Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids des Integrationsamts Berlin vom 12. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Widerspruchsausschusses bei dem Integrationsamt vom 2. Januar 2017 verpflichtet, die Kosten für die technische Arbeitsplatzausstattung der Arbeitsassistenz der Klägerin entsprechend dem Antrag vom 12. April 2016 auf der Grundlage zu aktualisierender Angebote und Preise zu gewähren.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin für das Vorverfahren war notwendig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung der Kosten der Arbeitsplatzausstattung seiner Arbeitsassistenz.
Die 19... geborene Klägerin ist wegen Blindheit mit einem Grad der Behinderung (
GdB) von 100 als schwerbehindert anerkannt. Seit dem 1. Juni 2016 ist die Klägerin beim Bezirksamt R... als gewählte Beauftragte für Menschen mit Behinderung des Bezirkes R... beschäftigt. Für ihre Tätigkeit beschäftigt die Klägerin einen Arbeitsassistenten, Herrn A..., der u.a. dafür benötigt wird, um Dokumente zu digitalisieren, damit diese der Klägerin barrierefrei zur Verfügung stehen. Die der Klägerin durch die Arbeitsassistenz entstehenden Personalkosten (insbes. die Lohnkosten für Herrn A...) werden durch Gewährung eines monatlichen Budgets durch das Integrationsamt übernommen.
Mit Antrag vom 18. April 2016 begehrte die Klägerin vom Beklagten darüber hinaus die Übernahme der Kosten der Arbeitsplatzausstattung für ihren Arbeitsassistenten, insbes. Hard- und Software. Diese Positionen würden nicht durch ihren Arbeitgeber, das Bezirksamt R... übernommen, da Herr A... nicht beim Bezirksamt angestellt, sondern Beschäftigter der Klägerin sei. Die notwendigen Kosten für die
PC-Ausstattung beliefen sich - unter näherer Darlegung der Einzelpositionen - nach Stand April 2016 auf 1.137,70 Euro.
Mit Bescheid des Integrationsamts vom 12. Mai 2016 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die Ausstattung des Arbeitsplatzes des Arbeitsassistenten der Klägerin sei nicht im Leistungskatalog des
§ 17 SchwbAV enthalten. Mit der Gewährung von Leistungen für die Arbeitsassistenz seien auch eventuelle Aufwendungen für die Ausstattung abgedeckt.
Mit ihrem Widerspruch gegen diese Entscheidung wies die Klägerin darauf hin, dass zu den notwendigen Kosten der Arbeitsassistenz i.
S. des
§ 102 Abs. 4 SGB IX schon nach dem Wortlaut nicht nur die Lohnkosten der Arbeitsassistenz, sondern alle hiermit im Zusammenhang stehenden Kosten zählten, also auch die notwendigen Kosten für die technische Arbeitsplatzausstattung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Januar 2017 wies der Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zu Recht sei das Integrationsamt davon ausgegangen, dass die Ausstattung des Arbeitsplatzes des Arbeitsassistenten keine Leistung nach § 17
SchwbAV sei. Im Übrigen sei für die Arbeitsplatzausstattung eines Arbeitnehmers nach
§ 26 SchwbAV nicht das Integrationsamt vorrangig zuständig, sondern der Rehabilitationsträger. Auch eine Leistungsgewährung nach
§ 15 SchwbAV sei nicht möglich, da es sich hier nicht um einen neuen Arbeitsplatz handele.
Mit der am 15. Dezember 2016 zunächst als Untätigkeitsklage erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Das von der Beklagten gewährte monatliche Budget für die Arbeitsassistenz berücksichtige lediglich die gezahlte Vergütung in Höhe von 12,- Euro pro Stunde, also die reinen Lohnkosten. Im Übrigen verweist die Klägerin auf ihre Begründung im Widerspruchsverfahren. Die benötigte
PC-Ausstattung werde ihr zurzeit vom Bezirksamt R... zur Überbrückung leihweise zur Verfügung gestellt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Integrationsamts Berlin vom 12. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Widerspruchsausschusses bei dem Integrationsamt vom 2. Januar 2017 zu verpflichten, die Kosten für die technische Arbeitsplatzausstattung ihrer Arbeitsassistenz entsprechend dem Antrag vom 12. April 2016 auf der Grundlage zu aktualisierender Angebote und Preise zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er nimmt Bezug auf die Begründung der angefochtenen Bescheide.
Das Gericht hat durch Beschluss vom 28. September 2017 den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen (§ 6
Abs. 1
VwGO).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese lagen vor und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Das Gericht konnte ohne weitere mündliche Verhandlung auf schriftlichem Wege entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§ 101
Abs. 2
VwGO).
Die zulässige Klage ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung der Kosten für die technische Arbeitsplatzausstattung ihres Arbeitsassistenten. Der entgegenstehende Bescheid ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113
Abs. 5 Satz 1
VwGO).
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist
§ 102 Abs. 4 SGB IX i.V.m. § 17 Abs. 1a SchwbAV. Es geht bei der geltend gemachten Leistung um begleitende Hilfe im Arbeitsleben für die Ausübung der Vollzeit-Tätigkeit der schwerbehinderten Klägerin als Beauftragte für Menschen mit Behinderung des Bezirkes R.... In diesem Zusammenhang haben schwerbehinderte Menschen nach den genannten Vorschriften aus den aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz.
Der Beklagte hat hinsichtlich der Frage, ob und in welcher Höhe er im Rahmen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben die Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz übernimmt, kein Ermessen. Dies folgt bereits aus dem klaren Wortlaut und der eindeutigen Systematik des § 102
Abs. 4
SGB IX (so Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Mai 2011 -
OVG 6 B 1.09 - nach juris Rn. 13). Dass die Vergabe der Mittel unter dem Vorbehalt der dem Integrationsamt jeweils zur Verfügung stehenden Mittel der Ausgleichsabgabe steht, könnte diese Annahme allenfalls dann rechtfertigen, wenn die Mittel zur Erfüllung der gesetzlich normierten Ansprüche verbraucht wären, wofür nichts ersichtlich oder geltend gemacht ist.
Der in § 102
Abs. 4
SGB IX gewährte Anspruch ist der Höhe nach daher allein durch den Begriff der Notwendigkeit begrenzt. Notwendig in diesem Sinne sind diejenigen Kosten, die entstehen, um den Bedarf für eine Arbeitsassistenz zu decken, die - dem Zweck der Regelung entsprechend - den behinderungsbedingten Unterstützungsbedarf bei der Bewältigung des beruflichen Alltags ausgleicht. Nach welchen Kriterien sich dies richtet, ist weder durch § 102
Abs. 4
SGB IX noch durch eine
Rechtsverordnung vorgegeben oder konkretisiert. Insbesondere enthält auch die Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung vom 28. März 1988 -
SchwbAV -, die aufgrund des Schwerbehindertengesetzes erlassen wurde und ungeachtet der Ablösung des Schwerbehindertengesetzes durch das
SGB IX fort gilt, insoweit keine Vorgaben. Deren § 17
Abs. 1a enthält allerdings eine wortgleiche Regelung wie § 102
Abs. 4
SGB IX.
Weder der Wortlaut noch der Sinn der genannten Vorschriften enthält hinsichtlich der Art der Kosten im Zusammenhang mit einer notwendigen Arbeitsassistenz eine Beschränkung lediglich auf Personalkosten. Im Regelfall dürften bei den in Anspruch genommenen Hilfsleistungen einer Arbeitsassistenz allerdings nur derartige Personalkosten entstehen, entweder als Entgelt im Rahmen eines Dienstleistungsvertrages oder - im sog. Arbeitgebermodell - als Lohnkosten (einschließlich Nebenkosten). Dies hat seinen Grund allerdings lediglich darin, dass der Arbeitsassistent zumeist keine besonderen Arbeitsmittel oder Arbeitsgeräte benötigt. Wie gerade der vorliegende Fall zeigt, kann dies im Einzelfall jedoch anders sein, wenn im Zusammenhang mit der Durchführung der Arbeitsassistenz - wie hier - technische oder sonstige Arbeitsmittel für den Arbeitsassistenten benötigt werden und zu diesem Zweck angeschafft werden müssen. Gerade wenn der Schwerbehinderte als Arbeitgeber des von ihm angestellten Arbeitsassistenten fungiert, hat er auch dafür zu sorgen, dass dem Arbeitsassistenten die notwendigen Arbeitsmittel zur Verfügung stehen, die zur Wahrnehmung der Unterstützungstätigkeit erforderlich sind. Die Klägerin hat überzeugend und auch vom Beklagten nicht bestritten dargelegt, dass die von ihr in der Anlage zu ihrem Antrag vom 18. April 2014 aufgeführten Hard- und Softwaremittel für die Ausübung der Arbeitsassistenz erforderlich sind. Da der Arbeitsassistent bei der Klägerin und nicht beim Bezirksamt Reinickendorf angestellt ist, war die Klägerin und nicht ihr eigener Arbeitgeber für die Bereitstellung dieser Arbeitsmittel zuständig (daher ist § 26
SchwbAV nicht einschlägig). Es handelt sich daher um notwendige Kosten der Arbeitsassistenz.
Der Bedarf der Klägerin besteht auch aktuell noch. Er ist weder durch das vom Beklagten bewilligte monatliche Budget gemäß
§ 104 Abs. 4 SGB IX, das sich nur auf die laufenden Lohn-
bzw. Personalkosten des Arbeitsassistenten bezieht, noch durch die leihweise Überlassung des
PC-Equipments durch das Bezirksamt Reinickendorf gedeckt. Die Klägerin hat überzeugend dargelegt, dass ihr die benötigten Mittel vom Bezirksamt derzeit nur überbrückungsweise auf Leihbasis bis zur gerichtlichen Entscheidung zur Verfügung gestellt wurden.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154
Abs. 1, § 162
Abs. 2 Satz 2, § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 711
ZPO.
Da es im vorliegenden Verfahren maßgeblich um Rechtsfragen ging, war es der Klägerin nicht zumutbar, das Vorverfahren ohne rechtskundigen Beistand alleine durchzuführen. Die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren war daher notwendig
i.S.v. § 162
Abs. 2 Satz 2
VwGO.