sei, weil die Personalkosten falsch wiedergegeben würden. Im Jahr 2012 seien Personalkosten von 20.650,24 EUR, im Jahr 2013 von 23.745,75 EUR angefallen, wovon in beiden Jahren jeweils 13.200,00 EUR durch Förderungen (des Integrationsamts) finanziert worden seien. Im Übrigen sei unerheblich, wie hoch die Personalkosten im Vergleich zu anderen Juwelieren seien. Wie viele Angestellte der Kläger beschäftige, sei eine Frage seiner durch Art. 12 GG geschützten unternehmerischen Entscheidungsfreiheit und habe nichts mit der Notwendigkeit einer Arbeitsassistenz zu tun.

Mit Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses beim ZBFS Integrationsamt vom 3. Februar 2015, laut Empfangsbekenntnis zugestellt am 6. Februar 2015, wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung wurde auf den Bescheid vom 19. Februar 2014 Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, in den vergangenen Jahren seien E-Mails zu einem gängigen Kommunikationsmittel geworden und hätten viele Telefonate ersetzt. Zum Beispiel würden im Geschäftsverkehr per E-Mail Bestellungen ausgelöst, kleinere Nachfragen abgewickelt und Angebote übermittelt. Auch die verbesserten Informationsmöglichkeiten über das Internet reduzierten den Kommunikationsbedarf. Dieser sei daher eher zurückgegangen als gestiegen. Die Ermittlungen des Integrationsamts zeigten, dass der Kläger auch ohne Assistenz seine Kunden gut bedienen könne, dies auch tatsächlich tue, die anwesenden Mitarbeiterinnen auch bei gleichzeitiger Anwesenheit des Klägers selbstständig bedienten, somit nicht dauerhaft als Assistentinnen tätig würden und darüber hinaus nach Zeugenbeobachtungen auch alleine im Laden gewesen seien. Im laufenden Geschäft sei daher eine Assistenz nicht, jedenfalls nicht auf Dauer, notwendig, auch wenn eine dauerhafte Kommunikationsassistenz für den Kläger entlastend und hilfreich sein möge. Soweit der Kläger Telefonanrufe tätige, stünden ihm gesondert vom Integrationsamt bezahlte Möglichkeiten zur Verfügung (Kommunikationsdienst ...). Im Hinblick auf eingehende Anrufe sei vom Assistenznehmer grundsätzlich eine Organisation der Arbeitsabläufe zu erwarten, die Zeiten der eigenständigen Arbeitserledigung ohne Arbeitsassistenz beinhalte, soweit dies möglich sei. So sei es dem Kläger zumutbar, den Telefondienst auf Verkaufskräfte zu übertragen, wenn diese im Laden anwesend seien, und bei notwendig durch den Kläger selbst zu führenden Gesprächen einen Rückruf zu vereinbaren. Wenn der Kläger allein im Laden sei, könne er einen Anrufbeantworter schalten und die Anrufe später mit dem Kommunikationsdienst oder einer Assistenz abarbeiten. Hierzu genüge der vom Integrationsamt finanzierte Umfang von 3,5 Stunden einer Assistenzkraft. Bei vorhersehbaren schwierigen Einkaufs-, Mitarbeiter- und besonderen Kundengesprächen könne bei tatsächlicher Notwendigkeit zusätzlich ein professioneller Gebärdensprachdolmetscher auf Kosten des Integrationsamts beauftragt werden. Das im Bescheid ausgewiesene Budget sei insoweit nicht abschließend. Für schwierige Kundengespräche, die spontan aufträten, könne auch vor Ort der Telefonservice der Firma ... genutzt werden. Zwar stehe es jedem Selbstständigen im Rahmen seiner unternehmerischen Freiheit frei, wie viel Personal er beschäftige. Jedoch könnten Personalkosten nicht als Assistenzkosten anerkannt werden, soweit das eingesetzte Personal Verkaufstätigkeiten übernehme. Da im klägerischen Betrieb dieselben Personen sowohl als Verkaufskräfte als auch als Assistenzkräfte eingesetzt würden, müsse eine Abgrenzung dieser Tätigkeiten anhand der zur Verfügung stehenden Mittel - hier anhand des betriebswirtschaftlichen Gutachtens mit Branchenvergleich und anhand der Zeugenaussagen - erfolgen.

II.

Mit seiner am 27. Februar 2015 erhobenen Klage ließ der Kläger beantragen,

den Beklagten unter insoweitiger Abänderung des Bescheides vom 19. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2015 zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2015 einen Zuschuss in Höhe von bis zu 1.800,00 EUR als monatliches Budget für die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz zu bewilligen.

Zur Begründung wurde ausgeführt, bei der notwendigen Arbeitsassistenz handele es sich um eine Leistung, bei der die Beklagte keinen Ermessensspielraum habe. Sie könne daher im Klageverfahren durch das Gericht zur Leistungsgewährung verpflichtet werden. Der Bedarf des Klägers ergebe sich aus der in seinem Assistenztagebuch niedergelegten Darstellung. Die Ermittlungen der Behörde widerlegten diese Darstellung nicht. Die auf Blatt 21 bis 25 der Behördenakte dokumentierten verdeckten Ermittlungen der Beklagten im Zeitraum vom 19. Oktober 2012 bis zum 26. November 2013 durch unbekannte Personen sowie durch Mitarbeiter der Behörde seien unzulässig gewesen. Wesentliche Vorgänge wie die interne Klärung und Abstimmung dieser Ermittlungen seien nicht in der Akte enthalten. Es fehle auch an einer Rechtsgrundlage für die durchgeführten verdeckten Ermittlungen. Die Datenerhebung beim Betroffenen im Sinne des § 67a SGB X verlange, dass die Daten bei ihm selbst, mit seinem Willen und seiner Kenntnis bzw. Mitwirkung, d. h. mit ihm und nicht ohne oder gar gegen ihn ohne sein Wissen und hinter seinem Rücken erhoben würden. Die durch einen groben Verstoß gegen die Datenschutzregelungen des SGB X erhobenen Daten dürften daher auch nicht verwertet werden. Ungeachtet dessen seien die erhobenen Daten allesamt wenig aussagekräftig. Insbesondere soweit Vorgänge durch die Schaufensterscheiben des klägerischen Ladens beobachtet worden seien, dürfte es nicht möglich gewesen sein, die komplexen Verkaufs- und Kommunikationssituationen im Ladeninneren zutreffend zu erfassen. Auch beim Aufenthalt in den Ladenräumen seien die verdeckt arbeitenden Sachbearbeiter offenbar nicht in der Lage gewesen, die Vorgänge vollständig wahrzunehmen. Dies zeige der Vermerk vom 9. November 2013 über den unangekündigten Besuch am 7. November 2013. Darin werde festgehalten, dass die Vermerkende die Inanspruchnahme der Hilfe der anwesenden Mitarbeiterinnen durch den Kläger nicht habe wahrnehmen können, nicht jedoch, dass diese nicht stattgefunden habe. Keiner der beobachteten Verkaufs- oder Beratungsvorgänge werde so vollständig beschrieben, dass man sich von ihm ein umfassendes Bild machen könne sowie davon, ob Bedienungsvorgänge problemlos und sinnvoll von statten gingen. Dass ein anderer Kunde sich vorbereitet und einen Zettel dabei gehabt habe (Vermerk über den Besuch am 29.7.2013), zeige, dass eine normale Verkaufssituation vermutlich eher nicht stattgefunden habe. Bezüglich der Telefonate sei zu berücksichtigen, dass der Kommunikationsdienst Tess weniger flexibel zur Verfügung stehe als ein vor Ort tätiger Gebärdendolmetscher. Außerdem sei dieser Kommunikationsdienst nicht mit den Arbeitsabläufen in dem Geschäft des Klägers vertraut. Die Schaltung eines Anrufbeantworters, um Anrufe später zu erledigen, sei nur in begrenztem Umfang möglich, weil von einem Geschäftsführer erwartet werde, möglichst umfassend erreichbar zu sein. Soweit die Beklagtenseite ausführe, dass bei höherem Bedarf jederzeit weitere Einsätze beantragt werden könnten, erscheine es nicht als sinnvoll, bei nachgewiesen höherem Bedarf diesen nicht zu bewilligen und den Betroffenen stattdessen auf die Stellung zusätzlicher Einzelanträge zu verweisen. Verkaufsgespräche seien auch nicht so terminier- und steuerbar, dass jeweils punktgenau eine Aufstockung der Leistungen beantragt werden könne. Überdies sei eine überwiegend auf Dolmetschereinsätze gestützte Lösung aufgrund der höheren Honorare und der Fahrtkosten erheblich kostspieliger als die vom Kläger organisierte Lösung.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid vom 19. Februar 2014 und im Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2015 verwiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, im Hinblick auf die behördenseits durchgeführten Ermittlungen sei nicht § 67a SGB X einschlägig, Rechtsgrundlage der Ermittlungen sei vielmehr § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB X, wonach das Integrationsamt nicht auf bestimmte Beweismittel festgelegt sei. Der Kläger beschränke sich auf die bloße Behauptung eines höheren Bedarfs, ohne einen Gegenbeweis zu den Ermittlungen der Behörde erbracht zu haben. Dass das Geschäft des Klägers unter den derzeitigen Umständen gut laufe, bewiesen die betriebswirtschaftlichen Auswertungen in der Behördenakte. Eine große Unzufriedenheit der Kunden könne also trotz der nur eingeschränkten Nutzung von Kommunikationsassistenz nicht festgestellt werden. Besondere Kenntnisse über die Arbeitsabläufe im Geschäft des Klägers seien für einen Dolmetscher nicht notwendig. Das Dolmetscherbudget sei von der streitgegenständlichen Arbeitsassistenz zu unterscheiden und stehe für Situationen zur Verfügung, in denen es eines professionellen Dolmetschers bedürfe. Alltägliche Verkaufsgespräche ohne besondere Brisanz würden hiervon nicht erfasst. Trotz der umfangreichen Ermittlungen habe nur durch Rückgriff auf ältere Gutachten ein 3,5-stündiger Bedarf für eine Arbeitsassistenz festgestellt werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Sitzungsniederschrift vom 17. September 2015 sowie auf die Gerichts- und Behördenakten, die Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

BAYERN.RECHT

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage, mit der der Kläger eine Erhöhung des ihm gewährten Budgets für die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2015 begehrt, ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Kostenübernahme bzw. ein höheres Budget für die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz als das ihm mit Bescheid vom 19. Februar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Februar 2015 bewilligte (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Anspruchsgrundlage für die Gewährung eines Budgets für die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz sind § 102 Abs. 4 und Abs. 7, § 17 Abs. 2 SGB IX i. V. m. § 21 Abs. 4 und § 17 Abs. 1a der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung vom 28. März 1988 (BGBl I S. 484) i. d. F. d. Art. 57 Nr. 1 Gesetz vom 19.6.2001 (BGBl I S. 1046) mit Wirkung vom 1.7.2001, zuletzt geändert durch Art. 7 Gesetz vom 22.12.2008 (BGBl I S. 2959). Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat das Integrationsamt unter anderem die Aufgabe der Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe (Nr. 1 der Vorschrift) und der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben (Nr. 3 der Vorschrift).
Schwerbehinderte Menschen haben nach § 102 Abs. 4 SGB IX im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Gemäß § 102 Abs. 7 Satz 1 SGB IX kann das Integrationsamt diese Leistung auch als persönliches Budget ausführen. § 17 SGB IX gilt entsprechend (§ 102 Abs. 7 Satz 2 SGB IX). Nach dessen Absatz 2 Satz 1 können Leistungen zur Teilhabe auf Antrag auch durch ein Persönliches Budget ausgeführt werden, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Persönliche Budgets werden in der Regel als Geldleistung ausgeführt, bei laufenden Leistungen monatlich (§ 17 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). In begründeten Fällen sind Gutscheine auszugeben (§ 17 Abs. 3 Satz 2 SGB IX). Persönliche Budgets werden auf der Grundlage der nach § 10 Abs. 1 SGB IX getroffenen Feststellungen so bemessen, dass der individuell festgestellte Bedarf gedeckt wird und die erforderliche Beratung und Unterstützung erfolgen kann (§ 17 Abs. 3 Satz 3 SGB IX). Dabei soll die Höhe des Persönlichen Budgets die Kosten aller bisher individuell festgestellten, ohne das Persönliche Budget zu erbringenden Leistungen nicht überschreiten (§ 17 Abs. 3 Satz 4 SGB IX). § 10 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 SGB IX bestimmt, dass die Leistungen entsprechend dem Verlauf der Rehabilitation angepasst und darauf ausgerichtet werden, den Leistungsberechtigten unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls die den Zielen der §§ 1 und 4 Abs. 1 SGB IX entsprechende umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zügig, wirksam, wirtschaftlich und auf Dauer zu ermöglichen. Dabei sichern die Rehabilitationsträger durchgehend das Verfahren entsprechend dem jeweiligen Bedarf und gewährleisten, dass die wirksame und wirtschaftliche Ausführung der Leistungen nach gleichen Maßstäben und Grundsätzen erfolgt. Dies gilt nach § 10 Abs. 2 SGB IX entsprechend auch für die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 2 des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch. Ziel der dargestellten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch ist es, die Selbstbestimmung und die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft von behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken (§ 1 Satz 1 SGB IX). Dementsprechend umfassen die Leistungen zur Teilhabe gemäß § 4 Abs. 1 SGB IX die notwendigen Sozialleistungen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern (Nr. 1 der Vorschrift), Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern (Nr. 2), die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern (Nr. 3) oder die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern (Nr. 4).

Eine weitere Konkretisierung erfahren die Leistungsbestimmungen des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch in der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung. Deren § 17 Abs. 1a entspricht § 102 Abs. 4 SGB IX, wonach schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz haben. Gemäß § 17 Abs. 2 SchwbAV können andere als die in Absatz 1 bis 1b der Vorschrift genannten Leistungen, die der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben nicht oder nur mittelbar dienen, nicht erbracht werden. Leistungen nach § 17 Abs. 1 bis 1b SchwbAV dürfen nur erbracht werden, soweit Leistungen für denselben Zweck nicht von einem Rehabilitationsträger, vom Arbeitgeber oder von anderer Seite zu erbringen sind oder, auch wenn auf sie ein Rechtsanspruch nicht besteht, erbracht werden (§ 18 Abs. 1 Satz 1 SchwbAV). § 18 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SchwbAV sieht vor, dass Leistungen an schwerbehinderte Menschen zur begleitenden Hilfe im Arbeitsleben erbracht werden können, wenn die Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung auf besondere Schwierigkeiten stößt und durch die Leistungen ermöglicht, erleichtert oder gesichert werden kann und wenn es dem schwerbehinderten Menschen wegen des behinderungsbedingten Bedarfs nicht zuzumuten ist, die erforderlichen Mittel selbst aufzubringen. In den übrigen Fällen sind seine Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen. Gemäß § 21 SchwbAV gehören zu den Leistungen an schwerbehinderte Menschen auch Hilfen zur Gründung und Erhaltung einer selbstständigen beruflichen Existenz (ebenso § 102 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c SGB IX). Nach Absatz 4 der Vorschrift sind die §§ 17 bis 20 und die §§ 22 bis § 27 SchwbAV zugunsten von schwerbehinderten Menschen, die eine selbstständige Tätigkeit ausüben oder aufzunehmen beabsichtigen, entsprechend anzuwenden. Dies stellt klar, dass Hilfen des Integrationsamt nach § 102 SGB IX einschließlich solcher nach Absatz 4 der Vorschrift auch an selbstständige schwerbehinderte Menschen erbracht werden können (VG Bremen, U.v. 26.5.2009 - 5 K 3056/07 - juris Rn. 19; VG Minden, B.v. 11.8.2014 - 6 K 314/14 - juris Rn. 6 f.).

Der in § 102 Abs. 4 SGB IX normierte Anspruch auf die Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz ist dem Gesetzeswortlaut nach als Anspruchsleistung ausgestaltet, die allerdings unter dem Vorbehalt steht, dass Mittel aus der Ausgleichsabgabe hierfür zur Verfügung stehen (VG München, U.v. 28.7.2010 - M 18 K 10.2468 - juris Rn. 29 m. w. N.). Während andere Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben regelmäßig als Ermessensleistungen ausgestaltet sind, besteht also auf die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 102 Abs. 4 SGB IX ein Rechtsanspruch jedenfalls dem Grunde nach (ebenso VG Augsburg, U.v. 9.10.2012 - Au 3 K 11.1545 - juris Rn. 33; VG Minden, B.v. 11.8.2014 - 6 K 314/14 - juris Rn. 7; für Ermessen hinsichtlich der Leistungshöhe: VG Minden, B.v. 22.7.2004 - 7 K 7681/03 - juris; VG Halle, U.v. 28.8.2008 - 4 A 49/07 - juris Rn. 32 ff.; gegen Ermessen und für gebundene Entscheidung sowohl hinsichtlich des Anspruchs dem Grunde nach als auch hinsichtlich des Anspruchsumfangs: OVG Berlin-Brandburg, U.v. 18.5.2011 - OVG 6 B 1.09 - juris Rn. 13; VG Stade, U.v. 25.6.2003 - 4 A 1687/01 - juris Rn. 21; VG Schleswig-Holstein, U.v. 27.8.2003 - 15 A 267/01 - juris; die Frage offen lassend: BVerwG, B.v. 28.6.2010 - 5 B 66/09 - juris Rn. 5 f.). Dies ergibt sich aus der systematischen Stellung des Anspruchs auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz in einem eigenen Absatz (§ 102 Abs. 4 SGB IX) im Verhältnis zu den gesondert in Absatz 3 derselben Vorschrift aufgezählten (Ermessens-) Leistungen und aus dem Gesetzeswortlaut der vorgenannten Vorschriften. So "haben" schwerbehinderte Menschen nach dem Wortlaut des § 102 Abs. 4 SGB IX bei Vorliegen der Voraussetzungen einen Anspruch auf Kostenübernahme, sofern Mittel aus der Ausgleichsabgabe hierfür zur Verfügung stehen, während das Integrationsamt Leistungen nach § 102 Abs. 3 SGB IX gemäß dem Gesetzeswortlaut lediglich erbringen "kann".

Das Bestehen eines - hier streitgegenständlichen - Anspruchs nach § 102 Abs. 4 SGB IX setzt voraus, dass ein schwerbehinderter Mensch im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz begehrt. Das Gesetz definiert weder den Begriff der Arbeitsassistenz noch lässt sich ihm entnehmen, wann eine Arbeitsassistenz "notwendig" im Sinne des § 102 Abs. 4 SGB IX ist. Von der Ermächtigung in § 108 SGB IX zum Erlass einer Verordnung zur Regelung der Voraussetzungen sowie der Höhe, Dauer und Ausführung der Arbeitsassistenz hat der Gesetzgeber bislang keinen Gebrauch gemacht. Daher ist unter "Arbeitsassistenz" nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte in Anlehnung an die insoweit zutreffenden Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen die über gelegentliche Handreichungen hinausgehende, zeitlich wie tätigkeitsbezogen regelmäßig wiederkehrende Unterstützung von Schwerbehinderten bei der Arbeitsausführung in Form einer von ihnen beauftragten persönlichen Arbeitsplatzassistenz im Rahmen der Erlangung oder Erhaltung eines Arbeitsplatzes auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verstehen (vgl. nur VG Bremen, U.v. 26.5.2009 - 5 K 3056/07 - juris Rn. 19; VG Minden, B.v. 11.8.2014 - 6 K 314/14 - juris Rn. 9; Ziffer 2.1 der Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX, Stand: 15. April 2014). Als "notwendig" sind wiederum diejenigen Kosten anzusehen, die entstehen, um den Bedarf für eine Arbeitsassistenz zu decken, die - dem Zweck der Regelung entsprechend - den behinderungsbedingten Unterstützungsbedarf bei der Bewältigung des beruflichen Alltags ausgleicht, wobei auf die Besonderheiten des konkreten Einzelfalls abzustellen ist (OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 18.5.2011 - OVG 6 B 1.09 - juris Rn. 14; VG Saarland, U.v. 8.4.2014 - 3 K 940/13 - juris Rn. 19). Demnach ist eine Arbeitsassistenz "notwendig" im Sinne des § 102 Abs. 4 SGB IX, wenn dem schwerbehinderten Menschen erst durch eine Arbeitsassistenz eine den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes entsprechende, d. h. wettbewerbsfähige Erbringung der jeweils arbeitsvertraglich bzw. dienstrechtlich geschuldeten Tätigkeit ermöglicht wird (vgl. so auch zutreffend Ziffer 2.2 der Empfehlungen des BIH für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX, Stand: 15. April 2014). Indem hierbei auf die individuelle vertraglich bzw. dienstrechtlich geschuldete Tätigkeit abgestellt wird, kommt zum Ausdruck, dass die im konkreten Einzelfall erheblichen Merkmale der Arbeitsleistung für die Bestimmung des "notwendigen" Umfangs der Arbeitsassistenz maßgeblich sind (VG München, U.v. 28.7.2010 - M 18 K 10.2468 - juris Rn. 30). Diese Auslegung entspricht auch § 33 Satz 1 SGB I, der für alle Bereiche des Sozialgesetzbuches gilt. Danach sind bei der Ausgestaltung von Rechten oder Pflichten, deren Inhalt nach Art oder Umfang nicht im Einzelnen bestimmt ist, die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Entgegenstehende Rechtsvorschriften - insbesondere des SGB IX - sind insoweit bezogen auf Ansprüche nach § 102 Abs. 4 SGB IX nicht ersichtlich (vgl. VG München, U.v. 28.7.2010 - M 18 K 10.2468 - juris Rn. 30). Es kommt mithin auch bei Selbstständigen, deren Tätigkeit nicht arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich festgelegt ist, bezogen auf den Einzelfall darauf an, ob der Schwerbehinderte ohne eine Arbeitsassistenz nicht in der Lage ist, seine berufliche Tätigkeit so wahrzunehmen, wie es den Zielsetzungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben gemäß § 102 Abs. 2 SGB IX entspricht. Nach den dort niedergelegten Grundsätzen soll die Hilfeleistung ermöglichen, dass sich der schwerbehinderte Mensch im Wettbewerb mit nicht behinderten Menschen behaupten kann und seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechend beruflich tätig ist. Die begleitende Hilfe soll verhindern, dass der schwerbehinderte Mensch in seiner sozialen Stellung absinkt. Dem Begriff der Arbeitsassistenz ist dabei immanent, dass ein Anspruch lediglich auf eine unterstützende, gezielt den behinderungsbedingten Nachteil ausgleichende Arbeitskraft gerichtet sein kann, wobei die Arbeit im Kern vom schwerbehinderten Mensch selbst geleistet werden muss (OVG Bremen, U.v. 29.6. 2011 - 2 A 159/10 - juris Rn. 43; VG Saarland, U.v. 8.4.2014 - 3 K 940/13 - juris Rn. 19). Demnach kommt die Übernahme von Kosten einer Arbeitsassistenz nur insoweit in Betracht, als durch die Tätigkeit der Assistenzkraft ein durch die Behinderung bedingter Nachteil gegenüber Nichtbehinderten ausgeglichen wird. Dagegen dient die begleitende Hilfe nicht dazu, Schwerbehinderten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Nichtbehinderten zu verschaffen (VG Augsburg, U.v. 9.10.2012 - Au 3 K 11.1545 - juris Rn. 34 m. w. N.; VG Minden, B.v. 11.8.2014 - 6 K 314/14 - juris Rn. 23).

Gemessen an diesem Maßstab gehört der Kläger zwar grundsätzlich zum Kreis der nach § 102 Abs. 4 SGB IX Anspruchsberechtigten. Denn er ist als Gehörloser mit einem Grad der Behinderung von 100 und Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland schwerbehindert gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX. Die vom Kläger begehrte Leistung nach § 102 Abs. 4 SGB IX ist den Leistungen zuzuordnen, die der dauerhaften Sicherung der Teilhabe des Klägers am Arbeitsleben entsprechend seinen Neigungen und Fähigkeiten dienen (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 3, § 102 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX). Im Hinblick auf seine selbstständige Tätigkeit besteht auch kein (vorrangiger) Anspruch gegen einen Rehabilitationsträger nach § 6 SGB IX. Zudem handelt es sich bei einem regelmäßig eingesetzten Gebärdensprachmittler für einen gehörlosen Selbstständigen um eine Arbeitsassistenz im dargestellten Sinne.

Allerdings erweist sich eine solche Arbeitsassistenz im Falle des Klägers nicht in einem über den mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Februar 2014 gewährten hinausgehenden Umfang als notwendig im Sinne des § 102 Abs. 4 SGB IX.

Bei der Bestimmung des Umfangs, in dem für den Kläger eine Arbeitsassistenz in Form eines Gebärdensprachmittlers notwendig ist, sind insbesondere folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

Streitgegenstand ist lediglich der Umfang einer notwendigen Arbeitsassistenz in Form eines Gebärdensprachmittlers. Daher sind im Rahmen der Ermittlung des Umfangs der notwendigen streitgegenständlichen Arbeitsassistenz lediglich solche Vorgänge und Zeiten zu berücksichtigen, für die ein Hilfe- /Unterstützungsbedarf in Form einer solchen Arbeitsassistenz besteht. Keine Berücksichtigung finden dagegen Vorgänge und Zeiten, die sich auf einen Hilfe- bzw. Unterstützungsbedarf beziehen, der vom Integrationsamt in eigenständigen (wenn auch teilweise mit dem streitgegenständlichen in einem Schriftstück verbundenen) Verwaltungsakten beschieden wurde. Dies betrifft das dem Betrieb des Klägers ("... ...") mit Bescheid vom 18. Februar 2014 bewilligte zusätzliche Budget für den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern und den Betrag für technische Kommunikationshilfen ebenso wie die dem Kläger mit dem Bescheid vom 19. Februar 2014 bewilligte zusätzliche jährliche Pauschale für die Abdeckung des Bereitschaftsdienstes (Alarm außerhalb der Geschäftszeiten) in Höhe von 2.600,00 EUR sowie die Pauschale für Regiekosten. Zu den technischen Kommunikationshilfen zählen zum Beispiel die Dienste von ... und ... (vgl. Bescheid vom 18.2.2014); die technischen Kommunikationshilfen werden vom Kläger nach seinen Angaben im Antrag vom 10. Dezember 2013 sowohl zur Führung von Telefongesprächen (Telefondolmetschdienst) als auch für die Durchführung von Textkorrekturen (Schreibdienst) eingesetzt (vgl. Anlage zum Antrag des Klägers vom 10.12.2013, S. 5, Bl. 7 der Behördenakte).

Für die somit allein zu bewertende Arbeitsassistenz in Form eines Gebärdensprachmittlers gilt Folgendes: Für den Kernbereich der Tätigkeit des Klägers in seinem Ladengeschäft ist eine Arbeitsassistenz jedenfalls teilweise nötig. So ist davon auszugehen, dass für Kundengespräche, die keinen solchen Komplexitätsgrad erreichen, dass für sie erforderliche Sprachmittlungsleistungen über das mit Bescheid vom 18. Februar 2014 bewilligte zusätzliche Budget für (professionelle) Gebärdensprachdolmetscher abgewickelt werden, teilweise behinderungsbedingter Unterstützungsbedarf in Form eines Gebärdensprachmittlers besteht. Dieser Bedarf besteht allerdings nicht durchgehend. Denn eine Vielzahl von Verkaufsgesprächen wird eigenständig durch die beim Kläger angestellten Verkaufskräfte durchgeführt und der Kläger kann, soweit er Kunden- /Verkaufsgespräche selbst führt, diese zum Teil auch ohne Assistenz durchführen. Dies ergibt sich aus den im Rahmen von unangekündigten Besuchen getroffenen Feststellungen des Beklagten. Es fanden am 19. Oktober 2012, am 15. Januar 2013, am 29. Juli 2013, am 7. November 2013 und am 26. November 2013 und somit insgesamt fünf unangekündigte Ladenbesuche verteilt über einen Zeitraum von ca. 13 Monaten statt, deren Ergebnisse in Protokollen bzw.Aktenvermerken festgehalten wurden (Bl. 21 ff. der Behördenakte). Danach war der Kläger am 19. Oktober 2012 nicht im Laden sichtbar anwesend; die Bedienung und Beratung erfolgte durch eine Verkaufskraft. Am 15. Januar 2013 kam der Kläger ausweislich des entsprechenden Aktenvermerks während des Verkaufsgesprächs mit einer Verkaufskraft in den Laden, beteiligte sich jedoch nicht an der Beratung. Am 29. Juli 2013 wurde ein Mitarbeiter des Integrationsamts laut Aktenvermerk durch den Kläger persönlich bedient, eine Assistenzkraft sei nicht anwesend gewesen. Ein anderer Kunde habe einen Zettel dabei gehabt, auf dem er notiert hätte, was er benötigte. Ausweislich des Protokolls vom 9. November 2013 zu einem unangekündigten Ladenbesuch am 7. November 2013 beriet der Kläger zum Beobachtungszeitpunkt eine Frau am Haupttresen, bewegte hierbei die Lippen und die zu beratende Person stellte Fragen. Unter Hinzunahme eines Katalogs etc. sei die Beratung fortgesetzt worden, während eine weitere Verkaufskraft eigenständig andere Kunden bedient habe. Nach Beendigung der Beratung durch den Kläger habe dieser sich an wartende weitere Kunden gewandt. Es sei nicht zu erkennen gewesen, dass der Kläger die Hilfe der anwesenden Mitarbeiterin in Anspruch genommen hätte oder hätte nehmen müssen. Ausweislich des Vermerks über den Besuch am 26. November 2013 kommunizierte der Kläger mit einer Kundin, ohne dass eine "wie auch immer geartete Dolmetscherin" notwendig war. Nachdem die Kundin den Laden bereits verlassen hatte, sei eine neu eintretende Kundin eigenständig durch eine beim Kläger angestellte Verkäuferin beraten worden. Dann sei die Verkäuferin mit der Kundin zur Kassentheke gekommen, an der der Kläger gestanden habe. Dieser habe die Kundin abkassiert. Bevor die Kundin den Laden verlassen habe, hätten sich die Kundin und der Kläger noch unterhalten. Die angestellte Verkäuferin sei nicht zugegen gewesen, um Hilfe bei der Kommunikation zu leisten. Es habe auch kein Austausch von Geschriebenem stattgefunden. Die Verkäuferin und der Kläger hätten unabhängig voneinander agiert und eine Unterstützungsleistung (Kommunikationshilfe) habe während der gesamten Zeit nicht stattgefunden. Auch ein Austausch von Zetteln oder sonstigen unterstützenden Hilfsmitteln, die ein Dolmetschen überflüssig machen würden, sei nicht zu erkennen gewesen. Besondere Schwierigkeiten beim Umgang mit Kunden hätten nicht festgestellt werden können.

Diese im Rahmen unangekündigter Ladenbesuche gewonnenen Erkenntnisse durfte das Gericht ebenso wie der Beklagte auch verwerten. Weder die Erhebung dieser Tatsachen an sich noch die Art der Erhebung stehen einer Verwertung entgegen, da sie im Einklang mit der Rechtsordnung, mithin rechtmäßig erfolgten. Dies ergibt sich aus § 20 Abs. 1, § 21 Abs. 1 SGB X. Nach § 20 Abs. 1 SGB X ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen (Satz 1). Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden (Satz 2). Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X bedient sich die Behörde der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen, Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen, Urkunden und Akten beiziehen, den Augenschein einnehmen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1-4 SGB X). Mithin bestimmt die Behörde - orientiert am Verfahrensgegenstand und am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - nach pflichtgemäßem Ermessen Art und Umfang der Ermittlungen (Fichte in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann (Hrsg.), Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl. 2011, § 20 SGB X Rn. 5). Bei der Ermittlungsintensität soll sie sich von der objektiven Notwendigkeit der Aufklärung leiten lassen (Fichte in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann (Hrsg.), Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl. 2011, § 20 SGB X Rn. 5). Damit gesteht die Vorschrift der Behörde einen großen Ermessensspielraum zu. Sie ist insbesondere nicht auf bestimmte Beweismittel oder Beweiserhebungsverfahren beschränkt. Allerdings werden der Untersuchungsgrundsatz und die Wahl der Ermittlungsmethode durch die für alle Verwaltungsverfahren und -handlungen geltenden rechtsstaatlichen Grundsätze (Art. 20 Abs. 3 GG), insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung begrenzt (Fichte in: Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann (Hrsg.), Kommentar zum Sozialrecht, 2. Aufl. 2011, § 20 SGB X Rn. 5, 10).

Die streitgegenständlichen Ermittlungen des Integrationsamts genügen den dargestellten Anforderungen. Dies gilt auch für die unangekündigten Ladenbesuche. Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass die behördliche Entscheidung, diese durchzuführen, bzw. deren vorherige interne Abstimmung und diesbezügliche Anordnungen oder "Beauftragungen" der Mitarbeiter nicht in den dem Gericht vorliegenden Behördenakten dokumentiert sind. Unabhängig davon, ob diesbezüglich überhaupt Dokumentationsvorgaben anzunehmen sind, ist dies jedoch unschädlich, da allein ein Verstoß gegen etwaige Dokumentationspflichten jedenfalls dann nicht zu einem Verwertungsverbot zu führen vermag, wenn dennoch hinreichend (gerichtlich) überprüfbar ist, dass die gesetzlichen Anforderungen der §§ 20, 21 SGB X und die allgemein geltenden rechtsstaatlichen Grundsätze, insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei den Ermittlungsmaßnahmen gewahrt wurden. So liegt der Fall hier. Denn das Gericht vermag aufgrund der in der Behördenakte vorhandenen Berichte und Vermerke über die durchgeführten unangekündigten Ladenbesuche auch ohne Dokumentation der Entscheidung, diese durchzuführen, selbst oder diesbezüglicher Anweisungen oder "Aufträge" an Mitarbeiter hinreichend nachzuprüfen, ob die dargestellten Grundsätze bei den im Streit stehenden Ermittlungen eingehalten wurden. Letzteres ist zu bejahen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Die Durchführung unangekündigter Ladenbesuche zur Prüfung des Bedarfs des Klägers erweist sich als verhältnismäßig. Legitimes Ziel der Ermittlungen war die (weitere) Sachverhaltsaufklärung und -überprüfung, um die notwendige Grundlage für die behördliche Entscheidung über das Begehren des Klägers zu schaffen. Es ist auch nicht erkennbar, dass das Integrationsamt diese Ermittlungen aus sachfremden oder willkürlichen Gründen durchgeführt hätte. Die Ermittlungen waren zudem geboten und erforderlich. Denn die Frage, in welchem Umfang der Kläger eine Arbeitsassistenz benötigt, bedurfte der Aufklärung und es war kein milderes, gleich effektives Mittel ersichtlich, um in diesem Zusammenhang die Frage, inwieweit der Kläger bei Kundengesprächen auf eine Arbeitsassistenz zurückgreift bzw. auf eine solche angewiesen ist, zu klären. Insbesondere bilden weder die Einholung von Auskünften des Klägers und /oder seiner Angestellten noch angekündigte Ladenbesuche ein gleich effektives Mittel, weil unangekündigte Ladenbesuche ein objektiveres, umfassenderes und damit realistischeres Bild zu vermitteln vermögen und bei ihnen das Risiko einer subjektiven, einseitigen Darstellung geringer ist. Zudem waren die Ermittlungen auch angemessen. Das öffentliche Interesse an einer umfassenden, wahrheitsgemäßen Sachverhaltsaufklärung, um Ansprüche zutreffend beurteilen zu können und dadurch eine übermäßige Belastung öffentlicher Haushalte durch ungerechtfertigte Leistungsansprüche zu vermeiden sowie eine ordnungsgemäße bzw. möglichst gerechte Verteilung der begrenzten Mittel aus der Ausgleichsabgabe sicherzustellen, überwiegt das hiergegen abzuwägende private Interesse des Klägers an dem Schutz seiner Rechtsgüter, hier dem ungestörten Geschäftsbetrieb und der Freiheit von staatlicher Beobachtung, da die Beobachtungen sowohl qualitativ als auch quantitativ angebracht waren und das unbedingt Erforderliche nicht überstiegen; Störungen des Geschäftsbetriebs durch die unangekündigten Besuche sind weder vorgetragen noch erkennbar.

Es liegt auch kein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch eine sonstige Rechtsverletzung (insbesondere Grundrechtsverletzung) vor. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wird bezogen auf Sozialdaten einfachgesetzlich durch § 67a SGB X ausgeformt. Gemäß § 67a Abs. 1 Satz 1 SGB X ist das Erheben von Sozialdaten durch in § 35 SGB I genannte Stellen zulässig, wenn ihre Kenntnis zur Erfüllung einer Aufgabe der erhebenden Stelle nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist. Ohne Mitwirkung des Betroffenen dürfen solche Daten nur nach Maßgabe des § 67a Abs. 2 SGB X erhoben werden.

Ob die Voraussetzungen für die Erhebung von Sozialdaten eingehalten wurden, kann dahinstehen. Denn die beobachteten Verhältnisse stellen weder Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X noch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 2 SGB X dar. Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind Sozialdaten Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener), die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach diesem Gesetzbuch erhoben, verarbeitet oder genutzt werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 SGB X alle betriebs- oder geschäftsbezogenen Daten, auch von juristischen Personen, die Geheimnischarakter haben. Sie stehen gemäß § 35 Abs. 4 SGB I Sozialdaten gleich. Diese Voraussetzungen treffen auf den im Rahmen der streitgegenständlichen unangekündigten Ladenbesuche beobachteten Ablauf von Verkaufs- /Beratungsvorgängen in dem öffentlich zugänglichen Ladenraum des Klägers nicht zu. Die Frage, wie Verkaufs- /Beratungsvorgänge im Ladengeschäft des Klägers durchgeführt werden, betrifft eine Frage der Arbeitsorganisation und Betriebsabläufe des klägerischen Geschäfts und ist daher betriebsbezogen. Betriebsbezogene Verhältnisse stellen allerdings grundsätzlich keine Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar. Dies ergibt sich daraus, dass § 35 Abs. 4 SGB I Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Sozialdaten gleichstellt. Dies wäre nicht erforderlich, wenn betriebs- und geschäftsbezogene Verhältnisse bereits Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB X darstellen würden. Somit findet § 67a SGB X allenfalls dann Anwendung auf die inmitten stehenden "verdeckten" Ermittlungen, wenn die betriebs- und geschäftsbezogenen Verhältnisse, die beobachtet wurden, Geheimnischarakter hatten. Dies ist nicht der Fall. Vorgängen in einem der Allgemeinheit zugänglichen Raum - hier dem Ladenraum des klägerischen Geschäfts - kommt schon deshalb kein Geheimnischarakter zu, weil es an ihrer Abschirmung durch besondere Vorkehrungen fehlt und sie daher einem unbegrenzten Personenkreis, d. h. dem Augenschein durch jedermann zugänglich sind (vgl. zur (verneinten) Vertraulichkeit personenbezogener Informationen bei Beobachtung von Sozialhilfeempfängern in einer öffentlichen Gaststätte durch eine vom Sozialhilfeträger beauftragte Detektei VG Frankfurt, U.v. 26.8.2002 - 3 E 2297/98 - juris Rn. 65 f.). Geheimnischarakter kommt aber nur solchen auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umständen und Vorgängen zu, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat (vgl. BVerfG, B.v. 14.3.2006 - 1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03 - juris Rn. 87). Somit wurden im Rahmen der durchgeführten unangekündigten Besuche weder Sozialdaten noch Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse im Sinne der §§ 67, 67a SGB X erhoben. Daher verstoßen die durchgeführten unangekündigten Besuche nicht gegen § 67a SGB X.

Es sind auch keine anderen datenschutzrechtlichen oder sonstigen Rechtsverletzungen vorgetragen oder erkennbar, die zu einem Verwertungsverbot bezüglich der im Rahmen dieser Besuche festgestellten Tatsachen führen würden. Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Klägerseite angeführten Urteil des Oberverwaltungsgerichts Thüringen vom 25. November 2010 - 3 KO 527/08 -; der Sachverhalt, der dieser Entscheidung zugrunde lag, ist nicht mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt vergleichbar. Gegenstand des vorgenannten Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht Thüringen waren Ermittlungsmaßnahmen eines Außendienstmitarbeiters der beklagten Behörde in Form der Beobachtung von Kontakten der Klägerin mit dem Vater ihrer Kinder in und außerhalb ihrer Wohnung sowie diesbezüglichen Befragungen dritter Personen ohne Willen oder Kenntnis der Klägerin mit dem Ziel, das Bestehen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu überprüfen. Diese Ermittlungsmaßnahmen, die somit Sozialdaten im Sinne des § 67 Abs. 1 SGB X aus dem Bereich der Privat- und Intimsphäre der beobachteten Klägerin betrafen, prüfte das Oberverwaltungsgericht am Maßstab des § 62 SGB VIII.

Soweit der Kläger meint, die beobachteten Verkaufs- oder Beratungsvorgänge würden nicht hinreichend vollständig beschrieben und die Beobachtenden seien auch offenbar nicht in der Lage gewesen, die Vorgänge vollständig und zutreffend wahrzunehmen und zu erfassen, ist dies - wovon zu Recht auch die Klägerseite ausgeht - keine Frage der Verwertbarkeit der Ergebnisse der durchgeführten unangekündigten Besuche, sondern eine Frage von deren Aussagekraft und daher ggf. im Rahmen von deren Bewertung durch das Gericht zu berücksichtigen.

Vorliegend ergibt sich aus den Vermerken zu den unangekündigten Ladenbesuchen am 19. Oktober 2012, am 15. Januar 2013, am 29. Juli 2013, am 7. November 2013 und am 26. November 2013 zur Überzeugung des Gerichts, dass eine Vielzahl von Verkaufsgesprächen eigenständig durch die beim Kläger angestellten Verkaufskräfte durchgeführt wird und der Kläger darüber hinaus Kunden- /Verkaufsgespräche auch unter Berücksichtigung seiner behinderungsbedingten (Kommunikations-) Einschränkungen zum Teil auch ohne Assistenz durchführen kann. Dem ist der Kläger nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten. Das Gericht teilt auch nicht die pauschal erhobene Behauptung des Klägers, die Beobachter seien offenbar nicht in der Lage gewesen, die Vorgänge vollständig und zutreffend wahrzunehmen. Hierfür vermag das Gericht keine Anhaltspunkte zu erkennen. Dies gilt auch für Beobachtungen, die durch die Schaufensterscheiben des klägerischen Ladens gemacht wurden. Diese Beobachtungen sind entsprechend als solche gekennzeichnet und enthalten lediglich Tatsachen, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch durch eine Schaufensterscheibe deutlich zu erkennen sind (z. B. welche Person sich in welchem Ladenbereich aufhält oder dass Lippen bewegt werden). Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf den Vermerk über den Ladenbesuch am 7. November 2013 die Ansicht vertritt, den Vermerken könne nicht entnommen werden, dass keine Unterstützungsleistungen stattgefunden hätten, weil und soweit es in den Vermerken lediglich heißt, dass solche Unterstützungsleistungen nicht zu erkennen gewesen seien, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Insoweit ist nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Vielmehr ist auch der Gesamtkontext der Angaben zu berücksichtigen. Aus diesem ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts unmissverständlich, dass keine Unterstützungsleistungen seitens der Verkaufskräfte stattfanden. Dem steht der allgemeine Sprachgebrauch nicht entgegen. So wird im Vermerk über den Ladenbesuch vom 7. November 2013 zunächst geschildert, dass der Kläger und eine Mitarbeiterin des Klägers unabhängig voneinander Kunden berieten und sich nach Beendigung des jeweiligen Beratungs- /Verkaufsvorgangs weiteren Kunden zuwandten, ohne zwischenzeitlich Kontakt miteinander aufzunehmen. Hierbei standen der Kläger und seine Mitarbeiterin ausweislich des Vermerks an unterschiedlichen Tresen im Geschäft. An diese Schilderungen anschließend heißt es dann, dass nicht erkennbar gewesen sei, dass der Kläger die Hilfe der anwesenden Mitarbeiterin in Anspruch hätte nehmen müssen und auch genommen habe. Wie die Mitarbeiterin in der geschilderten Situation (unterschiedliche Tresen, gleichzeitige Beratung unterschiedlicher Kunden) dem Kläger Kommunikationshilfe hätte leisten sollen, ohne dass dies nach außen erkennbar geworden wäre, ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass es sich bei den in den Vermerken über die unangekündigten Ladenbesuche jeweils genannten weiteren Verkaufspersonen nicht um solche handelt, die zugleich als Assistenzkraft tätig werden, führt dies zu keiner anderen Bewertung der Tatsachen. Denn auch auf Grundlage dieser Unterstellung ergibt sich aus den in den Vermerken geschilderten Situationen, dass der Kläger Verkaufs- /Beratungsgespräche ohne Assistenz durchführte. Selbst wenn es sich bei der jeweils anwesenden Verkaufskraft nicht zugleich um eine Assistenzkraft gehandelt haben sollte, hätte es nahegelegen, die Verkaufskraft zur Unterstützung in das jeweilige Gespräch des Klägers einzubeziehen oder ihr das Gespräch mit dem Kunden zu überlassen, wenn der Kläger nicht zur eigenständigen Gesprächsführung in der Lage gewesen wäre. Dass dies nicht geschah, spricht dafür, dass der Kläger auch alleine in der Lage war, ein möglicherweise subjektiv nicht als optimal empfundenes, aber für die Durchführung der (Verkaufs-) Beratung objektiv ausreichendes Gesprächsniveau herzustellen. Dies gilt jedenfalls im Hinblick auf Situationen, in denen eine Mitarbeiterin anwesend war und keine eigene Kundschaft bediente, also ohne weiteres hätte zur Unterstützung oder Gesprächsübernahme herangezogen werden können, aber der Kläger dennoch eigenständig und ohne Unterstützung mit der Kundschaft kommunizierte (vgl. Vermerk vom 9. November 2013 letzter Absatz, Vermerk über den Besuch am 26. November 2013, Bl. 23, 24 der Behördenakte).

Aus alledem ergibt sich, dass für Kundengespräche des Klägers nicht stets ein Sprachmittler nötig ist. Dies ist bei der Bestimmung des Umfangs, in dem eine Arbeitsassistenz notwendig ist, zu berücksichtigen. Außerdem zu berücksichtigen ist, dass für Gespräche des Klägers mit unangekündigter Kundschaft einschließlich Laufkundschaft notwendige Hilfeleistungen spontan anfallen und daher zeitlich nicht oder nur äußerst schwer kalkulierbar sind, so dass sich der Betreuungsbedarf des Klägers insoweit nicht auf bestimmte Zeiten seiner Arbeitszeit eingrenzen lässt. Gleichzeitig macht die Summe der auf den Arbeitstag verteilten tatsächlich anfallenden Hilfeleistungen bei Verkaufsgesprächen ausweislich der Angaben des Klägers in seinem Assistenztagebuch 2012 nur einen Teil der regelmäßigen Arbeitszeit des Klägers aus. Allerdings sind diese Hilfeleistungen - wie ausgeführt - in der Regel in zeitlicher Hinsicht nicht kalkulierbar bzw. planbar. Dies vermag jedoch die ständige Anwesenheit einer Assistenzkraft während der Arbeitszeiten des Klägers nicht zu rechtfertigen. Denn es besteht jedenfalls aufgrund der vom Kläger gewählten Arbeits- und Sprachmittlerorganisation kein (Bereitschafts-) Assistenzbedarf während der gesamten Zeit seiner Anwesenheit und Tätigkeit im Ladengeschäft. Der Kläger setzt ein und dieselben Personen sowohl als Verkaufs- als auch als Assistenzkräfte ein. Dies erlaubt einerseits flexible Wechsel zwischen diesen Tätigkeiten und vermeidet dadurch das Entstehen von Zeiträumen, in denen die Assistenzkräfte keine tatsächliche Hilfe bezogen auf die Behinderung des Klägers leisten, sondern lediglich auf ihren Einsatz als Assistenz des Klägers warten. Andererseits erfordert der Einsatz von Personen sowohl als Verkäufer/innen im Geschäft des Klägers als auch als dessen Assistenzkräfte eine klare Trennung der Tätigkeiten und ihrer Finanzierung. Nur so kann eine Verwendung der Ausgleichsabgabe für nicht behinderungsbedingte Aufwendungen vermieden werden, die dem Zweck der Leistungen an Behinderte nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch zuwiderliefe, da diese lediglich dazu bestimmt sind, die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft von behinderten und von Behinderung bedrohten Menschen zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken (vgl. § 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 SGB IX). In den Zeiträumen zwischen den behinderungsbedingten Unterstützungsleistungen warten die Assistenzkräfte des Klägers nicht bloß auf ihren Einsatz als Assistenzkraft, sondern sind anderweitig - nämlich als Verkaufskräfte - für den Kläger tätig. Im Hinblick darauf, dass die Hilfe nach § 102 Abs. 4 SGB IX nicht dazu dient, den Kläger besser als nicht behinderte Geschäftsinhaber zu stellen, sondern lediglich seine Behinderung ausgleichen soll, sind solche Wartezeiten der Verkaufs-, nicht der Assistenztätigkeit zuzuordnen. Daher sind von den Zeiten, die eine Assistenzkraft im Geschäftsladen des Klägers tätig ist, nur diejenigen Zeitabschnitte bei der Festlegung des notwendigen Assistenzumfangs zu berücksichtigen, in denen tatsächlich Assistenztätigkeiten ausgeführt werden, d. h. in denen die Assistenzkraft tatsächlich als solche tätig ist. Dies stellt auch keinen Verstoß gegen Verfassungsrecht, etwa das Grundrecht der freien Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) oder der Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), die auch die wirtschaftliche Handlungsfreiheit schützt, dar. Insbesondere liegt hierin (in der Begrenzung der Übernahme der Kosten der Assistenzkraft auf die tatsächlich notwendigen) kein Eingriff in die Berufs- oder Unternehmerfreiheit des Klägers, etwa seine Personal- und Organisationshoheit. Dem Kläger steht es trotz der Begrenzung der Übernahme der Kosten der Arbeitsassistenz auf die tatsächlich notwendigen frei, so viel Personal einzustellen oder nicht einzustellen, wie er möchte. Er muss dann lediglich die Personalkosten - wie jeder andere Arbeitgeber auch - selbst tragen. Denn die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte wirtschaftliche Handlungsfreiheit allein begründet ebenso wenig wie Art. 12 Abs. 1 GG für sich allein Leistungsansprüche (vgl. BVerfG, B.v. 12.6.1990 - 1 BvR 355/86 - juris Rn. 62, BVerfGE 82, 209; VG Augsburg, U.v. 13.3.2012 - Au 3 K 11.1280 - BeckRS 2012, 52090 Rn. 24 m. w. N.). Der Kläger kann die begehrte Leistung daher auch nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten verlangen.

Ferner ist bei der Bestimmung des notwendigen Assistenzbedarfs des Klägers zu berücksichtigen, dass die Aufgaben des Klägers zum Teil durch arbeitsorganisatorische Maßnahmen konzentriert und der Umfang, in dem eine Arbeitsassistenz notwendig ist, hierdurch reduziert werden kann. Können Hilfeleistungen durch - mit verhältnismäßigem Aufwand durchführbare - arbeitsorganisatorische Maßnahmen in der Weise aufgefangen werden, dass sich der Unterstützungsbedarf des schwerbehinderten Menschen auf bestimmte Zeiten seiner Arbeitszeit eingrenzen lässt, erscheint der Mehrbedarf, der durch die Unterlassung solcher arbeitsorganisatorischen Maßnahmen entsteht, nicht als notwendig im Sinne des § 102 Abs. 4 SGB IX, weil er nicht unerlässlich oder zumindest erforderlich ist, um dem schwerbehinderten Menschen die Verrichtung seiner Arbeit zu ermöglichen, sondern auf eine mangelhafte Arbeitsorganisation zurückzuführen ist. Es erscheint auch unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht sachgerecht, einem schwerbehinderten Menschen allein deshalb eine höhere Hilfeleistung zu gewähren als einem anderen schwerbehinderten Menschen in der gleichen Situation, weil er seinen Betrieb im Hinblick auf seine behinderungsbedingten Bedürfnisse weniger effizient organisiert, obwohl eine andere Organisation möglich und mit angemessenem Aufwand erreichbar wäre. Dies stünde einem selbstständigen schwerbehinderten Menschen zwar im Hinblick auf seine unternehmerische Entscheidungsfreiheit frei; dann hätte er jedoch auch die hierauf zurückzuführenden Mehrkosten selbst zu tragen. Schließlich fördert dies auch die Eigenverantwortlichkeit schwerbehinderter Menschen als Gegenstück der ausdrücklich als Ziel der Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch normierten Selbstbestimmung schwerbehinderter Menschen (§ 1 Satz 1 SGB IX; vgl. auch § 4 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX, wonach die Leistungen zur Teilhabe die notwendigen Sozialleistungen umfassen, um unabhängig von der Ursache der Behinderung unter anderem eine möglichst selbstständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern).

Arbeitsorganisatorische Maßnahmen im dargestellten Sinne wären im Fall des Klägers zum Beispiel bei eingehenden Anrufen die Schaltung eines Anrufbeantworters oder die Entgegennahme durch Verkaufskräfte und Vereinbarung von Gesprächsterminen für Zeiten, in denen eine Assistenz zur Verfügung steht, oder die Notierung der Telefonnummer und Rückruf über einen Telekommunikationsdienst für Hörbehinderte, das Angebot von Kundenberatungsgesprächen nach Vereinbarung, soweit dies - etwa bei aufwendigen Aufträgen im Gegensatz zu (kleinen) Spontankäufen - möglich ist. Dass eine solche Konzentration von Arbeiten, für die eine Arbeitsassistenz benötigt wird, im Fall des Klägers arbeitsorganisatorisch auch möglich und dem Kläger zuzumuten ist, ohne ihn oder die bei ihm angestellten Arbeitskräfte übermäßig zu belasten, ergibt sich aus der klägerischen Verfahrenspraxis in der Vergangenheit. So heißt es in der Stellungnahme des Integrationsfachdienstes vom 2. November 2003, dass eine beim Kläger beschäftigte Verkäuferin das Telefon bediene, während sie im Geschäft sei. Anfragen von Vertretern und Reklamationen terminiere sie in den Nachmittag, wenn die Arbeitsassistenz anwesend sei. Dass sich das Geschäft des Klägers zwischenzeitlich derart geändert hat, dass dies nunmehr nicht mehr möglich sein sollte, ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat zwar vortragen lassen, dass von einem Geschäftsführer "selbstverständlich" erwartet werde, dass sein Geschäft und er möglichst umfassend erreichbar seien. Unabhängig davon, ob eine solche Erwartungshaltung in Bezug auf Geschäfte von der Größe des klägerischen tatsächlich besteht, folgt hieraus jedoch nicht, dass eine ständige Anwesenheit einer Arbeitsassistenz notwendig ist. Zum einen ist eine möglichst umfassende Erreichbarkeit nicht mit einer durchgehenden Erreichbarkeit gleichzusetzen; zum anderen ist nicht erkennbar, dass dem Kläger - selbst die vorstehende Erwartungshaltung unterstellt - ein messbarer Nachteil dadurch entstehen würde, telefonische Anfragen nicht sofort, sondern erst im Laufe des Tages ihres Eingangs zu beantworten, sobald die Arbeitsassistenz eintrifft, zumal dringende Telefonate mithilfe der technischen Kommunikationshilfen (in Form der Telefondolmetschdienste) auch sofort durchgeführt werden können. Dass die Dolmetscher der Telefondolmetschdienste den Betrieb des Klägers nicht, jedenfalls nicht so gut wie seine (ständige) Arbeitsassistenz kennen mögen, steht dem nicht entgegen. Die Kenntnis des klägerischen Betriebs mag zwar die Übersetzung erleichtern, notwendig ist sie hierfür jedoch nicht, weil Arbeitsassistenzkräfte im Sinne des § 102 Abs. 4 SGB IX reine Unterstützungstätigkeiten ausüben, um gezielt den behinderungsbedingten Nachteil auszugleichen. Im Falle der Gehörlosigkeit dienen Assistenzkräfte bei Durchführung von Telefonaten also - bildlich gesprochen - im Wesentlichen lediglich als "Sprachrohr" und "Ohr" des schwerbehinderten Menschen, während der Schwerbehinderte die Arbeit im Kern, d. h. die Bestimmung und Ausgestaltung des Gesprächsinhalts, selbst leisten muss. Nur für diese inhaltliche Gesprächsführung ist aber eine Kenntnis des klägerischen Betriebs notwendig. Dass in dem Tätigkeitsbereich des Klägers für reine Dolmetscher- und Übersetzungsleistungen, zu denen denknotwendig auch ggf. erforderliche grammatikalische Anpassungen gehören, regelmäßig die Kenntnis einer besonderen Fachsprache notwendig wäre, ist weder vom Kläger vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Soweit im Rahmen entsprechender arbeitsorganisatorischer Maßnahmen Tätigkeiten anfallen, die der Kläger nicht selbst ausführen kann, wie die Entgegennahme von Anrufen und die Vereinbarung von Gesprächsterminen (sofern nicht ein Anrufbeantworter geschaltet wird), handelt es sich um gelegentliche Handreichungen, die mit Hilfe der Arbeitskräfte des Klägers abgewickelt und organisiert werden können, ohne diese übermäßig zu beanspruchen. Derartige Hilfsdienste vermögen nicht die Notwendigkeit einer Arbeitsassistenz zu begründen. Denn diese ist - wie bereits ausgeführt - als eine über gelegentliche Handreichungen hinausgehende, zeitlich wie tätigkeitsbezogen regelmäßig wiederkehrende Unterstützung von schwerbehinderten Menschen bei der Arbeitsausführung durch den schwerbehinderten Menschen selbst zu definieren. Dies trifft auf die vorgenannten Tätigkeiten nicht zu.

Ferner können aufgrund des verstärkten Einsatzes elektronischer Kommunikationsmittel Vorgänge, in deren Rahmen man früher Gespräche hätte führen müssen, auch elektronisch, d. h. ohne mündliche Kommunikation, durchgeführt werden. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass der Kläger aufgrund behinderungsbedingter mangelhafter Grammatikkenntnisse der deutschen Schriftsprache auch für den elektronischen Verkehr ausweislich der Stellungnahme des Integrationsfachdienstes vom 2. November 2003 Unterstützung benötigt, soweit er (Frei-) Texte abfassen muss, also zum Beispiel Korrespondenz elektronisch versenden möchte, für die nicht bloß auf vorbereitete standardisierte Schreiben bzw. Bausteine zurückgegriffen werden kann (vgl. auch Angaben des Klägers in der Anlage zu seinem Antrag vom 10.12.2013, S. 6, Bl. 8 der Behördenakte).

Konkrete Zahlen zur Bestimmung des Assistenzbedarfs des Klägers ergeben sich schließlich zum einen aus dem vom Kläger geführten Assistenztagebuch für das Jahr 2012, das der Kläger zum Beleg des von ihm begehrten Anspruchsumfangs im gerichtlichen Verfahren vorgelegt hat, und zum anderen aus der Stellungnahme des Integrationsfachdienstes vom 2. November 2003 und aus der Stellungnahme des Technischen Beratungsdienstes des Integrationsamts vom 23. Dezember 2011. Ausweislich des Assistenztagebuchs 2012, das der Kläger in dem Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 30. April 2012 führte, hat der Kläger seine Assistenzkräfte in dem vorgenannten Erfassungszeitraum in einem zeitlichen Umfang von durchschnittlich 5 Stunden und 25 Minuten täglich in Anspruch genommen. In der Stellungnahme vom 2. November 2003 heißt es, die (seinerzeitige) klägerische Angabe von 25-30 Stunden wöchentlich erscheine durchaus realistisch und angemessen, während die Stellungnahme vom 23. Dezember 2011 einen alltäglichen Assistenzbedarf von ca. zwei bis drei Stunden veranschlagt zuzüglich eines weiteren besonderen Bedarfs für professionelle Dolmetschereinsätze für nicht täglich anfallende Termine sowie Assistenzbedarf bei Messebesuchen und Fortbildungen und eines Bedarfs an Telefondolmetscherdienstleistungen.

Der Heranziehung der vorstehend aufgeführten Unterlagen und der Vermerke über Ladenbesuche in den Jahren 2012 und 2013 zur Ermittlung des Assistenzbedarfs des Klägers steht nicht entgegen, dass die Angaben sich auf Zeiträume beziehen, die vor dem Bewilligungszeitraum liegen. Auch soweit es sich um ältere Angaben handeln mag, können sie zur Bestimmung des (voraussichtlichen) Assistenzbedarfs im Bewilligungszeitraum (1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2015) herangezogen werden. Dies ergibt sich daraus, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich die Geschäftsabläufe des Klägers so wesentlich geändert hätten, dass die Darstellungen in den vorstehend aufgeführten Stellungnahmen und Dokumentationen die klägerische Situation nicht mehr angemessen abbilden würden. Vielmehr zieht selbst der Kläger zum Beleg seines Bedarfs Daten aus dem Jahr 2012 heran (Assistenztagebuch). Soweit sich Änderungen insbesondere aufgrund der Zunahme des elektronischen Kommunikations- /Geschäftsverkehrs ergeben haben mögen, führt dies nicht zu einer Erhöhung des Assistenzbedarfs, weil der Kläger zwar - wie bereits ausgeführt - zum Teil auch im Rahmen von elektronischer Kommunikation auf Unterstützung angewiesen ist, dies allerdings nach der Darstellung seiner behinderungsbedingten Schwierigkeiten in der deutschen Schriftsprache (vgl. Stellungnahme des Integrationsfachdienstes vom 2. November 2003; Angaben des Klägers in der Anlage zu seinem Antrag vom 10.12.2013, S. 6, Bl. 8 der Behördenakte) im Wesentlichen nur beim Abfassen solcher Freitexte, für die solide Kenntnisse in der Grammatik der deutschen Schriftsprache erforderlich sind. Da auch bei den (telefonischen, schriftlichen oder persönlichen) Kommunikationsvorgängen, die durch elektronische abgelöst wurden, jedenfalls bezogen auf den Umfang vergleichbarer Unterstützungsbedarf bestand, kann nach alledem nicht davon ausgegangen werden, dass die Zunahme der Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel zu einer Steigerung des Assistenzbedarfs geführt hat.

Eine Gesamtschau all dieser Umstände und Unterlagen ergibt zur Überzeugung des Gerichts, dass eine Arbeitsassistenz nicht über den gewährten Umfang hinaus notwendig im Sinne des § 102 Abs. 4 SGB IX ist. Ein weitergehender Bedarf konnte nicht festgestellt werden. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Technischen Beratungsdienstes des Integrationsamtes vom 23. Dezember 2011, die den zeitlichen Umfang des Unterstützungsbedarfs deutlich differenzierter nach den einzelnen Tätigkeiten des Klägers darstellt als die Stellungnahme des Integrationsfachdienstes vom 2. November 2003 und darüber hinaus bereits nach den für den Kläger bewilligten Leistungsarten aufgliedert (Einsatz von professionellen Gesprächsdolmetschern, "reguläre" Arbeitsassistenz, technische Kommunikationshilfen). Ein weitergehender Bedarf als derjenige, für den eine Assistenz mit dem streitgegenständlichen Bescheid bewilligt wurde, ergibt sich insbesondere nicht aus dem vom Kläger vorgelegten Assistenztagebuch. Denn aus diesem ergibt sich lediglich, in welchem zeitlichen Umfang der Kläger die Assistenzkräfte tatsächlich in Anspruch genommen hat, nicht dagegen, in welchem Umfang eine solche Assistenz auch notwendig war. Darüber hinaus lässt sich dieser Auflistung des Klägers nicht entnehmen, in welchem Umfang Unterstützungsleistungen, soweit sie tatsächlich notwendig gewesen sein mögen, bereits durch andere Leistungen des Beklagten abgedeckt werden. Dies gilt insbesondere für die Frage, in welchem Umfang die im Assistenztagebuch aufgelisteten Übersetzungen von Telefonaten auch durch technische Kommunikationshilfen hätten geleistet werden können und welche Tätigkeiten bereits durch den mit Bescheid vom 18. Februar 2014 gewährten Kostenzuschuss für den Einsatz eines (professionellen) Gebärdensprachdolmetschers abgedeckt werden (sollen). Letzteres betrifft insbesondere unregelmäßig anfallende, nicht dem typischen Alltagsgeschäft zuzuordnende Tätigkeiten wie die Begleitung von Journalistengesprächen, von Gesprächen über den Umbau des Ladens bzw. der Außenfassade, von Besuchen von Eröffnungsfeiern und Vorträgen zur Stadtentwicklung sowie deren Niederschrift.

Nach alledem ist eine Arbeitsassistenz im Falle des Klägers nicht in einem über den mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Februar 2014 gewährten hinausgehenden Umfang notwendig im Sinne des § 102 Abs. 4 SGB IX.

Auch gegen den von der Beklagtenseite zur Berechnung des bewilligten Budgets angesetzten Stundenlohn für die Assistenzkraft von 12,70 EUR bestehen keine Bedenken, die zu einer Erhöhung des bewilligten Budgets führen könnten. Tatsächlich geht der Kläger nach seinen letzten diesbezüglichen Angaben selbst von einem niedrigeren Stundenlohn aus, wie sich aus der Widerspruchsbegründung vom 14. September 2014 ergibt. Nachdem der Kläger bei Antragstellung ohne Vorlage entsprechender Nachweise zunächst 15,00 EUR brutto pro Stunde als adäquate Vergütung bezeichnet hatte (vgl. Anlage zum Antrag vom 10.12.2013, S. 4, Bl. 6 der Behördenakte), heißt es zuletzt in der Widerspruchsbegründung vom 14. September 2014 auf Seite 4 f. (Bl. 64 f. der Behördenakte), dass von einem Stundensatz von 8,93 EUR zuzüglich Lohnnebenkosten bzw. in Anlehnung an die Entgeltordnung des TV-L Entgeltgruppe 2 (einfache Tätigkeiten) von einem Stundensatz von 9,99 EUR zuzüglich 19,575% hieraus als Zuschlag für die Sozialversicherungen und somit von einem Stundenentgelt von insgesamt 11,96 EUR (gerundet 12,00 EUR) auszugehen sei; eine Dynamisierung erfolge nach Bedarf. Jedenfalls hat der Kläger weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen, dass ihm hinsichtlich der Arbeitsassistenz höhere Stundenlohnkosten als die vom Beklagten angesetzten 12,70 EUR entstehen. Hierfür liegen auch keine Anhaltspunkte vor.

Somit hat der Kläger keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Leistungserhöhung. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Lediglich der Vollständigkeit halber wird abschließend darauf hingewiesen, dass für die vom Kläger schriftsätzlich begehrte Einsichtnahme in die dem Gericht nicht vorliegenden Teile der Verwaltungsakte ab 2012 der Beklagte, nicht das Gericht zuständig ist. In die dem Gericht vorliegenden, seiner Entscheidung zugrunde liegenden Akten wurde der Klägerseite Akteneinsicht gewährt.

Für eine Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung gemäß § 167 VwGO i. V. m. den Bestimmungen des Achten Buchs der Zivilprozessordnung bestand keine Veranlassung, zumal der Beklagte nicht durch anwaltliche Bevollmächtigte vertreten war.

Referenznummer:

R/R7098


Informationsstand: 06.12.2016