II.
Die Berufung der Klägerin ist in vollem Umfang begründet. Sie besitzt einen Anspruch auf ergänzende Leistungen für das als Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben anzusehende und unmittelbar an das Bachelorstudium der Bioprozesstechnik anschließende Masterstudium der "Pharmazeutischen Bioprozesstechnik" an der ... M.. Die ergänzenden Leistungen umfassen, soweit im vorliegenden Verfahren streitgegenständlich und von der Klägerin beim Beklagten beantragt, nach § 26
Abs. 4
Nr. 1 BVG in Verbindung mit § 26a
Abs. 1 BVG einen Anspruch auf die Leistung von Übergangsgeld, ferner nach § 26
Abs. 4
Nr. 2 BVG und § 26
Abs. 4
Nr. 5 BVG einen Anspruch auf die Leistung von Rentenversicherungsbeiträgen und die Erstattung von Reisekosten.
1. Der Senat entscheidet im Folgenden nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss. Er hält die Berufung einstimmig für zulässig und begründet und eine mündliche Verhandlung im Hinblick auf das schriftsätzliche Vorbringen nicht für erforderlich (§ 130a
VwGO). Die Rechtssache weist nach den Umständen des Einzelfalls weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht außergewöhnliche Schwierigkeiten auf (
vgl. zu diesem Erfordernis
BVerwG, U. v. 30.6.2004 - 6 C 28.02 - BVerwGE 121, 211 [212]; U. v. 9.12.2010 - 10 C 13.09 - BVerwGE 138, 289 [297 f.]). Solche außergewöhnlichen Schwierigkeiten liegen nicht schon in der Notwendigkeit begründet, Rechtsnormen nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik oder Sinn und Zweck auszulegen (
vgl. BVerwG, B. v. 3.9.2015 - 2 B 29.14 - BeckRS 2015, 52870). Vielmehr erweist sich die Durchführung eines vereinfachten Berufungsverfahrens nach § 130a
VwGO dann als möglich, wenn - wie im vorliegenden Fall - die aufgeworfenen Rechtsfragen durch die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung hinreichend geklärt sind
bzw. sich durch Subsumtion unter die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen lösen lassen. Die Beteiligten hatten vorliegend im Berufungsverfahren hinreichend Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Rechtsfragen zu äußern. Tatsachenfragen, die eine Beweiserhebung erfordert hätten, haben sich entscheidungserheblich nicht gestellt; ebenso wenig haben die Verfahrensbeteiligten Beweisanträge formuliert. Mithin konnte der Senat nach § 130a Satz 1
VwGO in der Sache entscheiden.
2. Der Klägerin ist nach § 1
Abs. 1 Satz 1 Opferentschädigungsgesetz (OEG) als Opfer eines rechtswidrigen, tätlichen Angriffs aufgrund der dadurch erlittenen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schäden Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes zu gewähren. Ihr grundsätzlicher Versorgungsanspruch resultiert aus der mit Bescheiden vom 24. November 2011 und 25. Oktober 2012 festgestellten Anspruchsberechtigung und ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Für die Bewilligung von Leistungen für das Masterstudium der pharmazeutischen Bioprozesstechnik hat die Klägerin beim Beklagten auch einen entsprechenden Antrag gestellt.
Nach § 9
Abs. 1
Nr. 2 BVG rechnen zu den nach dem Opferentschädigungsgesetz zu gewährenden Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz zunächst Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 bis 27j BVG. Ferner umfassen die Versorgungsleistungen nach § 9
Abs. 1
Nr. 3 BVG auch eine Beschädigtenrente nach Maßgabe von §§ 29 bis 34 BVG. Aus diesem Leistungsbereich bezieht die Klägerin derzeit nach § 31
Abs. 1 Satz 1 BVG eine Beschädigtengrundrente in Höhe von 177
EUR monatlich. Soweit sie darüber hinaus mit Antrag vom 29. April 2015 nach § 30
Abs. 3 BVG zusätzlich die Gewährung eines Berufsschadensausgleichs beantragt hat, worauf der Beklagte ausdrücklich hinweist, schließt dies entgegen den Andeutungen in der Berufungserwiderung den streitgegenständlichen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Rahmen der Kriegsopferfürsorge nicht aus. Vielmehr werden Kriegsopferfürsorgeleistungen nach § 25
Abs. 1 BVG zur Ergänzung der übrigen Leistungen nach diesem Gesetz als besondere Hilfen im Einzelfall erbracht. Ferner bestimmt § 29 BVG mit Blick auf die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, dass ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich frühestens mit dem Abschluss der Teilhabemaßnahme entsteht, wenn die Maßnahme dem Beschädigten zumutbar und erfolgversprechend ist. Der Umstand, dass die Klägerin - nach ihrem Vortrag zur Rechtswahrung - die Leistung von Berufsschadensausgleich beantragt hat, tangiert mithin den streitgegenständlichen Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Berufsleben nicht. Im Übrigen bleibt der weitere Vortrag des Beklagten, der Antrag auf Gewähr eines Berufsschadensausgleichs lasse den Schluss auf die fehlende Absicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu, weil "in der Regel" ein derartiger Antrag von Personen gestellt werde, die schädigungsbedingt keiner Berufstätigkeit mehr nachgehen könnten, völlig unsubstantiiert, zumal nach der gesetzlichen Regelung in § 30
Abs. 3 BVG Berufsschadensausgleich auch bei einer schädigungsbedingten Minderung des Einkommens aus gegenwärtiger Tätigkeit gewährt wird.
3. Der Klägerin kommt folglich über § 1
Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9
Abs. 1
Nr. 2 BVG ein Anspruch auf Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach den §§ 25 bis 27j BVG in entsprechender Anwendung zu. Aufgabe der Kriegsopferfürsorge ist es nach § 25
Abs. 2 BVG, die Folgen einer erlittenen Schädigung angemessen auszugleichen oder zu mildern. Anspruchsberechtigt sind nach § 25
Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 BVG diejenigen Beschädigten, die eine Grundrente nach § 31
Abs. 1 BVG beziehen. Dies ist bei der Klägerin der Fall.
Grundsätzlich setzen Leistungen der Kriegsopferfürsorge nach § 25a
Abs. 1 BVG weiter voraus, dass der Beschädigte infolge der Schädigung nicht in der Lage ist, den nach den nachstehenden Vorschriften anzuerkennenden Bedarf aus den übrigen Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz und dem sonstigen Einkommen und Vermögen zu decken (sog. wirtschaftliche Kausalität). Indes sieht § 26
Abs. 5 Satz 2 BVG vor, dass bei Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und den sie ergänzenden Leistungen, die vorliegend allein in Rede stehen, Einkommen und Vermögen des Beschädigten nicht zu berücksichtigen sind. Mithin bildet die wirtschaftliche Kausalität keine Voraussetzung für diese Form der Kriegsopferfürsorgeleistungen (
vgl. Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge Ziffer 26.2.1).
Hinsichtlich der sog. medizinischen Kausalität,
d. h. des Zusammenhangs zwischen der Schädigung und der Notwendigkeit der Leistung, gilt die Vermutungsregel des § 25a
Abs. 2 Satz 1 BVG. Der entsprechende Zusammenhang wird danach vermutet, soweit nicht das Gegenteil offenkundig oder nachgewiesen ist. Im Ablehnungsbescheid vom 21. Februar 2014 beruft sich der Beklagte für das angestrebte Masterstudium der Klägerin zwar auf das Fehlen der medizinischen Kausalität im Sinne von § 25a
Abs. 2 Satz 1 BVG, legt aber weder dar, warum dies im vorliegenden Fall offensichtlich sein soll, noch weist er das Fehlen gar nach. Es sind auch sonst keine Anhaltspunkte für das Fehlen des Zusammenhangs zwischen Schädigung und einem angestrebten Studium ersichtlich, zumal der Beklagte selbst davon ausgeht, dass die Klägerin ihr zunächst an der Universität A. begonnenes Magisterstudium schädigungsbedingt abbrechen musste.
Nach § 25b
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 BVG zählen zu den Kriegsopferfürsorgeleistungen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 BVG und ergänzende Leistungen nach § 26a BVG. Für sie gilt nach § 25b
Abs. 5 Satz 1 BVG das Individualisierungsgebot,
d. h. Art, Ausmaß und Dauer der Leistung sind nach den Besonderheiten des Einzelfalls zu bemessen, ferner nach der Art des Bedarfs und den örtlichen Verhältnissen (
Nr. 1). Zu berücksichtigen sind dabei Art und Schwere der Schädigung, der Gesundheitszustand und das Lebensalter des Beschädigten und seine Lebensstellung vor Eintritt der Schädigung oder vor Auswirkungen der Folgen der Schädigung (§ 25b
Abs. 5 Satz 1
Nr. 2 BVG). Schließlich soll Wünschen des Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, entsprochen werden, wenn diese angemessen sind und keine unvertretbaren Mehrkosten erfordern (§ 25b
Abs. 5 Satz 1
Nr. 3 BVG).
§ 26
Abs. 1 BVG verweist für die nähere Ausgestaltung der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Bestimmungen der
§§ 33 bis
38a Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). § 26
Abs. 4
Nr. 1 BVG sieht als sog. ergänzende Leistung die Zahlung eines Übergangsgeldes nach § 26a
Abs. 1 BVG vor, ferner nach § 26
Abs. 4
Nr. 2 BVG für den Bezug von Übergangsgeld die Leistung von Rentenversicherungsbeiträgen für den Beschädigten, schließlich nach § 26
Abs. 4
Nr. 5 BVG die Leistung von Reisekosten. Auf diese Geldleistungen zielt neben der Anerkennung des Masterstudiums als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben die vorliegende Klage, soweit die Klägerin vom Beklagten die Übernahme der Kosten des Masterstudiums verlangt.
4. Ergänzt werden die Bestimmungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch die auf der Grundlage von § 27f BVG erlassene Verordnung zur Kriegsopferfürsorge (KFürsV).
Nach § 1
Abs. 1 KFürsV sind Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben darauf auszurichten, durch Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung einer der Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit des Beschädigten entsprechenden beruflichen Tätigkeit die Folgen der Schädigung angemessen auszugleichen oder zu mildern. Dabei ist nach § 1
Abs. 2 KFürsV Voraussetzung der Leistungserbringung, dass das Leistungsvermögen des Beschädigten erwarten lässt, dass er das Ziel der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erreichen wird (
Nr. 1), die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben der Eignung, Neigung und Fähigkeit des Beschädigten entsprechen (
Nr. 2), der beabsichtigte Ausbildungsweg zweckmäßig ist (
Nr. 3) und der Beruf oder die Tätigkeit voraussichtlich eine ausreichende Lebensgrundlage vermittelt oder wenigstens dazu beiträgt, die Folgen der Schädigung zu mildern, wenn der Beschädigte eine ausreichende Lebensgrundlage nicht mehr erlangen kann (
Nr. 4). Wird die Teilhabemaßnahme in Abschnitten durchgeführt, ist nach § 1
Abs. 7 KFürsV die Leistung für den jeweiligen Abschnitt festzustellen. Nach
§ 7 KFürsV rechnen zu den Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben auch Maßnahmen der beruflichen Ausbildung. Dabei soll eine berufliche Ausbildung dem Beschädigten die notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse für die Ausübung einer seinen Kräften und Fähigkeiten angemessenen qualifizierten beruflichen Tätigkeit vermitteln (
Abs. 1 KFürsV). Leistungen zur beruflichen Ausbildung erhalten Beschädigte nach § 7
Abs. 2 KFürsV, wenn sie infolge der Schädigung eine Berufsausbildung nicht beginnen, fortsetzen oder beenden konnten. Nach
§ 12 Nr. 2 KFürsV zählt zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter anderem der Besuch einer Hochschule, nach § 12
Nr. 5 KFürsV auch die Vorbereitung auf den Erwerb des Doktorgrads, wenn der Beschädigte ohne den Doktorgrad im Wettbewerb mit Nichtbeschädigten benachteiligt wäre oder der Erwerb des Doktorgrads in einem bestimmten akademischen Beruf allgemein üblich ist. Für die Dauer der Ausbildung sieht
§ 13 KFürsV vor, dass diese die übliche oder vorgeschriebene Ausbildungszeit nicht überschreiten soll, sofern infolge der Schädigung nicht eine längere Ausbildung geboten ist.
5. Schließlich werden die Voraussetzungen für Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf der Basis des Opferentschädigungs-
bzw. Bundesversorgungsgesetzes durch die sinngemäß anzuwendenden §§ 33 bis 38a Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB IX) weiter ausgestaltet.
§ 33
Abs. 1
SGB IX formuliert als Ziel von Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben den Erhalt, die Verbesserung, die Herstellung oder die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit und daraus resultierend eine dauerhafte Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben. Darüber hinaus sieht § 33
Abs. 2
SGB IX vor, dass beschädigten Frauen gleiche Chancen im Erwerbsleben durch in der beruflichen Zielsetzung geeignete, wohnortnahe und auch in Teilzeit nutzbare Angebote gesichert werden sollen. Zu den Leistungen der Teilhabe am Berufsleben rechnen nach § 33
Abs. 3
Nr. 4
SGB IX solche der beruflichen Ausbildung, auch soweit sie in einem zeitlich nicht überwiegenden Abschnitt schulisch durchgeführt werden. § 33
Abs. 4
SGB IX gebietet bei der Auswahl der Leistung die angemessene Berücksichtigung von Eignung und Neigung, der bisherigen Tätigkeit und der Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Hinsichtlich der Leistungsdauer sieht
§ 37 Abs. 1 SGB IX vor, dass diese für die Zeit erbracht werden, die vorgeschrieben oder allgemein üblich ist, um das angestrebte Teilhabeziel zu erreichen. Sofern besondere Umstände dies rechtfertigen, kann eine Förderung auch darüber hinaus erfolgen. Schließlich kann die Bundesagentur für Arbeit nach § 38 Satz 1
SGB IX auf Anforderung eines anderen Rehabilitationsträgers zu Notwendigkeit, Art und Umfang von Leistungen unter Berücksichtigung arbeitsmarktlicher Zweckmäßigkeit gutachterlich Stellung nehmen.
6. Gemessen an den vorstehend dargestellten normativen Vorgaben stellt sich für die Klägerin das Masterstudium der "Pharmazeutischen Bioprozesstechnologie" an der ... M. als Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben dar, aus der Geldansprüche als ergänzende Leistungen nach § 26
Abs. 4 Nrn. 1, 2, 5 BVG erwachsen.
6.1. Hierbei kann dahinstehen, ob das Bachelorstudium und das hieran unmittelbar anschließende (konsekutive) Masterstudium bereits a priori als einheitliche Ausbildung zu begreifen sind, wovon die Klägerin ausgeht, oder ob hier von einer abschnittweisen Ausbildung auszugehen ist, für die nach § 1
Abs. 7 KFürsV die Leistung jeweils abschnittweise festzustellen ist, wie dies der Beklagte und das Verwaltungsgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung angenommen haben. Geht man in Anlehnung an die ausbildungsförderungsrechtliche Behandlung nach § 7
Abs. 1a
BAföG von einem einheitlichen Ausbildungsgang aus, besitzt die Klägerin den klageweise geltend gemachten Anspruch auf ergänzende Leistungen bereits deshalb, weil das konsekutive Masterstudium auch nach den Vorgaben über die Leistungsdauer in § 13 KFürsV und § 37
Abs. 1
SGB IX zu der als Einheit zu begreifenden Teilhabemaßnahme "Studium der Bioprozesstechnik" rechnet.
6.1.1 Entgegen der Auffassung des Beklagten im Bewilligungsbescheid vom 15. Februar 2012 sowie den nachfolgenden Verlängerungsbescheiden stellt das Studium der Bioprozesstechnik im Fall der Klägerin keine Maßnahme der beruflichen Umschulung im Sinne von
§ 8 KFürsV dar, auch keine der beruflichen Weiterbildung im Sinne von
§ 6 Abs. 1 KFürsV, sondern vielmehr eine solche der beruflichen Ausbildung im Sinne von
§ 7 Abs. 1 KFürsV. Maßnahmen der Weiterbildung nach § 6
Abs. 1 KFürsV setzen eine abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung des Beschädigten voraus, auf die aufbauend berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten festgestellt, erhalten oder erweitert werden. Indes liegt eine abgeschlossene Berufsausbildung bei der Klägerin nicht vor. Ebenso wenig baut das Studium der Bioprozesstechnologie auf ihre vorherige Tätigkeit als ungelernte kaufmännische Angestellte im elterlichen Betrieb auf. Anders als der Beklagte im Bewilligungsbescheid vom 15. Februar 2012 ursprünglich angenommen hatte, greift folglich im Fall der Klägerin hinsichtlich der Dauer der Maßnahme auch nicht § 37
Abs. 2
SGB IX ein, wonach Leistungen der beruflichen Weiterbildung bei ganztägigem Unterricht in der Regel nicht länger als zwei Jahre dauern sollen. Auch eine berufliche Umschulung im Sinne von § 8 KFürsV liegt bei der Klägerin nicht vor, da diese voraussetzt, dass der Beschädigte infolge der Schädigung seinem erlernten oder ausgeübten Beruf nicht mehr nachgehen kann. Selbst wenn man die Tätigkeit der Klägerin als ungelernte kaufmännische Angestellte im elterlichen Betrieb als "ausgeübten Beruf" begreifen würde, konnte sie diesem jedenfalls nicht schädigungsbedingt vor Aufnahme des Studiums nicht mehr nachgehen. Auszugehen ist beim Studium der Klägerin vielmehr von einer Leistung zur beruflichen Ausbildung, die nach § 7
Abs. 2 KFürsV voraussetzt, dass der Beschädigte infolge der Schädigung eine Berufsausbildung nicht beginnen, fortsetzen oder beenden konnte (
vgl. hierzu Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge Ziffer 26.6.3.4). Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen geht der Beklagte selbst aus, wenn er feststellt, dass die Klägerin ihr nach dem Abitur aufgenommenes Magisterstudium der Germanistik, Pädagogik und Psychologie an der Universität A. schädigungsbedingt nicht beenden konnte.
6.1.2 Die Dauer der Förderung einer Maßnahme der beruflichen Ausbildung soll nach § 13 KFürsV die übliche oder vorgeschriebene Ausbildungszeit nicht überschreiten, sofern nicht infolge der Schädigung eine längere Ausbildung geboten ist. Dem entspricht die Regelung in § 37
Abs. 1
SGB IX, wonach Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben für die Zeit erbracht werden, die vorgeschrieben oder allgemein üblich ist, um das angestrebte Teilhabeziel zu erreichen, wobei auch nach dieser Bestimmung eine Förderung darüber hinaus erfolgen kann, wenn besondere Umstände dies rechtfertigen. Angesichts dessen wäre eine Beendigung der Förderung der Klägerin für ihr - als einheitliche Berufsausbildung begriffenes - Studium der Bioprozesstechnik nach dem Bachelorabschluss nur dann gerechtfertigt, wenn eine längere Ausbildung nicht infolge der erlittenen Schädigung geboten war. Vorliegend hat die Klägerin zwar die Regelstudienzeit von 6 Semestern zur Erlangung des Bachelorabschlusses erheblich überschritten, der Beklagte hat indes durch mehrfache Verlängerung der ursprünglich bis 30. September 2012 bewilligten Leistung anerkannt, dass diese Überschreitung krankheitsbedingt erfolgte. Hieran muss er sich festhalten lassen. Die für das Masterstudium vorgesehene 4-semestrige Regelstudiendauer hat die Klägerin aktuell nicht überschritten. Daraus folgt, dass die Klägerin bei einer einheitlich zu begreifenden Ausbildung zum Master der "Pharmazeutischen Bioprozesstechnik" unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben zur Förderungsdauer einen Anspruch auf Bewilligung
bzw. Anerkennung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben besitzt.
6.2 Dies gilt gleichermaßen für den Fall, dass man das Masterstudium der Klägerin als einen nach § 1
Abs. 7 KFürsV separat zu behandelnden Ausbildungsteil begreift.
6.2.1 Bei dem Masterstudium der Klägerin handelt es sich zunächst um eine Maßnahme, die dem angemessenen Ausgleich der anerkannten Schädigungsfolgen dient. Hinsichtlich der Bewertung einer bestimmten Maßnahme als "angemessen" kommt dem Beklagten kein Ermessen zu. Es handelt sich insoweit um einen, der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff (
vgl. Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge Ziffer 5.3.1, 5.3.3).
6.2.1.1 Bei der Bewertung einer bestimmten Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben als angemessener Ausgleich für eine erlittene Schädigung
bzw. deren Folgen ist zunächst die Zielrichtung der Leistung zu berücksichtigen. Diesbezüglich gehen sowohl der Beklagte wie auch das Verwaltungsgericht in seiner erstinstanzlichen Entscheidung unzutreffend davon aus, dass die Leistung zur Teilhabe darauf auszurichten ist, dem Beschädigten so schnell wie angesichts der Schädigungsfolgen möglich einen Zugang zum Arbeitsleben zu schaffen. Demzufolge wird im Falle eines Hochschulstudiums die mögliche Leistung auf das Erreichen des ersten berufsqualifizierenden Abschlusses reduziert. Dies lässt sich zwar grundsätzlich mit der Zielumschreibung des § 33
Abs. 1
SGB IX in Einklang bringen, nach der diejenigen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden müssen, die erforderlich sind, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsmarkt möglichst auf Dauer zu sichern.
Indes gilt für Leistungen speziell der Kriegsopferfürsorge vorrangig das in § 25b
Abs. 5 BVG normierte sog. Individualisierungsgebot, wonach den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen, Wünsche des Leistungsberechtigten, ferner die Art und Schwere der Schädigung, der Gesundheitszustand und das Lebensalter sowie die Lebensstellung des Beschädigten vor Eintritt der Schädigung oder vor Eintritt der Folgen der Schädigung zu berücksichtigen sind. Maßstab für die Gewährung von Kriegsopferfürsorgeleistungen ist dabei nicht das für das Leben Notwendige, sondern das im Vergleich zur wirtschaftlichen Situation der Bevölkerung Angemessene unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen der Schädigung (
vgl. Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge Ziffer 5.1.2.2). Insbesondere Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind demnach primär darauf auszurichten, die Folgen der Schädigung angemessen auszugleichen, § 1
Abs. 1 KFürsV. Muss der zu leistende angemessene Ausgleich die Lebensstellung des Beschädigten vor Eintritt der Schädigungsfolgen in den Blick nehmen, ist im vorliegenden Fall auf den schädigungsbedingten Abbruch des Magisterstudiums der Klägerin an der Universität A. abzustellen. Diesbezüglich geht der Beklagte unzutreffend davon aus, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Studienabbruchs kurz vor der Erlangung eines "Bachelorgrades" gestanden habe. Vielmehr entspricht der von der Klägerin im Rahmen ihres geisteswissenschaftlichen Studiums angestrebte Magisterabschluss, ebenso wie im naturwissenschaftlichen Bereich der Diplomabschluss, nicht dem im Zuge des Bologna-Reformprozesses eingeführten Bachelor, sondern vielmehr dem Masterabschluss. Dies ergibt sich unmittelbar aus der Regelung in § 19
Abs. 1, 2, 3 des Hochschulrahmengesetzes. Musste die Klägerin ein Studium, dass ohne den Eintritt der Schädigungsfolgen zum Erwerb des Magistergrades geführt hätte, schädigungsbedingt abbrechen, muss ein angemessener Ausgleich der Schädigungsfolgen der Klägerin nunmehr auch den Erwerb eines Mastergrads ermöglichen.
6.2.1.2 Dass es sich bei einem auf den Erwerb des Mastergrads zielenden Studium um einen angemessenen Ausgleich von Schädigungsfolgen handelt, ergibt sich - in einem Schluss a maiore ad minus - auch aus der Regelung in § 12
Nr. 5 KFürsV. Danach kommt, ungeachtet des vorherigen Erwerbs eines ersten berufsqualifizierenden Abschlusses, als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben auch die Vorbereitung auf den Erwerb des Doktorgrads in Betracht,
u. a. wenn der Beschädigte ohne den Doktorgrad im Vergleich mit Nichtbeschädigten benachteiligt wäre oder der Erwerb des Doktorgrads in bestimmten akademischen Berufen allgemein üblich ist. Diese Regelung lässt sich auf den einer Promotion vorgelagerten Erwerb des Mastergrads übertragen. Demnach kommt als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ein Masterstudium dann in Betracht, wenn der Beschädigte ohne den Mastergrad im Wettbewerb mit Nichtbeschädigten benachteiligt wäre oder der Erwerb des Mastergrads in einem bestimmten akademischen Beruf allgemein üblich ist. Angesichts des Umstands, dass aktuell
rd. 77% aller Bachelorabsolventen ein Masterstudium unmittelbar anschließen (
vgl. Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung des Bologna-Prozesses 2012 - 2015, S 14; abrufbar unter https://www.bmbf.de/files/Bericht_der_ Bundesregierung_zur_Umsetzung_des_Bologna-Prozesses_2012-2015.
pdf) ist jedenfalls von der allgemeinen Üblichkeit des Erwerbs des Mastergrads auszugehen. Damit kommt entgegen der Auffassung des Beklagten auch die Förderung eines konsekutiven Masterstudiums als angemessene Ausgleichsleistung in Betracht.
6.2.1.3 Darüber hinaus führte eine Begrenzung der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben auf den Erwerb eines Bachelorabschlusses zu einem Wertungswiderspruch. Denn nach § 7
Abs. 1a
BAföG umfasst der Leistungsanspruch im Rahmen normaler Studienförderung auch die Förderung eines auf ein Bachelorstudium aufbauenden Masterstudiums. Dabei sieht der Gesetzgeber das Masterstudium nicht als weitere Ausbildung an, sondern dehnt vielmehr den Grundanspruch auf Förderung einer Erstausbildung auf den Masterstudiengang aus. Bachelor- und Masterstudium bilden ausbildungsförderungsrechtlich eine einheitlich zu betrachtende Erstausbildung (
vgl. Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 5. Aufl. 2014, § 7 Rn. 4; zur einheitlichen Behandlung auch im Einkommensteuerrecht
vgl. BFH, Urteil vom 3.9.2015 - VI R 9.15 - NJW 2015, 3807
ff.). Wenn daher ein Beschädigter schädigungsbedingt ein Universitätsstudium zunächst nicht abschließen kann, ihm als Ausgleich der Schädigungsfolgen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ebenfalls für ein Universitätsstudium erbracht werden, darf diese Leistung nicht hinter der normalen Studienförderung zurückbleiben. Für die Klägerin markiert daher das nunmehr aufgenommene Masterstudium einen angemessenen Ausgleich für die anerkannten Schädigungsfolgen.
6.2.2 Auch unter Berücksichtigung der weiteren gesetzlich vorgegebenen Kriterien für die Leistungsauswahl steht der Klägerin ein Anspruch auf Anerkennung des Masterstudiums als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu.
6.2.2.1 Soweit der Beklagte wie auch das Verwaltungsgericht die Ablehnung in erster Linie auf die "arbeitsmarktliche Stellungnahme" der Bundesagentur für Arbeit vom 6. Februar 2014 stützen, kann dem nicht gefolgt werden.
Zwar sieht § 33
Abs. 4 Satz 1
SGB IX bei der Auswahl der Leistungen eine "angemessene Berücksichtigung" von Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt vor. Zur Beurteilung dieses Kriteriums kann sich die zuständige Behörde - wie im vorliegenden Fall vom Beklagten praktiziert - auch nach § 38 Satz 1
SGB IX von der Bundesagentur für Arbeit eine gutachterliche Stellungnahme zur Notwendigkeit, Art und Umfang von Leistungen unter Berücksichtigung arbeitsmarktlicher Zweckmäßigkeit einholen. Hierbei kommt der Bundesagentur ein Beurteilungsspielraum zu, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (
vgl. Hohmann in Wiegand,
SGB IX Teil 1, § 33 Rn. 97; Knittel,
SGB IX, 8. Aufl. 2015 § 33 Rn. 114). Sie muss indes in jedem Fall ihre Beurteilungsmaßstäbe nachvollziehbar begründen.
Danach kann im vorliegenden Fall die "Stellungnahme" der Bundesagentur vom 6. Februar 2014 nicht als gutachterliche Stellungnahme im Sinne von § 38 Satz 1
SGB IX angesehen werden. Denn ohne die konkreten Fragestellungen des Beklagten im "Amtshilfeersuchen" vom 9. Januar 2014 auch nur ansatzweise zu beantworten
bzw. darzulegen, auf welcher Tatsachengrundlage das Schreiben vom 6. Februar 2014 beruht, wird dort lediglich Folgendes ausgeführt:
"(...) eine Fortsetzung des Studiums zum Master im Studiengang Bioprozesstechnik erhöht die Chancen für eine Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Fall von Frau P. aus Sicht der Arbeitsagentur nicht wesentlich.
Aufgrund des Alters wird eine Vermittlung als Berufseinsteigerin zum jetzigen Zeitpunkt bereits erschwert sein."
Die Bundesagentur geht damit - ungeachtet des Umstands, ob überhaupt die innerhalb der Agentur fachlich zuständige Stelle tätig geworden ist - weder allgemein auf den akademischen Arbeitsmarkt und die hier angefragten Vermittlungschancen für Bachelor- im Vergleich zu Masterabsolventen, noch speziell auf den Arbeitsmarkt für Bioprozesstechniker ein. Es wird allein auf die Integration in den "allgemeinen Arbeitsmarkt" abgestellt. Als ebenso undifferenziert erweist sich die Aussage zur Erschwerung der Arbeitsvermittlung aufgrund des Alters der Klägerin, die nicht einmal ansatzweise zwischen akademischen Fachkräften und beispielsweise ungelernten Langzeitarbeitslosen differenziert. Insoweit ist es gerade nicht, wie der Beklagte im Berufungsverfahren vorträgt, offensichtlich, dass akademische Fachkräfte im Alter der Klägerin schlechte Aussichten auf dem Arbeitsmarkt besitzen. Angesichts dessen erweist sich das Schreiben vom 6. Februar 2014 als untauglich, das Kriterium der Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt für die Leistungsauswahl im Fall der Klägerin heranzuziehen. Dies gilt auch, soweit die Bundesagentur mit Schreiben vom 24. April 2014 gegenüber der Klägerin ihre "Einschätzung" vom 6. Februar 2014 - wiederum ohne differenzierte Analyse gemäß den Fragestellungen des Beklagten vom 9. Januar 2014 - bestätigt.
Weiter interpretieren der Beklagte wie auch das Verwaltungsgericht das Kriterium der angemessenen Berücksichtigung von Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in § 33
Abs. 4 Satz 1
SGB IX unzutreffend. Denn unter arbeitsmarktlichen Gesichtspunkten soll im Zuge der Leistungsauswahl vermieden werden, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die dem Beschädigten keinerlei Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt bieten, die Förderung mithin "am Bedarf vorbei" erfolgt. Als Negativkriterium könnte der Beklagte der Klägerin im vorliegenden Fall die Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt daher nur dann entgegenhalten, wenn die beabsichtigte Teilhabemaßnahme - hier das Masterstudium - auf dem Arbeitsmarkt keinerlei Aussichten eröffnen würde, auf Dauer beruflich tätig zu sein (
vgl. Hohmann in Wiegand,
SGB IX Teil 1, § 33 Rn. 97). Dies ist jedoch selbst unter Berücksichtigung der sog. "Stellungnahme" der Bundesagentur vom 6. Februar 2014 nicht der Fall, nach der ein Masterabschluss der Klägerin ihre beruflichen Aussichten - wenn auch aus Sicht der Bundesagentur "nicht wesentlich" - verbessern würde. Eine aus arbeitsmarktlicher Sicht völlige Untauglichkeit des Erwerbs des Masterabschlusses wird damit gerade nicht bestätigt. Eine angemessene Berücksichtigung von Lage und Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt gebietet es folglich nicht, der Klägerin das Masterstudium als Teilhabemaßnahme zu versagen.
6.2.2.2 Auch das Alter der Klägerin, das nach § 25b
Abs. 5 Satz 2 BVG bei der Leistungsauswahl zu berücksichtigen ist, führt im vorliegenden Fall nicht dazu, ihr eine Förderung des Masterstudiums zu versagen. Denn nach dem Individualisierungsgebot des § 25b
Abs. 5 BVG sind neben dem Alter insbesondere auch Art und Schwere der erlittenen Schädigung zu berücksichtigen. Wenn sich, worauf die Klägerin zu recht hinweist, Verzögerungen in der Erwerbsbiographie als Schädigungsfolge darstellen, widerspräche es den gesetzlichen Wertungen, diese dem Beschädigten zur Leistungsversagung entgegenzuhalten. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nach Erwerb des Masterabschlusses mit 51 Jahren dem Arbeitsmarkt noch 16 Jahre als Bioprozesstechnikerin zur Verfügung steht, nachdem sie vor Aufnahme des Studiums bereits mindestens 10 Jahre einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung im elterlichen Betrieb nachgegangen war (
vgl. zu diesem und zum folgenden Aspekt
LSG Baden-Württemberg, U. v. 26.7.2007 -
L 10 R 5394/06 - NZS 2008, 319 Rn. 31). Wenn der Beklagte und - ihm folgend - das Verwaltungsgericht der Klägerin die aus ihrem Alter vorgeblich resultierenden Vermittlungsschwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt vorhalten, übersehen sie indes, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33
Abs. 1
SGB IX final ausgerichtet sind und die Teilhabe des Beschädigten am Arbeitsmarkt möglichst auf Dauer sichern sollen. Treten im Zeitpunkt des Abschlusses der Maßnahme Schwierigkeiten bei der Erlangung eines Arbeitsplatzes auf, wäre der Beklagte gehalten, durch geeignete weitere Maßnahmen die Eingliederungschancen nochmals zu erhöhen. Eventuell nach Abschluss der Teilhabemaßnahme zu erwartende Vermittlungsprobleme auf dem Arbeitsmarkt können als solche die Ablehnung der Maßnahme folglich nicht rechtfertigen (
LSG Baden-Württemberg
a. a. O.,
vgl. unter Bezugnahme auf diese Entscheidung auch Knittel,
SGB IX, 8. Aufl. 2015, § 33 Rn. 115
ff.).
6.2.2.3 Soweit das Verwaltungsgericht die Ablehnung des Anspruchs der Klägerin ferner mit ihrer nur "begrenzten gesundheitlichen Belastbarkeit" begründet (Rn. 26, 32 des Urteilsumdrucks), greift dies ebenfalls nicht durch. Zwar ist im Rahmen des Individualisierungsgebots nach § 25b
Abs. 5 BVG auch der Gesundheitszustand des Beschädigten zu berücksichtigen. Ebenso wie beim Kriterium des Lebensalters gilt jedoch in gleicher Weise, dass eine vorgeblich nur "begrenzte gesundheitliche Belastbarkeit" der Klägerin dann nicht entgegengehalten werden kann, wenn sie sich als Schädigungsfolge erweist, was vorliegend, ausweislich der Anerkennung verschiedener Schädigungsfolgen nach dem Opferentschädigungsgesetz bei der Klägerin nachweislich der Fall ist. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht den Umstand unberücksichtigt gelassen, dass die Klägerin im Rahmen ihres Bachelorstudiums offensichtlich ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ihr 12-monatiges Berufspraktikum bei einem großen Pharmakonzern absolviert hat, was wiederum für die gesundheitliche Eignung für den angestrebten Beruf spricht.
6.2.2.4 Weitere Kriterien für die Leistungsauswahl liegen bei der Klägerin unstrittig vor. Insbesondere entspricht es ihrem nach § 25b
Abs. 5 Satz 3 BVG zu berücksichtigenden Wunsch hinsichtlich der Gestaltung der Leistung. Das Masterstudium erweist sich - wie bereits dargestellt - als eine zum Ausgleich der Schadensfolgen angemessene Leistung. Auf "unvertretbare Mehrkosten" ist im vorliegenden Fall nicht abzustellen, da deren Berücksichtigung bei der Leistungsauswahl eine in einen Vergleich einzubeziehende alternative Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben voraussetzen würden, an der es im vorliegenden Fall mangelt (
vgl. Ziffer 5.5.2 der Empfehlungen zur Kriegsopferfürsorge).
Im Ergebnis besitzt die Klägerin daher einen Anspruch auf Anerkennung des Masterstudiums als Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie - daran anknüpfend -einen Anspruch auf ergänzende Leistungen nach § 26
Abs. 4 Nrn. 1, 2 und 5 BVG. Die Klage hat damit in vollem Umfang Erfolg.
7. Der Beklagte trägt nach § 154
Abs. 1
VwGO die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten der Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz nach § 188 Satz 2, 1
VwGO nicht erhoben. Die Kostenentscheidung ist nach § 167
Abs. 1, 2
VwGO in Verbindung mit § 708
Nr. 11
ZPO vorläufig vollstreckbar.
8. Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Berufungsverfahren war abzulehnen, da die Klägerin ausweislich der eingereichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse über einsetzbares Vermögen verfügt, dass eventuell anfallende Prozesskosten abgedeckt hätte.
9. Gründe, nach § 132
Abs. 2
VwGO die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.