Der Kläger ist am 00.00.0000 geboren und war seit dem 00.00.0000 bei der Beigeladenen als Filialmitarbeiter beschäftigt. Er hat einen anerkannten Grad der Behinderung von 60. Über das Vermögen der Beigeladenen wurde am 01.08.2020 das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet.
Mit Schreiben vom 12.03.2021 beantragte die Beigeladene die Zustimmung zur Kündigung des Klägers aus betriebsbedingten Gründen. Sie verwies auf die Insolvenz, die Schließung aller Filialen und die Entlassung aller Mitarbeitenden. Am 10.03.2021 sei eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf gestellt worden. Der Gesamtbetrieb werde zum 12.03.2021 eingestellt. Ein Betriebsübergang nach § 613a
BGB finde nicht statt.
Mit Bescheid vom 05.05.2021 erteilte der Beklagte die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung auf der Grundlage des
§ 168 SGB IX.
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und bestritt die Betriebseinstellung. Ein Käufer habe 60 Filialen nebst Ausstattung gekauft. Hierzu zähle auch die Filiale, in der er gearbeitet habe und die nun unter der Bezeichnung „E.“ weitergeführt werde. Der Geschäftsführer der Beigeladenen betreibe eine Filiale selbst weiter. Eine Google-Suche habe ergeben, dass im I.Gebiet Filialen unter der alten Bezeichnung weiterbetrieben würden. Es gebe folglich Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.06.2022 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Hierbei folgte er der Argumentation der Beigeladenen, dass der Geschäftsbetrieb zum 10.03.2021 vollständig eingestellt worden sei. Eine Masseunzulänglichkeit sei beim
AG Düsseldorf angezeigt worden; auch seien alle Mietverträge gekündigt worden. Anlage- und Umlaufvermögen seien verwertet und am 10.03.2021 Massenentlassungen angezeigt worden. Es bestehe kein Anlass, Sachlichkeit und Notwendigkeit der unternehmerischen Entscheidung in Zweifel zu ziehen. Eine darüber hinaus gehende Überprüfung der Entscheidung finde nicht statt. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit habe nicht bestanden. Ein Zusammenhang der Kündigung mit der Schwerbehinderung des Klägers bestehe nicht. Ob ein teilweiser Betriebsübergang vorliege, müsse im vorliegende Verfahren nicht entschieden werden, da dies der Arbeitsgerichtsbarkeit obliege. Die Durchführung einer Sozialauswahl sei entbehrlich, weil alle Arbeitnehmer im Betrieb betroffen seien.
Der Kläger hat am 22.07.2022 Klage erhoben.
Er bezieht sich auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren. Die Geschäftsstelle, in der er weiterbeschäftigt gewesen sei, werde unter der Bezeichnung „Y.“ fortgeführt. Die Beigeladene sei nach wie vor im Internet präsent. Auch sei er zuletzt aufgefordert worden, sein Arbeitszeugnis bei der Arbeitgeberin in Düsseldorf abzuholen. Er gehe davon aus, dass die Kündigung auf seine gesundheitliche Einschränkung zurückzuführen sei.
Er beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 05.05.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2022 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist darauf, dass nach Aktenlage der Geschäftsbetrieb der R.
GmbH (nicht: H.) eingestellt worden sei.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Sie teilt mit, dass die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen.
Die Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 05.05.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.06.2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO.
Der Entscheidung des Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in §168
SGB IX und wird insbesondere den einschränkenden Voraussetzungen des
§ 172 SGB IX gerecht. Hiernach erteilt das Integrationsamt bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen, die nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst werden, wenn zwischen dem Tag der Kündigung und dem Tag, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen. Dies gilt nicht, wenn eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz desselben Betriebes oder derselben Dienststelle oder auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb oder einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers mit Einverständnis des schwerbehinderten Menschen möglich und für den Arbeitgeber zumutbar ist. Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet, soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn der schwerbehinderte Mensch in einem Interessenausgleich namentlich als einer der zu entlassenden Arbeitnehmer bezeichnet ist (§ 125 InsO), die Schwerbehindertenvertretung beim Zustandekommen des Interessenausgleichs gemäß
§ 178 Abs. 2 SGB IX beteiligt worden ist, der Anteil der nach dem Interessenausgleich zu entlassenden Menschen an der Zahl der beschäftigten schwerbehinderten Menschen nicht größer ist als der Anteil der zu entlassenden übrigen Arbeitnehmer und die Gesamtzahl der schwerbehinderten Menschen, die nach dem Interessenausgleich bei dem Arbeitgeber verbleiben sollen, zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach
§ 154 SGB IX ausreicht (
§ 172 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 SGB IX).
Der Beklagte stellt in der ausführlichen Begründung der Widerspruchsentscheidung zutreffend fest, dass die Beigeladene in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Zustimmungsantrag und dem Insolvenzantrag den Geschäftsbetrieb vollständig eingestellt und eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit in Düsseldorf gestellt hat. Zum 10.03.2021 wurde der Geschäftsbetrieb vollständig eingestellt. Der Beklagte tritt seine Zustimmungsentscheidung als selbstständige und damit nach § 114 Satz 1
VwGO nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugängliche Ermessenentscheidung. Diese erstreckt sich insbesondere darauf, ob die Behörde von einem ausreichend ermittelten und zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet und von der ihr eingeräumten Entscheidungsbefugnis in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat,
vgl. BayVGH, Urteil vom 31.01.2013 - 12 B 12860 - juris, Rn. 27.
Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung hat das Integrationsamt
bzw. der Widerspruchsausschuss die widerstreitenden Interessen des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes und das Interesse des Arbeitgebers an der Wahrung seiner Gestaltungsmöglichkeiten umfassend gegeneinander abzuwägen,
vgl. BayVGH, Urteil vom 31.01.2013 - 12 B 12.860 -, juris Rn. 27, 28;
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.01.2013 -
OVG 6 B 35.11 -, juris Rn. 16.
Bei der Abwägung sind die Schutzinteressen des Arbeitnehmers geringer zu gewichten, wenn die Kündigung nicht in Zusammenhang mit der Schwerbehinderung steht,
vgl. VG Ansbach, Urteil vom 26.03.2009 - AN 14 K 08.01924 -, juris Rn. 36,
VG Köln, Urteile vom 11.09.2018 - 7 K 14218/17 - und vom 30.07.2010 - 26 K 106/10 -.
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Integrationsamtes nicht zu beanstanden. Es ist zutreffend von einer dauerhaften Betriebsstillegung und damit von einem Wegfall des Arbeitsplatzes ausgegangen. Die mitgeteilten Fakten belegen hinreichend die dauerhafte Einstellung des Gesamtbetriebes der Beigeladenen. Soweit die Kläger darauf verweist, dass Filialen, und darunter namentlich diejenige Filiale, in der er selbst bis zur Insolvenz beschäftigt war, fortgeführt werden, ergibt dies nicht Abweichendes. Denn der Insolvenzverwalter war nicht gehindert, einzelne Filialen oder Filialgruppen im Rahmen der Verwertung des Restvermögens zu veräußern und so deren Fortführung durch Dritte zu ermöglichen. Eine Grenze dieser Befugnis aus schwerbehindertenrechtlicher Sicht wird sich erst dort ziehen lassen, wo das Geschäftsgebaren ersichtlich dazu dient, schwerbehinderte Mitarbeiter aus dem Betrieb zu drängen und das Insolvenzverfahren damit rechtmissbräuchlich ausgenutzt wird. Hierfür bestehen jedoch keine greifbaren Hindernisse. Es ist nicht streitig, dass allen Mitarbeitenden gekündigt wurde und auch keine Mietverträge über die Filialen mehr bestehen. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers durch die Beigeladene, sei es in der bisherigen Filiale, sei es anderenorts, ist damit ausgeschlossen. Es spricht auch nichts entscheidend dafür, dass der Betrieb des Klägers im Sinne des § 613a
BGB auf einen Dritten mit der Folge der Weiterbeschäftigungspflicht übergegangen sein sollte. Dessen ungeachtet betrifft der Betriebsübergang eine arbeitsrechtliche Frage. Die zuständige Behörde ist nicht befugt, eine Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten mit der Begründung zu verweigern, der Betrieb sei von einem Dritten übernommen worden. Die Beantwortung dieser Frage obliegt dem Arbeitsgericht,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 21.03.2000 - 22 A 5137/99 -, juris Rn. 15 für die Kündigung in der Erziehungszeit,
das vorliegend die Kündigungsschutzklage des Klägers abgewiesen hat.
Da sich die Beigeladene in Insolvenz befand und Masseunzulänglichkeit angezeigt hat, unterlag die Entscheidung des Integrationsamtes auch nicht den Einschränkungen des § 172
SGB IX. Namentlich war die Zustimmung nicht von Lohnfortzahlung abhängig, die nach Lage der Dinge unmöglich war. Auch entfiel der nach § 172
Abs. 3
SGB IX vorausgesetzte Interessenausgleich.
Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2
VwGO gerichtskostenfrei. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten zu tragen, da er im Rechtsstreit unterlegen ist, § 154
Abs. 1
VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162
Abs. 3
VwGO erstattungsfähig, da die Beigeladene einen Klageabweisungsantrag gestellt und sich damit am Prozessrisiko beteiligt hat, § 154
Abs. 3
VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 711
ZPO.