Urteil
Kündigung nach Arbeitsunfähigkeit eines Betriebsratsmitglied

Gericht:

OVG Bautzen


Aktenzeichen:

3 A 135/24


Urteil vom:

12.06.2024


Grundlage:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 8. Februar 2024 - 6 K 850/21 - zuzulassen, wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Rechtsweg:

vorgehend VG Chemnitz, 08.02.2024, 6 K 850/21, Urteil

Quelle:

Justiz Sachsen

Gründe:


Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Ihr Vorbringen, auf dessen Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO beschränkt ist, lässt nicht erkennen, dass die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (hierzu unter Nr. 2) sowie eines Verfahrensmangels i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO durch Verletzung des rechtlichen Gehörs (Nr. 3) gegeben sind.

1. Die Klägerin wendet sich gegen die vom Beklagten erteilte Zustimmung zur Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses als Schwerbehinderte mit der Beigeladenen.

Das Verwaltungsgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

„Die am ............. 1972 geborene Klägerin ist bei der Beigeladenen seit dem ................ als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Zum Zeitpunkt der Kündigung war die Klägerin Mitglied des bei der Beklagten gewählten Betriebsrats. Die Klägerin ist mit 30 % schwerbehindert und einer Behinderten mit einem Grad der Behinderung von 50 % gleichgestellt. Eine Schwerbehindertenvertretung wurde bei der Beigeladenen nicht gebildet.

Vom ... Oktober 2019 bis .. September 2020 und vom ... September 2020 bis .. Oktober 2020 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Am... Oktober 2020 fand eine Begutachtung der Klägerin beim arbeitsmedizinischen Dienst ........ statt. Im Ergebnis der Begutachtung teilte der arbeitsmedizinische Dienst ........ am ... Oktober 2020 mit, dass die Klägerin an ihrem jetzigen Arbeitsplatz nicht einsetzbar sei. Am ... November 2020 erfolgte ein Gespräch zum betrieblichen Eingliederungsmanagement. Das Gespräch endete damit, dass die Vertreterin der Beigeladene den Versuch zur Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements als gescheitert erklärte.

Mit Datum vom ... Januar 2021 beantragte die Beigeladene über ihre anwaltliche Vertretung bei dem Beklagten die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin mit sozialer Auslauffrist. Zur Begründung des Antrages führte die Beigeladene sowohl personen- als auch verhaltensbedingte Kündigungsgründe an. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, verwertbare Arbeitsleistung zu erbringen, und verursache durch ihr Verhalten eine dauerhafte Störung des Betriebsfriedens, eine enorme Bindung von internen Ressourcen sowie die Gefahr einer Rufschädigung der Arbeitgeberin. So habe sich die Klägerin mit E-Mail vom .. Januar 2021 an das Kämmereiamt der Stadt ........ gewandt und angezeigt, dass die Beigeladene ihr ab Oktober 2020 das Entgelt verwehre. ‚Es wird unter den gegebenen Umständen nicht nur bei der bereits 2019 erfolgten Strafanzeige nach § 119 BetrVG bleiben (können). Jede Gerichtsverhandlung macht öffentlich, was bislang als Direktionsrecht des Geschäftsführers benannt wird. Dies würde gleichsam die Außenwirkung der ........ und ........ GmbH ........ als auch die der Stadt ........ als einzigen Gesellschafter beeinflussen. Ich bitte Sie, im Interesse aller Beteiligten, um eine umgehende Klärung der Angelegenheit.‘

Mit Schreiben vom 18. Januar 2021 wurde die Klägerin zu dem Antrag der Beigeladenen durch den Beklagten angehört. Mit gleichem Datum wurde der Betriebsrat der Beigeladenen um Stellungnahme gebeten.

Mit Bescheid vom ... Januar 2021 erteilte der Beklagte die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Klägerin mit sozialer Auslauffrist. Zur Begründung führt der Beklagte im Wesentlichen aus, dass vorsorglich eine Ermessensentscheidung gemäß § 168 SGB IX getroffen worden sei. Unter Berücksichtigung aller Aspekte und Würdigung des Sachverhaltes bestehe seitens des Beklagten die Überzeugung, dass im vorliegenden Fall die Fortführung des Arbeitsverhältnisses der Beigeladenen nicht mehr zumutbar sei, da im Unternehmen der Beigeladenen kein Arbeitsplatz eruiert werden könne, auf dem man die Klägerin perspektivisch leidensgerecht unter Berücksichtigung ihrer gesundheitlichen Situation weiter beschäftigen könne. Im Bereich des allgemeinen Kündigungsschutzes obliege die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kündigung im Übrigen grundsätzlich dem Arbeitsgericht und nicht dem Integrationsamt. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Kündigung sei nicht zu erkennen. Der vorgetragene Kündigungsgrund sei dem Grunde nach geeignet, eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zu rechtfertigen.

Mit Schreiben vom 29. Januar 2021 kündigte die Beigeladene das Arbeitsverhältnis der Klägerin außerordentlich unter Einhaltung einer Auslauffrist entsprechend der maßgeblichen Kündigungsfrist zum... März 2021, hilfsweise zum nächst zulässigen Zeitpunkt. Dagegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom .. Februar 2021, eingegangen beim Arbeitsgericht ........ am gleichen Tag, Kündigungsschutzklage. Die Klage wurde mit Urteil des Arbeitsgerichts ........ vom .. September 2022 (Az. .............) abgewiesen. Hinsichtlich der hiergegen eingelegten Berufung liegt - soweit ersichtlich - noch keine Entscheidung vor.

Der von der Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten vom ... Januar 2021 mit Datum vom .. Februar 2021 erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg und wurde mit Widerspruchsbescheid vom... April 2021 zurückgewiesen. Die Ermessensausübung durch das Integrationsamt sei nicht zu beanstanden. Von einem Zusammenhang zwischen einem außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigungsgrund und der Behinderung der Klägerin könne nicht ausgegangen werden. Auch Anhaltspunkte für die Annahme eines atypischen Falles seien nicht gegeben. Ebenso sei die beantragte Kündigung nicht offensichtlich rechtswidrig. Im Widerspruchsverfahren hat der Beklagte weitere medizinische Auskünfte der die Klägerin behandelnden Ärzte, namentlich der Fachärztin für Allgemeinmedizin Frau Dr. med. .........., des Psychologischen Psychotherapeuten Herrn Dr. ................... und des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Herrn ................, eingeholt.

Mit Datum vom .. Juni 2021, beim Verwaltungsgericht Chemnitz eingegangen am .. Juni 2021 hat die Klägerin gegen den Bescheid... Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... April 2021 Klage erhoben. Zur Begründung lässt die Klägerin im Wesentlichen vortragen, dass ein Zusammenhang zwischen der Behinderung der Klägerin und den angeführten Kündigungsgründen bestehe. Wegen der festgestellten Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule sei sie auf einen orthopädischen Bürostuhl und einen elektrisch höhenverstellbaren Schreibtisch angewiesen. Wegen der Depression, unter der sie leide, habe sie am ... September 2020 ihren Arbeitsplatz verlassen und sich in ärztliche Behandlung begeben müssen. Aufgrund der bescheinigten seelischen Störung befinde sich die Klägerin in ständiger psychologischer bzw. psychiatrischer Behandlung. Der arbeitsmedizinische Dienst habe bescheinigt, dass die Klägerin auf ihrem jetzigen Arbeitsplatz nicht einsetzbar sei und auf die Möglichkeit eines gemeinsamen Personalgesprächs hingewiesen. Die Beigeladene habe von diesem Angebot keinen Gebrauch gemacht.“

Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es zusammengefasst darauf abgehoben:

Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom ... Januar 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... April 2021 sei rechtmäßig und verletze die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Rechtsgrundlage für die erteilte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung sei § 168 SGB IX. Demnach bedürfe die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Dies gelte dem Grunde nach auch für eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist, § 174 Abs. 1 SGB IX.

Die Entscheidung der Beklagten sei in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie sei auch materiell rechtmäßig. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei geklärt, dass der schwerbehindertenrechtliche Kündigungsschutz zusätzlich zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz gegeben sei und dass das Integrationsamt bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung das Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes abzuwägen habe. Das Ermessen des Beklagten sei gemäß § 174 Abs. 4 SGB IX gebunden, wonach die Zustimmung durch das Integrationsamt erteilt werden solle, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolge, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung stehe. Dies sei hier der Fall.

Der Beklagte gehe zutreffend davon aus, dass die maßgeblichen Kündigungsgründe nicht erkennbar mit der Behinderung der Klägerin im Zusammenhang stünden. Hierzu hat das Verwaltungsgericht die dem Beklagten vorgelegten Auskünfte einer Fachärztin für Allgemeinmedizin vom .. März 2021, eines psychologischen Psychotherapeuten vom ... März 2021 und eines Facharzts für Psychiatrie und Psychotherapie vom ... März 2021 herangezogen und im Einzelnen gewürdigt. Das Gericht folge den fachlichen Einschätzungen der die Klägerin behandelnden Fachärzte. Aus ihnen ergebe sich, dass bei der Klägerin Defizite in der Einsichtsfähigkeit und/oder der Verhaltenssteuerung bestünden. Die Klägerin sei affektiv schwingungsund modulationsfähig. Ihr Antrieb sei unauffällig. Sie sei inhaltlich fokussiert und habe keine inhaltlichen oder formellen Denkstörungen. Aufmerksamkeit, Auffassungsgabe und Intelligenz seien unauffällig. Sie sei kontaktbereit und kontaktfähig. Sie habe ein freundliches, kritisches und eloquentes Auftreten. Sie habe eine hohe Reflektions- und Introspektionsfähigkeit. Es bestünden keine Anhaltspunkte für psychotisches Erleben. Die Klägerin sei absprachefähig. Die Feststellungen seien mittels objektiver, standardisierter Testverfahren bereits in der Klinik belegt und von mehreren Fachkollegen durchgeführt worden.

Zudem habe - so das Gericht - für den Beklagten keine Veranlassung bestanden, wegen einer atypischen Fallgestaltung von gesetzlichen Regelung des § 174 Abs. 4 SGB IX abzuweichen. Auch stelle sich die Kündigung der Klägerin durch die Beigeladene nicht als offensichtlich rechtswidrig dar. Dies sei nur dann der Fall, wenn die Rechtswidrigkeit der Kündigung ohne jeden vernünftigen Zweifel und ohne Beweiserhebung in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage treten würde. Dies sei vorliegend nicht gegeben. Der dargelegte Kündigungssachverhalt sei zumindest dem Grund nach dazu geeignet, eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Eine etwaige Zustimmung des Betriebsrats der Arbeitgeberin habe vorgelegen. Die abschließende Klärung und Feststellung des Kündigungssachverhalts und die Bewertung der damit einhergehenden rechtlichen Fragen seien im arbeitsgerichtlichen Verfahren vorzunehmen.

2. Die vom Kläger hiergegen geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils liegen nicht vor.

Dieser Zulassungsgrund dient der Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit. Er soll eine berufungsgerichtliche Nachprüfung des Urteils des Verwaltungsgerichts ermöglichen, wenn sich aus der Begründung des Zulassungsantrags ergibt, dass hierzu wegen des vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnisses Veranlassung besteht. Gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 VwGO ist der Zulassungsgrund in der gebotenen Weise darzulegen. Ernstliche Zweifel in dem genannten Sinne sind anzunehmen, wenn der Antragsteller des Zulassungsverfahrens tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens zumindest als ungewiss erscheint. Der Antragsteller muss sich mit den Argumenten, die das Verwaltungsgericht für die angegriffene Rechtsauffassung oder Sachverhaltsdarstellung und -würdigung angeführt hat, inhaltlich auseinandersetzen und aufzeigen, warum sie aus seiner Sicht nicht tragfähig sind (st. Rspr. des Senats, vgl. SächsOVG, Beschl. v. 19. Februar 2018 - 3 A 580/16 -, juris Rn. 4 m. w. N.; BVerfG, Beschl. v. 10.September 2009 - 1 BvR 814/09 -, juris Rn. 11; Beschl. v. 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, juris Rn. 15).

Grundsätzlich können ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils auch aus tatsächlichen Gründen bestehen, da die Oberverwaltungsgerichte das Urteil - anders als in der Revision - auch in tatsächlicher Hinsicht überprüfen müssen. Macht der Antragsteller geltend, das Verwaltungsgericht sei von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, reicht es zur Begründung ernstlicher Zweifel aus, dass die Möglichkeit eines günstigeren Ermittlungs- oder Beweisergebnisses besteht. Wird die Beweis- oder Tatsachenwürdigung in Zweifel gezogen, sind ernstliche Zweifel jedoch nicht schon dann gegeben, wenn das Oberverwaltungsgericht die Sachlage nach einer eigenen Beweisaufnahme möglicherweise anders beurteilen könnte als das Verwaltungsgericht. Ansonsten wäre die Berufung gegen Urteile, die aufgrund einer Beweisaufnahme oder einer Beweis- oder Tatsachenzurwürdigung ergangen sind, im Regelfall nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, was mit Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung nicht vereinbar wäre. Dies bedeutet, dass eine Beweis- oder Tatsachenwürdigung nur dann mit Erfolg angegriffen werden kann, wenn eine Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder bei offensichtlicher Sachwidrigkeit und Willkürlichkeit geltend gemacht wird (st. Rspr., SächsOVG, Beschl. v. 13. Oktober 2015 - 3 A 299/14 -, juris Rn. 19; Beschl. v. 10. Juli 2012 - 3 A 945/10 -, juris Rn. 8 m. w. N.).

Wird die fehlerhafte Tatsachenfeststellung mit mangelnder Sachaufklärung begründet, macht der Antragsteller letztlich Verfahrensfehler geltend. Eine Zulassung wegen ernstlicher Zweifel ist - um eine Koexistenz der Zulassungsgründe zu sichern - in solchen Fällen nur möglich, wenn eine entsprechende Verfahrensrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ebenfalls zur Zulassung führen würde (HessVGH, Beschl. v. 1. November 2012 - 7 A 1256/11.Z -, juris Rn. 9; VGH Mannheim, Beschl. v. 17. Februar 2009 - 10 S 3156/08 -, juris Rn. 5). Hat es der anwaltlich vertretene Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht versäumt, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hinzuwirken, kommt eine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel nicht in Betracht, es sei denn, die bezeichneten Ermittlungen hätten sich dem Verwaltungsgericht auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus aufdrängen müssen (BVerwG, Beschl. v. 11. Juni 2014 - 5 B 19.14 -, juris Rn. 11; Beschl. v. 6. März 1995, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265).

Hiervon ausgehend zeigt das Vorbringen der Klägerin keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auf.

Sie trägt hierzu mit Schriftsatz vom 26. März 2024 zusammengefasst vor: Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts hielten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Es habe ebenso wie der Beklagte verkannt, dass die maßgeblichen Kündigungsgründe erkennbar mit der Behinderung der Klägerin im Zusammenhang stünden. Es lägen folgende Funktionseinschränkungen vor: „1. Seelische Störung, Schmerzsyndrom, 2. Migräne, 3. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, 4. Bronchialasthma, Allergie“. Durch Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom... Juli 2017 sei sie gemäß § 2 Abs. 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden. Dem Antrag der Beigeladenen auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung vom... Januar 2021 sei zu entnehmen, dass sie sich darauf berufe, dass die Klägerin nach ärztlicher Einschätzung gesundheitlich nicht in der Lage sei, die von ihr geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

Dabei habe sie sich ausdrücklich auf die arbeitsmedizinische Begutachtung des Arbeitsmedizinischen Dienstes ........ vom ... Oktober 2020 bezogen. Dieses habe erbracht, dass sie krankheitsbedingt in keinem der Betriebsteile der Beigeladenen einsetzbar sei. Eine auf Antrag des Betriebsrats ebenfalls vom Arbeitsmedizinischen Dienst durchgeführte Überprüfung ihrer Arbeitsfähigkeit habe auch ergeben, dass sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, ihre Betriebsratstätigkeit auszuüben. Die Beigeladene sei damit ausdrücklich von einer psychischen Erkrankung der Klägerin ausgegangen, der Grund für ihr Verhalten gewesen sei. Die von der Beigeladenen beabsichtigte Kündigung habe auf krankheitsbedingten Gründen beruht. Dem habe sich auch das Arbeitsgericht ........ angeschlossen (Urt. v. .. September 2022 -............ -). Es bestehe daher ein kausaler Zusammenhang zwischen dem auf der Erkrankung beruhenden Verhalten der Klägerin und der Kündigung. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass die maßgeblichen Kündigungsgründe nicht erkennbar mit ihrer Behinderung im Zusammenhang stünden, seien daher nicht nachvollziehbar. Auch die herangezogenen Befundberichte könnten nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Das Gericht habe verkannt, dass den Aussagen des Arbeitsmedizinischen Dienstes ein höherer Beweiswert zukomme, da dieser - im Gegensatz zu den behandelnden Ärzten - in der Lage gewesen sei, das arbeitsbezogene Verhalten der Klägerin zu bewerten. Das Gericht hätte demnach die von der Klägerin benannten Gutachterinnen des Arbeitsmedizinischen Dienstes vorvernehmen müssen, um endgültig abzuklären, ob das der Kündigung vom... Januar 2021 zugrundeliegende Verhalten von ihr auf eine behinderungsbedingte mangelhafte Verhaltensstörung zurückzuführen sei.

Mit diesen Ausführungen kann die Klägerin keine ernstlichen Zweifel darlegen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Das Verwaltungsgericht hat die vom Beklagten ausgewerteten ärztlichen Stellungnahmen im Hinblick auf einen Zusammenhang zwischen den die Schwerbehinderung nach sich ziehenden Krankheiten der Klägerin und ihrer Kündigung vollständig herangezogen und nachvollziehbar analysiert. Eine Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, von Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen ist dabei genauso wenig erkennbar wie eine offensichtliche Sachwidrigkeit oder Willkürlichkeit der Tatsachenwürdigung.

Es ist nicht zu beanstanden, dass den Stellungnahmen des psychologischen Psychotherapeuten sowie des Facharzts für Psychiatrie- und Psychotherapie mehr Gewicht als der Auskunft der Fachärztin für Allgemeinmedizin beigemessen worden ist. Während nämlich die Fachärztin für Allgemeinmedizin unter Nr. 3 ihrer Auskunft vom .. März 2021 darauf verweist, dass sie kein Psychiater sei und daher nicht einschätzen könne, ob das Verhalten der Klägerin auf die als Behinderung anerkannte „seelische Störung“ zurückgeführt werden könne, kommen die beiden anderen Stellungnahmen insbesondere auf der Grundlage eigener Beobachtung zu dem Ergebnis, dass bei einer Auflösung des innerbetrieblichen Konflikts eine Arbeitsfähigkeit wiederhergestellt werden könne. Zudem kommt die Fachärztin für Allgemeinmedizin unter Nr. 2 ihrer Auskunft auf die Frage, ob die Klägerin aufgrund ihres Gesundheitszustands die Tätigkeit kontinuierlich und vollschichtig ausüben könne, zu der Einschätzung, dass diese nicht in der Lage sei, ihre Tätigkeit in dieser Weise auszuüben und dass sie billigend in Kauf nehme, den Betriebsfrieden zu stören, und aufgrund eigener Aussagen auf einen Konfrontationskurs ginge, weil sie sich gemobbt fühle. Hieraus kann mit dem Verwaltungsgericht und dem Beklagten ohne weiteres gefolgert werden, dass ein auch auf dem Verhalten der Klägerin fußender innerbetrieblicher Konflikt Ursache des Kündigungsrechtsstreits ist. Dass die zur Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft führenden Krankheitssymptome ursächlich für das Verhalten der Klägerin, das den Konflikt mit dem beigeladenen Arbeitsgeber ausgelöst hatte, gewesen sein könnten, ergibt sich hieraus nicht; denn die anerkannten Störungen „Migräne“ „Funktionsbehinderung der Wirbelsäule“ und „Bronchialasthma, Allergie“ lassen von vornherein keinen Zusammenhang zu dem Kündigungsrechtsstreit erkennen. Dass die unter Nr. 1 des Abhilfebescheids des Sozialamts der Stadt ........ vom .. Mai 2017 genannte „seelische Störung, Schmerzsyndrom“ für den innerbetrieblichen Konflikt maßgeblich ursächlich sein könnte, ist von den beiden oben genannten behandelnden Ärzten verneint worden.

Soweit die Klägerin auf den ärztlichen Bericht des Arbeitsmedizinischen Dienstes ........ vom ... Oktober 2020 verweist, folgt hieraus nichts anderes: Hierin wird allein festgestellt, dass die Klägerin am jetzigen Arbeitsplatz nicht einsetzbar sei. Warum dies der Fall sein soll, ergibt sich hieraus nicht. Gleiches gilt für den ebenfalls vorgelegten ärztlichen Bericht des Arbeitsmedizinischen Dienstes ........ vom ... November 2020, in dem ebenfalls nur festgestellt wird, dass die Tätigkeit der Klägerin als Mitglied des Betriebsrats nicht ausführbar sei.

Auch die von der Deutschen Rentenversicherung Bund unter dem ... Mai 2021 an die Klägerin versandten Unterlagen führen zu keiner anderen Einschätzung. Unter Nr. 8 des Formblatts wird festgestellt, dass weiterhin von vollschichtiger Leistungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt ausgegangen werden könne, der dokumentierte Bandscheibenvorfall zu quantitativen Leistungseinschränkungen, die sonstigen Beschwerden aber zu keiner Leistungsminderung führen. Unter Nr. 9 des Formblatts werden unter anderem eine mittelgradige depressive Störung und andere Einschränkungen diagnostiziert. Daher kommt die Deutsche Rentenversicherung Bund, soweit ersichtlich, zu dem Ergebnis, dass eine Erwerbsminderung nicht vorliegt (vgl. Nr. 2.3 der Entscheidungsvorlage über das Vorliegen von Erwerbsminderung). Eine sozialmedizinische Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen vom 5. Oktober 2020 stellt bei der Fragestellung „Ist die AU medizinisch nachvollziehbar?“ fest, dass ein Arbeitsplatzkonflikt mitgeteilt werde, was plausibel erscheine. Auch der von dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie am... Februar 2021 handschriftlich ausgefüllte Befundbericht für die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt unter Nr. 5 (nicht nur vorübergehende Beeinträchtigung der Aktivitäten/Teilhabe) im Hinblick u. a. auf den Lebensbereich „Arbeit und Beschäftigung“ nur Einschränkungen fest und weist unter Nr. 9 (Beschreibung der Lebensumstände) auf eine aktuelle Konfliktsituation (im Betrieb) hin. Diesen Feststellungen entspricht der Befundbericht für die Deutsche Rentenversicherung Bund der Fachärztin für Allgemeinmedizin vom... Februar 2021, der unter Nr. 4 (daraus resultierende Funktionseinschränkungen im Beruf und im Alltag, was ist krankheitsbedingt nicht mehr möglich?) auf Mobbing durch die Geschäftsführung hinweist.

Auch das Arbeitsgericht ........ kam in seinem Urteil vom .. September 2022 (-............ -) allein zu dem Ergebnis, dass eine Arbeitsunfähigkeit vorliege, bei der eine negative Prognose bestehe. Das Gericht konnte aber nicht feststellen, dass der innerbetriebliche Konflikt Ausdruck einer ihre Schwerbehinderteneigenschaft begründenden psychischen Erkrankung der Klägerin war.

In der Zusammenschau ist es nach alledem naheliegend, dass die übereinstimmende Beschreibung eines innerbetrieblichen Konflikts der Klägerin mit der Geschäftsführung zu einer psychischen Belastungssituation und davon ausgelöst zu einer wiederholten längerfristigen Arbeitsunfähigkeit geführt hatte. Daher verstößt die vom Verwaltungsgericht bestätigte Einschätzung des Beklagten, dass die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Klägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Beigeladenen, nicht Ausdruck einer die Schwerbehinderteneigenschaft begründenden psychischen Erkrankung ist, nicht gegen die oben genannten Grundsätze der Tatsachenwürdigung. Vielmehr kann aus den herangezogenen Unterlagen ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin Folge des betrieblichen Konflikts war und dadurch ihr psychosomatischer Zustand negativ beeinflusst wurde. Ein Zusammenhang mit der Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin kann daher ohne Verstoß gegen die vorgenannten Grundsätze der Tatsachenwürdigung verneint werden.

Soweit die Klägerin rügt, dass das Gericht die Gutachterinnen des Arbeitsmedizinischen Dienstes nicht einvernommen habe, ist darauf hinzuweisen, dass sie von der Möglichkeit, einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen oder in einer mündlichen Verhandlung ihre Erkrankungen und den aus ihrer Sicht bestehenden Zusammenhang mit ihrer Schwerbehinderteneigenschaft dem Gericht zu erläutern, nicht wahrgenommen, sondern mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 6. April 2023 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung erklärt hat. Dass sich angesichts der geschilderten Befundlage eine Einvernahme der Gutachterinnen dem Gericht hätte aufdrängen müssen, ist weder ersichtlich noch dargetan.

3. Auch ein Verfahrensmangel i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO durch Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht erkennbar.

Hierzu trägt die Klägerin vor, dass Anlass für eine Einvernahme der Gutachterinnen bestanden habe, weil die Funktionsbeeinträchtigung auch durch eine seelische Störung der Antragstellerin im Feststellungsbescheid des Sozialamts der Stadt ........ aufgeführt sei. Hierin liege eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Damit ist ein Gehörsverstoß nicht belegt.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 VwGO) verpflichtet das Gericht, Anträge und Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte den Sachvortrag der Beteiligten zur Kenntnis genommen und berücksichtigt haben. Sie sind nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen, namentlich nicht bei letztinstanzlichen, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr angreifbaren Entscheidungen. Vielmehr müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war. Der Gehörsanspruch schützt grundsätzlich nicht davor, dass das Gericht dem Vortrag der Beteiligten in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht die aus deren Sicht gebotene Bedeutung beimisst (BVerfG, Beschl. v. 29. August 2017 - 2 BvR 863/17 -, juris Rn. 15).

Hiervon ausgehend ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht erkennbar.

Das Verwaltungsgericht hat sich mit der Frage einer Einvernahme der Gutachterinnen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befasst und festgestellt, dass aus seiner Sicht eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich sei, weil es den fachlichen Einschätzungen der die Klägerin behandelnden Fachärzte folge. Damit kann dem Gericht kein Vorwurf gemacht werden, dass die von der Klägerin aufgeworfene Frage nach einer Einvernahme der Gutachterinnen nicht berücksichtigt worden wäre. Der der Sache nach gerügte Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht ist unter Nr. 2 des Beschlusses im Einzelnen gewürdigt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig, denn sie hat sich mit ihrem Antrag mit Schriftsatz vom 21. Mai 2024, den Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung zurückzuweisen, dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da das Verfahren gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei ist.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Referenznummer:

R/R9792


Informationsstand: 04.12.2024