Der Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheides des M. -J. B. vom 2.12.2019/22.1.2020 und des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses beim M. -J. B. vom 29.5.2020/8.7.2020 die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Beigeladenen zu erteilen.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Beklagte; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die am 6. September 1961 geborene Beigeladene ist seit September 1988 bei der Klägerin beschäftigt, seit dem 1. Juni 2001 als Überwacherin des ruhenden Verkehrs im Fachbereich Öffentliche Ordnung. Mit Bescheid der Stadt H. vom 31. Juli 2019 wurde bei der Beigeladenen ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt. Dem lagen neben mehreren körperlichen Beeinträchtigungen ein "Seelisches Leiden, chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen Faktoren" zugrunde. Bereits aufgrund des Bescheides der Bundesagentur für Arbeit C vom 5. Mai 2017 ist sie einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Am 31. Juli 2019 teilte die ebenfalls bei der Klägerin beschäftigte Mitarbeiterin Frau T. ihrer Vorgesetzten vom Fachbereich Öffentliche Ordnung Frau N. mit, dass die Beigeladene regelmäßig bekannt geben würde, wann sie oder ihre Tochter in der Nähe des Rathauses parken würden, um dort einzukaufen. Sie würde dann erwarten, dass dann dort nicht kontrolliert würde. Frau T. ging davon aus, dass sich mehrere Mitarbeiterinnen wie von der Beigeladenen gewünscht entsprechend verhielten. Drei bis vier Monate vor dem 31. Juli 2019 habe die Beigeladene sie bedrängt, dass eine Verwarnung von deren Tochter wegen eines Parkverstoßes rückgängig gemacht werde, was sie dann auch gemacht habe. Der Fachbereich Öffentliche Ordnung ermittelte, dass ein am 8. April 2019 begangener Parkverstoß der Tochter der Beigeladenen von Frau T. am gleichen Tage für ungültig gesetzt, d.h. herausgenommen wurde.
Frau N. führte mehrere Gespräche mit der Beigeladenen und deren Kolleginnen und fertigte über diese Gespräche einen Aktenvermerk vom 9. August 2019 an, der im Verfahren nicht vorgelegt worden ist. Hiernach sollen mehrere befragte Kolleginnen die Vorgehensweise der Beigeladenen bestätigt haben, ihr jedoch nicht gefolgt sein. Die Beigeladene habe diese Vorgehensweise zunächst bestritten, dann aber eingeräumt, Frau T. auf die Verwarnung angesprochen zu haben, was sie aber nie wieder tun würde. Außerdem habe sie erklärt, dass dies alle so machen würden.
Am 23. August 2019 teilte Frau N. dem Fachbereich Personal mit, dass auf Drängen der Beigeladenen eine - berechtigte - Verwarnung von deren Tochter herausgenommen worden sei und diese auf Befragen erklärt habe, dass dies alle so machen würden. Der Fachbereich Öffentliche Ordnung legte am 5. September 2019 dem Fachbereich Personal eine von diesem am 30. August 2019 angeforderte Liste zur Auswertung aller Verwarnungen der Tochter der Beigeladenen vor. Am 6. September 2019 bat der Fachbereich Personal den Fachbereich Öffentliche Ordnung, alle von 2012 bis 2019 erfolgten Ungültigsetzungen von Verwarnungen von weiteren Mitarbeitern der Verkehrsüberwachung detailliert zu erfassen. Der Fachbereich Personal erhielt am 26. September 2019 die in Papierform erstellten Fallübersichten, die dann von diesem in einer Excel-Liste erfasst wurden. Für jeden Beschäftigten wurden die Kennzeichen, der Tattag, die Tatzeit und der Tatort aufgeführt. Die Liste umfasste insgesamt 2781 ungültig gesetzte Verwarnungen.
Am 7. November 2019 hörte Frau W. vom Fachbereich Personal der Klägerin zusammen mit einem Personalratsmitglied die von Frau T. benannten Kolleginnen der Beigeladenen an, die alle bestritten, dass sie jemals von der Beigeladenen aufgefordert worden seien, sie oder ihre Tochter nicht zu verwarnen oder einen bestimmten Bereich nicht zu kontrollieren. Sie erklärten, dass es kein System gebe, Kolleginnen oder deren Familien nicht zu verwarnen; außerdem seien die zahlreichen Rückgängigmachungen von Verwarnungen - zum Teil auch wiederholt bei den gleichen Fahrzeugen - nicht unrechtmäßig erfolgt. Bei der Anhörung von Frau T. am 11. November 2019 - in Anwesenheit des Personalrats - bestätigte diese die von ihr bereits angeführte Rückgängigmachung der Verwarnung auf Drängen der Beigeladenen. Außerdem wies sie darauf hin, dass die Beigeladene sie vor
ca. einem bis zwei Jahr(en) aufgefordert habe, einen Bereich hinter dem Rathaus nicht zu kontrollieren, da sie dort geparkt habe; dieser Aufforderung sei sie auch nachgekommen. Außerdem würden sich mehrere Kolleginnen der Verkehrsüberwachung untereinander nicht verwarnen. Im Übrigen erklärte sie, dass die sonstigen zahlreichen Ungültigsetzungen nicht zu Unrecht erfolgt seien. Die am gleichen Tag in Anwesenheit von Vertretern des Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung befragte Beigeladene bestritt jegliche Aufforderung an ihre Kolleginnen, sie und ihre Tochter nicht zu verwarnen oder bestimmte Bereiche nicht zu kontrollieren. Sie habe auch Frau T. nicht aufgefordert, eine Rückgängigmachung einer Verwarnung ihrer Tochter zu veranlassen. Sie habe sie nur gefragt, ob die Verwarnung an deren Auto von ihr veranlasst worden sei oder ob ein anderer Bürger seine Verwarnung an die Windschutzscheibe des Autos geklemmt habe. Ihr Eingeständnis gegenüber Frau N. beziehe sich nur auf die Nachfrage zur Verwarnung, nicht auf die Bitte der Rückgängigmachung. An die - festgestellten - in den Jahren 2011 bis 2013 erfolgten drei Rückgängigmachungen der Verwarnungen der Tochter durch Kolleginnen könne sie sich nicht erinnern, jedenfalls habe sie keine Rücknahme von Verwarnungen veranlasst.
Mit Schreiben vom 15. November 2019 - beim Beklagten am 18. November 2019 eingegangen - beantragte Herr I. für die Klägerin beim Beklagten die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Beigeladenen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Klägerin davon überzeugt sei, dass die Beigeladene Frau T. - deren Aussagen glaubwürdig seien - dazu gebracht habe, dass sie zu einem nicht genau bestimmten Zeitpunkt einen Bereich hinter dem Rathaus I. bewusst nicht kontrolliert und dadurch eine Verwarnung zu ihren Lasten vermieden habe und dass sie am 8. April 2019 die rechtmäßige Verwarnung ihrer Tochter ungültig gesetzt habe. Die Beigeladene habe Frau T. damit angestiftet, ihren arbeitsvertraglichen Hauptpflichten nicht nachzukommen. Das für das Arbeitsverhältnis erforderliche Vertrauen der Klägerin zur Beigeladenen sei unwiderruflich zerstört. Von den Beschäftigten in der Verkehrsüberwachung sei eine absolute Loyalität erforderlich. Es sei schwerwiegender, dass die Beigeladene eine andere Kollegin zu diesem illoyalen Verhalten angestiftet habe als wenn sie selbst die Verstöße begangen habe, damit sei das Fehlverhalten nicht nur auf ihre Person beschränkt. Es sei nicht nur der Verbleib am bisherigen Arbeitsplatz, sondern auch auf anderen Arbeitsplätzen, die für die Beigeladene geeignet wären, ausgeschlossen.
Der vom Beklagten beteiligte Personalrat lehnte in seiner Stellungnahme vom 20. November 2019 die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung ab. Zur Begründung wurde angeführt, dass die zunächst geführten Gespräche von Frau N. in Abwesenheit der Personalvertretungen und ohne den Hinweis auf mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen geführt worden seien. Im Übrigen sei die Frist für die Zustimmung verstrichen. Die Einladungen für die Anhörungen am 7.11.2019 und 11.11.2019 seien bereits am 11. Oktober 2019 versandt worden. In der Zwischenzeit sei die Personalsachbearbeiterin in Urlaub gewesen, hierdurch verlängere sich indes nicht die Frist. Im Übrigen hätten alle Befragten die Vorwürfe bestritten. Zudem sei eine außerordentliche Kündigung aufgrund von Vermutungen unzulässig. Die vom Beklagten beteiligte Schwerbehindertenvertretung forderte den Beklagten in seiner Stellungnahme vom 21./22. November 2019 dazu auf, der außerordentlichen Kündigung nicht zuzustimmen. Bei früheren Gesprächen der Beigeladenen mit Frau N. sei es oft zu Missverständnissen gekommen und die Beigeladene habe unter großen Ängsten gelitten und sich unwohl und falsch verstanden gefühlt. Die gegen sie geäußerten Verdachtsmomente seien bei der Anhörung am 11. November 2019 ausgeräumt worden. Außerdem sei die Zwei-Wochen-Frist nicht eingehalten worden. Die Beigeladene stellte die gegen sie erhobenen Vorwürfe mit Schreiben vom 25. November 2019 in Abrede.
In der Einigungsverhandlung vom 27. November 2019 bat die Beigeladene die Klägerin um eine Umsetzung, die von dieser jedoch nicht befürwortet wurde - abgesehen von einer solchen zum Reinigungsdienst, die von der Beigeladenen aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen abgelehnt wurde.
Auf Befragen des Beklagten zum Verfahrensablauf der Ermittlungen mit Blick auf die Einhaltung der Frist zur Antragstellung nach
§ 174 SGB IX teilte die Klägerin am 29. November 2019 mit, dass die umfangreichen Ermittlungen bis zum 30. Oktober 2019 und damit auch während der Urlaubsabwesenheit der Mitarbeiterin Frau W. vom 14. Oktober 2019 bis zum 31. Oktober 2019 angedauert hätten. Während der Urlaubsabwesenheit sei eine andere Mitarbeiterin mit der Auswertung betraut worden. Am 4. November 2019 seien die Listen zusammengeführt und nach Daten, Kennzeichen und Personen erstellt worden. Diese Erstellung und Auswertung habe bis zum 6. November 2019 angedauert. Abschließend erklärte die Klägerin, dass erst mit den Personalgesprächen am 11. November 2019 die Ermittlungen abgeschlossen gewesen seien. Die umfangreiche Sachverhaltsaufklärung sei geboten gewesen, um eine möglichst vollständige Kenntnis des Kündigungssachverhalts zu erhalten, um zu prüfen, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar sei. Diese umfassende sorgfältige Sachverhaltsaufklärung sei hier zudem auch deshalb erforderlich gewesen, weil hier ein mögliches systematisches Fehlverhalten verschiedener Mitarbeiter in Betracht gekommen sei.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2019 wies der Beklagte die beantragte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung wegen Unzulässigkeit zurück. Zur unter dem 22.1.2020 erfolgten Begründung der Zurückweisung als unzulässig wurde ausgeführt, dass mit dem Antragseingang am 18. November 2019 die Antragsfrist gemäß § 174
Abs. 2
SGB IX versäumt worden sei. Das Verfahren sei nicht hinreichend zügig betrieben worden. Die Vorwürfe seien bereits am 23. August 2019 bekannt gewesen. Die Liste der Ungültigsetzungen der Verwarnungen der Tochter habe am 5. September 2019 dem Personalamt der Klägerin vorgelegen. Auch wenn es bei einer Verdachtskündigung keine objektiv genau bestimmbaren Zeitpunkte gebe, zu deren die Frist zu laufen beginne, es vielmehr einen Beurteilungsspielraum gebe, seien die Anhörungen erst am 7.
bzw. 11. November 2019 zu einem willkürlichen Zeitpunkt erfolgt. Bezüglich des weiteren Verdachts einer systematischen Verschleierung sei nicht ausermittelt worden. Vielmehr fehle eine namentliche Zuordnung der Kennzeichen zum jeweiligen Halter, um festzustellen, ob eine Mitarbeiterin begünstigt worden sei. Es liege auch ein Organisationsverschulden vor, weil die leitende Mitarbeiterin Frau N. nicht unverzüglich die Erkenntnisse an den Fachbereich Personal weitergeleitet habe.
Am 12. Februar 2020 legte die Klägerin Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass es für den maßgeblichen Zeitpunkt der für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen bei Gemeinden auf den Bürgermeister, hier den Oberbürgermeister
bzw. in personalrechtlichen Angelegenheiten hier auf den Leiter des Fachbereichs Personal ankomme. Vorliegend gehe es nicht um ein Organisationsverschulden, sondern nur um eine Wissenszurechnung, für die allein die positive Kenntnis des Kündigungssachverhalts erheblich sei. Entgegen dem Bescheid des Beklagten handele es sich hier nicht um eine Verdachts-, sondern um eine Tatkündigung. Hierfür sei entscheidend, dass die Beschäftigte das Fehlverhalten tatsächlich begangen habe. Es komme insoweit auf den - späteren - Zeitpunkt der hinreichenden Überzeugungsbildung an. Für den Lauf der Antragsfrist komme es auch nicht darauf an, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts geführt hätten. Es sei irrelevant, ob sich die Ermittlungen ex post als nicht verdachtsbegründend oder -erhärtend erweisen und ob ein Ergebnis erzielt worden sei. Es sei hier eine Gesamtbetrachtung notwendig gewesen, weil eine fortgesetzte Handlung im Raum gestanden habe und die Schwere eines Tatvorwurfs in der Regel durch ein wiederholtes Fehlverhalten - eine Systematik - bestimmt werde. Die erfolgten Ermittlungen seien wegen der hohen Anzahl und der erforderlichen Prüfung der Berechtigung, ob ein sachlicher Grund für die Stornierung vorgelegen habe, aufwendig gewesen.
Die Beigeladene äußerte im Widerspruchsverfahren, dass nicht nachvollziehbar sei, dass bei widersprüchlichen Aussagen von einer Tatkündigung und nicht einer Verdachtskündigung ausgegangen werde. Die einzuhaltende Frist dürfe nicht dadurch in die Länge gezogen werden, dass statt der in Betracht zu ziehenden Verdachtskündigung aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse nunmehr für eine Tatkündigung Ermittlungen über Monate durchgeführt werden. Es sei auch nicht ersichtlich, dass das Vertrauensverhältnis unwiderruflich zerstört worden sei. Hiergegen spreche, dass sie nicht nur seither Überstunden leiste, sondern ihr auch weitere verantwortungsvolle Aufgaben - wie die Betreuung neu eingestellter Langzeitarbeitsloser - anvertraut worden seien. Im Übrigen wies sie darauf hin, dass sie sich seit den zunehmenden Missverständnissen mit ihrer Vorgesetzten aufgrund ihres seelischen Leidens seit Mai 2017 in psychotherapeutischer Behandlung befinde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2020 - zugestellt am 9. Juli 2020 - wies der Widerspruchsausschuss beim Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, dass auch wenn die späte Weiterleitung der Erkenntnisse an den Fachbereich Personal der Klägerin nicht anzulasten sei - da maßgeblich auf den Kündigungsberechtigten abzustellen sei - und die Ermittlung der weiteren Rückgängigmachung von Verwarnungen der Tochter der Beigeladenen noch als erforderliche Ermittlung angesehen werden mag, jedenfalls mit dem Vorliegen dieser Information der kündigungsrelevante Sachverhalt vorgelegen habe. Zu jenem Zeitpunkt hätte sie die Befragung vornehmen müssen. Stattdessen habe sie vergeblich versucht aufzuklären, ob es unter den Mitarbeiterinnen der Verkehrsüberwachung üblich sei, unberechtigt Verwarnungen von Kolleginnen zurückzunehmen. Hieraus seien nach den Ermittlungen hingegen keine Konsequenzen gezogen worden. Für die von der Klägerin als maßgeblich angesehene Frage der Anstiftung einer Kollegin zu illoyalem Verhalten habe die Liste nichts beitragen können, da die Liste lediglich Angaben zu Kennzeichen, Tattag und -zeit und Tatort enthalten habe. Die Antragstellung erst Monate nach den Erkenntnissen und nach Ermittlungen zu nicht kündigungsrelevanten weiteren Informationen sei nicht fristgerecht. Abgesehen davon sei fraglich, ob die Weiterbeschäftigung samt Überstunden der unwiderruflichen Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nicht entgegenstünden.
Am 28. Juli 2020 hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor, dass innerhalb der Antragsfrist bei einem - wie hier - streitigen Sachverhalt es darum gehe, die für die Beweisführung des zu erwartenden Kündigungsschutzprozesses erforderlichen Indizien zusammenzutragen. Insoweit sei es nicht verfehlt gewesen zu überprüfen, ob bei der Beigeladenen eine signifikante Häufung von Stornierungen erfolgt sei oder - entlastend - die Zahl der Stornierungen im Durchschnitt gelegen habe. Diese Umstände seien relevant für die Beurteilung der Schwere eines etwaigen Pflichtverstoßes der Beigeladenen. Das der Beigeladenen zur Last gelegte Verhalten sei die Stornierung von Buchungsvorgängen; soweit die Beigeladene andere Mitarbeiter hierzu auffordere, liege die Vermutung nahe, dass eine Stornierung auch in eigenen Fällen erfolgt sei.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des M. -J. B. vom 22. Januar 2020 und des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses beim M. -J. B. vom 8. Juli 2020 zu verpflichten, die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Beigeladenen zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur ergänzenden Begründung hierzu führt der Beklagte aus, dass die Ausführungen der Klägerin, dass das Fehlverhalten in der Stornierung von Buchungsvorgängen liege, die Begründung des Zustimmungsantrages außer Acht lasse. Im Weiteren lasse sich aus dem Umstand, dass die anzuhörenden Beschäftigten der Klägerin am 11. Oktober 2019 zu den Anhörungsterminen im November 2019 geladen worden seien, erkennen, dass bereits zu jenem Zeitpunkt klar gewesen sei, welche Fragestellungen hinsichtlich der Kündigungsentscheidung relevant gewesen seien. Der späte Einladungstermin beruhe offenbar auf dem Urlaub der für die Bearbeitung der Angelegenheit zuständigen Mitarbeiterin. Diese habe selbst angegeben, dass es auf den persönlichen Eindruck der Zeugen ankäme. Die Auswertung der Liste, der sich nicht entnehmen lasse, wer hiervon profitiert habe und bei der eine Zuordnung der Kennzeichen nicht erfolgt sei, obwohl erkennbar gewesen sei, ob bei bestimmten Kennzeichen mindestens zwei Ungültigsetzungen erfolgt seien, sei ersichtlich nicht als relevant angesehen worden, und zwar auch nicht dafür, wer zur Anhörung eingeladen worden sei. Allein durch eine zügige Befragung der Kolleginnen der Beigeladenen hätte die Klägerin noch weitere Informationen zur maßgeblichen Frage erlangen können, ob noch andere Beschäftigte in gleicher Weise wie Frau T. angesprochen worden seien.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Herren I. und H1. sowie der Frauen W. und N. als Zeugen. Insoweit wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll über die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2025. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Die erhobene Verpflichtungsklage (§ 42
Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO-) ist zulässig, insbesondere nach ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Widerspruchserhebung innerhalb der Klagefrist des § 74
Abs. 2
i.V.m. Abs. 1
VwGO von einem Monat nach der am 9. Juli 2020 erfolgten Zustellung des Widerspruchsbescheides, nämlich am 28. Juli 2020 erhoben worden, und begründet.
Die Ablehnung der von der Klägerin begehrten Zustimmung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten (§ 113
Abs. 5 Satz 1
VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beigeladenen.
Rechtsgrundlage für die begehrte Zustimmung zur Kündigung ist § 174
i.V.m. §§ 168
ff. des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen -
SGB IX -.
Die beabsichtigte Kündigung der Beigeladenen durch die Klägerin bedarf der Zustimmung des Beklagten gemäß
§ 168 SGB IX, wonach die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedarf. Denn bei der Beigeladenen handelt es sich um eine Person, die aufgrund des Bescheides der Bundesagentur für Arbeit C. vom 5. Mai 2017 einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist. Für solche Menschen gelten gemäß
§ 151 Abs. 1, 3 SGB IX die Regelungen der §§ 151
ff. SGB IX und damit auch diejenigen der §§ 168
ff. SGB IX genauso wie für Schwerbehinderte.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der - hier gegebenen - Verpflichtungsklage der Arbeitgeberin auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung,
vgl. Bundesverwaltungsgericht (
BVerwG), Beschluss vom 22. Januar 1993 -
5 B 80/92 -; Beschluss vom 10. November 2008 -
5 B 79/08 -, beide juris,
und dementsprechend hier der Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses des Beklagten.
Die formellen Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung sind gegeben.
Der Beklagte ist das für den Sitz der Dienststelle zuständige Integrationsamt, § 174
Abs. 1
i.V.m. § 170
Abs. 1
SGB IX.
Vom Beklagten - als Integrationsamt - sind gemäß § 174
Abs. 1
i.V.m. § 170
Abs. 2
SGB IX eine Stellungnahme des Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung eingeholt und die Beigeladene angehört worden.
Die Klägerin als Arbeitgeberin hat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Beigeladenen auch innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 174
Abs. 2
SGB IX beantragt.
Gemäß § 174
Abs. 2
SGB IX kann die Zustimmung zur (außerordentlichen) Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen beantragt werden; maßgebend ist der Eingang des Antrages bei dem Integrationsamt. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.
Zur Beurteilung dieser vom Integrationsamt in vollem Umfang zu prüfenden Voraussetzungen sind die Grundsätze heranzuziehen, die zur Anwendung des § 626
Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches -
BGB - entwickelt worden sind,
vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. September 2005 -
5 B 48.05 -, juris; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (
OVG NRW), Beschluss vom 6. August 2008 -
12 A 970/08 -.
Ziel der Ausschlussfrist des § 626
Abs. 2
BGB als gesetzliche Konkretisierung eines Verwirkungstatbestandes ist es, innerhalb begrenzter Zeit für den Betroffenen Klarheit darüber zu schaffen, ob ein Sachverhalt zum Anlass für eine außerordentliche Kündigung genommen wird. Andererseits soll die zeitliche Begrenzung nicht zu hektischer Eile bei der Kündigung antreiben oder den Kündigungsberechtigten veranlassen, ohne genügende Vorprüfung voreilig zu kündigen. Für den Fristbeginn kommt es daher auf die sichere und möglichst vollständige positive Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen an; selbst grob fahrlässige Unkenntnis genügt nicht. Unter den Tatsachen, die für die Kündigung maßgebend sind, sind im Sinne der Zumutbarkeitserwägungen sowohl die für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände zu verstehen. Es genügt somit nicht die Kenntnis des konkreten, die Kündigung auslösenden Anlasses, d.h. des "Vorfalls", der einen wichtigen Grund darstellen könnte. Dem Kündigungsberechtigten muss eine Gesamtwürdigung nach Zumutbarkeitsgesichtspunkten möglich sein,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. August 2008 - 12 A 970/08 -
m.w.N.Der Kündigungsberechtigte, der bislang lediglich Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigten könnte, darf zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen, ohne dass die Frist des § 626
Abs. 2 Satz 1
BGB ausgelöst würde. Die Frist ist allerdings nur solange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen anstellt, die ihm eine zuverlässige und hinreichend vollständige Kenntnis der einschlägigen Tatsachen und Beweismittel verschaffen soll, die ihm die Entscheidung darüber ermöglichen, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Die Art und die zeitliche Folge der Durchführung der vom Kündigungsberechtigten für erforderlich erachteten Ermittlungen hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Für zusätzliche Ermittlungen ist jedoch dann kein Raum, wenn der Sachverhalt bereits bereit geklärt ist,
vgl. Bundesarbeitsgericht (
BAG), Urteile vom 27.Februar 2020 - 2 AZR 570/19 - und vom 1. Februar 2007 -
2 AZR 333/06, jeweils juris;
OVG NRW, Beschluss vom 6. August 2008 - 12 A 970/08 -.
Die Frist des § 626
Abs. 2
BGB beginnt dann zu laufen, wenn verständige Gründe für weitere Ermittlungen nicht mehr gegeben sind. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Kündigungssachverhalt umfassend geklärt ist und dem Arbeitgeber die Einzelheiten des Pflichtenverstoßes zuverlässig bekannt sind,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. August 2008 - 12 A 970/08 -.
Es ist auch unerheblich, ob die Ermittlungsmaßnahmen tatsächlich zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben oder nicht,
vgl. BAG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 AZR 1037/12 -, juris.
Eine außerordentliche Kündigung darf nicht zu einem beliebigen willkürlichen Zeitpunkt erfolgen. Es bedarf für den gewählten Zeitpunkt eines sachlichen Grundes. Dem Kündigungsberechtigten steht ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Auch wenn der Arbeitgeber objektiv zu einem früheren Zeitpunkt hätte kündigen können, ist die Kündigung fristgemäß ausgesprochen, wenn der Arbeitgeber einen sachlichen Grund hatte und nicht willkürlich gehandelt hat. Die Möglichkeit, nach Kenntnis neuer Tatsachen oder Beweismittel vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens - statt einer Verdachtskündigung - eine Tatkündigung auszusprechen, ist ein Beispiel für ein nicht willkürliches, sondern sachlich begründetes Vorgehen,
BAG, Urteil vom 5. Juni 2008 - 2 AZR 234/07 -, juris.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kündigungsberechtigte der Klägerin beim Beklagten mit dem dort am 18. November 2019 eingegangenen Antrag die Zustimmung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen beantragt hat.
Hierbei sind als seinerzeitige Kündigungsberechtigte der Klägerin der seinerzeitige Leiter des Fachbereichs Personal und Zentraler Service, der Zeuge L. -I1. I. und dessen Stellvertreter Herr K. C1. anzusehen.
Die Personalkompetenz in einer Gemeinde, die nach § 74
Abs. 3 Satz 1 der Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen - GO NRW - grundsätzlich der Bürgermeister und sein Vertreter hat, ist hier gemäß § 74
Abs. 3 Satz 2 GO NRW in Bezug auf arbeitsrechtliche Maßnahmen unter Einschluss von Kündigungen - soweit es nicht Beamte des höheren Dienstes ab A 14 und vergleichbare Beschäftigte ab Entgeltgruppe 14 TvÖD betrifft - durch die Dienstanweisung über die Vertretung der Klägerin vom 1. Januar 1999 in der Fassung der Änderung vom 13. Juli 2018 auf den genannten Leiter des Fachbereichs und dessen Stellvertreter delegiert worden. Bedenken gegen eine solche Vorgehensweise bestehen weder grundsätzlich,
vgl. BAG, Urteil vom 27. Februar 2020, a.a.O.,
noch sind solche hier konkret ersichtlich.
Die Kenntnis anderer Personen ist für die Zwei-Wochen-Frist grundsätzlich unbeachtlich. Dies gilt selbst dann, wenn ihnen Vorgesetzten- oder Aufsichtsfunktionen übertragen worden sind.
vgl. BAG, Urteil vom 27. Februar 2020, a.a.O.
Die Kündigungsberechtigten der Klägerin hatten die Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen nicht länger als zwei Wochen vor dem Eingang des Zustimmungsantrages beim Beklagten am 18. November 2019. Hierbei geht die Kammer nach der Beweisaufnahme davon aus, dass Kündigungsberechtigte der Klägerin von den Erkenntnissen über die Pflichtverstöße, die der Beigeladenen vorgeworfen werden, und die daraufhin eingeleiteten Ermittlungen und deren Ergebnisse zeitnah durch deren Mitarbeiter im Personalamt in Kenntnis gesetzt worden sind. Hierfür spricht, dass der seinerzeitige Teamleiter im Fachbereich "Personal und zentraler Service" , der Zeuge H1. , der die zuständige Personalsachbearbeiterin der Klägerin, die Zeugin W. , mit der Durchführung der Ermittlungen in der Angelegenheit der Beigeladenen beauftragt hat und nach den glaubhaften Bekundungen von der Zeugin W. von dieser über die gewonnenen Erkenntnisse unmittelbar in Kenntnis gesetzt worden ist und auch das Vorgehen eng mit ihm abgestimmt worden ist, bekundet hat, dass der Abteilungsleiter, der stellvertretende Fachbereichsleiter C1. , bezüglich des Vorgehens in der Sache eingeschaltet worden ist. In allen Angelegenheiten, in denen es - wie hier - um eine mögliche außerordentliche Kündigung geht, ist der Abteilungsleiter hiernach stets und zwar zeitnah informiert worden. Auch wenn der Zeuge H1. sich nicht mehr an alle Details erinnern konnte, hat er eindeutig bekundet, dass auch hinsichtlich der vorgesehenen Ermittlungsmaßnahmen bezüglich der Beigeladenen Rücksprache mit dem Abteilungsleiter gehalten worden ist. Es drängt sich auch auf, dass in einer hierarchisch strukturierten Behörde - wie die Klägerin - der kündigungsberechtigte Abteilungsleiter von den Vorgängen in seiner Abteilung zeitnah in Kenntnis gesetzt wird. Inwieweit auch der seinerzeitige kündigungsberechtigte Fachbereichsleiter, der Zeuge I. , der ausweislich seiner Bekundungen in der mündlichen Verhandlung keine Erinnerung mehr an den vorliegenden Fall habe - obwohl es sich mit Blick auf den Verdacht des Systems eines unredlichen Verhaltens durch eine Vielzahl von Mitarbeiterinnern
bzw. Mitarbeitern um eine besondere Angelegenheit gehandelt haben dürfte -, bedarf hier keiner weiteren Klärung. Dies kann hier offen bleiben. Denn die erforderliche Zwei-Wochen-Frist ist auch dann gewahrt, wenn man zu Lasten der Klägerin davon ausgeht, dass zu dem Zeitpunkt, als die Zeugin W. und der Zeuge H1. Erkenntnisse durch die Ermittlungen erhalten haben, nicht nur der kündigungsberechtigte Herr C1. , sondern auch der kündigungsberechtigte Zeuge I. in Kenntnis gesetzt worden sind.
Die für die Kündigung maßgebenden Tatsachen lagen dem Personalamt - und damit auch den Kündigungsberechtigten - der Klägerin nicht vor dem 4. November 2019 vor.
Diese Tatsachen lagen nicht bereits am 23. August 2019 vor, als die Zeugin N. , die seinerzeitige Abteilungsleiterin im Fachbereich Öffentliche Ordnung dem Personalamt den Verdacht mitgeteilt hat, dass die Beigeladene eine andere Mitarbeiterin der Klägerin, Frau T. , dazu angestiftet habe, eine Verwarnung wegen eines Parkverstoßes durch ihre Tochter zu löschen und gegen sie selbst drohende Verwarnungen dadurch zu vermeiden, ein Gebiet, in dem die Beigeladene geparkt hat, nicht zu kontrollieren. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Personalamt der Klägerin anschließend weitere Ermittlungen aufgenommen hat. Nachdem bereits vom Fachbereich Öffentliche Ordnung ermittelt worden war, dass tatsächlich eine Ungültigsetzung einer gegenüber der Tochter der Beigeladenen erfolgten Verwarnung stattgefunden hat, lag es mit Blick darauf, dass die Beigeladene sich zur diesbezüglichen Anstiftung widersprüchlich geäußert haben soll und deren Äußerungen auch nicht protokolliert worden sind, zur - gerichtsfesten - Klärung des Sachverhalts überaus nahe zu ermitteln, ob weitere Ungültigsetzungen von Verwarnungen gegenüber der Tochter der Beigeladenen erfolgt sind. Es ist auch noch von der gebotenen Eile auszugehen, wenn - wie hier - innerhalb von einer Woche - am 30. August 2019 - nach mehreren Abstimmungen innerhalb des Personalamtes der entsprechende Ermittlungsauftrag an den Fachbereich Öffentliche Ordnung - Herrn U. - ergangen ist, welcher dann innerhalb von einer weiteren Woche - am 5. September 2019 - eine Liste über Ungültigsetzungen der vergangenen Jahre vorgelegt hat.
Ebenfalls sind die Ermittlungen mit der erforderlichen Eile fortgeführt worden, als bereits am Folgetag vom Fachbereich Öffentliche Ordnung eine Liste über alle von 2012 bis 2019 erfolgten Ungültigsetzungen von Verwarnungen durch die Beigeladene sowie die weiteren Mitarbeiter, die von Frau T. als diejenigen genannt worden sind, die ebenfalls von der Beigeladenen bezüglich der Vermeidung von Verwarnungen angesprochen worden sein sollen, sowie durch andere im dortigen Fachbereich tätige Beschäftigte angefordert worden ist. Da es sich aufdrängt, dass eine derart umfassende Überprüfung von - nach der glaubhaften Aussage der Zeugin W. - 30 Mitarbeitern in der Zeit von 2012 bis 2019 einen erheblichen zeitlichen Aufwand verursacht, ist die Zügigkeit der Ermittlungen nicht deshalb zu beanstanden, weil die insoweit erstellten Listen erst am Donnerstag, den 26. September 2019 an den Teamleiter im Personalamt, dem Zeugen H1. übermittelt worden sind.
Auch für die Folgezeit hat die Kammer keine Bedenken, dass die durchgeführten Ermittlungen mit der erforderlichen Eile durchgeführt worden sind. Es drängt sich auf, dass die Erstellung einer Excel-Liste und die Übertragung von 88 Seiten Papierlisten mit über 2700 ungültig gesetzten Verwarnungen in eine Excel-Liste, mit der festgestellt werden sollte, ob bestimmte Autokennzeichen mehrfach ungültig gesetzt worden sind, einen enormen Zeitaufwand verursacht. Bedenken dagegen, dass hierfür ein Zeitraum bis Ende Oktober 2019 erforderlich gewesen ist, hat die Kammer nicht. Die Zeugin W. hat dem Gericht glaubhaft geschildert, dass sie in einer Woche 19 Seiten dieser Listen übertragen hat und während ihrer dreiwöchigen Urlaubszeit eine Auszubildende mit der Übertragung der weiteren 69 Seiten beschäftigt war. Infolgedessen ist nicht ersichtlich, dass die Ermittlungs- und Auswertungstätigkeit während der Urlaubsabwesenheit der Zeugin W. unterbrochen gewesen wäre. Hiergegen spricht auch nicht, dass die Zeugin W. die Ladungen zur Anhörung für den 7. November
bzw. 11. November 2019 bereits am 11. Oktober 2019 abgesandt hat. Denn in Anbetracht dessen, dass ein entsprechender Zeitraum für die Übertragung und die anschließende Auswertung absehbar war, lag es nahe, eine Terminierung zu jenen Zeitpunkten vorzusehen. Eine erst nach der erfolgten Übertragung und Auswertung der Listen erfolgte Ladung zu den Anhörungen hätte zeitliche Verzögerungen verursacht, die hierdurch vermieden worden sind. Es lag auch nahe, die Anhörungstermine zunächst auf die vom Ordnungsamt
bzw. von Frau T. genannten Beschäftigten zu beschränken. Bei Auffälligkeiten in den Listen bezüglich der weiteren Beschäftigten im Ordnungsamt wäre eine ergänzende Prüfung und Anhörung grundsätzlich möglich gewesen. Da aber nach Aussage der Zeugin W. bei diesen keine besonderen Auffälligkeiten bezüglich der Ungültigsetzungen festgestellt worden waren, war dies nicht nötig gewesen. Ebenfalls ist es hinsichtlich der erforderlichen Eilbedürftigkeit nicht zu beanstanden, dass diese Listen - nach dem verlängerten Wochenende über Allerheiligen - vom Montag, dem 4. November 2019 bis zum 6. November 2019 zusammengeführt und ausgewertet worden sind. Ungeachtet dessen, dass anschließend noch die Beigeladene und die weiteren Mitarbeiter der Klägerin, die vom Ordnungsamt
bzw. von Frau T. benannt worden sind, unter Beteiligung des Personalrates angehört worden sind, und die erforderliche Kenntnis der Tatsachen möglicherweise erst anschließend gegeben war, ist jedenfalls durch die Stellung des Zustimmungsantrages am 18. November 2019 die erforderliche Zwei-Wochen-Frist eingehalten, sofern man davon ausgeht, dass die Durchführung der weiteren Ermittlungen als solche nicht zu beanstanden ist.
Dies ist nach Auffassung der Kammer der Fall. Die Kammer hat keine Bedenken, dass verständige Gründe für weitere Ermittlungen bis mindestens zum 4. November 2019 vorgelegen haben. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Klägerin nach dem Erhalt der Listen über die Ungültigsetzungen der gegenüber der Tochter der Beigeladenen vorgesehenen Verwarnungen weitere Ermittlungen aufgenommen hat, um festzustellen in welchem Umfang Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung beim Ordnungsamt der Klägerin Verwarnungen ungültig gesetzt haben und ob dies insbesondere bestimmte Kennzeichen
ggf. mehrfach betroffen hat. Ausweislich der Bekundungen des Teamleiters im Fachbereich Personal, des Zeugen H1. , sind die Listen angefertigt worden, um zu überprüfen, ob neben der Beigeladenen weitere Beschäftigte der Klägerin Verwarnungen zu Gunsten von anderen Mitarbeitern rückgängig gemacht haben.
Den aufgenommenen Ermittlungen lag zugrunde, dass Frau T. gegenüber der Abteilungsleiterin im Ordnungsamt, der Zeugin N. , erklärt hatte, dass die Beigeladene nicht nur sie, sondern auch mehrere Kollegen der Verkehrsüberwachung dazu aufgefordert habe, keine Verwarnungen zu ihren Lasten auszustellen. Die Beigeladene soll zum Vorwurf der zu ihren Gunsten
bzw. zu Gunsten von ihren Familienangehörigen unterbleibenden
bzw. gelöschten Verwarnungen gegenüber der Zeugin N. hierzu erklärt haben "Das machen doch alle so." Auch wenn die Beigeladene später die Abgabe einer solchen Erklärung bestritten hat, war eine Überprüfung angezeigt, ob Mitarbeiter der Verkehrsüberwachung der Klägerin systematisch Verwarnungen vermeiden
bzw. löschen, die zu Lasten anderer Beschäftigter oder von deren Familienangehörigen anstanden.
Eine Klärung der entsprechenden Vorwürfe ist nicht nur im öffentlichen Interesse geboten. Vielmehr ist eine solche Klärung auch für die beabsichtigte Kündigung der Beigeladenen von Relevanz.
Zur notwendigen Grundlage für die Entscheidung über den Fortbestand oder die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses gehören nämlich auch diejenigen Umstände, die das Gewicht einer Pflichtverletzung - hier der Beigeladenen - im Geflecht von weiteren an einem Fehlverhalten beteiligten Arbeitnehmern betreffen. Hat ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit in dieselben oder vergleichbare Pflichtverletzungen involvierten Mitarbeitern gehandelt, gehört es deshalb regelmäßig zur notwendigen Grundlage für eine Entscheidung des Arbeitgebers über den Fortbestand oder die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, die Mitwirkungsanteile der betroffenen Mitarbeiter und ihre Rolle im Verhältnis zueinander zu kennen,
vgl. BAG, Urteil vom 5. Mai 2022 - 2 AZR 483/21 -, juris.
Die Klärung eines systematischen Vorgehens der Beschäftigten der Klägerin wäre gerade auch für den angeführten Kündigungsgrund - der Einwirkung der Beigeladenen auf andere Beschäftigte - von erheblicher Bedeutung. Denn es ist ein Unterschied, ob es gelebte Praxis im Bereich der Verkehrsüberwachung gewesen ist, Verwarnungen zu Gunsten von anderen Beschäftigten zu stornieren, oder ob gerade nur die Beigeladene Initiatorin eines solchen Vorgehens war und insoweit auf Frau T. eingewirkt hat. Dies ist auch für die Bewertung der Aussagen der Beigeladenen und von Frau T. von erheblicher Bedeutung.
Für die Erlangung der insoweit erforderlichen Erkenntnisse zur Feststellung eines systematischen Vorgehens ist es sachgerecht gewesen, Listen über die Ungültigsetzungen von Verwarnungen durch die vom Ordnungsamt
bzw. von Frau T. genannten Beschäftigten zu erstellen und zu ermitteln, ob bei bestimmten Kennzeichen Häufungen von Ungültigsetzungen erfolgt sind. Es ist auch sachgerecht gewesen, dass die Klägerin ebenfalls parallel hierzu überprüft, inwieweit auch andere Beschäftigte der Verkehrsüberwachung Ungültigsetzungen vorgenommen haben.
Nach der Vorlage dieser Listen und der entsprechenden Auswertung wäre es sicherlich sachgerecht gewesen, insbesondere doppelte und mehrfache Ungültigsetzungen von Verwarnungen daraufhin zu überprüfen, ob diese sich auf Fahrzeuge mit Kennzeichen bezogen haben, deren Halter Beschäftigte oder Familienangehörige von Beschäftigten der Klägerin waren.
In Anbetracht der erheblichen Dimension der Ungültigsetzungen - mehr als 2700 - und der erforderlichen aufwendigen weiteren Prüfung, ob die betroffenen Kennzeichen sich auf Fahrzeuge insbesondere von Familienangehörigen oder anderen nahestehenden Personen -
z.B. Lebensgefährten - der Beschäftigten der Klägerin beziehen, die in vielen Fällen auch andere Nachnamen haben, ist das tatsächliche - von der Zeugin W. geschilderte - Vorgehen der Klägerin, statt einer entsprechenden weiteren Überprüfung die einzelnen Beschäftigten mit den erzielten Ergebnissen zu konfrontieren und deren Reaktion und Einlassung hierzu zu werten, im Rahmen der Aufklärung des Sachverhalts nach pflichtgemäßem Ermessen jedenfalls als vertretbar anzusehen.
Da die tatsächlich durchgeführten Ermittlungen in der Form der Listenerstellung und -auswertung als sachgerecht anzusehen sind, ist es - wie oben ausgeführt - unerheblich, dass diese letztlich tatsächlich nicht zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts beigetragen haben. Der letztgenannte Umstand bewirkt nicht, dass nunmehr für die maßgebliche Kenntnis auf den Zeitpunkt vor den Ermittlungen abgestellt werden dürfte und dadurch die Zustimmung zur Kündigung wegen Fristablaufs nicht mehr eingeholt werden könnte. Anderenfalls wäre ein Arbeitgeber zur Vermeidung einer Verfristung gehindert, sachgerechte Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen, bei denen typischerweise nicht von Anfang an feststeht, ob diese letztlich zur weiteren Aufklärung beitragen. Dies würde dazu führen, dass der Arbeitgeber keine zuverlässige und möglichst vollständige Kenntnis vom Kündigungssachverhalt hat - obwohl diese maßgeblich ist -, bevor die Entscheidung über die Kündigung getroffen wird.
Im Weiteren ist es unerheblich, ob die Klägerin objektiv zu einem früheren Zeitpunkt hätte kündigen können. Dem Kündigungsberechtigten der Klägerin stand ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Allein maßgeblich für die Einhaltung der Frist ist, dass der Arbeitgeber einen sachlichen Grund für den gewählten Zeitpunkt hatte und nicht willkürlich gehandelt hat. Dies ist hier der Fall gewesen. Die Kündigungsberechtigten der Klägerin - der Zeuge I. und Herr C1. -, die zunächst eine Zustimmung einer Verdachtskündigung gegenüber der Beigeladenen hätten beantragen können, sind befugt gewesen, für eine - hier begehrte -Tatkündigung den Sachverhalt weiter aufzuklären. Für eine Willkürlichkeit fehlt insoweit jeglicher Anhaltspunkt. Auch der Umstand, dass die Kündigungsberechtigten von einer noch umfassenden Sachverhaltsaufklärung abgesehen haben, bewirkt nicht, dass es für den hier gewählten Zeitpunkt keinen sachlichen Grund gegeben hat. Die Erstellung und Auswertung der Listen stellen - auch wenn diese die Begünstigten der Ungültigsetzungen der anderen Beschäftigten nicht erkennen lassen - zusammen mit den Ergebnissen der anschließenden Konfrontation der Betroffenen mit den Ergebnissen einen hinreichenden sachlichen Grund dar. Für eine Willkür ist insoweit ebenfalls nichts ersichtlich. Auf die obigen Ausführungen wird insoweit ergänzend Bezug genommen. Der Umstand, dass die Tatkündigung der Beigeladenen durch die Klägerin in der Sache wegen der sich widersprechenden Erklärungen der Beigeladenen und der Frau T. und einer unzureichenden weiteren Aufklärung möglicherweise nicht erfolgreich sein wird, steht dem sachlichen Grund nicht entgegen. Es obliegt dann im Fall der ausgesprochenen Kündigung der Beigeladenen dem voraussichtlich eingeschalteten Arbeitsgericht zu klären, ob die Voraussetzunge n für eine Tatkündigung vorliegen.
Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass der Zustimmungsantrag auch nicht deshalb verspätet gestellt worden ist, weil Frau T. bereits am 31. Juli 2019 der seinerzeitigen Abteilungsleiterin im Fachbereich Öffentliche Ordnung, der Zeugin N. , mitgeteilt hatte, dass die Beigeladene sie aufgefordert habe, eine Verwarnung bezüglich der Tochter der Beigeladenen rückgängig zu machen, und diese bereits am gleichen Tag Gespräche mit mehreren Mitarbeitern ihrer Abteilung geführt hat.
Wie oben ausgeführt, kommt es für den maßgeblichen Zeitpunkt grundsätzlich allein auf die Kenntnis des Kündigungsberechtigten an, zu denen die Zeugin N. unstreitig nicht gehörte.
Nur ausnahmsweise muss sich der Arbeitgeber die Kenntnis auch anderer Personen nach Treu und Glauben zurechnen lassen. Dazu müssen zunächst die Personen eine herausgehobene Position und Funktion in der Verwaltung haben und tatsächlich und rechtlich in der Lage sein, den Sachverhalt so umfassend zu klären, dass mit ihrem Bericht an den Kündigungsberechtigten dieser ohne weitere Nachforschungen seine Kündigungsentscheidung abgewogen treffen kann. Im Weiteren ist für die Zurechnung notwendig, dass die Verspätung, mit der der Kündigungsberechtigte in eigener Person von den maßgeblichen Umständen Kenntnis erlangt hat, auf einer unsachgemäßen Organisation der Verwaltung beruht,
vgl. BAG, Urteil vom 27. Februar 2020
Da - wie oben ausgeführt - die Kündigungsberechtigten befugt sind, statt einer Verdachtskündigung nach weiteren Ermittlungen eine Tatkündigung auszusprechen, ist es bereits nicht zu beanstanden, dass die Zeugin N. nach der Verdächtigung der Beigeladenen durch Frau T. weitere Ermittlungen angestellt hat. Zu den hierzu angestellten Ermittlungen gehörte neben den Befragungen auch die Überprüfung, ob tatsächlich eine Rückgängigmachung einer Verwarnung bezogen auf ein Fahrzeug der Tochter der Beigeladenen erfolgt ist. Ungeachtet der Frage, wann diese Ermittlungen durch die Zeugin N.
bzw. deren Mitarbeiter abgeschlossen gewesen sind und ob diese für eine Tatkündigung durch den Kündigungsberechtigten hinreichend gewesen wären, ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass eine etwaige verspätete Kenntniserlangung in der Person der Kündigungsberechtigten auf einer unsachgemäßen Organisation der Verwaltung der Klägerin beruht. Der seinerzeitige kündigungsberechtigte Leiter des Fachbereichs Personal und zentraler Service, der Zeuge I. , hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bekundet, dass es bei der Weiterleitung von Mitteilungen über Pflichtverletzungen, die arbeitsrechtliche Konsequenzen haben konnten, keine allgemeine einheitliche Regel gab, sondern dass dies sehr individuell war. Bei einer klaren Sachlage erfolgte recht frühzeitig die Information an das Personalamt, während bei erforderlichen Vorermittlungen die Weiterleitung erst etwas später erfolgte. Wie die seinerzeitige Abteilungsleiterin im Fachbereich Öffentliche Ordnung, die Zeugin N. bekundete, erfolgte bei solchen Konstellationen eine unmittelbare Absprache mit dem Rechtsamt oder dem Personalamt bezüglich des weiteren Vorgehens. Dies sei auch vorliegend so geschehen. Eine schuldhaft unsachgemäße Organisation der Verwaltung, die eine Verspätung der erforderlichen Kenntnisse der Kündigungsberechtigten von den maßgeblichen Tatsachen verursacht hat, ist hierin nicht zu erkennen. Dass der jeweilige Fachbereich zunächst zeitnah Ermittlungen anstellt, um einen Verdacht abzuklären, bevor das Personalamt eingeschaltet wird, lässt insoweit keine unsachgemäße Organisation erkennen. Dies gilt in besonderem Maße, wenn das Personalamt oder - wie hier - das sachkundige Rechtsamt vom Fachbereich eingeschaltet wird, um das weitere Vorgehen abzuklären.
Es sind auch die materiellen Voraussetzungen für die Zustimmung der Kündigung der Beigeladenen gemäß § 174
Abs. 4
SGB IX gegeben.
Gemäß § 174
Abs. 4
SGB IX soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht.
Maßgeblich für die Entscheidung, ob der Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Behinderung steht, ist der von dem Arbeitgeber geltend gemachte Kündigungsgrund.
Arbeitsrechtlich ist der der Kündigung zugrundeliegende Sachverhalt auf die von dem Arbeitgeber vorgegebenen Kündigungsgründe und den dahinstehenden Lebenssachverhalt eingegrenzt. Da die Zustimmung des Integrationsamtes die öffentlich-rechtliche Voraussetzung für deren Wirksamkeit ist, ist es erforderlich, dass der Gegenstand der öffentlich-rechtlichen Prüfung demjenigen der arbeitsrechtlichen Prüfung entspricht.
Für die Beurteilung des Bestehens eines Zusammenhangs im Sinne des § 174
Abs. 4
SGB IV sind dem Kündigungsgrund die der Behinderung zugrundeliegenden Beeinträchtigungen gegenüberzustellen. Dabei ist grundsätzlich von der in dem Verfahren nach § 152
SGB IX nachgewiesenen Behinderung auszugehen.
Gemessen an der § 174
Abs. 4
SGB IX zugrundeliegenden gesetzgeberischen Wertung, den schwerbehinderten Menschen vor einer nichtbehinderungsbedingten außerordentlichen Kündigung nicht stärker zu schützen als nichtbehinderte Menschen, ist der Begriff des Zusammenhangs zwischen der Behinderung und dem Kündigungsgrund im Sinne des § 174
Abs. 4
SGB IX im Lichte der Zielsetzung des Fürsorgeprinzips auszulegen. Die Auslegung hat zum einen dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der öffentlich-rechtliche Sonderkündigungsschutz gerade im Bereich der außerordentlichen Kündigung nicht dazu zu dienen bestimmt ist, den schwerbehinderten Menschen zu bevorzugen, sondern allein auf den Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile gerichtet ist. Zum anderen muss der unmittelbare Zusammenhang bei natürlicher Betrachtung gegeben sein. Bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen muss im Falle von durch die Behinderung begründeten Defiziten in der Einsichtsfähigkeit oder Verhaltenssteuerung das einer Kündigung aus wichtigem Grund zugrundeliegende Verhalten des schwerbehinderten Menschen nachvollziehbar gerade auf diese behinderungsbedingten Defizite zurückzuführen sein, ohne dass für seine Herleitung etwa auf Mutmaßungen zurückgegriffen werden muss. Maßgeblich ist, ob sich das Verhalten des schwerbehinderten Menschen zwanglos aus der Behinderung ergibt und der Zusammenhang nicht nur ein entfernter ist,
vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2012 -
5 C 16.11 -, Entscheidungen des
BVerwG (BVerwGE) 143, 325
ff.Auch wenn insoweit ein möglicher Zusammenhang zwischen Behinderung und Kündigungsgrund genügt, ist ein Zusammenhang im Sinne einer "conditio-sine-qua-non" allein nicht ausreichend,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Januar 2013 -
12 A 1635/10 -, juris.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze sieht die Kammer keinen möglichen Zusammenhang der von der Stadt H. mit Bescheid vom 31. Juli 2019 festgestellten Behinderung der Beigeladenen und den zugrundeliegenden maßgeblichen Funktionsbeeinträchtigungen mit dem von der Klägerin angeführten maßgeblichen Kündigungsgrund, der darin besteht, dass die Beigeladene die Beschäftigte Frau T. dazu gebracht hat, eine rechtmäßige Verwarnung der Tochter der Beigeladenen ungültig zu setzen und einen bestimmten Bereich nicht zu kontrollieren, um eine Verwarnung der Beigeladenen wegen eines Parkverstoßes zu vermeiden.
Bei der damit beabsichtigten Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen könnte neben insoweit nicht erheblichen körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen der Beigeladenen allein ein denkbarer Zusammenhang mit der anerkannten Beeinträchtigung
"Seelisches Leiden, chronisches Schmerzsyndrom mit somatischen Faktoren" in Betracht kommen.
Es ist bereits fraglich, ob der Begriff des "seelischen Leidens" aufgrund seiner Unbestimmtheit überhaupt geeignet ist, eine Funktionsbeeinträchtigung zu beschreiben. Jedenfalls darf dieser Begriff nicht so interpretiert werden, dass dieser sämtliche psychische Funktionsbeeinträchtigungen erfasst. Eine erforderliche trennscharfe Kausalitätsprüfung zwischen Funktionsbeeinträchtigung und Kündigungsgrund innerhalb der nach § 174
Abs. 3 Satz 1
SGB IX bestehenden Entscheidungsfrist des Integrationsamtes von zwei Wochen wäre dann nicht mehr möglich,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Januar 2013 - 12 A 1635/10 -, juris
Gegen einen Zusammenhang spricht vorliegend, dass die "seelische Behinderung" im Zusammenhang mit der weiteren Funktionsbeeinträchtigung des chronischen Schmerzsyndroms mit somatischen Faktoren steht. Es ist nichts dafür erkennbar, dass ein Schmerzsyndrom in Verbindung mit einem seelischen Leiden im Zusammenhang zum angeführten Kündigungsgrund stehen könnte. Ungeachtet dessen ist nichts dafür ersichtlich, dass die seelische Behinderung zu Defiziten in der Einsichtsfähigkeit und/oder Verhaltenssteuerung geführt hat. Erst recht fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass das der Kündigung zugrundeliegende Verhalten der Beigeladenen, nämlich deren Einwirkung auf ihre Kollegin, dass eine Verwarnung wegen eines Parkverstoßes ihrer Tochter ungültig gesetzt werde und ein bestimmter Bereich von dieser zur Vermeidung einer Verwarnung wegen eines Parkverstoßes der Beigeladenen nicht kontrolliert wird, nachvollziehbar gerade auf diese behinderungsbedingten Defizite zurückzuführen wäre.
Liegt dementsprechend die maßgebende Behinderung der Beigeladenen dem kündigungsbegründenden Verhalten nicht zugrunde, ist sie bei der Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung nach § 174
Abs. 4
SGB IX auch nicht zu berücksichtigen.
Es liegt auch kein atypischer Fall vor, so dass in der Folge der Beklagte Ermessen auszuüben gehabt hätte. Nur in solchen Fällen, in denen besondere Umstände vorliegen, verbleibt dem Integrationsamt die Möglichkeit zur Ausübung von Ermessen. Im Regelfall bedeutet das "Soll" ein "Muss".
Ein außergewöhnlicher Fall ist dann zu bejahen, wenn die außerordentliche Kündigung den schwerbehinderten Arbeitnehmer besonders hart trifft und ihm im Vergleich zu anderen Schwerbehinderten, denen außerordentlich gekündigt wird, ein Sonderopfer zumutet. Dies beruht auf der gesetzlichen Wertung, dem Kündigungsinteresse des Arbeitgebers grundsätzlich den Vorrang vor dem Interesse des Schwerbehinderten an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes einzuräumen, wenn der behinderte Arbeitnehmer einen Grund für eine außerordentliche Kündigung gegeben hat, der nicht im Zusammenhang mit seiner Behinderung steht. Dies impliziert, dass allgemein in diesen Fällen auftretende Härten wie die Problematik drohender langer Arbeitslosigkeit, ein bereits fortgeschrittenes Lebensalter oder eine langjährige Betriebszugehörigkeit ebenso wie Aspekte, die außerhalb des gesetzlichen Schutzzwecks liegen, keinen außerordentlichen Fall zu begründen vermögen,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Januar 2013, a.a.O.;
BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1992 -
5 C 39.90 -, BVerwGE 90, 275
ff.Es gibt vorliegend keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Beigeladenen im Vergleich zu anderen Schwerbehinderten durch die beabsichtigte Kündigung ein Sonderopfer zugemutet würde.
Es ist auch nicht zu berücksichtigen, ob die von der Klägerin vorgebrachten Gründe arbeitsrechtlich eine außerordentliche Kündigung tragen und ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626
Abs. 1
BGB vorliegt. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Sonderkündigungsschutzes, den von den Arbeitsgerichten nach erfolgter Kündigung zu gewährenden arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz zu ersetzen oder gar überflüssig zu machen. Dem Integrationsamt obliegt nur die fürsorgerische Inschutznahme des Schwerbehinderten mit dem Ziel, die aus seiner Behinderung resultierenden Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen und dadurch seine Wettbewerbsfähigkeit mit Nichtbehinderten herzustellen. Es prüft insoweit, ob den Schutzinteressen des schwerbehinderten Arbeitnehmers der Vorrang vor den vom Arbeitgeber geltend gemachten Auflösungsgründen zukommt ,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Januar 2013, a.a.O.;
BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1992, a.a.O.
Ob in besonders gelagerten Fällen eine Ausnahme zu machen ist, in denen offenbar wird, dass die vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe eine außerordentliche Kündigung offensichtlich nicht zu rechtfertigen vermögen,
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. Januar 2013, a.a.O.,
kann hier offen bleiben, da ein solcher Fall hier nicht gegeben ist.
Eine offensichtliche Unwirksamkeit einer Kündigung liegt nur dann vor, wenn diese ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage tritt, sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt,
vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1992, a.a.O.;
OVG NRW, Beschluss vom 22. Januar 2009 - 12 A 2094/08 -, juris.
Vorliegend tritt nicht ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu tage, dass die beabsichtigte Kündigung der Beigeladenen unwirksam ist. Einer tatsächlichen Offensichtlichkeit der Unwirksamkeit steht bereits entgegen, dass es für die hier gegebene Tatkündigung einer tatsächlichen Aufklärung bedürfen könnte, ob der Beigeladenen tatsächlich das dem Zustimmungsantrag zur Kündigung zugrundeliegende beanstandete Verhalten nachgewiesen werden kann und ihre Kollegin Frau T. zutreffende Angaben über deren Einwirkung zur Ungültigsetzung der gegenüber der Tochter der Beigeladenen erfolgten Verwarnung wegen eines Parkverstoßes gemacht hat. Sofern dies der Fall sein sollte, wäre eine Kündigung in rechtlicher Hinsicht auch nicht offensichtlich ausgeschlossen. Vielmehr läge es nahe, aus einem derartigen Verhalten arbeitsrechtliche Konsequenzen zu schließen. Ob dies unter den vorliegenden Umständen eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen vermag, bedarf der rechtlichen Prüfung durch das Arbeitsgericht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 1
VwGO; die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188
VwGO.
Es entspricht der Billigkeit gemäß § 162
Abs. 3
VwGO, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie mangels wirksamer Antragstellung auch nicht das Kostenrisiko gemäß § 154
Abs. 3
VwGO getragen hat.
Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (
ZPO).