Urteil
Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung

Gericht:

SG Mannheim 9. Kammer


Aktenzeichen:

S 9 SO 1473/23


Urteil vom:

22.05.2024


Grundlage:

Leitsatz:

Ein spezieller Sportrollstuhl, der aufgrund des Gesundheitszustandes nur unregelmäßig und zu nicht planbaren Zeiten jeweils nur für wenige Minuten ohne Einbindung in eine Vereinsstruktur oder in eine sonstige Trainingsgruppe genutzt werden kann bzw soll, gehört nicht zu den Leistungen der Sozialen Teilhabe.

Nach Abschluss einer Zielvereinbarung bezüglich einer Assistenzleistung im Rahmen der Sozialen Teilhabe besteht kein gerichtlich durchsetzbarer Anspruch auf weitergehende Assistenzleistungen in der Form eines Persönlichen Budgets. Denn die Zielvereinbarung hat seit dem 1.1.2018 eine den Anspruch begrenzende materielle Bedeutung. Dem steht das Urteil des BSG vom 28.1.2021 (B 8 SO 9/19 R = BSGE 131, 246 = SozR 4-3500 § 57 Nr 1) nicht entgegen. Denn die Aussage, dass der Abschluss der Zielvereinbarung für das Persönliche Budget nur eine formelle Bedeutung habe, betrifft den Rechtszustand bis zum 31.12.2017, in dem sich die Notwendigkeit der Zielvereinbarung noch aus der Budgetverordnung (juris: BudgetV) ergab. Seit dem 1.1.2018 ist die Zielvereinbarung aber in § 29 Abs 4 SGB 9 verankert.

Orientierungssatz:

1. Mit Hilfsmitteln zu einer Sportart, die fast ausschließlich von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen ausgeübt wird (hier: Rollstuhlskatesport), kann eine anhaltende Inklusion eines behinderten Menschen im fortgeschrittenen Lebensalter (hier: 51 Jahre) in die für ihn erreichbaren gesellschaftlichen Gruppen nicht erwartet werden.

2. Die krankenversicherungsrechtliche Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB 5 umfasst zwar auch den sogenannten mittelbaren Behinderungsausgleich. Dieser zielt aber nur auf einen Basisausgleich im Alltagsleben ab und lässt - zumindest bei erwachsenen Versicherten - weitergehende Bedürfnisse, insbesondere sportlicher oder gesellschaftlicher Art, außer Betracht.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Landesrecht Baden-Württemberg

Tenor:

1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

A.

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderungen (Eingliederungshilferecht nach Teil 2 des Sozial-gesetzbuchs IX – SGB IX) um einen Anspruch auf Versorgung mit einem speziellen Sportrollstuhl (B.) und um ein höheres Persönliches-Budget (C.).

Der am ... geborene – somit heute 51jährige – Kläger leidet nach einer viralen Infektion (2014) zunehmend an den Folgen einer Myalgischen-Encephalomyelitis bzw. eines chronischen Fatigue-Syndroms (ME/CFS). Sein Behinderungsgrad nach Teil 1 des SGB IX (GdB) beträgt 100. Zudem verfügt der Kläger über die Merkzeichen bzw. Nachteilsausgleiche B, G, aG und H (Bescheid des zuständigen Versorgungsamts vom 17.1.2023) und bezieht Leistungen zur ambulanten häuslichen Pflege) (Pflegegeld der Gesetzlichen Pflegeversicherung nach dem Sozialgesetzbuch XI – SGB XI zunächst in Pflegegrad 2, ab dem Monat Juni 2022 in Pflegegrad 3). Seinen Lebensunterhalt sichert der Kläger durch den Bezug von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende bzw. von Bürgergeld nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II).

B.

Am 29.9.2021 beantragte der Kläger bei seiner Krankenkasse (...) die Versorgung mit einem speziellen „Sport-Rolli“ (Ärztliche Verordnung der Gemeinschaftspraxis Dres. ..., Heidelberg vom 24.8.2021 mit Kostenvoranschlag über einen Betrag von 13.642,50 €). Diesen Antrag leitete die BARMER mit Schreiben vom 6.10.2021 gemäß § 14 SGB IX an die Beklagte weiter (Eingang dort am 11.10.2021). Hierzu teilte der Kläger mit, er wolle diesen Rollstuhl für Skate-Sport (WCMX) nutzen.

Mit Bescheid vom 4.7.2022 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für diesen Sportrollstuhl ab. Denn nach allen in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlagen scheide ein Anspruch hierauf aus: Die krankenversicherungsrechtliche Hilfsmittelversorgung (§ 33 Sozialgesetzbuch V – SGB V) ziele im Bereich der Mobilität (sogenannter „mittelbarer Behinderungsausgleich“) nur auf einen „Basisausgleich“ ab. Dieser werde durch den bereits vorhandenen „Aktivrollstuhl“ gesichert. Der vom Kläger für das Betreiben von Skate-Sport gewünschte Rollstuhl gehe darüber hinaus und diene somit der Durchführung von Freizeitaktivitäten. Dies liege außerhalb der Zuständigkeit der Krankenkasse. Im Rahmen der Eingliederungshilfe würden Leistungen zur Sozialen Teilhabe erbracht, um behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Der Kläger wolle den Skate-Sport jedoch alleine – nicht in eine Vereinsstruktur eingebunden – ausführen. Dies falle nicht in die Aufgabe der Eingliederungshilfe, denn Voraussetzung hierfür sei regelmäßig die Teilnahme am Vereinssport. Denn nur dann könne ein Sportrollstuhl der Teilhabe am Gemeinschaftsleben und der „Einbindung in eine Gruppe behinderter und nichtbehinderter Personen“ dienen. Im Übrigen erscheine die Durchführung von Skate-Sport bei der Grunderkrankung des Klägers aufgrund seiner reduzierten körperlichen Leistungsfähigkeit (anhaltende Erschöpfungszustände, reduzierte Kraft in den Extremitäten, Luftnot schon bei geringer Belastung) „unrealistisch“, sodass die Versorgung mit einem hierfür geeigneten speziellen Sportrollstuhl „nicht angemessen“ sei.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 15.7.2022 Widerspruch: Entgegen der Darstellung der Beklagten handele es sich bei dem Rollstuhl-Skate-Sport um eine „altersspezifisch typische“ sportliche Betätigung mit dem Ziel, am gemeinschaftlichen Leben teilzuhaben. Hierin liege „eine sozialadäquate Freizeitgestaltung“, welche auf eine umfassende Inklusion abziele. Da sich die Art, Sport zu treiben, in der Gesellschaft in den letzten Jahren verändert habe und Sport heute vielfach privat organisiert werde und „im städtischen Sozialraum“ stattfinde, stehe die fehlende Einbindung in einen Verein seinem Anspruch nicht entgegen, zumal ein solcher Verein in der hiesigen Region gar nicht existiere.

Am 1.11.2022 akzeptierte der Kläger für die Gewährung eines Persönlichen-Budgets die Zielvereinbarung vom 31.10.2021. Dort heißt es in Ziffer 4: „Mit der Auszahlung des Persönlichen-Budgets sind die Ansprüche auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX vollständig erfüllt“.

Am 21.4.2023 äußerte sich der Medizinisch-Pädagogische-Dienst (MPD) des Kommunalverbandes für Jugend und Soziales Baden-Württemberg (KVJS) nach Aktenlage: Für die vom Kläger angestrebte Sportart sei „eine große sportliche Fitness“ erforderlich. Dies entspreche nicht den erheblichen gesundheitlichen Leistungseinschränkungen des Klägers, zumal das vom Kläger formulierte Inklusionsziel „lebensfremd“ erscheine, denn es sei doch „eher unüblich“, dass sich über fünfzigjährige Personen auf Skaterplätzen aufhielten.

Der Widerspruch ist erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 11.7.2023): Im Rahmen des Persönlichen-Budgets sei die Freizeitgestaltung des Klägers mittlerweile sichergestellt. Im Übrigen bestimme der Eingliederungshilfeträger nach § 107 Abs. 2 SGB IX über Art und Maß der Leistungserbringung nach pflichtgemäßen Ermessen. Auch die Widerspruchsstelle halte eine Kostenübernahme für den gewünschten Sportrollstuhl für „nicht angemessen“. Eine „lediglich gelegentliche sportliche Betätigung außerhalb eines Vereins“ könne keinen Anspruch auf „Gewährung eines spezialisierten Hilfsmittels“ im Rahmen der Eingliederungshilfe auslösen.

Am 24.7.2023 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht erhoben: Aufgrund seiner schwerwiegenden körperlichen Beeinträchtigungen gehöre er zu dem Personenkreis, welcher dem Grunde nach einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe habe. Dabei müsse der durch die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) bewirkte „Paradigmenwechsel“ berücksichtigt werden. Denn jetzt stehe nicht mehr eine „medizinisch-defizitäre Betrachtung der Behinderung“ im Vordergrund. Stattdessen diene die Eingliederungshilfe nunmehr dazu, „Prinzipien wie Nicht-Diskriminierung, Chancengleichheit, Selbstbestimmung, Inklusion und Partizipation“ umzusetzen. Dabei müssten die „berechtigten Wünsche“ der behinderten Person in besonderer Weise berücksichtigt werden. Für ihn liege der besondere Vorteil der angestrebten Sportart gegenüber einer Vereins- bzw. Mannschaftssportart darin, dass er nicht an vorher festgelegte Trainingseinheiten bzw. Trainingszeiten gebunden sei. Vielmehr könne er diesen Sport individuell, je nach Ausmaß und Belastung an seine wechselnde Leistungsfähigkeit anpassen. Momentan suche er, so gut dies möglich sei, mit seinem gewöhnlichen Rollstuhl etwa einmal wöchentlich eine Skate-Anlage in Heidelberg (unter der Ernst-Walz-Brücke) auf und skate dort gemeinsam mit behinderten und nichtbehinderten Menschen. Im Übrigen werde der WCMX-Sport unabhängig vom Alter betrieben, wobei zusätzlich berücksichtigt werden müsse, dass er schon vor seiner Erkrankung Skate-Sport betrieben habe.


Sinngemäß gefasst beantragte der Kläger somit,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4.7.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2023 zu verurteilen, ihn mit einem WCMX-Sportrollstuhl zu versorgen bzw. die hierfür erforderlichen Kosten zu übernehmen.


Die Beklagte tritt der Klage entgegen und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klagebegründung belege, dass der Kläger schon heute, mit seinem vorhandenen Rollstuhl, den WCMX-Sport ausübe. Daher sei eine besondere Bedarfslage, welche die Versorgung mit einem speziellen, hierfür geeigneten Rollstuhl erfordere, nicht erkennbar. Zum Schluss (10.5.2024) weist die Beklagte darauf hin, dass der streitige Hilfsmittelversorgungsanspruch nicht budgetfähig sei, sodass sich die Problematik der Zielvereinbarung in Bezug auf diesen Streitgegenstand nicht stelle.

C.

Mit Schreiben vom 26.8.2021 beantragte der Kläger für die notwendigen Assistenzleistungen die Bewilligung eines Persönlichen-Budgets und verwies dabei auf einen aufgrund seines Krankheitsbildes sehr schwankenden Unterstützungsbedarf.

Nach einem Bedarfsermittlungsverfahren und Korrespondenz der Beteiligten über die Anzahl der notwendigen wöchentlichen Assistenzstunden und die Höhe des Stundenhonorars sowie den hinzuzuziehenden Dienstleister unterschrieb der Kläger am 1.11.2022 die oben bereits angesprochene Zielvereinbarung (31.10.2022), welche nach allgemeiner Formulierung des Budget-Ziels (1.), der individuellen Förder- und Leistungsziele (2.), die erforderlichen Leistungen zur Bedarfsdeckung und Bedarfsbemessung festlegte (3.). Im Anschluss hieran bewilligte die Beklagte dem Kläger mit dem Bescheid vom 9.11.2022 für die Zeit vom 1.11.2022 bis zum 31.10.2023 für seine Soziale Teilhabe ein der Zielvereinbarung entsprechendes Persönliches-Budget in Höhe von monatlich 560,00 €.

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 29.11.2022 Widerspruch: Sowohl die berücksichtigte Stundenzahl, als auch die Stundensätze seien unzureichend.

Der Widerspruch hatte teilweise Erfolg (Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 29.9.2023): Die in dem angefochtenen Ausgangsbescheid enthaltene Befristung wurde aufgehoben. Zudem wurde der monatliche Budgetbetrag im Rahmen einer Teilabhilfe auf 724,00 € erhöht (zusätzliche Berücksichtigung von zehn Stunden monatlich).

Am 24.10.2023 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht erhoben: Er halte die Zahl der bewilligten Assistenzstunden auch unter Berücksichtigung der Teilabhilfe aus dem Widerspruchsbescheid weiterhin für unzureichend. Denn er benötige für alle Aktivitäten des Tages – unabhängig von pflegerischen Hilfeleistungen – eine Assistenz. Er gehe dabei für das Persönliche-Budget von täglich zwölf Assistenzstunden aus und wolle anzweifeln, dass entsprechende Assistenten für den von der Beklagten angenommenen Stundensatz vorhanden seien.


Im Anschluss an den Erörterungstermin vom 19.3.2024 (siehe unten) beantragt der Kläger unter Einbeziehung eines Ausführungsbescheides vom 8.5.2024 (siehe unten) zum Schluss (29.4.2024) somit sinngemäß gefasst,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 9.11.2022 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 29.9.2023 sowie des Ausführungsbescheides vom 8.5.2024 zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung von täglich 12 Assistenzstunden sowie jährlich sechs Besuchen bei seiner Mutter und jährlich acht Besuchen bei Freunden zuzüglich der Leistungen für eine Budgetassistenz ein Persönliches-Budget in Höhe von 8.008,12 € monatlich zu gewähren.

Die Beklagte macht darauf aufmerksam, dass die Beteiligten im Dezember 2023 eine aktualisierte Zielvereinbarung abgeschlossen haben (monatlicher Budgetbetrag jetzt 744,00 €) und hierzu ein Ausführungsbescheid ergangen ist (8.5.2024).


Sie tritt der weitergehenden Klage entgegen und beantragt,

diese abzuweisen.

Sie macht ergänzend noch darauf aufmerksam, erst im November 2023 durch die hiesige Klagebegründung erfahren zu haben, dass der Kläger mittlerweile von seiner Pflegekasse in Pflegegrad 3 eingestuft worden sei. Im Übrigen habe der Kläger mehrfach, zuletzt im Spätjahr 2023, eine entsprechende Zielvereinbarung unterschrieben.

D.

Dem Gericht liegen zwei sachverständige Zeugenauskünfte der behandelnden Ärzte (Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. ... und Facharzt für Neurologie ...) vor.

Das Gericht hat die Sach- und Rechtslage am 19.3.2024 mit den Beteiligten persönlich erörtert und im Anschluss beide Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (Beschluss vom 19.3.2024). Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die dem Gericht vorliegende Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Prozessakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

A.

Mit dem Einverständnis der Beteiligten macht das Sozialgericht nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von der Möglichkeit Gebrauch, die Verfahren durch Urteil ohne mündliche Verhandlung abzuschließen. Aufgrund der Verfahrensverbindung (19.3.2024) ergeht im Anschluss an § 113 Abs. 1 SGG ein einheitliches Urteil.

B.

I.

Der Streitgegenstand der Klage vom 24.7.2023 (S 9 SO 1473/23) knüpft in formeller Hinsicht an den Bescheid vom 4.7.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2023 an (§ 95 SGG) und betrifft materiell die Beantwortung der Frage, ob der Kläger von der Beklagten die Versorgung mit einem speziellen, für den WCMX-Sport geeigneten Rollstuhl bzw. eine diesbezügliche Kostenübernahme beanspruchen kann.

II.

Mit diesem Streitgegenstand ist die Klage vom 24.7.2023 (S 9 SO 1473/23) als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG) zulässig. Denn sowohl der Kläger, als auch Beklagte gehen davon aus, dass dieser Anspruch nicht Teil des Persönlichen-Budgets, zu dessen Durchsetzung wohl eine Verpflichtungsklage geboten wäre, sein soll. Dabei stützt sich das Gericht besonders auf den Schriftsatz der Beklagten vom 10.5.2024 und den Umstand, dass sich die Beklagte in dem Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 29.9.2023 ausdrücklich bereit erklärt hat, dem Kläger für etwaige „Sonderbedarfe“ auch außerhalb des Persönlichen-Budgets punktuelle Einzelleistungen zur Sozialen Teilhabe zu erbringen (vergleiche hierzu beispielsweise den Bescheid vom 27.4.2023 für Sonderleistungen anlässlich einer Teilnahme des Klägers an einer Demonstration in Berlin). Somit soll nach dem übereinstimmenden Willen der Beteiligten dem Persönlichen-Budget entgegen dem oben zitierten Passus aus Ziffer 4 der Zielvereinbarung gegenüber weiteren Sonderleistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe keine Ausschluss- bzw. Sperrwirkung zukommen. Das notwendige Vorverfahren (§ 78 SGG) ist durch den Widerspruchsbescheid vom 11.7.2023 abgeschlossen worden. Mit der Klageerhebung vom 24.7.2023 wahrt der Kläger die einmonatige Klagefrist (§ 87 SGG). Entgegen der Auffassung der Beklagten nimmt das Sozialgericht zugunsten des Klägers an, dass der vorhandene (einfache) „Aktivrollstuhl“ für die Ausübung von Skate-Sport unzureichend bzw. ungeeignet ist, sodass die für die Prozessführung erforderliche Beschwer bzw. Klagebefugnis nicht in Zweifel zu ziehen ist (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Denn die Nutzung dieses Rollstuhls zum gelegentlichen Skaten ist wohl nur „aus der Not geboren“; zudem hat der Kläger glaubhaft versichert, dass es dabei schon einmal zu einer Beschädigung gekommen ist. Dies unterstreicht, dass der Alltagsrollstuhl des Klägers nicht den Belastungen einer intensiven sportlichen Betätigung gewachsen ist.

III.

Die Klage vom 24.7.2023 (S 9 SO 1473/23) ist unbegründet.

Einwände gegen die formelle Rechtmäßigkeit des insoweit angefochtenen Bescheides vom 4.7.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2023 sind vom Kläger nicht vorgebracht worden. Entsprechende Bedenken ergeben sich für das Gericht auch nicht von Amts wegen, wobei eine in formeller Hinsicht ausreichende Bescheid-begründung vorliegt (§ 35 Abs. 1 Sozialgesetzbuch X - SGB X).

In materieller Hinsicht ergibt sich folgendes:

Im Hinblick auf § 14 SGB IX (leistender Rehabilitationsträger nach Weiterleitung eines Teilhabeantrags) hat die Beklagte bei ihrer Entscheidung nicht nur das Eingliederungs-hilferecht aus Teil 2 des SGB IX, sondern auch das Leistungsrecht der Gesetzlichen Krankenversicherung zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 2 SGB IX).

Aus krankenversicherungsrechtlicher Perspektive scheidet ein Hilfsmittelversorgungsanspruch aus § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V aus. Hiernach haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit solchen Hilfsmitteln, die erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind.

Da der streitige WCMX-Sportrollstuhl nicht der unmittelbaren Krankenbehandlung dient und nicht in ein ärztlich verordnetes Therapieregime eingebunden ist, scheidet die erste Alternative (Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung) von Vornherein aus. Zur Diskussion steht somit lediglich die zweite Alternative (Vorbeugung/Ausgleich einer Behinderung). Dabei wird krankenversicherungsrechtlich zwischen dem mittelbaren und dem unmittelbaren Behinderungsausgleich unterschieden. Während der unmittelbare Behinderungsausgleich die ausgefallene oder geminderte Körperfunktion selbst ersetzt oder möglichst weitgehend ausgleicht, zielt der mittelbare Behinderungsausgleich auf einen angemessenen Ausgleich von direkten und/oder indirekten Folgen einer Behinderung im Alltagsleben ab. Dabei ist anerkannt, dass Hilfsmittel, die wegen einer Reduktion der körperlichen Mobilität erforderlich sind, dem mittelbaren Behinderungsausgleich zuzurechnen sind. Solche Hilfsmittel zielen krankenversicherungsrechtlich wie bereits angedeutet nur auf einen Basisausgleich im Alltagsleben ab und sollen mobilitätseingeschränkte Versicherte in den Stand versetzen, sich den Nahbereich, also solche Distanzen, die im Allgemeinen um die jeweilige Wohnung herum in fußläufiger Distanz liegen, zu erschließen. Weitergehende Bedürfnisse, insbesondere sportlicher oder gesellschaftlicher Art, bleiben hierbei zumindest bei erwachsenen Versicherten außer Betracht (vgl. hierzu JurisPK zu § 33 SGB V Rdnrn. 33 ff.). Gemessen hieran besteht aus krankenversicherungsrechtlicher Sicht keine Notwendigkeit für die Versorgung mit einem WCMX-fähigen Sportrollstuhl. Denn dies geht eindeutig über eine Basisversorgung in Bezug auf die Bedürfnisse des alltäglichen Lebens hinaus. Hieran ist vorliegend auch unter Berücksichtigung der aktuellen Tendenz, den Basisausgleich bzw. den sogenannten Nahbereich weiter zu fassen (vgl. hierzu die jüngsten Entscheidungen des BSG vom 18.4.2024 – B 3 KR 7/23 R, B 4 KR 14/23 R, B 3 KR 13/22 R) festzuhalten.

Auch nach dem Recht der Eingliederungshilfe kann der Kläger die Versorgung mit einem WCMX-Rollstuhl nicht beanspruchen. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Es trifft zwar zu, dass der Kläger aufgrund seiner dauerhaften beträchtlichen gesundheitlichen Einschränkungen nach § 99 Abs. 1 SGB IX zu dem Personenkreis rechnet, welcher dem Grunde nach Leistungen der Eingliederungshilfe beanspruchen kann. Hierzu gehören grundsätzlich auch Leistungen zur Sozialen Teilhabe (§ 102 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX). Entsprechende Leistungen werden erbracht, um den behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder dies zu erleichtern (§ 113 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Zu den diesbezüglichen Leistungen rechnen namentlich auch Hilfsmittel (§ 113 Abs. 2 Nr. 8 SGB IX). Dieser Anspruch erstreckt sich auf alle Hilfsmittel, die erforderlich sind, um die durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Somit geht der eingliederungshilferechtliche Hilfsmittelversorgungsanspruch über den Basisausgleich der Gesetzlichen Krankenversicherung im mittelbaren Behinderungsausgleich hinaus. Auf der anderen Seite muss aber berücksichtigt werden, dass § 104 Abs. 1 SGB IX in allgemeiner Hinsicht bestimmt, dass sich die Leistungen der Eingliederungshilfe nach den Besonderheiten des Einzelfalls richten. Sie haben also der Art des Bedarfs, den persönlichen Verhältnissen, dem „Sozialraum“ und den eigenen Kräften und Mitteln der behinderten Person Rechnung zu tragen. Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, ist (nur) dann zu entsprechen, soweit sie angemessen sind (§ 104 Abs. 2 SGB IX). In diesem Kontext eröffnet § 107 Abs. 2 SGB IX der Eingliederungshilfebehörde bezüglich Art und Maß der Leistungserbringung einen Ermessensspielraum.

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben teilt das Sozialgericht die Einschätzung der Beklagten, dass der Wunsch des Klägers, im Rahmen der Eingliederungshilfe mit einem speziell für den Skate-Sport geeigneten WCMX- Rollstuhl versorgt zu werden, nicht den Zielen der Eingliederungshilfe entspricht und letztlich als unangemessen einzustufen ist.

Im Einzelnen:

Der vornehmliche Zweck der Eingliederungshilfe liegt wie dargestellt darin, den behinderten Menschen einen möglichst gleichberechtigten Zugang zum gemeinschaftlichen Leben zu ermöglichen bzw. dies wenigstens zu erleichtern. Bei Hilfsmitteln, welche zur Sportausübung oder zur Freizeitgestaltung beansprucht werden, muss somit die gemeinschaftliche Sportausübung bzw. die Freizeitgestaltung mit anderen Menschen im Vordergrund stehen. Hilfen, die es behinderten Menschen lediglich erlauben bzw. erleichtern sollen, alleine Sport zu treiben bzw. sich alleine zu beschäftigen, die somit also nicht in einem sozialen Kontext stehen, fallen somit grundsätzlich nicht in den Leistungskatalog der Leistungen zur Sozialen Teilhabe. Dem Kläger ist zwar darin beizupflichten, dass dies nicht zwangsläufig die Einbindung in einen Verein oder in eine regelmäßig zusammenkommende Personengruppe voraussetzt. Auf der anderen Seite fehlt bei Hilfsmitteln, welche in erster Linie ohne notwendigen Kontakt zu anderen Menschen benutzt werden sollen, der erforderliche Gemeinschaftsbezug. Hiervon geht das Sozialgericht vorliegend aus. Denn der Kläger bringt selbst vor, es sei ihm aufgrund seines sehr schwankenden Gesundheitszustandes nicht möglich, zu fest definierten Trainingszeiten bzw. als Teil einer Trainingsgruppe den Skate-Sport auszuüben. Im Übrigen handelt es sich beim WCMX-Sport offenkundig um eine Individual-Sportart, welche nicht im Team oder einer Mannschaft oder mit festen bzw. wechselnden Partnern ausgeübt wird. Im Übrigen ist auch das Sozialgericht davon überzeugt, dass der Wunsch des Klägers, diese Sportart zu betreiben, mit seinen objektiv bestehenden gesundheitlichen Möglichkeiten nicht in Einklang steht. Auch das Gericht sieht insoweit eine deutliche „Diskrepanz zwischen den Wünschen des Klienten und seinen gesundheitlichen Einschränkungen“ (Votum des MPD bzw. des KVJS vom 21.4.2023). Denn es liegt auf der Hand, dass für den angestrebten Rollstuhlsport eine „große sportliche Fitness“ notwendig ist, die der Kläger aufgrund seiner erheblich reduzierten Belastbarkeit nicht mitbringt. In diesem Zusammenhang verweist das Gericht auf die Zeugenangaben der behandelnden Ärzte: Hieraus ergibt sich, dass es durch die Grunderkrankung des Klägers schon sehr schnell zu einer erheblichen Erschöpfung der körperlichen Belastbarkeit und der kognitiven Funktionen kommt. Der Kläger ist nicht bzw. nur mit Einschränkungen in der Lage, seinen Alltag selbstständig zu gestalten und kann nach Einschätzung seiner behandelnden Ärzte reguläre sportliche Veranstaltungen nicht besuchen. Das Leistungsniveau des Klägers ist so stark herabgesetzt, dass er sportliche Aktivitäten allenfalls nur wenige Minuten bewerkstelligen kann (...) bzw. dass er die hierfür notwendigen Ressourcen nur mobilisieren kann, wenn er an anderer Stelle zuvor durch fremde Hilfe Kraft einsparen kann (...). Dies zeigt, dass der Kläger dem angestrebten Rollstuhlsport mittel- oder langfristig bzw. nachhaltig nicht gewachsen ist. Schließlich geht auch das Sozialgericht davon aus, dass es sich bei dieser Sportart regelmäßig um eine Betätigung handelt, welche von Jugendlichen oder jungen Erwachsenen ausgeübt wird, sodass Rollstuhl-Skaten bezogen auf den „Sozialraum“, zu dem der Kläger aufgrund seines Lebensalters rechnet, eine eher untypische Freizeitbetätigung darstellt. Vor diesem Hintergrund kann eine anhaltende Inklusion des Klägers in die für ihn erreichbaren gesellschaftlichen Gruppen auch bei Nutzung eines speziellen WCMX-Rollstuhls nicht erwartet werden, zumal der Kläger diesen Rollstuhl aufgrund seiner nur sehr geringen Belastbarkeit ohnehin nur – in Abhängigkeit von seinem sehr schwankenden Leistungsvermögen – zu jeweils nicht vorhersehbaren bzw. planbaren Zeiten und dann lediglich jeweils nur für die Dauer weniger Minuten (Dr. Schwarz) nutzen könnte. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erwarten, dass die Ausübung des WCMX-Sports die sozialen Beziehungen des Klägers nachhaltig fördern oder vertiefen könnte. Daher mutet auch dem Sozialgericht in Übereinstimmung mit dem MPD und dem KVJS das Ziel einer gesellschaftlichen Inklusion durch die Ausübung dieses Sports „lebensfremd“ an. Somit scheidet ein entsprechender Versorgungsanspruch nach dem Recht der Eingliederungshilfe aus.

C.

I.

Der Streitgegenstand der Klage vom 24.10.2023 (S 9 SO 2098/23) knüpft in formeller Hinsicht an den Bescheid vom 9.11.2022 in der Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides vom 29.9.2023 an (§ 95 SGG), wobei der Ausführungsbescheid vom 8.5.2024, mit dem nach Abschluss einer neuen Zielvereinbarung das Persönliche-Budget für die Zukunft fortgeschrieben worden ist, nach § 96 Abs. 1 SGG in das laufende Klageverfahren einbezogen worden ist. Dies hat das Gericht bei der sachdienlichen Antragsfassung (§ 106 Abs. 1 SGG) berücksichtigt. Materiell betrifft diese Klage die Beantwortung der Frage, ob der Kläger im Rahmen der Eingliederungshilfe nach Teil 2 des SGB IX zur Sozialen Teilhabe ein höheres Persönliches-Budget beanspruchen kann.

II.

Mit diesem Streitgegenstand ist die Klage vom 24.10.2023 (S 9 SO 2098/23) als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage zulässig (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG). Das insoweit erforderliche Vorverfahren (§ 78 SGG) ist durch den Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 29.9.2023 abgeschlossen worden. Mit der Klageerhebung vom 24.10.2023 wahrt der Kläger die einmonatige Klagefrist (§ 87 SGG). Das Gericht bejaht auch die für die Zulässigkeit dieser Klage erforderliche Beschwer bzw. Klagebefugnis (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Denn die Beschwer bzw. die notwendige Klagebefugnis fehlen nur dann, wenn das vom Kläger für sich reklamierte Recht unter keinem denkbaren Gesichtspunkt bestehen kann (Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 54 Rdnr. 22). Der Umstand, dass der Kläger mit seiner Unterschrift unter die maßgeblichen Zielvereinbarungen die von der Beklagten bewilligten Budgetbeträge in der Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrags akzeptiert hat, schließt die Beschwer bzw. die Klagebefugnis nicht aus. Denn bislang wird der Zielvereinbarung überwiegend lediglich eine formelle Bedeutung zugebilligt, welche sich nicht auf den materiellen Anspruch an sich auswirkt (siehe hierzu näher im folgenden Abschnitt III.).

III.

Auch die Klage vom 24.10.2023 (S 9 SO 2098/23) ist unbegründet.

Einwände gegen die formelle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides (9.11.2022) bzw. Teil Abhilfe- und Widerspruchsbescheides (29.9.2023) sowie des Ausführungsbescheides (8.5.2024) sind vom Kläger nicht vorgebracht worden und für das Gericht auch von Amts wegen nicht erkennbar.

In materieller Hinsicht gilt folgendes:

Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass der Kläger aufgrund seiner massiven gesundheitlichen Einschränkungen zu dem Personenkreis rechnet, welcher nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB IX Leistungen der Eingliederungshilfe beanspruchen kann. Hierunter fallen nach § 102 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX auch Leistungen zur Sozialen Teilhabe. Diese schließen nach § 113 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX auch Assistenzleistungen ein (vgl. hierzu näher § 78 SGB IX). In diesem Zusammenhang streiten die Beteiligten nur noch um die Zahl der täglichen bzw. monatlichen Assistenzstunden und um die Höhe der anzusetzenden Stundenlöhne.

Allerdings realisiert der Kläger seinen Anspruch nicht als Dienst- oder Sachleistung (§ 105 Abs. 1 SGB IX), sondern in der Form eines Persönlichen-Budgets. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 SGB IX werden Teilhabeleistungen (§ 105 Abs. 4 SGB IX) auf Antrag in der Form eines Persönlichen-Budgets, dann also in der Regel als laufende Geldleistung (§ 29 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) ausgeführt, um den Leistungsberechtigten in eigener Verantwortung ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die budgetberechtigten Personen sind dann in der Lage, die von ihnen benötigten Hilfen unter Berücksichtigung ihrer individuellen Bedarfe, Vorstellungen und Wünsche auf dem Markt frei einzukaufen. Sie sind dann nicht – wie bei einer Dienst- oder Sachleistung – an von der Eingliederungshilfebehörde vorgegebene Dienste oder Einrichtungen gebunden. Sie können „ihr Personal“ also im Rahmen des Persönlichen-Budgets selbst auswählen und haben daher auf die konkrete Ausgestaltung der Hilfe einen unmittelbaren Einfluss. Dies stärkt ihre Autonomie.

In grundsätzlicher Hinsicht ist jedoch zu betonen, dass durch das Persönliche-Budget der Leistungskatalog der Eingliederungshilfe nicht ausgeweitet wird. Es müssen also stets die Anspruchsvoraussetzungen der jeweiligen Teilhabeleistung erfüllt sein. Das Persönliche-Budget modifiziert also wie dargestellt lediglich die Art der Leistungs-ausführung.

Die Leistungsausführung in der Form eines Persönlichen-Budgets setzt zunächst einen diesbezüglichen Antrag der leistungsberechtigten Person (§ 29 Abs. 1 Satz 1 SGB IX) voraus. Darüber hinaus ist ein Bedarfsermittlungs- bzw. Gesamtplanverfahren durchzuführen (§ 29 Abs. 2 Satz 4 und §§ 117 ff. SGB IX). Auf dieser Basis schließen der Leistungsträger und die leistungsberechtigte Person dann zur Umsetzung des Persönlichen-Budgets eine Zielvereinbarung ab (§ 29 Abs. 4 Satz 1 SGB IX. Diese muss mindestens Regelungen enthalten über die Ausrichtung der individuellen Förder- und Leistungsziele, die Erforderlichkeit eines Nachweises zur Deckung des festgestellten individuellen Bedarfs, die Qualitätssicherung sowie die Höhe des Teil- und des Gesamtbudgets. Die Zielvereinbarung kann von den Beteiligten aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung schriftlich gekündigt werden (§ 29 Abs. 4 Satz 4 SGB IX). Nach Kündigung der Zielvereinbarung wird der Verwaltungsakt aufgehoben (§ 29 Abs. 4 Satz 7 SGB IX). Die Zielvereinbarung wird im Rahmen des Bedarfsermittlungsverfahrens für die Dauer des Bewilligungszeitraums der Leistungen in der Form des Persönlichen-Budgets abgeschlossen (§ 29 Abs. 4 Satz 8 SGB IX).

Für das Verwaltungsverfahren folgt hieraus, dass die Zielvereinbarung als öffentlich-rechtlicher Vertrag (§§ 53 ff. SGB X) das Bedarfsermittlungs- bzw. Gesamtplanverfahren (§§ 117 ff. SGB IX) abschließt. Auf dieser Basis ergeht dann der Bewilligungsbescheid, mit welchem das Verwaltungsverfahren abgeschlossen wird. Durch die dem Bewilligungsbescheid vorgeschaltete Zielvereinbarung soll sichergestellt werden, dass der Budgetnehmer die ihm überlassenen Gelder zweckgerecht verwendet (vgl. hierzu bspw. nur JurisPK zu § 29 SGB IX Rdnr. 46 und Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 5. Auflage 2023, § 29 Rdnr. 14).

Die dargestellte Rechtslage beruht im Wesentlichen auf dem Bundesteilhabegesetz (BTHG). Hierdurch sind die zuvor in der sogenannten Budgetverordnung (BudgetVO) verankerten Regelungen über die Zielvereinbarung zum 1.1.2018 in das SGB IX überführt worden. Somit ergibt sich die Notwendigkeit einer Zielvereinbarung seither nicht mehr aus einer vom zuständigen Ministerium erlassenen Rechtsverordnung; vielmehr haben die Regelungen über die Zielvereinbarung jetzt den Rang eines Parlamentsgesetzes.

Hieraus ergeben sich für den vorliegenden Streitfall folgende Konsequenzen:

Für den streitigen Zeitraum (ab November 2022) liegen zwei von beiden Beteiligten unterzeichnete Zielvereinbarungen vor (Oktober/November 2022 sowie Dezember 2023), die wie von § 29 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 SGB IX gefordert den monatlichen Budgetbetrag festlegen. Diese Zielvereinbarungen sind nicht gekündigt und daher weiterhin wirksam.

Hieraus folgt, dass die Klage, mit der der Kläger letztlich ein höheres, die Vereinbarungen in den Zielvereinbarungen überschreitendes monatliches Budget erstreiten möchte, keinen Erfolg haben kann. Denn der Kläger ist an die beiden Zielvereinbarungen gebunden. Die ihm bewilligten Leistungen stehen mit den Zielvereinbarungen in Einklang, sodass für einen höheren Leistungsbetrag derzeit keine Rechtsgrundlage ersichtlich ist.

Dabei misst das Sozialgericht der Zielvereinbarung jetzt auch eine materielle Bedeutung zu. Damit setzt sich die Kammer nicht in Widerspruch zu ihrem Urteil vom 2.8.2016 (S 9 SO 3871/15). Hierin hat die Kammer eine fehlende Zielvereinbarung für die Bewilligung eines Persönlichen Budgets in materieller Hinsicht als bedeutungslos angesehen und angenommen, dass die zuständige Behörde dann befugt ist, die fehlenden Regelungen als Nebenbestimmung in den jeweiligen Bewilligungsbescheid aufzunehmen. Allerdings ist diese Entscheidung zur alten Rechtslage ergangen. Diese war – wie dargestellt – dadurch charakterisiert, dass es sich bei der Zielvereinbarung nicht um eine Anspruchsvoraussetzung im Range eines Parlamentsgesetzes gehandelt hat. Vielmehr ergab sich die Notwendigkeit der Zielvereinbarung lediglich aus einer Rechtsverordnung, so dass der Verordnungsgeber nicht befugt war, die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen durch die BudgetVO zu verschärfen bzw. zusätzliche Anspruchsvoraussetzungen zu kreieren. Insoweit ist durch das BTHG aber zum 1.1.2018 eine wesentliche Änderung der Rechtslage eingetreten, weil es sich jetzt bei der Zielvereinbarung für die Ausführung von Teilhabeleistungen in der Form des Persönlichen-Budgets um eine „harte“ (gesetzliche) Anspruchsvoraussetzung handelt.

Vor diesem Hintergrund können nach Auffassung des Gerichts auch die Ausführungen des BSG aus seinem Urteil vom 28.1.2021 (B 8 SO 9/19 R) keinen Bestand mehr haben. In der zitierten Entscheidung hat das BSG die Auffassung vertreten, dass die Zielvereinbarung nur eine formelle Bedeutung habe und die Beteiligten nicht materiell binde, so dass leistungsberechtigte Personen auch nach Abschluss einer Zielvereinbarung im nachfolgenden Gerichtsverfahren einen höheren Bedarf bzw. höhere Leistungen durchsetzen könnten. Diese Entscheidung bezieht sich auf einen Streitgegenstand bzw. Leistungszeitraum für die Zeit vor dem 1.1.2018, sodass diese Ausführungen nicht „eins zu eins“ auf die jetzige Rechtslage übertragen werden können. Im Übrigen war der Standpunkt des 8. Senats des BSG auch schon seinerzeit nicht unangefochten, denn der 2. Senat des BSG (Urteil vom 31.1.2012 – B 2 U1/11 R) ging zuvor ebenso wie der 1. Senat des BSG (Urteil vom 8.3.2016 – B 1 KR 19/15 R) davon aus, dass es sich bei der Zielvereinbarung um eine materielle Anspruchsvoraussetzung handele, welche die jeweiligen Ansprüche nach Art und Höhe begrenze (ebenso auch schon LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.2.2013 – L 5 R 3442/11).

In der aktuellen juristischen Literatur und Rechtsprechung wird der Stellenwert der Zielvereinbarung im Rechtsstand nach dem BTHG nur vereinzelt zur Diskussion gestellt. Häufig wird – ohne aber die Besonderheiten, welche sich für die Zielvereinbarung aus der Umstellung der Regelungs-struktur durch das BTHG ergeben haben, zu reflektieren – auf die Entscheidung des BSG vom 28.1.2021 (B 8 SO 9/19 R) verwiesen und der Zielvereinbarung weiterhin eine nur formelle Bedeutung zugeschrieben (Nachweise hierzu bei Hauck/Noftz, SGB IX, Online-Ausgabe, § 29 Rdnr. 39a). Nach Auffassung des Sozialgerichts ist diese Argumentation aber durch die Neuordnung der Rechtslage durch das BTHG und den Übergang der maßgeblichen Vorschriften aus der BudgetVO in das SGB IX überholt (so ausdrücklich auch Neumann/Pahlen/Greiner/Winkler/Westphal, Krohne, SGB IX, 15. Auflage 2024, § 29 Rdnr. 9). Überwiegend wird in der Zielvereinbarung jetzt wohl eine materielle Anspruchsvoraussetzung gesehen (vgl. bspw. JurisPK zu § 29 SGB IX Rdnr. 15, Dau/Düwell,Joussen/Luik, LPK SGB IX, 6. Auflage 2022, § 29 Rdnr. 15 oder Ehmann, Karminski/Kuhn-Zuber, Gesamtkommentar Sozialrechtsberatung, 3. Auflage 2023, § 29 Rdnr. 6 sowie Schweigler, das Persönliche Budget für Menschen mit Behinderungen – Erfolgsmodell oder dysfunktional?, SGb 2019, Seiten 661 ff.) oder wenigstens konstatiert, dass diese Problematik noch nicht abschließend geklärt ist (bspw. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.8.2022 - L 8 SO 24/22 B-ER sowie LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.10.2023 – L 23 SO 189/23 B ER oder LSG Sachsen, Beschluss vom 11.11.2021 – L 8 SO 39/21 B ER).

Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich aus der aktuellen Regelungsstruktur von § 29 SGB IX in der Form des BTHG eindeutig, dass der Abschluss und der Bestand einer Zielvereinbarung eine zwingende formelle und materielle Voraussetzung für die Ausführung von Teilhabeleistungen in der Form eines Persönlichen-Budgets sind. Hierfür spricht schon der Gesetzeswortlaut. Denn wenn die Kündigung der Zielvereinbarung nach § 29 Abs. 4 Satz 7 SGB IX zwingend die Aufhebung des Bewilligungsbescheides auslöst, folgt hieraus zwangsläufig, dass eine Leistungsbewilligung ohne wirksame Zielvereinbarung bzw. über eine Zielvereinbarung hinaus keinen Bestand haben kann. Denn die Zielvereinbarung soll die Leistung während der gesamten Laufzeit des Persönlichen-Budgets begleiten (Umkehrschluss aus § 29 Abs. 4 S. 8 SGB IXvgl. hierzu Hauck/Nofz, SGB IX, Online-Ausgabe, § 29 Rdnr. 39). Wenn die Zielvereinbarung den Anspruch nach Art und Höhe determiniert, kann im nachfolgenden Sozialgerichts-prozess für die Geltendmachung höherer bzw. anderer Leistungen, welche den von der Zielvereinbarung vorgegebenen Rahmen überschreiten, kein Raum sein. Vielmehr sind leistungsberechtigte Personen, die eine Zielvereinbarung akzeptiert haben, aber dann weitergehende Ansprüche geltend machen möchten, gehalten, zuvor die entsprechende Zielvereinbarung zu kündigen. Während der Gültigkeit einer Zielvereinbarung können somit weitergehende Leistungen nicht gefordert werden. Auch systematische Gründe sprechen für dieses Ergebnis. Denn wenn die Zielvereinbarung wie oben ausgeführt den Charakter eines öffentlich-rechtlichen Vertrages hat und zwingend Regelungen zur Höhe des Budgetbetrags enthalten muss, kann ihre Bedeutung im Rahmen des Bedarfsfeststellungsverfahrens nicht nur einen formellen Charakter haben. Schließlich liegt dem BTHG und den dargestellten Regelungen zum Persönlichen-Budget – auch wenn dies soweit ersichtlich nicht klar formuliert worden ist – der Gedanke eines konsensualen Verwaltungsverfahrens zugrunde. Das Bedarfsfeststellungs- bzw. Gesamtplanverfahren (§§ 117 ff. SGB IX) beruht auf einer umfassenden Einbindung der leistungsberechtigten Personen und soll („am runden Tisch“) zu einer möglichst weitgehenden Berücksichtigung ihrer individuellen Bedarfe und Wünsche beitragen. In diesem Zusammenhang bildet die Zielvereinbarung bei der Leistungsausführung in der Form eines Persönlichen-Budgets wie dargestellt den Schlusspunkt der Bedarfsfeststellung. Aus § 29 Abs. 4 Satz 2 SGB IX, worin der Mindestinhalt der Zielvereinbarung verbindlich vorgegeben wird, ergibt sich, dass die Zielvereinbarung letztlich dazu beitragen soll, die unterschiedlichen Belange der leistungsberechtigten Personen und der Sozialleistungsbehörden auszugleichen: Die Definition der individuellen Förder- und Leistungsziele (Nr. 1) nimmt in erster Linie die Interessen bzw. Belange der leistungsberechtigten Personen in den Blick. Mit der Festlegung der erforderlichen Nachweise zur Deckung des festgestellten und individuellen Bedarfs und der gebotenen Maßnahmen zur Qualitätssicherung (Nrn. 2 und 3) nimmt der Gesetzgeber eher die Perspektive der Sozialleistungsbehörden in den Blick. Mit der Bezifferung des Teil- und des Gesamtbudgets (Nr. 4) wird sodann der zur Erreichung der Teilhabeziele erforderliche monatliche Budgetbetrag (vgl. auch § 29 Abs. 2 Satz 1 SGB IX) verbindlich festgelegt. Somit liegt der Leistungsausführung in der Form eines Persönlichen-Budgets letztlich ein Kooperationsmodell zugrunde, welches den Ablauf des Verwaltungsverfahrens (vgl. § 8 SGB X) dahin modifiziert, dass die konkrete Festlegung der Leistung nicht einseitig (quasi „von oben herab“) durch die Behörde in der Form eines Verwaltungsakts (§ 31 SGB X), sondern im Rahmen eines gemeinsamen Prozesses, an dessen Ende der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages (§ 53 ff. SGB X) steht, erfolgen soll. Allerdings hat der Gesetzgeber dieses Modell nicht konsequent durchgehalten, da er offenkundig davon ausgeht, dass der vereinbarte Leistungsanspruch nach Abschluss der Zielvereinbarung erst durch den dann zu erteilenden Bewilligungsbescheid konstituiert wird. Jedoch wird durch § 29 Abs. 4 Satz 7 SGB IX (zwingende Aufhebung des Bewilligungsbescheides nach Kündigung der Zielvereinbarung) mit hinreichender Deutlichkeit erkennbar, dass der Verwaltungsakt die Zielvereinbarung inhaltlich umzusetzen hat und in seinem Bestand an die Wirksamkeit der Zielvereinbarung gebunden ist. Die Zielvereinbarung und der Bewilligungsbescheid bilden daher eine rechtliche Einheit, sodass weder die Zielvereinbarung für sich alleine, noch der Bewilligungsbescheid für sich alleine für die Gestaltung der materiellen Rechtslage ausreichend sind. Erst aus dem Zusammenwirken der Zielvereinbarung und des Bewilligungsbescheides ergibt sich das materielle Recht (vgl. hierzu JurisPK zu § 29 Rdnr. 46). Bei isolierter Betrachtung kommt dem Verwaltungsakt also letztlich nur eine deklaratorische bzw. feststellende Bedeutung zu. Denn der Erlass dieses Bescheides setzt eine wirksame Zielvereinbarung zwingend voraus (Hauck/Noftz, SGB IX, Online-Ausgabe, § 29 Rdnr. 39).

Vor diesem Hintergrund können Klagen oder Eilanträge, mit denen leistungsberechtigte Personen gegenüber einer akzeptierten Zielvereinbarung höhere bzw. andere Leistungen geltend machen, keinen Erfolg haben. Denn bis zur Kündigung der Zielvereinbarung müssen sich die leistungsberechtigten Personen an dem materiellen Inhalt der Zielvereinbarung festhalten lassen (so ausdrücklich LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.6.2020 – L 2 SO 1326/20 ER-B).

Für die materiell-rechtliche Bedeutung der Zielvereinbarung spricht vorliegend auch, dass die Beteiligten jeweils in Ziffer 4 ausdrücklich und unmissverständlich vereinbart haben, dass mit den vorgesehenen Beträgen sämtliche Leistungen der Eingliederungshilfe (wie bereits dargestellt aber wohl nur vorbehaltlich etwaiger punktueller Sonderbedarfe) abgegolten sein sollten. Diese Verständigung hat eindeutig einen materiellen Gehalt und beschränkt sich nicht nur auf die formelle Ebene. Dabei ist unerheblich, dass die Beteiligten sich hieran – wie der Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 29.9.2023 zeigt – selbst nicht gehalten haben. Denn dieser Umstand beruht soweit ersichtlich wohl in erster Linie darauf, dass sich die Beteiligten an der Rechtsauffassung des BSG aus seinem Urteil vom 28.1.2021 (B 8 SO 9/19 R) orientiert haben, die aber unter dem BTHG wie dargestellt keinen Bestand mehr haben kann.

Wenn gegen die dargestellte Auffassung eingewandt wird, durch die Notwendigkeit eines Konsenses zum Abschluss der Zielvereinbarung werde der gesetzliche Anspruch auf die Leistungsausführung in der Form eines Persönlichen-Budgets unterlaufen (in diese Richtung Hauck/Noftz, SGB IX, Online-Ausgabe, § 29 Rdnr. 40), ist dem entgegenzuhalten, dass § 29 Abs. 4 SGB IX den Anspruch auf das Persönliche-Budget wie dargestellt an die Existenz und den Inhalt einer Zielvereinbarung knüpft. Dies verkürzt nach Auffassung des Gerichts die gesetzlichen Ansprüche der leistungsberechtigten Personen nicht in unzulässiger Weise. Denn das Persönliche-Budget betrifft ja nur die Art der Leistungsausführung, sodass die leistungsberechtigten Personen dann, wenn die im Rahmen der Zielvereinbarung angebotenen Leistungen aus ihrer Sicht unzureichend sein sollten, immer noch die Möglichkeit haben, die erforderlichen Leistungen als Dienst- oder Sachleistungen in Anspruch zu nehmen bzw. zu erstreiten. Im Übrigen erscheint es dem Sozialgericht durchaus legitim, wenn der Gesetzgeber den Zugewinn an Autonomie und Selbstbestimmung, den die leistungsberechtigten Personen im Rahmen eines Persönlichen-Budgets erfahren, daran knüpft, dass zuvor ein Einvernehmen über die Nachweispflichten, die Maßnahmen zur Qualitätssicherung und zur Höhe des Teil- und des Gesamtbudgets erzielt wird. Nicht zuletzt können leistungsberechtigte Personen, die ein Persönliches-Budget in Anspruch nehmen möchten und sich mit der zuständigen Behörde nicht auf den Abschluss bzw. den Inhalt einer Zielvereinbarung verständigen können, versuchen, den Abschluss der gewünschten Zielvereinbarung gerichtlich zu erzwingen. Dies wäre wohl durch eine Leistungsklage, in deren Rahmen die leistungsberechtigten Personen aus ihrer Sicht den Mindestinhalt einer Zielvereinbarung formulieren und die zuständige Behörde auf Zustimmung verklagen, möglich. Ein solches Vorgehen genügt, auch wenn es in der Praxis mühsam und aufwendig ist und „juristisches Neuland“ darstellt, dem grundrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG (kritisch hierzu allerdings Schweigler, das Persönliche Budget für Menschen mit Behinderungen – Erfolgsmodell oder dysfunktional?, SGb 2019, Seiten 661 ff.).

Im Übrigen steht auch § 53 Abs. 2 SGB X dem dargestellten Ergebnis nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift kann ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über Sozialleistungen zwar nur geschlossen werden, wenn die Erbringung der Leistung im Ermessen des Leistungsträgers steht. Dies trifft – zumindest in Bezug auf den Anspruchsgrund – auf das Recht der Eingliederungshilfe nicht zu. Denn die Leistungen der Eingliederungshilfe stellen Pflichtleistungen dar. Auch auf die Leistungsausführung in der Form eines Persönlichen-Budgets besteht bei Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsvoraus-setzungen grundsätzlich ein Rechtsanspruch. Allerdings bewertet das Sozialgericht § 29 Abs. 4 SGB IX insoweit als bereichsspezifische Sondervorschrift, welche auch unter Berücksichtigung des römisch-rechtlichen Grundsatzes „lex posterior derogat legi priori“ § 53 Abs. 2 SGB X verdrängt.

Ein abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der UN-BRK. Denn die maßgebliche Norm (Art. 19) ist nicht so hinreichend bestimmt, dass aus ihr ein un-mittelbarer Individualanspruch auf Bewilligung eines Persönlichen-Budgets abgeleitet werden könnte (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.6.2017 – L 9 SO 474/12).

D.

Die auf § 193 SGG beruhende Kostenentscheidung trägt dem Prozessausgang in beiden Klageverfahren Rechnung.

Referenznummer:

R/R9801


Informationsstand: 10.01.2025