Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für eine (selbstbeschaffte) Arbeitsassistenz.
Bei der …… Klägerin besteht ein Grad der Behinderung von 100. Sie ist seit dem 1. Oktober 2020 beim XXX mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden als Projektleiterin der ............. (X) unbefristet beschäftigt.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2021 und 22. September 2021 bewilligte das Integrationsamt des Beklagten der Klägerin für die ihr durch die Inanspruchnahme einer notwendigen Arbeitsassistenz entstehenden Kosten ein persönliches Finanzbudget. Dieser Entscheidung lag das Ergebnis der Stellungnahme des Technischen Beratungsdienstes des Integrationsamtes zugrunde, wonach der Assistenzbedarf bei zehn Stunden (ausgehend von einer Arbeitszeit von 20
Std./Woche) liege.
Ab dem 22. April 2022 befand die Klägerin sich aufgrund einer Schwangerschaft im individuellen Beschäftigungsverbot. Daran schloss sich Elternzeit an. Ab dem 1. Juni 2023 nahm die Klägerin ihre Tätigkeit in einem elternzeitbedingt reduzierten Stundenumfang von 10 Stunden pro Woche (Teilzeit) wieder auf und nahm eine Arbeitsassistenz in Anspruch. Eine Änderung der vertraglichen Arbeitszeit (20
Std.) erfolgte nicht.
Mit Antrag vom 12. Juli 2023 begehrte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine Arbeitsassistenz. Sie gab an, sie habe sich während ihrer Elternzeit dazu entschieden, ihre Tätigkeit mit einem Stundenumfang von zehn Stunden pro Woche (Teilzeit) ab 1. Juni 2023 wieder aufzunehmen. Aufgrund der Elternzeit und ihrer familiären Eingebundenheit/mangelnder Kinderbetreuung sei aktuell nur der Stundenumfang von zehn Stunden pro Woche möglich. Als berufstätige Mutter, als Frau mit Behinderung und als Projektleiterin von „X“ wolle sie auf die doppelte Diskriminierung aufmerksam machen, die entstünde, wenn eine Arbeitsassistenz erst ab einem Arbeitsumfang von 15 Stunden gewährt werden könne.
Das Integrationsamt des Beklagten lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 14. August 2023 ab. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die Voraussetzungen für die bisherige Gewährung durch den „Erziehungsurlaub“ weggefallen seien. Nach den Richtlinien der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen, welche in Rheinland-Pfalz Anwendung fänden, müsse der schwerbehinderte Mensch im Rahmen eines förderfähigen Beschäftigungsverhältnisses tätig sein. Ein förderfähiges Beschäftigungsverhältnis bestehe, wenn der schwerbehinderte Mensch auf einem Arbeitsplatz im Sinne von
§ 156 Abs. 1 des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX) beschäftigt sei. Ein förderfähiges Beschäftigungsverhältnis bestehe nach
§ 185 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auch bei einer Teilzeitbeschäftigung ab 15 Stunden pro Woche. Die Leistung solle ihrem Zweck nach dahin wirken, dass der behinderte Mensch eine berufliche Erwerbstätigkeit wahrnehmen und sich im Wettbewerb mit nicht behinderten Menschen behaupten könne und in seiner sozialen Stellung nicht absinke. Dies setze voraus, dass mit der beruflichen Erwerbstätigkeit auch Erwerb verbunden sei. Insgesamt sei ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Teilzeit von zehn Stunden pro Woche nicht förderfähig im Sinne der §§ 156
Abs. 1, 185
Abs. 2 Satz 3
SGB IX.
Die Klägerin erhob am 12. September 2023 Widerspruch. Zunächst müsse darauf hingewiesen werden, dass sich die Klägerin nicht im „Erziehungsurlaub“ befunden habe, sondern vielmehr in Elternzeit. Der relevante Unterschied zwischen der seit 2001 eingeführten Elternzeit und dem vorher möglichen Erziehungsurlaub bestehe gerade darin, dass das Arbeitsverhältnis nicht zwangsläufig komplett ruhe, sondern sogar ein Rechtsanspruch auf Weiterbeschäftigung während der Elternzeit bestehe. Als „Bezugsgröße“ für den Umfang der Erwerbstätigkeit im Sinne von § 185
Abs. 2 Satz 3
SGB IX sollte der bestehende Arbeitsvertrag herangezogen werden, d.h. hier im Umfang von 20 Wochenstunden. Hierfür spreche auch, dass sich das Elterngeld während der Elternzeit an dem Verdienst aus dem vorbenannten Arbeitsvertrag errechne (
vgl. § 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG)). Ebenfalls für diese Interpretation spreche auch der Zweck der Förderung. Ohne die Möglichkeit der Beschäftigung der Klägerin in der Elternzeit wäre ein chancengleicher Wettbewerb für sie gerade nicht möglich, da sie im Verhältnis zu nichtbehinderten Menschen gerade nicht ihre beruflichen Kompetenzen im Rahmen einer reduzierten Tätigkeit aktuell halten könnte und ihr die Option einer reduzierten Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit nicht zur Verfügung stünde. Für diese Betrachtungsweise streite auch § 18 BEEG, nach dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ab dem Zeitpunkt, von dem an Elternzeit verlangt worden ist, nicht kündigen darf.
Der Widerspruchsausschuss des Integrationsamts des Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2024 zurück. Der Widerspruchsausschuss habe nach eingehender Prüfung des Sachverhalts die Problematik bestätigt, dass auch bei der aktuellen Wochenarbeitszeit von zehn Stunden eine Assistenzkraft bei der Klägerin zur Ausübung ihrer Tätigkeit notwendig sei. Jedoch sei diese wöchentliche Arbeitszeit nicht aus behinderungsbedingten Gründen, sondern aus Gründen der Kinderbetreuung erforderlich. Der Gesetzgeber habe in § 185
Abs. 2 Satz 3
SGB IX eindeutig herausgearbeitet, dass als Arbeitsplätze auch Stellen gelten, auf denen Beschäftigte in einem Umfang von mindestens 15 Wochen beschäftigt werden. Im Übrigen regele hier grundsätzlich § 156
SGB IX den Arbeitsplatzbegriff. Unterhalb dieser zeitlichen Grenze seien Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben ausgeschlossen. Die begleitende Hilfe im Arbeitsleben beziehe sich daher auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einem Erwerbseinkommen, das zur dauerhaften Bestreitung des Lebensunterhalts ausreicht. Es könnten zudem die Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen für die Erbringung finanzieller Leistungen zur Arbeitsassistenz schwerbehinderter Menschen herangezogen werden. Ein förderfähiges Beschäftigungsverhältnis bestehe nach diesen Empfehlungen gemäß § 185
Abs. 2 Satz 3
SGB IX bei einer Teilzeitbeschäftigung ab 15 Stunden pro Woche. Die dem Widerspruchsbescheid angehängte Rechtsbehelfsbelehrung wies auf die Möglichkeit einer Klageerhebung bei dem Verwaltungsgericht Koblenz hin.
Die Klägerin hat am 23. Februar 2024 Klage bei dem Verwaltungsgericht Koblenz erhoben (Az. 3 K 154/24.KO). Mit Beschluss vom 19. März 2024 hat das Verwaltungsgericht Koblenz sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Mainz verwiesen.
Die Klägerin verweist zunächst auf die Begründung des Widerspruchs und trägt ergänzend vor: Der Beklagte habe bei seiner Entscheidung den Umstand nicht berücksichtigt, dass sich die Klägerin aktuell in Elternzeit befinde und grundsätzlich über einen Arbeitsvertrag im Umfang von 20 Wochenstunden beschäftigt werde. Die Höhe des begehrten Stundensatzes ergebe sich aus den tatsächlich entstandenen Kosten für die Klägerin, die bisher die Arbeitsassistenz bei ihrem Arbeitgeber im sog. Abtretungsmodell eingekauft habe. Ferner werde insbesondere auf die grundsätzlichen Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in seiner Entscheidung zum Arbeitsassistenzanspruch auch bei Erreichen des Renteneintrittsalters vom 12. Januar 2022 (Az. 5 C 2.21) verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2024 hat die Klägerin eine Übersicht bezüglich der im Zeitraum vom 1. Juni 2023 bis 31. Mai 2024 in Anspruch genommenen Arbeitsassistenz vorgelegt. Daraus ergibt sich eine Gesamtstundenzahl von 264,25 und ein daraus errechneter Betrag von 10.880,88 €. Die Klägerin hat zunächst beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 14. August 2023 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 18. Januar 2024 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an sie – die Klägerin – für eine notwendige Arbeitsassistenz im Umfang von 5 Wochenstunden mit einem Stundensatz in Höhe von 28,05 €, d.h. monatlich 607,28 € zu zahlen. Nachdem die Klägerin ihre Beschäftigung ab dem 1. Juni 2024 wieder in einem Umfang von 20
Std. pro Woche aufgenommen und der Beklagte ab diesem Zeitpunkt wieder die Kostenübernahme erklärt hatte, beantragt sie zuletzt sinngemäß, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 14. August 2023 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 18. Januar 2024 zu verpflichten, die Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juni 2023 bis zum 31. Mai 2024 im Umfang von insgesamt 264,25 Stunden (= 10.880,88 €) zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist zur Klageerwiderung zunächst auf den Ausgangsbescheid vom 14. August 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2024 und trägt ergänzend vor: Das klägerische Vorbringen, dass die Arbeitnehmerin während der Elternzeit weiterhin über einen Arbeitsvertrag von 20 Wochenstunden beschäftigt werde, gehe an der Sache vorbei. Es bestehe ein über zehn Wochenstunden ruhendes Arbeitsverhältnis bei gleichzeitiger Beschäftigung von zehn Wochenstunden, sodass keine Leistungen der begleitenden Hilfen möglich seien. Wie die Klägerin ferner ihre Arbeitsassistenz organisiere,
z.B. im Abtretungsmodell, obliege grundsätzlich ihrer Organisationskompetenz.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 21.
bzw. 22. August 2024 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakten des Beklagten (1 Band) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Die Klage, über die das Gericht im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 101
Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, hat Erfolg.
Das nach Wiederaufnahme der Beschäftigung im Umfang von 20 Wochenstunden konkretisierte Begehren der Klägerin ist gemäß § 88
VwGO sachgerecht so auszulegen, dass sie die Kostenübernahme für die bereits verauslagten Kosten zur Inanspruchnahme einer Arbeitsassistenz begehrt. Zwar hat die Klägerin ausdrücklich beantragt, den Beklagten zur Zahlung zu „verurteilen“, allerdings geht der Kostenübernahme ein Verwaltungsakt, in dem über die Kostenübernahme dem Grunde und der Höhe nach entschieden wird, voraus, sodass ihr Rechtsschutzziel sinnvollerweise auf dessen Erlass gerichtet ist.
I. Das so verstandene Begehren ist als Verpflichtungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere hat sich das Begehren trotz der zwischenzeitlichen Kostenübernahme des Beklagten für eine Arbeitsassistenz – nach Ende der Elternzeit der Klägerin und damit einhergehender Erhöhung des tatsächlichen Arbeitsumfangs auf 20
Std. pro Woche – ab dem 1. Juni 2024 nicht erledigt. Denn der Anspruch aus § 185
Abs. 5 Satz 1
SGB IX ist von vornherein auf eine Kostenübernahme (und nicht auf eine Leistungserbringung durch den Beklagten selbst) gerichtet und die Klägerin hat sich für den nunmehr allein streitgegenständlichen – Zeitraum von 1. Juni 2023 bis 31. Mai 2024 die entsprechende Arbeitsassistenz selbst beschafft.
Insoweit findet
§ 18 Abs. 6 SGB IX schon deshalb keine Anwendung, weil es sich bei der Arbeitsassistenz nicht um eine Rehabilitationsleistung handelt (
vgl. Eicher, Die Erstattung selbstbeschaffter Reha-Leistungen,
ASR 2024, 55 [58]) und eine entsprechende Anwendung des § 18
SGB IX in § 185
Abs. 7 Satz 1
SGB IX nicht angeordnet worden ist. Für eine analoge Anwendung des § 185
Abs. 7 Satz 1
SGB IX (so Eicher, a.a.O. mit dem Hinweis auf ein „gesetzgeberisches Versehen“) besteht jedenfalls bei (Geldleistungs-)Ansprüchen nach § 185
Abs. 5
SGB IX in Bezug auf § 18
Abs. 6
SGB IX keine Notwendigkeit.
II. Die Klage ist begründet. Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist (§ 113
Abs. 5 Satz 1
VwGO). Dies ist hier der Fall.
Die im Sinne des
§ 2 Abs. 2 SGB IX schwerbehinderte Klägerin hat – vorbehaltlich der zur Verfügung stehenden Mittel – einen Anspruch gemäß § 185
Abs. 5
SGB IX gegenüber dem Beklagten auf die Übernahme der Kosten einer Arbeitsassistenz im Zeitraum von 1. Juni 2023 bis 31. Mai 2024 in Höhe von insgesamt 10.880,88 €.
Nach § 185
Abs. 5
SGB IX haben schwerbehinderte Menschen im Rahmen der Zuständigkeit des Integrationsamtes für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihm aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz (Satz 1). Der Anspruch richtet sich auf die Übernahme der vollen Kosten, die für eine als notwendig festgestellte Arbeitsassistenz entstehen (Satz 2). Eine
Rechtsverordnung auf Grundlage von
§ 191 SGB IX ist bislang noch nicht erlassen worden.
Ein Ermessensspielraum besteht insoweit – wie die Ergänzung des § 185
Abs. 5 um Satz 2 durch
Art. 2
Nr. 10 Buchst. b) des Gesetzes zur Entlastung unterhaltsverpflichteter Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigen-Entlastungsgesetz) vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I,
S. 2135) verdeutlicht (
vgl. BT-Drs. 19/13399,
S. 39) – weder dem Grunde noch der Höhe nach (siehe auch zu
§ 102 Abs. 4 SGB IX a.F.:
OVG Saarland, Urteil vom 29. Oktober 2019 – 2 A 300/18 –, juris, Rn. 19). Der Anspruch findet indes seine Grenze in der Notwendigkeit der Leistung
bzw. der Kosten und der verfügbaren Mittel; hierfür hat der Beklagte allerdings keine Anhaltspunkte dargelegt und solche sind auch nicht anderweitig ersichtlich.
Die begleitende Hilfe soll dahingehend wirken, dass die schwerbehinderten Menschen in ihrer sozialen Stellung nicht absinken, auf Arbeitsplätzen beschäftigt werden, auf denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln können sowie durch Leistungen der Rehabilitationsträger und Maßnahmen der Arbeitgeber befähigt werden, sich am Arbeitsplatz und im Wettbewerb mit nichtbehinderten Menschen zu behaupten (§ 185
Abs. 2 Satz 2
SGB IX). Die Hilfen beziehen sich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt und zielen darauf ab, dem schwerbehinderten Menschen eine vollständige Umsetzung und Weiterentwicklung seiner vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnisse im Erwerbsleben zu ermöglichen. Dem liegt das Verständnis eines Menschen zugrunde, bei dem sich auch im Beruf die Persönlichkeit entfaltet und der seine Arbeitskraft hierfür einsetzt. Deshalb ist es (ebenso wie bei einem nicht behinderten Menschen) grundsätzlich Sache des schwerbehinderten Menschen zu entscheiden, welchem Beruf er nachgeht, ob er diesem seine Arbeitskraft vollumfänglich widmet oder ob er sie anteilig für mehrere Erwerbstätigkeiten einsetzt, und ob er eine Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung ausüben möchte (
vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2022 – 5 C 2/21 –, juris, Rn. 16).
Dies vorausgeschickt liegen die Anspruchsvoraussetzungen vor.
1. Voraussetzung ist zunächst, dass die begleitende Hilfe für einen Arbeitsplatz beansprucht wird, auf dem der schwerbehinderte Mensch – abweichend von
§ 156 Abs. 3 SGB IX – in einem Umfang von mindestens 15 Stunden, in Inklusionsbetrieben mindestens zwölf Stunden wöchentlich, beschäftigt wird (§ 185
Abs. 2 Satz 3
SGB IX;
vgl. zu diesem „Schwellenwert“:
VG Dresden, Urteil vom 29. August 2019 – 1 K 2757/18 –, juris, Rn. 16
ff. unter Verweis auf
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6. Oktober 2017 –
OVG 6 B 86.15 –, juris; Spiolek, in: Spiolek,
GK-SGB IX, 127. Lfg., § 185, Rn. 38; Jabben/Schaumberg, in: BeckOK Sozialrecht, 73. Edition, Stand: 1. September 2020, § 185, Rn. 4; anders: Wurtmann, in: Knittel,
SGB IX, 112. Lfg., § 185, Rn. 25).
Der Begriff des „Arbeitsplatzes“ ist im Rahmen der Gewährung einer Arbeitsassistenz eigenständig zu bestimmen; insbesondere schließen die gesetzlichen Fiktionen des § 156
Abs. 2
SGB IX wegen dessen abweichender Zielsetzung eine Hilfegewährung nicht (zwingend) aus (
vgl. zu § 7
SchwbG:
BVerwG, Urteil vom 14. November 2003 – 5 C 13/02 –, NJW 2004, 2256 [2257]; dies auf die aktuelle Rechtslage übertragend: Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß,
SGB IX mit
BGG, 5. Auflage 2023, § 185, Rn. 11; Welsch, in: Fuchs/Ritz/Rosenow,
SGB IX, 7. Auflage 2021, § 185, Rn. 22; siehe zu § 102
SGB IX a.F.:
VG Magdeburg, Urteil vom 8. Januar 2008 – 6 A 367/05 –, BeckRS 2008, 34154, Rn. 20; anders offenbar:
VG Dresden, Urteil vom 29. August 2019 – 1 K 2757/18 –, juris, Rn. 18; siehe zur abweichenden Bewertung in Bezug auf Leistungen an Arbeitgeber:
OVG RP, Urteil vom 6. Oktober 2022 – 7 A 11104/21 –, juris, Rn. 22
ff.). Dies gilt speziell für § 156
Abs. 2
Nr. 6
SGB IX, der den Arbeitgeber vor einer Doppelbelastung schützen soll (
vgl. Greiner, in: Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Westphal/Krohne,
SGB IX, 15. Auflage 2024, § 156, Rn. 15; Jabben, in: BeckOK Sozialrecht, 74. Edition, Stand: 1. September 2024, § 156
SGB IX, Rn. 14 [„Doppelzählung“ der Arbeitsplätze“]); eine solche ist bei der Gewährung einer Arbeitsassistenz als persönliche Leistung gegenüber dem schwerbehinderten Menschen aber nicht zu befürchten. Dass eine Vertretung für die Klägerin eingestellt worden und die Fiktionswirkung des § 156
Abs. 2
Nr. 6
SGB IX damit überhaupt eingetreten ist, wird seitens der Beteiligten im Übrigen nicht vorgetragen und ist auch nicht anderweitig ersichtlich.
Hierbei ist – anders als der Beklagte meint – jedenfalls während einer elternzeitbedingten Reduzierung der Wochenarbeitszeit (hier auf 10 Stunden) die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit (hier 20 Stunden) zugrunde zu legen (
vgl. zu
§ 73 Abs. 3 SGB IX a.F. in Bezug auf Transferkurzarbeiter:
BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 5 C 20/12 –, NZA-RR 2013, 534, Rn. 13).
Die Elternteilzeit ist in § 15
Abs. 5 bis
Abs. 7 BEEG geregelt. Sie bewirkt ein (teilweises) Ruhen des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes (
vgl. BAG, Urteil vom 26. September 2017 – 1 AZR 717/15 –, BeckRS 2017, 141290, Rn. 55 f.; Röller, in: Küttner Personalbuch 2024, 31. Auflage 2024, Stand: 1. Januar 2024, Ruhen des Arbeitsverhältnisses, Rn. 3; Theiss/Leopold, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 2. Auflage 2022, § 15 BEEG, Rn. 25). Nach dem Ende der Eltern(teil)zeit lebt die ursprüngliche Arbeitsverpflichtung ohne Weiteres wieder auf (
vgl. Gallner, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 24. Auflage 2024, § 15 BEEG, Rn. 25; Schneider, in: Brose/Weth/Volk, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 9. Auflage 2020, § 15 BEEG, Rn. 42). Gleichzeitig orientiert sich die Höhe des Elterngeldes gemäß § 2
Abs. 1, § 2b BEEG an dem Entgelt der zuvor ausgeübten Beschäftigung (
vgl. zu diesem Aspekt:
BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2013 – 5 C 20/12 –, NZA-RR 2013, 534, Rn. 13).
Der aufgrund der Elternzeit ruhende Anteil des Arbeitsverhältnisses ist im Rahmen des § 185
Abs. 2 Satz 3
SGB IX zu berücksichtigen. Hierzu im Einzelnen:
a) Der Wortlaut des § 185
Abs. 2 Satz 3
SGB IX enthält zumindest keine ausdrückliche Angabe, ob ihrer Natur nach vorübergehende Reduzierungen der tatsächlichen Wochenarbeitszeit ohne Änderung des Arbeitsvertrages den Anspruch auf Arbeitsassistenz entfallen lassen. Insbesondere die Formulierung „beschäftigt werden“ lässt noch nicht den zwingenden Schluss zu, dass nur der tatsächliche (und nicht der vertraglich vereinbarte) Beschäftigungsumfang maßgeblich sein soll. Schließlich bezieht sich die Regelung gleichzeitig auf den „Arbeitsplatz“, der (personenbezogen) durch das Vertragsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gekennzeichnet wird.
b) Für die obige Sichtweise spricht ferner – auch wenn die Norm hier keine Anwendung findet (s.o.) – eine systematische Betrachtung mit § 156
Abs. 2
Nr. 6
SGB IX. Danach gelten Stellen, auf denen Personen, deren Arbeits-, Dienst- oder sonstiges Beschäftigungsverhältnis wegen Wehr- oder Zivildienst, Elternzeit, unbezahlten Urlaubs, wegen Bezuges einer Rente auf Zeit oder bei Altersteilzeitarbeit in der Freistellungsphase (Verblockungsmodell) ruht, solange für sie eine Vertretung eingestellt ist, nicht als „Arbeitsplatz“ (siehe dazu auch BT-Drs. 14/3799,
S. 35). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass der Gesetzgeber vom allgemeinen Arbeitsplatzbegriff in § 156
Abs. 1
SGB IX dem Grunde nach auch ruhende Arbeitsverhältnisse
bzw. Teile davon als erfasst sieht; anderenfalls hätte es der Regelung einer solchen Fiktion nicht bedurft. Im Rahmen eines Anspruchs auf Arbeitsassistenz gilt insoweit nichts anderes, als dass jedenfalls während der Elternzeit ruhende Bestandteile bei der Berechnung der Wochenarbeitszeit berücksichtigt werden.
c) Ferner gebietet es auch der Sinn und Zweck des in § 185
Abs. 5
SGB IX geregelten Anspruchs auf Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz (siehe dazu bereits oben), eine elternzeitbedingte Reduzierung der Wochenarbeitszeit im Rahmen des § 185
Abs. 2 Satz 3
SGB IX als unerheblich anzusehen. Es ist insbesondere zur Erreichung des Zwecks, dass sich schwerbehinderte Menschen im Wettbewerb mit nichtbehinderten Abreitnehmern behaupten können, unerlässlich, auch für die Fälle einer elternzeitbedingten Arbeitszeitreduzierung den Anspruch auf Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz zu behalten. Ansonsten könnte aufgrund der lediglich temporär geringeren Arbeitszeit die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten und damit auch der (absehbare) Wiedereinstieg in eine Tätigkeit im Umfang über dem Schwellenwert des § 185
Abs. 2 Satz 3
SGB IX gefährdet sein. Die Zielsetzung der begleitenden Hilfe am Arbeitsplatz beschränkt sich nach der aktuellen und hier maßgeblichen gesetzgeberischen Konzeption nicht (mehr) auf dessen Erlangung; vielmehr soll dem gesetzgeberisch verfolgten Ziel der Verbesserung der Chancengleichheit schwerbehinderter Menschen im Arbeits- und Berufsleben während der gesamten Zeitdauer der Erwerbstätigkeit Rechnung getragen werden und die Norm mithin auch beruflich bereits etablierte Personen schützen (
vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2022 – 5 C 2/21 –, juris, Rn. 15 f., 24; Urteil vom 23. Januar 2018 – 5 C 9/16 –, juris, Rn. 14, 17 f.).
Die spezielle Zielsetzung des § 185
Abs. 2 Satz 3
SGB IX steht dieser Annahme ebenfalls nicht entgegen. Die Vorschrift stellt – ähnlich wie § 156
Abs. 3
SGB IX – sicher, dass der schwerbehinderte Mensch über eine gewisse (Rest-)Erwerbsfähigkeit verfügt; damit wird durch Anlehnung an die 15-Stunden-Grenze in
§ 138 Abs. 3 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB III) zugleich das Bestehen von Arbeitslosigkeit ausgeschlossen (
vgl. zu § 73
Abs. 1
SGB IX a.F.:
BSG, Urteil vom 6. August 2014 – B 11 AL 16/13 R –, BeckRS 2014, 72761, Rn. 17). Ungeachtet des Umstands, ob und inwieweit innerhalb der Elternzeit eine Arbeitslosigkeit und infolgedessen ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehen kann (
vgl. dazu Baldschun, in: BeckOGK, Stand: 1. August 2023, § 138
SGB III, Rn. 21), ist hier von einer hinreichenden Resterwerbsfähigkeit auszugehen, da das Arbeitsverhältnis lediglich im begrenzten Umfang ruht und nach der Elternzeit im vollen vertraglichen Umfang wieder auflebt. Die Tätigkeit wird durch die Klägerin (weiterhin) nachhaltig betrieben und sie ist dem Aufbau
bzw. der Sicherung einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu dienen geeignet (
vgl. dazu
BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2018 – 5 C 9/16 –,juris, Rn. 10 [in Bezug auf eine selbständige Tätigkeit]; Wurtmann, in: Knittel,
SGB IX, 12. Auflage 2024, § 185, Rn. 16).
Mithin muss es dem schwerbehinderten Beschäftigten entsprechend dem gesetzgeberischen Ziel der Verbesserung seiner Chancengleichheit im Arbeits- und Berufsleben im Vergleich mit nichtbehinderten Menschen (
vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2022 – 5 C 2/21 –, juris, Rn. 20; Urteil vom 23. Januar 2018 – 5 C 9/16 –, juris, Rn. 17) überlassen bleiben, das ihm – gleichermaßen wie auch nicht schwerbehinderten Menschen – zustehende Wahlrecht, während ihrer Elternzeit mit abgesenktem Stundenumfang berufstätig zu sein, ausüben zu können. Dies beinhaltet die Entscheidung, flexibel eine Teilzeittätigkeit während der Elternzeit mit notwendiger Arbeitsassistenz aufnehmen zu können, etwa um – auch im Vergleich zu einem nichtbehinderten Beschäftigten – den Anschluss im jeweiligen Berufsfeld nicht zu verlieren und einen
ggf. schrittweisen Wiedereinstieg in die berufliche Tätigkeit vollziehen zu können
bzw. von vornherein nicht vollständig aussetzen zu müssen. Der schwerbehinderte Mensch muss sich insoweit nicht auf die Möglichkeit einer Fremdbetreuung in einer Kindertageseinrichtung oder bei einer Tagespflegeperson verweisen lassen.
e) Schließlich ist nach Maßgabe des speziellen Gleichbehandlungsgrundsatzes gemäß
Art. 3
Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (
GG) und im Lichte von
Art. 27 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (
UN-
BRK), die im Rang eines einfachen Bundesgesetzes steht (
vgl. dazu
BVerwG, Urteil vom 12. Januar 2022 – 5 C 6/20 –, juris, Rn. 24; Urteil vom 23. Januar 2018 – 5 C 9/16 –, juris, Rn. 18 [„Auslegungshilfe für die Bestimmung und den Inhalt … des einfachen Gesetzesrechts“];
VG Mainz, Urteil vom 27. Juni 2024 – 1 K 435/23.MZ –,
S. 10 f. UA; Urteil vom 4. November 2021 – 1 K 453/20.MZ –,
S. 20 f. UA), generell eine weite – verfassungs- und völkerrechtskonforme – Auslegung geboten. Nichtbehinderten Menschen steht es demnach frei zu entscheiden, wie sie ihre Arbeitskraft einsetzen (
vgl. Wurtmann, in: Knittel,
SGB IX, 112. Lfg., § 185, Rn. 25). Im Zuge dessen muss es schwerbehinderten Menschen ebenso ermöglicht werden, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf – im gleichen Maße wie nicht behinderte Menschen – flexibel zu gestalten (
vgl. zu dieser Zielsetzung des BEEG: BT-Drs. 16/1889,
S. 2, 14; Brose, in: Brose/Weth/Volk, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 9. Auflage 2020, Einleitung, Rn. 26), ohne hierfür zwingend auf eine Fremdbetreuung der Kinder angewiesen zu sein. Daher muss der Anspruch auf Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenz während der Elternzeit bestehen bleiben, auch wenn dadurch zeitweise die tatsächliche Wochenarbeitszeit unter 15 Stunden liegt. Ansonsten käme es zu einer „doppelten“ Diskriminierung der Klägerin – einerseits als Elternteil, andererseits als schwerbehinderte Person.
2. Es ist ebenso vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen auszugehen.
a) Unstreitig zwischen den Beteiligten ist insbesondere, dass es sich bei der begehrten Leistung der Sache nach um eine Kostenübernahme für eine Arbeitsassistenzleistung handelt und diese – was bei der Situation der Klägerin auf der Hand liegt – dem Grunde nach und in ihrem zeitlichen Umfang notwendig ist. Hierbei erscheint eine grundsätzliche Orientierung an den – nicht verbindlichen – Empfehlungen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) zur Arbeitsassistenz (Stand: 13. November 2019; abrufbar unter: https://www.bih.de/fileadmin/user_upload/BIH_Empfehlung_Arbeitsassistenz_Stand_November_2019_KORR_24082020_bf.
pdf [letzter Abruf am 10. Oktober 2024]) sachgerecht (
vgl. dazu Kossens, in: Kossens/von der Heide/Maaß,
SGB IX mit
BGG, 5. Auflage 2023, § 185
SGB IX, Rn. 35
ff.; siehe zu § 102
Abs. 4
SGB IX a.F. bereits:
VG Mainz, Urteil vom 23. März 2006 – 1 K 269/05.MZ –, juris). Es bestehen vor diesem Hintergrund keine Anhaltspunkte, die Einschätzung der Beteiligten in Zweifeln zu ziehen.
b) Ferner hat der Beklagte keine Einwände hinsichtlich der Höhe der zu übernehmenden Kosten erhoben, sodass für die Kammer kein Anlass bestand, an deren Angemessenheit zu zweifeln. Dass keine hinreichenden Mittel zur Verfügung stehen, hat der Beklagte nicht vorgetragen und ist auch nicht anderweitig ersichtlich.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 1, 155
Abs. 4
VwGO. Der Beklagte trägt auch die etwaig ausscheidbaren Kosten der Verweisung, da in der Rechtsbehelfsbelehrung irrig auf eine Klageerhebung bei dem Verwaltungsgericht Koblenz hingewiesen wird.
Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2
VwGO gerichtskostenfrei.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren ist für notwendig zu erklären (§ 162
Abs. 2 Satz 2
VwGO). In Anbetracht der Schwierigkeit der Sache – insbesondere wegen der Rechtsfrage hinsichtlich der Berücksichtigung eines teilweise ruhenden Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Stundengrenze des § 185
Abs. 2 Satz 3
SGB IX – war es der Klägerin unter Einbeziehung ihrer persönlichen Verhältnisse im vorliegenden Fall nicht zumutbar, das Verfahren selbst zu führen (
vgl. dazu
BVerwG, Beschluss vom 1. Oktober 2009 – 6 B 14/09 –, BeckRS 2009, 41660, Rn. 5; Kunze, in: BeckOK
VwGO, 70. Edition, Stand: 1. Juli 2024, § 162, Rn. 85a).
IV. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet seine Grundlage in § 167
VwGO in Verbindung mit §§ 708
ff. der Zivilprozessordnung.