Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat die Klägerin zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kostenschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls nicht die Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Die Klägerin war Empfängerin einer Leistung der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben in Form der Kostenübernahme für die notwendige Arbeitsassistenz durch eine Gebärdenspachdolmetscherin und begehrt die Erhöhung dieser Leistung.
Die am 23. März 1973 geborene Klägerin ist gelernte Bürokauffrau und seit ihrer Geburt gehörlos. Mit Bescheid des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales Gießen (nachfolgend: Versorgungsamt) vom 15.08.1990 wurde ein Grad der Behinderung (
GdB) von 100 anerkannt.
Die Klägerin war vom 12. Mai 2014 befristet bis zum 11. Mai 2016 als Schulbegleiterin für einen gehörlosen Jungen bei der X. beschäftigt. Laut Arbeitsvertrag vom 12. Mai 2014 wurde sie bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 16,15 Stunden mit monatlich 678,32 Euro (brutto) vergütet. Wegen ihrer Gehörlosigkeit war die Klägerin bei ihrer Tätigkeit als Schulbegleiterin, etwa bei Elterngesprächen oder im Rahmen von Fortbildungen, auf die Unterstützung eines Gebärdenspachdolmetschers angewiesen.
Am 13. Juni 2014 stellte die Klägerin bei der Beigeladenen als Rehabilitationsträgerin einen Antrag auf Gewährung von Leistungen für eine Arbeitsassistenz.
Die Beigeladene bewilligte der Klägerin eine Arbeitsassistenz für die Dauer von 36 Monaten und beauftragte mit Schreiben vom 20. Juni 2014 das Integrationsamt des Beklagten mit der Ausführung der Leistungen.
Das Integrationsamt bewilligte mit Bescheid vom 15. August 2014, der Klägerin zugestellt am 20.08.2014, finanzielle Leistungen zur Arbeitsassistenz in Form der Gebärdensprachdolmetscherleistungen für den Zeitraum vom 01. August 2014 bis 11. Mai 2016 in Höhe von monatlich bis zu 2.410
EUR. Die Bemessung der Höhe der Leistung stützte das Integrationsamt des Beklagten gemäß den Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß
§ 102 Abs. 4 SGB IX vom 15. April 2014 (BIH) auf die Anwendung der Fach- und Fördergrundsätze für Leistungen der begleitenden Hilfe an schwerbehinderte Menschen und deren Arbeitgeber des Beklagten in der Fassung vom 01. Januar 2014 (FuFG GSD). Im Einzelnen gewährte das Integrationsamt des Beklagten danach bis zum monatlichen Höchstbetrag nebst Fahrtkosten und Ersatz angefallener Umsatzsteuer folgende Leistungen:
- für Dolmetscherzeit i. H. v. 37,50
EUR für jede angefangene halbe Stunde zuzüglich einer Einsatzpauschale i. H. v. 10
EUR je Einsatz und Dolmetscher
- Fahrzeitpauschalen gestaffelt nach einfacher Wegstrecke: 1 bis 50 Kilometer: 46
EUR; 51 bis 70 Kilometer: 59
EUR; 71 bis 90 Kilometer: 72
EUR; 91 bis 100 Kilometer: 85
EUR; 101 bis 149 Kilometer: 98
EUR und ab 150 Kilometer: 150
EUR.
Mit Widerspruch vom 12. September 2014 wendete sich die Klägerin gegen die Höhe der finanziellen Leistungen und die Anwendung der beim Beklagten geltenden Vergütungssätze der FuFG GSD, insbesondere gegen die Fahrzeitpauschalen der Beklagten. Die Klägerin meinte, die Gebärdensprachdolmetscherleistungen seien unter Zugrundlegung der höheren Sätze des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz vom 05. Mai 2004, zuletzt geändert am 11. Oktober 2016 - JVEG) zu vergüten. Da die Beigeladene Kostenträgerin der Leistungen sei, seien für die Dauer dieser Zuständigkeit die Sätze des JVEG zugrunde zu legen. Die Klägerin behauptet, dass sie zu den von ihr als zu niedrig erachteten Fahrzeitpauschalen nach den FuFG GSD keinen Gebärdensprachdolmetscher ihres Vertrauens beauftragen könne.
Das Integrationsamt des Beklagten half dem Widerspruch nicht ab und legte diesen dem Widerspruchsausschuss vor, der über den Widerspruch in seiner Sitzung am 28. Januar 2015 beriet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09. Februar 2015, der Klägerin zugestellt am 11. Februar 2015, wies der Widerspruchsausschuss des Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Seine Entscheidung begründete der Widerspruchsausschuss im Wesentlichen damit, dass die Anwendung der Vergütungs- und Aufwandsentschädigungssätze des FuFG GSD nicht zu beanstanden sei und insbesondere kein Anwendungsfall der höheren Sätze nach dem JVEG vorliege. Die Gewährung der Sätze nach dem JVEG sei beschränkt auf die Heranziehung von Gebärdensprachdolmetschern durch Behörden im Sozialverwaltungsverfahren und entsprechend bei der Ausführung von Sozialleistungen. Selbst wenn man von einer entsprechenden Anwendbarkeit ausginge, bestünde Raum für eine sachliche Differenzierung und für Besonderheiten. Es handele sich um eine Leistung, deren Erbringung und Bemessung grundsätzlich im Ermessen des Integrationsamtes liege. Die Leistungsgewährung stehe unter dem gesetzlichen Vorbehalt der aus der Ausgleichsabgabe für das Integrationsamt zur Verfügung stehenden Mittel, was diesen zur sparsamen und vorausschauenden Mittelverwendung anhalte.
Die Klägerin hat daraufhin am 10. März 2015 Klage bei Gericht erhoben.
Zur Begründung verweist sie auf die im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Argumente. Ergänzend hierzu trägt sie vor, dass der Beklagte nicht berücksichtige, dass er die Hilfe im Arbeitsleben nicht in eigener Zuständigkeit gewähre, sondern die Beigeladene zuständige Rehabilitations- und Kostenträgerin sei. Es sei daher nicht zutreffend, dass das Integrationsamt des Beklagten die Kosten der Arbeitsassistenz aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln der Ausgleichsabgabe trage. Auch stehe dem Beklagten daher in Ermangelung der eigenen Leistungserbringung kein Ermessen im Hinblick auf die Höhe der Sätze zu. Die Klägerin behauptet, die Beigeladene ihrerseits wende die Sätze nach dem JVEG in ihrem Zuständigkeitsbereich auch bei der Ausführung von Sozialleistungen und nicht nur im vorgelagerten Verwaltungsverfahren an. Die Klägerin verweist ergänzend auf ein Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 03. November 2011 sowie auf eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 26. Juni 2016.
Die Klägerin beantragt wörtlich,
den Bescheid des Beklagten vom 15.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2015 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, die Gebärdensprachdolmetschereinsätze nach den Sätzen des aktuell gültigen JVEG zu vergüten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung nimmt der Beklagte Bezug auf den Inhalt seines Widerspruchsbescheides. Ergänzend verweist der Beklagte im Hinblick auf die seines Erachtens von seinem Integrationsamt festzusetzende Höhe der Vergütungssätze auf die Verwaltungsabsprache der Deutschen Rentenversicherung, der Bundesanstalt für Arbeit, der gesetzlichen Unfallversicherung und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen über die Gewährung von Leistungen der Begleitenden Hilfen im Arbeitsleben nach dem zweiten Teil des
SGB IX im Verhältnis zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gemäß Teil 1 des
SGB IX (Verwaltungsabsprache).
Zum Verhältnis des Integrationsamtes und des Rehabilitationsträgers im Hinblick auf die Leistungen der Arbeitsassistenz heiße es in Punkt 4 der Verwaltungsabsprache, dass, soweit der Rehabilitationsträger die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz zu tragen habe, zwischen diesem und dem Integrationsamt hierüber eine Abstimmung nach
§ 33 Abs. 8 Satz 2 SGB IX erfolge. Dabei erteile der Rehabilitationsträger eine grundsätzliche Kostenzusage für die notwendige Arbeitsassistenz. Das Integrationsamt hingegen ermittele den zur Ausführung der Leistung individuellen Assistenzbedarf und lege bei der Bemessung die "Vorläufigen Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102
Abs. 4
SGB IX" zugrunde. Der Bescheid über den Leistungsumfang an den Leistungsberechtigten ergehe durch das Integrationsamt nach den für das jeweilige Integrationsamt geltenden Regelungen zur Bezuschussung von Kosten für Dolmetscherleistungen.
Die vorrangige Anwendung der Regelungen des Integrationsamtes folge, so der Beklagte, im Übrigen schon aus der gesetzlichen Regelung. Im Sinne der Einheitlichkeit der Leistungsgewährung und zur Vermeidung eines Trägerwechsels entspreche es dem gesetzgeberischen Willen, dass die Leistung von Anfang an vom Integrationsamt ausgeführt werde und ein Gleichklang zwischen "Vorphase" und Leistungsgewährung geschaffen werde.
Der Beklagte verweist ergänzend auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.05.2016 -
7 A 10583/15.OVG.
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Sache schließt sich die Beigeladene den inhaltlichen Ausführungen des Beklagten an. Sie bestreitet in ihrem Zuständigkeitsbereich für Sozialleistungen generell die Sätze des JVEG anzusetzen. Selbst wenn dies in Einzelfällen erfolgt sei, meint sie, dass dem immer eine Einzelfallbetrachtung zugrunde gelegen habe.
Im Einverständnis der Beteiligten konnte die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101
Abs. 2
VwGO).
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage unter Teilaufhebung des Bescheids des Integrationsamtes des Beklagten vom 15. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides seines Widerspruchsausschusses vom 9. Februar 2015 statthaft (§ 42
Abs. 1 Alt. 2
VwGO). Das Klageverfahren war nach § 88
VwGO auszulegen. Danach hat das Gericht das im Klageantrag und im gesamten Parteivorbringen zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln und seiner Entscheidung zugrunde zu legen, ohne an die wörtliche Fassung der Anträge gebunden zu sein. Mit der Teilaufhebung des einer höheren Vergütung entgegenstehenden Verwaltungsaktes in Gestalt des Widerspruchsbescheides
bzw. der dahingehenden Abänderung ist das Rechtsschutzziel der Klägerin noch nicht erreicht, da hieraus nicht die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung höherer Leistungen folgt und im Wege der Abänderungsklage auch nicht geltend gemacht werden kann (
vgl. Kopp/Schenke, 22. Auflage 2016, § 113
VwGO, Rn. 149 ff). Insofern erschöpft sich ein Abänderungsantrag auch in der Teilaufhebung der Entscheidung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids. Soweit die Klägerin wörtlich begehrt, den Beklagten "zu verurteilen", die Gebärdensprachdolmetschereinsätze nach den Sätzen des aktuell gültigen JVEG zu vergüten, handelt es sich in der Sache um ein Verpflichtungsbegehren. Denn die Klägerin begehrt die Verpflichtung, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. August 2014 bis 11. Mai 2016 die Bemessungssätze des JVEG ihrer Leistung zugrunde gelegt werden. Dieser begehrten Bewilligungsentscheidung zur Anwendung der Bemessungssätze des JVEG kommt auch angesichts ihrer Regelungs- und Außenwirkung Verwaltungsaktqualität zu.
Die Klage bleibt in der Sache aber erfolglos.
Der Bescheid des Integrationsamts des Beklagten vom 15. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides seines Widerspruchsausschusses vom 09. Februar 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Daher hat die Klägerin keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01. August 2014 bis 11. Mai 2016 für die Gewährung der Dolmetscherleistung im Rahmen der Arbeitsassistenz die Sätze des JVEG zugrunde zu legen (§ 113
Abs. 1 Satz 1,
Abs. 5 Satz 1
VwGO).
Der Bescheid ist formell rechtmäßig.
Die Zuständigkeit des Integrationsamtes ergibt sich aus
§ 33 Abs. 8 Satz 2 i. V. m.
§ 102 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) vom 19. Juni 2001 (BGBl. I 1046). Dass die Leistung durch den Rehabilitationsträger - hier die Beigeladene - letztverantwortlich getragen wurde, steht der Zuständigkeit des Integrationsamtes des Beklagten nicht entgegen. § 33
Abs. 8 Satz 2
SGB IX betraut dieses in diesen Fällen gerade mit der Ausführung der Leistungsgewährung einer notwendigen Arbeitsassistenz.
Der Bescheid ist insbesondere bezüglich der Höhe der Kostenerstattung materiell rechtmäßig.
Die Klägerin hatte lediglich einen Anspruch auf § 33
Abs. 8 Satz 2
i. V. m. § 102
Abs. 4
SGB IX auf Gewährung von Leistungen für eine notwendige Arbeitsassistenz, deren Berechnung die Sätze des FuFG GSD zugrunde zu legen waren. Der Klägerin stand kein weitergehender Anspruch auf Gewährung der Leistung nach den Bemessungssätzen des JVEG zu.
Der Bescheid des Beklagten vom 15. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides seines Widerspruchsausschusses vom 09. Februar 2015 ist dem Grunde nach materiell rechtmäßig.
Nach § 33
Abs. 8
Nr. 3
SGB IX i. V. m. § 102
Abs. 4
SGB IX haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der auf das Integrationsamt übertragenen Zuständigkeit einen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz für begleitende Hilfen im Arbeitsleben.
Zwar steht der Anspruch aus § 33
Abs. 8
Nr. 3
SGB IX neben dem Anspruch auf Arbeitsassistenz gegenüber den Integrationsämtern nach § 102
Abs. 4
SGB IX. Nach den Gesetzgebungsmaterialien handelt es sich bei § 33
Abs. 8
Nr. 3
SGB IX um einen eigenständigen Anspruch gegenüber den Rehabilitationsträgern, neben dem Anspruch auf Arbeitsassistenz gegenüber dem Integrationsamt (
vgl. Begründung des Gesetzentwurfes v. 16.01.2001, BT-Drucks. 14/5074,
S. 108; Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung v. 04.04.2001, BT-Drucks. 14/5800,
S. 27; Neuman/Pahlen/Majerski-Pahlen-Majerski-Pahlen, 12. Aufl. 2010, § 33
SGB IX RdNr. 10). Der Anspruch aus § 33
Abs. 8
SGB IX ist vorrangig, sofern die Arbeitsassistenz für schwerbehinderte Menschen als Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes erforderlich und auf die Dauer von drei Jahren begrenzt ist (
vgl. Deusch, in: Dau u.a. [Hrsg.],
SGB IX, 4. Aufl., 2014, § 33 Rn. 51). Zur Vermeidung eines Trägerwechsels und eines damit verbundenen möglichen Wechsels der Assistenzkraft, stellt § 33
Abs. 8 Satz 2
SGB IX von Beginn der Leistung sicher, dass diese durch das Integrationsamt ausgeführt und die Aufwendungen vom Rehabilitationsträger erstattet werden (
vgl. Deusch, in: Dau u.a. [Hrsg.],
SGB IX, 4. Aufl., 2014, § 33 Rn. 52). So ist es auch im vorliegenden Fall erfolgt. Mit Schreiben vom 20. Juni 2014 bewilligte die Beigeladene als Rehabilitationsträgerin der Klägerin Leistungen für eine Arbeitsassistenz und beauftragte das Integrationsamt des Beklagten mit der Ausführung der Leistung. Am 18.08.2014 teilte das Integrationsamt des Beklagten der Beigeladenen mit, dass er die Erstattungsansprüche der Klägerin in der streitgegenständlichen Höhe geltend mache und jeweils nach Ablauf eines Jahres die durch den Beklagten gezahlten Zuschüsse bei der Beigeladenen anfordern werde.
§ 33
Abs. 8
Nr. 3
SGB IX erfasst nach seinem Wortlaut die Kosten einer Arbeitsassistenz "zur Erlangung" eines Arbeitsplatzes. Dem steht nicht entgegen, dass es sich bei § 33
Abs. 8
Nr. 3
SGB IX gesetzessystematisch um Beispiele für Leistungen nach § 33
Abs. 3
Nr. 1 und 6
SGB IX handelt und nach § 33
Abs. 3
Nr. 1
SGB IX hiermit auch Hilfen "zur Erhaltung" eines Arbeitsplatzes gemeint sind. Denn das Verhältnis in § 33
Abs. 3
Nr. 1
SGB IX bezieht sich darauf, dass Hilfen zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes Vorrang haben, vor - in zweiter Priorität, wenn die Erhaltung nicht mehr möglich ist - Hilfen zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes (
vgl. Deusch, in: Dau u.a. [Hrsg.],
SGB IX, 4. Aufl., 2014, § 33 Rn. 25). Damit kann nach Auffassung der Kammer die Entscheidung dahinstehen, ob die streitgegenständliche Arbeitsassistenz auf Gewährung eines Gebärdensprachdolmetschers als Erhaltung oder als Erlangung des befristeten Arbeitsplatzes der Klägerin notwendig war. Jedenfalls auch nach Ziff. 5.2. der Verwaltungsabsprache in seiner Fassung ab 01.03.2015 ist von einer Hilfe zur Erlangung eines Arbeitsplatzes auszugehen, wenn sich der Bedarf vor dem Arbeitsverhältnis oder in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses ergibt. Die Klägerin beantragte am 13.06.2014 für ihr befristetes Arbeitsverhältnis vom 12.05.2014 bis zum 11.05.2016 die Leistungen für ihre notwendige Arbeitsassistenz, womit ihr Antrag jedenfalls vom Anwendungsbereich des § 33
Abs. 3
Nr. 1
SGB IX erfasst werden soll.
Der Bescheid des Beklagten vom 15.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides seines Widerspruchsausschusses vom 09,02.2015 ist auch der Höhe nach materiell rechtmäßig.
Denn die Höhe der gewährten Leistungen für Arbeitsassistenzen nach § 33
Abs. 8
SGB IX bestimmt sich nach Ziff. 4 (Leistungen für Arbeitsassistenz) der Verwaltungsabsprache
i. V. m. Ziff. 4.2 der BIH-Empfehlung
i. V. m. den Bemessungsgrundsätzen der FuFG GSD, für den maßgeblichen streitgegenständlichen Zeitraum vom 01. August 2014 bis 11. Mai 2016.
Nach Ziff. 4 der Verwaltungsabsprache heißt es (Verwaltungsabsprache
i. d. F. vom 01. August 2002, im Wesentlichen entsprechend Ziff. 5 der neuen Fassung ab 01. März 2015):
"Soweit der Rehabilitationsträger die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz zu tragen hat, erfolgt zwischen ihm und dem Integrationsamt hierüber eine Abstimmung (§ 33
Abs. 8 Satz 2
SGB IX). Hierzu wird folgende Vorgehensweise vereinbart:
Sofern der Antrag unmittelbar beim Integrationsamt gestellt wird, erhält der Rehabilitationsträger zunächst Gelegenheit, unverzüglich den grundsätzlichen Rehabilitationsbedarf und die sonstigen Voraussetzungen seiner Zuständigkeit zu prüfen. Soweit diese festgestellt worden sind, erteilt der Rehabilitationsträger eine grundsätzliche Kostenzusage für die notwendige Arbeitsassistenz. Das Integrationsamt ermittelt gleichzeitig den zur Ausführung der Leistung individuellen Assistenzbedarf. Bei der Bemessung der Leistung gelten die "Vorläufigen Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen gemäß § 102
Abs. 4
SGB IX". Der Bescheid über den Leistungsumfang an den Leistungsberechtigten ergeht durch das Integrationsamt. Die Aufwendungen für die Leistungen einer notwendigen Arbeitsassistenz werden dem Integrationsamt anschließend nach § 33
Abs. 8 Satz 3
SGB IX bis zu 3 Jahren von Beginn der Leistungsgewährung an erstattet; die Abrechnung soll jährlich vorgenommen werden."
Punkt 4.2 der in Bezug genommenen BIH-Empfehlungen (Stand: 15. April 2014) lautet:
"4.2 Hörbehinderte Menschen, die zur Kommunikation im Arbeitsverhältnis auf eine regelmäßige wiederkehrende Unterstützung durch Gebärden-
bzw. Schriftdolmetscher im Sinne der Ziff. 2.4 angewiesen sind, erhalten unter Berücksichtigung des durchschnittlichen zeitlichen Umfangs des monatlichen Bedarfs bei Vollzeitbeschäftigung entsprechende Leistungen für Dolmetschereinsätze, die nach den für das jeweilige Integrationsamt geltenden Regelungen zur Bezuschussung von Kosten für Dolmetscherleistungen abgewickelt werden."
Dabei wurden die Vergütungsregeln des Beklagten (FuFG GSD) mit Stand vom 01. Januar 2014 berücksichtigt. Dies ist nicht zu beanstanden. Der Klägerin wurden daraufhin Leistungen für die Arbeitsassistenz nach den dortigen Höchstsätzen gewährt.
Nach Auffassung der Kammer bestehen auch keine Bedenken an der angemessenen Höhe der Bemessungsgrundsätze nach den FuFG-Grundsätzen. Dass die Klägerin, insbesondere zu den in den FuFG-Grundsätzen niedergelegten Fahrzeitpauschalen, im Gegensatz zu der Abrechnung der Fahrzeit als Arbeitszeit
i. S. v. § 8
Abs. JVEG, keinen Gebärdensprachdolmetscher beauftragen kann, der zu diesen Bemessungssätzen bereit wäre für die Klägerin tätig zu werden, was auf eine Unangemessenheit der Bemessungssätze schließen ließe, hat die Klägerin nicht ausreichend dargestellt.
Die Rechtswidrigkeit des Bescheides des Integrationsamtes des Beklagten vom 15. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides seines Widerspruchsausschusses vom 09. Februar 2015 der Höhe nach ergibt sich insbesondere auch nicht aus der vorrangigen Anwendbarkeit von § 17
Abs. 2 Satz 2 Hs. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (
Art. I des Gesetzes vom 11.12.1975, BGBl. I
S. 3015, geändert durch
Art. 3 des Gesetzes vom 23.12.2016, BGBl. I
S. 3234 -
SGB I)
i. V. m. § 33
Abs. 3
Nr. 6
SGB IX i. V. m. § 9 JVEG.
Entgegen der Ansicht der Klägerin, die auf die Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 26.06.2016 Bezug nimmt, finden die Bemessungsgrundsätze nach dem JVEG im vorliegenden Fall keine Anwendung. Der Anwendungsbereich der JVEG selbst ist nicht eröffnet. Auch eine Verweisung aus anderen gesetzlichen Normen auf die Bemessungsgrundsätze nach dem JVEG kommt nicht in Betracht.
Nach § 17
Abs. 2 Satz 1
SGB I haben hörbehinderte Menschen das Recht, "bei der Ausführung von Sozialleistungen" Gebärdensprache zu verwenden. Dieser Fall ist vorliegend nicht gegeben. Zwar gehören zu den in § 17
SGB I bezeichneten Sozialleistungen
gem. § 11
SGB I auch Dienstleistungen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, also auch die hier in Anspruch genommene Leistung eines Gebärdensprachdolmetschers (so ausdrücklich: BeckOK-Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching-Mertens, 40.
Ed., Stand: 01.12.2015, § 17
SGB I RdNr. 13).
Während § 17
Abs. 2
SGB I jedoch gar keine eigene Regelung über die Höhe der im Rahmen der Leistung der Teilhabe am Arbeitsleben zu erstattenden Kosten enthält, verweist der in § 17
Abs. 2
SGB I für entsprechend anwendbar erklärte § 19
Abs. 2 Satz 4
SGB X (aber eben nur für das Verwaltungsverfahren bis zur Bescheidung) auf die Regelungen des JVEG (
vgl. SG Darmstadt, Urteil vom 03. November 2011 - S 11 AL 36/11).
Auch die Ausführungen in der Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 26.06.2016 beziehen sich ausschließlich auf den Anwendungsbereich der Vorschriften des § 17
SGB I bei der "Ausführung von Sozialleistungen"
bzw. des § 19
SGB X bei der Anwendung im Verwaltungsverfahren im Sozialrecht. Beide gesetzlichen Tatbestände finden vorliegend keine Anwendung, denn die Klägerin erhielt die Kostenübernahme einer Leistung des Gebärdensprachdolmetschers nicht im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zur Ausführung einer Sozialleistung, in welchem die o.g. Vorschriften sicherstellen sollen, dass die Klägerin wegen ihrer Behinderung nicht gegenüber anderen Antragstellern ohne Behinderung benachteiligt wird, sondern die Kostenerstattung des Gebärdensprachdolmetschers als notwendige Hilfe im Arbeitsleben stellte die Sozialleistung selbst dar.
Das
OVG Rheinland-Pfalz führt in seinem Urteil vom 30. Mai 2016 -
7 A 10583/15 - insoweit aus:
"Sowohl der Wortlaut als auch die Gesetzessystematik stehen einer Anwendung des § 17
Abs. 2 Satz 2
SGB I auf Leistungen, die nach § 102
Abs. 4
SGB IX gewährt werden, entgegen. Bezugspunkt für die Verweisung auf das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz ist die Ausführung von Sozialleistungen und nicht die Sozialleistung selbst. Als Konsequenz des Rechts auf Verwendung von Gebärdensprache normiert § 17
Abs. 2 Satz 2
SGB I die Verpflichtung des für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträgers, die bei deren Ausführung entstehenden Kosten zu tragen, und gibt insoweit vor, dass hinsichtlich der Vergütung die Regelung des § 19
Abs. 2 Satz 4
SGB X entsprechend gilt. Sprachlicher Bezugspunkt für die Pflicht zur Kostentragung ist die Ausführung der Sozialleistung und nicht die Sozialleistung selbst. Dem entsprechen auch Sinn und Zweck der Regelung. Denn § 17
SGB I, der Teil des ersten Abschnittes des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB I) "Aufgaben des Sozialgesetzbuches und soziale Rechte" ist, enthält ein verfahrensrechtliches Optimierungsgebot (
vgl. Merten, in: Beck´scher Onlinekommentar Sozialrecht, Stand: 01. Dezember 2015,
SGB I, § 17 RdNr. 1). Die Vorschrift soll nach dem Willen des Gesetzgebers sicherstellen, dass die Leistungsträger nicht lediglich die Vorgaben des materiellen Rechts ausführen, sondern von sich aus Initiativen ergreifen, um so eine möglichst weitgehende Verwirklichung sozialer Rechte zu erreichen (BT-Drucks. 7/868, 26). Dass die Entschädigungsregelung für Gebärdensprachdolmetscher, die Gegenstand der Sozialleistung selbst ist, nicht gelten soll, ergibt sich für den Senat auch aus den Gesetzesbegründungen zu
Art. 2
Nr. 3 Buchst. b des Gesetzes vom 19. Juni 2001 (BGBl. I,
S. 1046), mit dem der Absatz 2 des § 17
SGB II eingefügt worden ist, und zur Änderung des § 17
Abs. 2 Satz 2
SGB I durch
Art. 2
Nr. 1 des Gesetzes vom 19.12.2007 (BGBl. I,
S. 3024) mit der Einfügung des Verweises auf § 19
Abs. 2 Satz 4
SGB X. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte klargestellt werden, dass die Kostentragungspflicht für die Verwendung der Gebärdensprache bei der Ausführung von Sozialleistungen unmittelbar zu Lasten des für die Sozialleistung zuständigen Leistungsträger festgeschrieben werden sollte (BT-Drucks. 14/5531,
S. 12 f.). Mit dem Verweis in § 17
Abs. 2 Satz 2
SGB I auf § 19
Abs. 2 Satz 4
SGB X wollte der Gesetzgeber nur klarstellen, dass Gehörlose und hörbehinderte Menschen, während der Ausführung von Sozialleistungen genauso gestellt werden wie im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren (BR-Drucks. 16/6540,
S. 26)."
Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an.
Insofern erschöpft sich auch die Kontinuität der Leistungsgewährung nicht darin, dass gegenüber dem Anspruchsberechtigten eine Behörde nach außen hin auftritt. Dies folgt aus der eindeutigen gesetzlichen Regelung zur Leistungszuständigkeit des Rehabilitationsträgers und der Ausführung der Leistungen durch das Integrationsamt
gem. § 33
Abs. 8 Satz 2
SGB IX. Denn gerade die vom Gesetzgeber intendierte Kontinuität durch die Vermeidung eines Trägerwechsels und des damit möglicherweise verbundenen Wechsels der Assistenzkraft, macht deutlich, dass auch in der Höhe der Leistungsgewährung für die Leistung einer Arbeitsassistenz eine Kontinuität vorliegen muss, um den zu umgehenden Wechsel der Assistenzkraft aufgrund von unterschiedlich hohen Leistungsgewährungssätzen auszuschließen.
Unerheblich ist darüber hinaus, was zwischen den Beteiligten streitig ist, ob die Beigeladene in ihrem Zuständigkeitsbereich die Sätze des JVEG generell und auch bei der Ausführung von Sozialleistungen anwendet. Denn jedenfalls hat die Klägerin diese Behauptung nicht substantiiert darlegen können. Eine Einzelfallbetrachtung, wie es die Beigeladene ausführt, ist nicht als Verwaltungspraxis anzusehen. Insofern bestehen, entgegen der Ansicht der Klägerin, auch im Lichte von
Art. 3 (
GG) keine Bedenken an einer ungerechtfertigten Behandlung gegen die Anspruchsgewährung nach den streitgegenständlichen Sätzen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 1
VwGO. Da die Klägerin unterlegen ist, hat sie die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Kosten der Beigeladenen sind nach § 162
Abs. 3
VwGO erstattungsfähig. Dies entspricht nach Ansicht der Kammer der gebotenen Billigkeitsentscheidung, da auch die Beigeladene, indem sie einen Antrag stellte, sich dem Risiko der Kostenpflicht aus § 154
Abs. 3
VwGO ausgesetzt hat.
Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188
S. 2
VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 711
ZPO.
Die Zulassung der Berufung
gem. § 124 a
Abs. 1 Satz 1
VwGO kommt nicht in Betracht, da die Gründes des § 124
Abs. 2
Nr. 3 oder
Nr. 4
VwGO nicht vorliegen.