Urteil
Anwendung des SGB II § 17 Abs. 2 bei Kostenbewilligung für einen Gebärdensprachdolmetscher im Rahmen einer Arbeitsassistenz - Höhe der Vergütung - Übernahme der Vergütung durch das Integrationsamt

Gericht:

OVG Rheinland-Pfalz 7. Senat


Aktenzeichen:

7 A 10583/15.OVG | 7 A 10583/15


Urteil vom:

30.05.2016


Grundlage:

  • SGB IX § 102 Abs. 4 |
  • SGB II § 17 Abs. 2 S. 2 |
  • SGB II § 17 Abs. 1 S. 2 |
  • SGB X § 19 Abs. 2 S. 4 |
  • GG Art. 3 |
  • JVEG § 9

Leitsatz:

Mit der Bewilligung von Kosten für einen Gebärdensprachdolmetscher im Rahmen einer notwendigen Arbeitsassistenz wird eine Sozialleistung gewährt, sodass § 17 Abs 2 SGB II (juris: SGB 2) keine Anwendung findet.

Rechtsweg:

VG Mainz Urteil vom 07.05.2015 - 1 K 716/14

Quelle:

Landesrecht Rheinland-Pfalz

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 7. Mai 2015 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob für eine persönliche Arbeitsassistenz der Klägerin aus Mitteln der Schwerbehindertenausgleichsabgabe ein Betrag von 75,00 EUR pro Einsatzstunde für einen Gebärdensprachdolmetscher in Ansatz zu bringen ist.

Die 1974 geborene Klägerin hat eine Hörschädigung mit Sprachstörung, die vom Amt für soziale Angelegenheiten Mainz mit einem Grad der Behinderung von 100 als Funktionsstörung anerkannt ist. Die Klägerin ist seit ... 2008 als Arbeitserzieherin bei den Diakonie Werkstätten - K. - in M. in Vollzeit beschäftigt.

Nachdem der Technische Beratungsdienst des Beklagten im Februar 2009 die Notwendigkeit des Einsatzes von Gebärdensprachdolmetschern am Arbeitsplatz der Klägerin für notwendig erachtet hatte, bewilligte ihr die Deutsche Rentenversicherung Bund auf ihren Antrag mit Bescheid vom 30. November 2009 unter anderem dem Grunde nach die Kosten für einen Gebärdensprachdolmetscher im Rahmen einer notwendigen Arbeitsassistenz für die Dauer von 36 Monaten. Die Bestimmung von Art, Umfang und Ausführung dieser Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben wurde dem Beklagten überlassen. Mit Bescheid vom 30. November 2009 bewilligte dieser der Klägerin erstmals ab dem 1. Dezember 2009 für den Zeitraum eines Jahres aus Mitteln der Schwerbehindertenausgleichsabgabe ein persönliches Budget für den Einsatz eines qualifizierten Gebärdensprachdolmetschers, wobei ein jährlicher Bedarf von 120 Stunden und für die Kosten pro voller Zeitstunde ein Betrag bis zu 55,00 EUR als angemessen angesehen wurde. Bei gleichbleibendem zeitlichen Umfang des Bedarfs der Klägerin und gleichbleibender Höhe der anzusetzenden Vergütung bewilligte der Beklagte ihr für die Folgejahre ein persönliches Budget für den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern in Höhe von 9.900,00 EUR maximal der tatsächlich angefallenen Kosten jeweils für die Dauer eines Jahres (Bescheide vom 7. Dezember 2010, 3. November 2011 und 6. Dezember 2012). Nach Vorlage entsprechender Rechnungen setzte der Beklagte endgültig den der Klägerin für den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern zustehenden Betrag für den Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis zum 30. November 2011 auf 10.174,76 EUR (Bescheid vom 23. Januar 2012) und den vom 1. Dezember 2011 bis zum 30. November 2012 auf 11.108,99 EUR (Bescheid vom 9. Januar 2013) fest.

Im September 2013 wies die Klägerin den Beklagten unter Vorlage einer Information der damaligen Landesdolmetscherzentrale (LDZ), deren Träger der Landesverband der Gehörlosen Rheinland-Pfalz e.V., F. war, auf einen Anstieg der Gebärdensprachdolmetscherkosten hin. Danach sollte "für Aufträge mit gesetzlicher Regelung (JVEG)" ab dem 1. August 2013 der Stundensatz 75,00 EUR betragen, wenn keine Rahmenvereinbarung bestehe. Auf den Antrag der Klägerin bewilligte der Beklagte ihr unter Vorbehalt einer endgültigen Entscheidung mit Bescheid vom 5. November 2013 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2013 bis zum 30. November 2014 unverändert zu den Bewilligungen der Vergangenheit ein persönliches Budget für die Arbeitsassistenz in Höhe von 9.900,00 EUR maximal der tatsächlich angefallenen Kosten, wobei er - wie in der Vergangenheit - einen jährlichen Bedarf von 120 Einsatzstunden und einen Stundensatz für einen qualifizierten Gebärdendolmetscher von 55,00 EUR berücksichtigte. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Erstattung orientiere sich an den in Rheinland-Pfalz geltenden Richtlinien (seitherige Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen) zur Finanzierung der Einsätze von freiberuflichen Gebärdensprachdolmetschern im Rahmen der begleitenden Hilfen im Arbeitsleben gemäß § 102 Abs. 3 SGB IX. Die Klägerin bezog sich zur Begründung ihres dagegen eingelegten Widerspruchs erneut auf Informationsschreiben der damaligen LDZ, F., vom 7. November 2013. Darin wurde ausgeführt, der Stundensatz der Dolmetscher für Gebärden­sprache müsse ab dem 1. Januar 2014 entsprechend den Regelungen im Sozialgesetzbuch und dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz auf 75,00 EUR angehoben werden.

Am 3. Dezember 2013 rechnete die Klägerin letztmals Kosten für einen im Rahmen der ihr bewilligten Arbeitsassistenz tätigen Gebärdensprachdolmetscher bei dem Beklagten ab.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2014 wies der Widerspruchsausschuss beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung den Widerspruch der Klägerin mit der Begründung zurück, gemäß § 102 Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 17 Abs. 1 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabenverordnung (SchwbAV) hätten schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitenden Hilfen im Arbeitsleben aus den diesem aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Arbeitsassistenz. Zwar bestehe ein behinderungsbedingter Bedarf der Klägerin. Bis zur Klärung der Übernahme eines erhöhten Stundensatzes für die Gebärdensprachdolmetscherkosten werde der Vergütungssatz auf 55,00 EUR pro Stunde festgesetzt. Insoweit werde der Antrag auf Bewilligung eines erhöhten Budgets von 75,00 EUR pro Einsatzstunde unter Vorbehalt des Ergebnisses der Gespräche des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Gebärdensprachdolmetscher Rheinland-Pfalz abgelehnt.

Mit ihrer am 15. Juli 2014 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Bewilligung eines Betrages von 75,00 EUR für den Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers weiterverfolgt.

Auf den Antrag der Klägerin hat der Beklagte ihr mit Bescheid vom 5. Januar 2015 unter Vorbehalt einer endgültigen Entscheidung für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis zum 30. November 2015 ein persönliches Budget für den Einsatz von Gebärdensprachdolmetschern in Höhe von 10.080,00 EUR maximal der tatsächlich angefallenen Kosten bewilligt. Zugrunde gelegt hat er einen jährlichen Bedarf von 120 Einsatzstunden zuzüglich der Fahrt- und Wartezeiten bei einem Stundensatz eines qualifizierten Gebärdensprachdolmetschers von 60,00 EUR. Ferner enthält der Bescheid den Hinweis, der Vorbehalt berücksichtige auch den beim Verwaltungsgericht anhängigen Rechtsstreit (1 K 716/14.MZ).

Durch Urteil vom 7. Mai 2015 hat das Verwaltungsgericht den Beklagten unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 5. November 2013 und des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2014 verpflichtet, bei der Festsetzung der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz durch einen Gebärdensprachdolmetscher einen Zuschuss von 75,00 EUR pro voller Einsatzstunde zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus § 33 Abs. 8 SGB IX i.V.m. § 17 Abs. 2 SGB I, § 19 Abs. 4 SGB X und § 9 JVEG. Die Beteiligten stritten ausschließlich darum, ob die Kosten des Gebärdensprach­dolmetschers entsprechend den aktuellen Vergütungssätzen des § 9 JVEG zu übernehmen seien, was zu bejahen sei. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB I hätten hörbehinderte Menschen das Recht, bei der Ausführung von Sozialleistungen Gebärdensprache zu verwenden. Die für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger seien nach § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB I verpflichtet, die durch Verwendung der Gebärdensprache entstehenden Kosten zu tragen, wobei § 19 Abs. 2 Satz 4 SGB X entsprechende Anwendung finde. Danach erhalte der Dolmetscher auf Antrag eine Vergütung in entsprechender Anwendung des § 9 JVEG. Vorliegend handele es sich bei dem Einsatz eines Gebärdensprachdolmetschers und dessen Vergütung um die "Ausführung" von Sozialleistungen im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB I. Die der Klägerin zustehende Sozialleistung bestehe in der möglichst dauerhaften Sicherung ihrer Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 Abs. 1 SGB IX). Diese werde in der Zurverfügungstellung des Gebärdensprachdolmetschers verwirklicht und gelange hierdurch zur Ausführung. Erst durch den tatsächlichen Einsatz des erforderlichen Gebärdensprachdolmetschers habe der Beklagte die der Klägerin zustehende Sozialleistung erbracht. Im Übrigen sei die Kammer mit dem Sozialgericht Nürnberg (Beschluss vom 11. Dezember 2013 - S 20 SO 199/13 ER -, juris) der Auffassung, dass § 17 Abs. 1 SGB I den allgemeinen Gedanken enthalte, dass die Dolmetscherleistung und die Sozialleistung inhaltlich nicht zu trennen seien.

Der Beklagte hat gegen das am 2. Juni 2015 zugestellte Urteil am 15. Juni 2015 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 hat die Klägerin erneut einen Antrag auf Übernahme von Kosten für einen Gebärdensprachdolmetscher im Rahmen einer Arbeitsassistenz gestellt und dabei die Festsetzung eines Honorars von 75,00 EUR pro Stunde begehrt.

Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. November 2015 ihre Klage betreffend den Monat Dezember 2013 im Einverständnis mit dem Beklagten zurückgenommen.

Der Beklagte hat auf den Auflagenbeschluss des Senats vom 24. Februar 2016 Erklärungen des Caritasverbandes T. e.V. und der I. gGmbH, N., den jetzigen Trägern der LDZ, vom 18. März 2016 sowie des Zentrums für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen, A. e.V. (ZsL) vom 21. März 2016, vorgelegt. In allen Erklärungen wird ausgeführt, es bestehe eine Bindung an die Förderrichtlinie zur Sicherstellung einer landesweiten Basisversorgung an Gebärdensprachdolmetscherleistungen für hörbehinderte Menschen in Rheinland-Pfalz (Förderrichtlinie GSD) und die in der Anlage 2 dieser Förderrichtlinie enthaltenen Kostensätze. Ferner haben die Träger der LDZ erklärt, dass sie für die Klägerin im Rahmen der ihr nach § 102 Abs. 4 SGB IX in Form der Arbeitsassistenz bewilligten Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben einen Gebärdensprachdolmetscher vermittelten, für den ein Stundensatz von 60,00 EUR berechnet werde, sofern ein solcher zur Verfügung stehe.

Die Klägerin trägt vor, sie schließe sich dem Urteil des Verwaltungsgerichts und den Ausführungen des Sozialgerichts Nürnberg an. Sie habe trotz entsprechender Bewilligungen des Beklagten ab Januar 2014 keine Gebärdensprachdolmetscherleistungen mehr in Anspruch genommen, weil sie eine Eigenbeteiligung befürchtet habe. Lediglich aufgrund des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs sei es ihr nicht mehr möglich, für den zurückliegenden und zeitlich abgeschlossenen Bewilligungszeitraum einen Anspruch auf Erlass eines entsprechenden Verwaltungsaktes durchzusetzen. Sie sei aber aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigung über den abgeschlossenen Zeitraum hinaus nach wie vor auf die unterstützende Tätigkeit von Gebärdensprachdolmetschern angewiesen. In den vorgelegten Erklärungen und Bestätigungen, beispielsweise der I. gGmbH, finde sich zu den Angaben, dass Gebärdensprachdolmetscher zu einem Stundensatz von 60,00 EUR vermittelt würden, jeweils eine bedeutende Einschränkung des Inhalts, sofern ein solcher zur Verfügung stehe. Eine konkrete Zusicherung, dass auch tatsächlich ein Gebärdensprachdolmetscher zu einem Stundensatz von 60,00 EUR vermittelt werde, sehe anders aus.


Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet gewesen ist, ihr für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. November 2014 für die Inanspruchnahme eines Gebärdensprachdolmetschers einen Stundensatz von 75,00 EUR (statt 55,00 EUR) zu bewilligen.


Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 7. Mai 2015 die Klage in der in der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2015 gestellten Fassung abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten im Rahmen der Arbeitsassistenz nach den Vorschriften des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes. § 17 Abs. 2 SGB I treffe keine Regelung für die Sozialleistung selbst. Sie betreffe das Verwaltungsverfahren. Aus § 102 Abs. 4 SGB IX lasse sich die Befugnis ableiten, eine eigenständige Regelung für begleitende Hilfen im Arbeitsleben zu treffen. Nachdem eine vertragliche Vereinbarung mit dem Verbund "Integrationsfachdienst für Menschen mit Schwerhinderungen in Rheinland-Pfalz" nicht zustande gekommen sei, habe er die am 1. November 2014 in Kraft getretene Förderrichtlinie GSD erlassen. Der Zuschuss für eine volle Einsatzstunde eines Gebärdensprachdolmetschers im Rahmen der Arbeitsassistenz belaufe sich seitdem auf bis zu 60,00 EUR. Bei der Höhe des Stundensatzes habe man sich auch an den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln orientiert. Seit dem 1. Juli 2014 würden der Caritas­verband T. e.V. und die I. gGmbH, N., als Bietergemeinschaft die LDZ Rheinland-Pfalz betreiben. Zwischen ihm und den Trägern der LDZ bestehe eine mündliche Vereinbarung über die Leistungserbringung entsprechend der Anlage 2 der Förderrichtlinie GSD. Daraus ergebe sich, dass es für die Klägerin durch Vermittlung der LDZ möglich sei, einen Gebärdensprachdolmetscher zu einem Stundensatz von 60,00 EUR in Anspruch zu nehmen. Für den Fall, dass die LDZ unter Beachtung der in der Erklärung vom 18. März 2016 beschriebenen Vorgehensweise im Fall der Beauftragung durch die Klägerin für einen Einsatz keinen Gebärdensprachdolmetscher vermitteln könne, der entsprechend der Förderrichtlinie GSD abrechne, würde er im Einzelfall anfallende höhere Kostensätze übernehmen. Der Landesverband der Gehörlosen e.V., F., der nicht mehr Träger der LDZ sei, berechne seit Januar 2014 im Rahmen begleitender Hilfen im Arbeitsleben einen Betrag von 75,00 EUR pro Stunde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die vorgelegten Behördenakten verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.

Der Antrag der Klägerin auf Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet gewesen ist, ihr für den Zeitraum 1. Januar bis 30. November 2014 für die Inanspruchnahme eines Gebärdensprachdolmetschers einen Stundensatz von 75,00 EUR (statt 55,00 EUR) zu bewilligen, ist unzulässig. Denn es fehlt ihr an dem für die Fort­setzungs­fest­stellungs­klage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO erforderlichen berechtigten Interesse an der begehrten Feststellung.

Die Klägerin hat ihr Begehren nach Ablauf des bis zum 30. November 2014 laufenden Bewilligungszeitraums als Fort­setzungsfest­stellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiterverfolgt. Dieses Rechtsinstitut ist auf Verpflichtungsklagen entsprechend anzuwenden (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 2013 - 3 C 6.12 -, juris, Rn. 11 m.w.N.). Nachdem die Klägerin im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. November 2014 tatsächlich keine der ihr bewilligten Gebärdensprachdolmetscherleistungen in Anspruch genommen hat und dieser Zeitraum abgelaufen ist, hat sich ihr ursprünglich verfolgtes Verpflichtungsbegehren nach Klageerhebung am 15. Juli 2014 erledigt. Vorliegend fehlt es aber an dem erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin. Denn die hier allein in Betracht kommende Wiederholungsgefahr ist nicht gegeben.

Die Annahme einer Wiederholungsgefahr kommt im Fall eines Verpflichtungsstreits nur dann in Betracht, wenn eine hinreichende Gefahr besteht, dass ein gleichartiger Verwaltungsakt (hier: Bewilligung eines Betrages von weniger als 75,00 EUR pro Stunde) unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ergehen wird, das heißt, die Behörde einen erneuten Antrag mit gleichen Gründen ablehnen wird. Dies setzt voraus, dass auch in Zukunft die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse wie in dem abgelaufenen Bewilligungszeitraum vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1999 - 2 A 5.98 -, juris, Rn. 15). Eine Wiederholungsgefahr besteht jedoch nicht, wenn sich die Verhältnisse geändert haben oder wenn eine anstehende neue Entscheidung von wesentlich anderen Voraussetzungen abhängt (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl., § 113, Rn. 141). Dies ist vorliegend der Fall.

Dabei ist zunächst klarstellend davon auszugehen, dass entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts und der Klägerin sich die Höhe des ihr für die Gebärdensprachdolmetscherleistungen zu bewilligenden Betrages nicht aus § 9 JVEG i.V.m. § 19 Abs. 2 Satz 4 SGB X und § 17 Abs. 1 Satz 2 SGB I ergibt. Sowohl der Wortlaut als auch die Gesetzessystematik stehen einer Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 2 SGB I auf Leistungen, die nach § 102 Abs. 4 SGB IX gewährt werden, entgegen. Bezugspunkt für die Verweisung auf das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz ist die Ausführung von Sozialleistungen und nicht die Sozialleistung selbst.

Als Konsequenz des Rechts auf Verwendung von Gebärdensprache normiert § 17 Abs. 2 Satz 2 SGB I die Verpflichtung des für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträgers, die bei deren Ausführung entstehenden Kosten zu tragen, und gibt insoweit vor, dass hinsichtlich der Vergütung die Regelung des § 19 Abs. 2 Satz 4 SGB X entsprechend gilt. Sprachlicher Bezugspunkt für die Pflicht zur Kostentragung ist die Ausführung der Sozialleistung und nicht die Sozialleistung selbst. Dem entsprechen auch Sinn und Zweck der Regelung. Denn § 17 SGB I, der Teil des ersten Abschnittes des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) "Aufgaben des Sozialgesetzbuches und soziale Rechte" ist, enthält ein verfahrensrechtliches Optimierungsgebot (vgl. Merten, in: Beck‘scher Onlinekommentar Sozialrecht, Stand: 1. Dezember 2015, SGB I, § 17 Rn. 1). Die Vorschrift soll nach dem Willen des Gesetzgebers sicherstellen, dass die Leistungsträger nicht lediglich die Vorgaben des materiellen Rechts ausführen, sondern von sich aus Initiativen ergreifen, um so eine möglichst weitgehende Verwirklichung sozialer Rechte zu erreichen (BT-Drucks. 7/868, 26). Dass die Entschädigungsregelung für Gebärdensprachdolmetscher, die Gegenstand der Sozialleistung selbst ist, nicht gelten soll, ergibt sich für den Senat auch aus den Gesetzesbegründungen zu Art. 2 Nr. 3 Buchst. b des Gesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl. I, S. 1046), mit dem der Absatz 2 des § 17 SGB II eingefügt worden ist, und zur Änderung des § 17 Abs. 2 Satz 2 SGB I durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes vom 19. Dezember 2007 (BGBl. I, S. 3024) mit der Einfügung des Verweises auf § 19 Abs. 2 Satz 4 SGB X. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte klargestellt werden, dass die Kostentragungspflicht für die Verwendung der Gebärdensprache bei der Ausführung von Sozialleistungen unmittelbar zu Lasten des für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträgers fest­geschrieben werden sollte (BT-Drucks. 14/5531, S. 12 f.). Es ging um die Möglichkeit für hörbehinderte Menschen im Verkehr mit Sozialleistungsträgern und bei der Ausführung von Sozialleistungen Gebärdensprache zu verwenden (BT-Drucks. 14/5531, S. 1). Mit dem Verweis in § 17 Abs. 2 Satz 2 SGB I auf § 19 Abs. 2 Satz 4 SGB X wollte der Gesetzgeber nur klarstellen, dass Gehörlose und hörbehinderte Menschen, während der Ausführung von Sozialleistungen genauso gestellt werden wie im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren (BT-Drucks. 16/6540, S. 26).

Angesichts des klaren Wortlauts und der Entstehungsgeschichte kommt auch keine entsprechende Anwendung der Regelung des § 17 Abs. 2 Satz 2 SGB I im Hinblick auf einen Rechtsgedanken im Rahmen materiell-rechtlicher Vorschriften in Betracht.

Auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist bei einer Differenzierung zwischen der Ausführung von Sozialleistungen und der Sozialleistung selbst nicht zu erkennen. Im Übrigen beinhaltet § 102 Abs. 4 SGB IX einen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Dies bedeutet, dass nur diejenigen Kosten notwendig sind, die benötigt werden, um den Bedarf an Arbeitsassistenz zu decken, die - dem Zweck der Regelung entsprechend - den behinderungsbedingten Unterstützungsbedarf bei der Bewältigung des beruflichen Alltags ausgleicht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Mai 2011 - OVG 6 B 1.09 -, juris, Rn. 14). Eine entsprechende Regelung enthält auch § 17 Abs. 1a SchwbAV.

Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht davon ausginge, dass die Sozialleistung der Ausführung von Sozialleistungen gleichzustellen wäre und § 17 Abs. 2 Satz 2 SGB I i.V.m. § 19 Abs. 2 Satz 4 SGB X Anwendung fänden, wäre zu beachten, dass nach dem Halbsatz 2 der letztgenannten Vorschrift die Behörde berechtigt ist, mit Dolmetschern eine Vergütung zu vereinbaren.

Unter Berücksichtigung dessen, dass § 102 Abs. 4 SGB IX lediglich einen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz gewährt und - selbst wenn man der Auffassung des Verwaltungsgericht folgen würde - nach § 19 Abs. 2 Satz 4 Halbs. 2 SGB X eine Vergütungsvereinbarung zwischen einer Behörde und Gebärdensprachdolmetschern in Betracht kommt, hängt eine nunmehr anstehende neue Entscheidung von wesentlich anderen Voraussetzungen ab, wie sie im abgelaufenen Zeitraum vorlagen. Durch die Abgabe der Erklärungen der nunmehrigen Träger der Landesdolmetscherzentrale - LDZ -, dem Caritasverband T. e.V. und der I. gGmbH, und des Zentrums für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen e.V. - ZsL - haben sich die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Vergleich zu dem am 30. November 2014 abgelaufenen Bewilligungszeitraum derart geändert, dass die Klägerin ihr Feststellungsbegehren, dass der Beklagte verpflichtet gewesen sei, ihr für die Kosten eines Gebärdensprachdolmetschers bei der ihr bewilligten Arbeitsassistenz 75,00 EUR pro Stunde zu bewilligen, nicht mehr in zulässiger Weise weiterverfolgen kann.

Zwischen dem Beklagten und den Trägern der LDZ, dem Caritasverbandes T. e.V. und der I. gGmbH, N., besteht, nachdem diese seit dem 1. Juli 2014 die LDZ betreiben und die Förderrichtlinie des Beklagten zur Sicherstellung einer landesweiten Basisversorgung an Gebärdensprachdolmetscherleistungen für hörbehinderte Menschen in Rheinland-Pfalz (Förderrichtlinie GSD) am 1. November 2014 in Kraft getreten ist, zwischenzeitlich eine mündliche Vereinbarung, wonach die beiden Träger auf der Grundlage der Förderrichtlinie GSD tätig werden. Die Vereinbarung über den Betrieb der LDZ gilt nach den Ausführungen des Beklagten zunächst bis zum 30. Juni 2016, wobei allerdings eine Verlängerung beabsichtigt sei. Nach Nr. 1.4 der Anlage 2 der Förderrichtlinie GSD beträgt das Honorar für eine volle Zeitstunde bei Einsätzen bei begleitenden Hilfen im Arbeitsleben bis zu 60,00 EUR. Die Bindung der beiden Träger aufgrund einer Vereinbarung an diese Regelung ergibt sich für den Senat aus den von ihnen abgegebenen Erklärungen vom 18. März 2016. Danach haben sich beide Träger verpflichtet, im Rahmen begleitender Hilfen im Arbeitsleben Gebärdensprachdolmetscher zu vermitteln, für deren Einsatz im Rahmen einer Arbeitsassistenz Kosten von 60,00 EUR entstehen. Zudem haben sie, was zugleich vorliegend zu geänderten Verhältnissen führt, ausdrücklich bezogen auf die Klägerin erklärt, dass für einen Gebärdensprachdolmetscher, den sie ihr im Rahmen der ihr nach § 102 Abs. 4 SGB IX in Form der Arbeitsassistenz bewilligten Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben vermitteln, ein Stundensatz von 60,00 EUR berechnet werde, sofern ein solcher zur Verfügung stehe. Zwischenzeitlich ist auch geklärt, dass neben den Trägern der LDZ das ZsL in der Lage ist, der Klägerin Gebärdensprachdolmetscher zu einem Stundenhonorar von 60,00 EUR zu vermitteln. Das ZsL, das eine Projektförderung seitens des Beklagten erhält, ist ausweislich seiner Erklärung vom 21. März 2016 an die Förderrichtlinie GSD mit der Folge gebunden, dass sich die für das ZsL tätigen Gebärdensprachdolmetscher nach den Sätzen der Anlage 2 der Förderrichtlinie GSD richten müssen. Entsprechend werden sie auch bei Beauftragung durch die Klägerin im Rahmen der ihr nach § 102 Abs. 4 SGB IX in Form der Arbeitsassistenz bewilligten Leistung der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben für eine Honorar von 60,00 EUR pro volle Zeitstunde tätig.

Der Einwand der Klägerin, aufgrund des Zusatzes in den Schreiben der Träger der LDZ, der Betrag von 60,00 EUR pro Stunde gelte, sofern ein entsprechender Gebärdensprachdolmetscher zur Verfügung stehe, sei für sie nicht gewährleistet, dass ein solcher im Rahmen der Arbeitsassistenz zu einem Stundenhonorar von 60,00 EUR tätig werde, greift nicht durch. Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin das Angebot von drei Leistungserbringern in Anspruch nehmen kann, die ihr im Rahmen der bewilligten begleitenden Arbeitshilfe Gebärdensprachdolmetscher zu einem Stundenhonorar von 60,00 EUR vermitteln. Darüber hinaus hat der Beklagte zugesichert, für den Fall, in dem die LDZ unter Beachtung der in der Erklärung vom 18. März 2016 beschriebenen Vorgehensweise bei einer Beauftragung durch die Klägerin für einen Einsatz keinen Gebärdensprachdolmetscher vermitteln könne, der entsprechend der Förderrichtlinie GSD abrechne, im Einzelfall anfallende höhere Kostensätze zu übernehmen.

Unzutreffend geht die Klägerin im Übrigen davon aus, Gegenstand dieses Verfahrens sei die Feststellung, dass ihr für jeden konkreten Termin in ihrem Arbeitsplan im Jahr 2016 ein Gebärdensprachdolmetscher für ein Stundenhonorar von 60,00 EUR zur Verfügung gestellt werden müsse. Aufgrund der Tatsache, dass Erklärungen von drei Leistungserbringern vorliegen, die im Fall der Klägerin Gebärdensprachdolmetscher zu diesem Stundensatz vermitteln, ist offensichtlich ein ausreichendes Angebot vorhanden, einen zeitlichen Bedarf von 120 Stunden, der in der Vergangenheit als für die Klägerin angemessen angesehen worden ist, abzudecken. Im Übrigen greift im Einzelfall die nunmehr abgegebene Zusicherung des Beklagten. Letztlich kann auch nicht außer Acht gelassen werden, dass die Klägerin bei dem weiter bestehenden Arbeitsverhältnis mit der K. ab Januar 2014 keine Gebärdensprachdolmetscherleistungen als begleitende Hilfe im Arbeitsleben in Anspruch genommen hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Referenznummer:

R/R7191


Informationsstand: 14.11.2016