Urteil
Begleitende Hilfen im Arbeitsleben für Selbständige - Zuschuss zu privaten Versicherungen (verneint)

Gericht:

VG Bayreuth 3. Kammer


Aktenzeichen:

B 3 K 10.886 | 3 K 10.886


Urteil vom:

09.05.2011


Grundlage:

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Mit der Klage begehrt der Kläger die Bewilligung eines Zuschusses von 50 % zu den von ihm abgeschlossenen privaten Versicherungen der Existenzvorsorge.

Der am 28.02.1964 geborene Kläger ist seit dem 18.03.1982 Inhaber eines Schwerbehindertenausweises mit dem Grad der Behinderung von 50. Seit Juli 1982 betreibt er den von seinen Eltern übernommenen Gasthof "..." in ..., .... In den Jahren 1996 bis 2000 erhielt der Kläger Unterstützungsleistungen durch das Integrationsamt in Form von Zinszuschüssen zu Bankdarlehen wegen des Ausbaus und der Renovierung des Gasthofes in Höhe von 12.884,56 EUR. In den Jahren 2003 bis 2007 betrugen die Leistungen 12.705,48 EUR in Form von Zinszuschüssen zu Bankdarlehen wegen des Ausbaus von Gästezimmern.

Am 03.05.2006 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Leistungen zum Erhalt seiner selbständigen Existenz. Mit Bescheid vom 08.05.2006 bewilligte der Beklagte auf der Grundlage von § 21 SchwbAV einen Zuschuss von 287,51 EUR zu den monatlich anfallenden Versicherungsbeiträgen der Existenzvorsorge (Krankenversicherung, Unfallversicherung, Lebensversicherung als Altersvorsorge, etc.). Der Bewilligungszeitraum wurde auf die Zeit vom 01.04.2006 bis 31.03.2008 festgelegt. Als Zuwendungszweck wurde ein vorübergehender Zuschuss zur Sicherung der selbständigen Existenz als Betreiber der Gaststätte und Pension "..." in ... angegeben.

Am 22.03.2008 beantragte der Kläger die Weitergewährung des Zuschusses aufgrund unveränderter Lebensumstände.

Mit Bescheid vom 11.07.2008 lehnte der Beklagte die Bewilligung des beantragten Zuschusses ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Prüfung des Weitergewährungsantrages habe ergeben, dass im Vergleich zu anderen Fällen keine erhöhte Dringlichkeit mehr für die Gewährung eines Zuschusses gegeben sei. Laut den vorgelegten Gewinn- und Verlust-Vergleichen von 2001 bis 2007 belaufe sich das Betriebsergebnis immer im positiven Bereich von monatlich durchschnittlich rund 2.900,00 EUR. Somit könne dem Kläger künftig zugemutet werden, die noch vorliegenden Belastungen alleine zu tragen.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 19.11.2008 Widerspruch, der damit begründet wurde, dass in dem angefochtenen Bescheid offensichtlich von falschem Zahlenmaterial ausgegangen werde. Tatsächlich lägen die Einkünfte des Klägers aus der Gaststätte erheblich niedriger. Dies ergebe sich aus dem Jahressteuerbescheid 2006 und dem Jahresabschluss 2006. Unter Berücksichtigung der Zahlungen auf das betrieblich notwendige Darlehen mache der Kläger immer noch Verlust.

Mit Schreiben vom 19.02.2010 legte der Bevollmächtigte des Klägers die Jahresabschlüsse 2007 und 2008 vor sowie die betriebswirtschaftliche Auswertung mit Summen- und Saldenliste per 31.12.2009. Der Beklagte holte eine betriebswirtschaftliche Stellungnahme des Diplombetriebswirts (FH) Eberl von der ZBFS Region Niederbayern ein. Dieser kommt zu dem Ergebnis, aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei nicht damit zu rechnen, dass die selbständige Existenz des Klägers ohne Gewährung der begehrten Leistungen in Bedrängnis geraten würde. Die prognostizierte Verschlechterung der betrieblichen Situation sei nicht eingetreten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2010 wies der Widerspruchsausschuss des Beklagten den Widerspruch zurück. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Durch die vorgelegten Nachweise seien folgende Zahlen belegt:

Betrieblicher Überschuss 2006: 20.961,00 EUR
Betrieblicher Überschuss 2007: 36.012,00 EUR
Betrieblicher Überschuss 2008: 28.482,10 EUR
Betrieblicher Überschuss 2009: 32,647,48 EUR

Die betriebswirtschaftliche Überprüfung habe ergeben, dass eine Gefährdung der selbständigen Existenz des Klägers ohne Gewährung der begehrten Leistung nicht zu erwarten sei. Für die beantragten Leistungen stehe im Übrigen keine Rechtsgrundlage zur Verfügung. § 21 Abs. 3 SchwbAV schließe derartige Leistungen vielmehr ausdrücklich aus. Zwar könnten gem. § 21 Abs. 4 SchwbAV auch schwerbehinderte Selbständige Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben und damit auch Leistungen zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen erhalten. Die privaten Versicherungsprämien seien aber als behinderungsunabhängige Kosten anzusehen. Eine Gewährung von Förderleistungen sei bereits dem Grunde nach ausgeschlossen. Der Widerspruchsbescheid wurde den Bevollmächtigten des Klägers laut Empfangsbekenntnis am 02.09.2010 zugestellt.

Mit Telefax vom Montag, 04.10.2010, haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und beantragt:

1. Der Bescheid vom 11.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2010 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Mit Schriftsatz vom 21.03.2011 wurde zur Klagebegründung vorgetragen, die betrieblichen Jahresüberschüsse könnten nicht mit den Einnahmen des Klägers gleichgesetzt werden, davon seien jeweils noch Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen u. ä. abzuziehen. Die in den jeweiligen Einkommenssteuerbescheiden ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien nicht identisch mit den dem Kläger jeweils tatsächlich zur Verfügung stehenden Beträgen. Diese Einkünfte seien noch zu versteuern. Der Kläger habe als Selbständiger seine Sozialversicherungsbeiträge in vollem Umfang selbst zu tragen. Die Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung betrügen monatlich 474,00 EUR. Außerdem müsse auch die enorme Schuldenlast des Klägers Berücksichtigung finden. Er leiste monatlich Tilgungen in Höhe von 1.788,24 EUR. Diese Schulden resultierten aus einem Umbau der Gaststätte. Nach Abzug der Tilgungsraten und der Sozialversicherungsbeiträge erziele der Kläger nur unwesentliche Gewinne bzw. sogar negative Ergebnisse. Er sei demzufolge auf auf den Zuschuss, den der Beklagte bisher geleistet habe, angewiesen. Eine Verbesserung der betrieblichen Ergebnisse in den kommenden Jahren sei nicht zu erwarten. Der Kläger sei als schwerbehinderter Mensch auf eine Krankenversicherung angewiesen. Dies unterscheide ihn wesentlich von nichtbehinderten Selbständigen. Die für den Kläger quasi "zwingende" freiwillige Krankenversicherung stelle eine wesentliche Benachteiligung und somit eine außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 27 SchwbAV dar.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 31.03.2011 beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Klageerwiderung wird ausgeführt, für alle seit 2006 vorgelegten Zahlen weise der Kläger jedenfalls eindeutig eine stabile Umsatztätigkeit mit positiven jährlichen Betriebsergebnissen nach. Somit sei bewiesen, dass die bei Bescheiderteilung am 08.05.2006 angenommene wirtschaftliche Gefährdung des Betriebes nicht oder nicht mehr vorliege. Aber selbst wenn eine wirtschaftliche Gefährdung vorliegen würde, käme eine Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB IX und der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung nicht in Betracht, da es für die begehrte Leistung keine Rechtsgrundlage gebe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen. Wegen des Ablaufs der mündlichen Verhandlung, in der die Beteiligten Bezug auf ihre schriftsätzlich gestellten Anträge nahmen, wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

BAYERN.RECHT

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 11.07.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 31.08.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Beiträgen der privaten Versicherungen der Existenzvorsorge, weil es an einer Rechtsgrundlage für die begehrte Leistung fehlt.

Nach § 102 Abs. 3 Satz 1 SGB IX kann das Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben auch Geldleistungen erbringen. In Nr. 1 Buchst. a) bis f) der Vorschrift werden mögliche Leistungen an den schwerbehinderten Menschen selbst aufgelistet, in Nr. 2 Buchst. a) bis e) Leistungen, die an den Arbeitgeber schwerbehinderter Menschen erbracht werden können. Das Nähere regeln die Bestimmungen der Schwerbehinderten-Ausgleichsverordnung - SchwbAV.

a) Ein Anspruch besteht nicht nach § 102 Abs. 3 Satz 1 SGB IX i. V. m. § 17 Abs. 1 Nr. 1c, § 21 Abs. 1 SchwbAV. Danach können schwerbehinderte Menschen Darlehen oder Zinszuschüsse zur Gründung und zur Erhaltung einer selbständigen beruflichen Existenz erhalten. Derartige Leistungen hat der Kläger in den Jahren ab 1996 als Zinszuschüsse zu Bankdarlehen zum Zwecke der Renovierung und des Ausbaus des Gasthofes erhalten. Der nun begehrte Zuschuss zu den privaten Versicherungsleistungen wird vom Anwendungsbereich dieser Vorschriften nicht erfasst.

b) Es besteht auch kein Anspruch nach 102 Abs. 3 Satz 1 SGB IX i. V. m. § 21 Abs. 4, § 27 Abs. 1 SchwbAV.

Nach § 27 Abs. 1 SchwbAV können Arbeitgeber Zuschüsse zur Abgeltung außergewöhnlicher Belastungen erhalten, die mit der Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen verbunden sind, der nach Art oder Schwere seiner Behinderung im Arbeits- und Berufsleben besonders betroffen ist (§ 72 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a bis d SGB IX), vor allem wenn ohne diese Leistungen das Beschäftigungsverhältnis gefährdet würde. Gemäß § 21 Abs. 4 SchwbAV ist die Vorschrift entsprechend anwendbar auf schwerbehinderte Menschen, die - wie der Kläger - eine selbständige Tätigkeit ausüben.

Der durch § 102 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. e SGB IX gesetzlich vorgegebene unbestimmte Rechtsbegriff der "außergewöhnlichen Belastung" wird durch § 27 Abs. 2 SchwbAV näher ausgestaltet. Danach sind außergewöhnliche Belastungen überdurchschnittlich hohe finanzielle Aufwendungen oder sonstige Belastungen, die einem Arbeitgeber bei der Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen auch nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten entstehen und deren Kostentragung dem Arbeitgeber nach Art oder Höhe unzumutbar ist. Als zusätzliche Belastungen werden beispielsweise Aufwendungen für Begleitpersonen, Vorlesekräfte sowie zusätzliche Leistungen für die Betreuung des Schwerbehinderten während der Arbeitszeit und Pausen angesehen.

Die vom Kläger zu entrichtenden Beiträge zu den privaten Versicherungen sind keine überdurchschnittlich hohen finanziellen Aufwendungen, die auf seiner Behinderung beruhen. Sie entstehen in gleicher Höhe auch bei einem nicht behinderten Betreiber eines Gasthofes. Eine Besserstellung behinderter Menschen gegenüber Nichtbehinderten im Sinne eines Wettbewerbsvorteils im Geschäftsleben entspricht nicht der Intention des Gesetzgebers. Deshalb bestimmt § 21 Abs. 3 SchwbAV, dass sonstige Leistungen zur Deckung des laufenden Betriebs nicht erbracht werden können. Das Argument des Klägers, dass er mehr als Nichtbehinderte auf eine Krankenversicherung angewiesen sei, greift nicht, weil er dafür keine behinderungsbedingten höheren Aufwendungen hat. Somit ist auch hier der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht eröffnet.

Darüber hinaus liegt auch die Voraussetzung einer Existenzgefährdung, bzw. einer Unzumutbarkeit der Kostentragung nicht vor. Das Gericht hat keine Zweifel, dass die vom Beklagten hierzu eingeholte betriebswirtschaftliche Stellungnahme und die darauf gestützten Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden zutreffend sind. Der Vergleich der Betriebsergebnisse der letzten Jahre zeigt, dass die Umsatzlage stabil war. Eine Existenzgefährdung wäre nur zu befürchten, wenn Anhaltspunkte für eine wesentliche Verschlechterung des Betriebsergebnisses vorlägen, nicht aber wenn - wie der Klägervertreter vorträgt - keine Verbesserung zu erwarten ist. Es erscheint keineswegs nachvollziehbar, dass die selbständige Existenz des Klägers mit dem begehrten Zuschuss zu den Versicherungsleistungen in Höhe von ca. 290,00 EUR "steht und fällt", wie die Klägerseite meint. Die Zinsbelastungen für die Bankdarlehen sind bereits als Betriebsausgaben abzugsfähig. Die Tilgungsleistungen erhöhen das Betriebsvermögen. Die Versicherungsbeiträge des Klägers vermindern das zu versteuernde Einkommen bereits jeweils um ca. 9.000,00 EUR und die jährliche Steuerschuld bewegt sich mit rund 2.400,00 EUR auf niedrigem Niveau (vgl. Einkommensteuerbescheide für 2008 und 2009). Berücksichtigt man ferner, dass der Kläger und seine Familie keine Mietkosten zu tragen haben und dass beim Betrieb eines Gasthofs die Aufwendungen für die private Versorgung mit Lebensmitteln eher gering sein dürften, ist davon auszugehen, dass der durchschnittliche monatliche Betriebsüberschuss von 2.900,00 EUR ausreichend ist um die weitere selbständige Existenz des Klägers und damit seinen Lebensunterhalt zu sichern.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

2. Als Unterlegener hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen, § 154 Abs 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 188 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.

Referenznummer:

R/R5468


Informationsstand: 25.03.2013