Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 27. März 2012 aufgehoben.
Dem Kläger wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt J T, Sstraße, N, bewilligt.
Die Beschwerde des Klägers ist begründet; das Sozialgericht (SG) hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zu Unrecht abgelehnt.
Die auf Gewährung einer Bildungsmaßnahme gerichtete Klage hat bei der im PKH-Verfahren nur gebotenen summarischen Prüfung schon deshalb hinreichende Aussichten auf Erfolg (vgl § 73a
Abs. 1 Satz 1
SGG iVm mit § 114 Zivilprozessordnung -
ZPO -), weil es zur Prüfung des Klagebegehrens weiterer umfassender Ermittlungen des SG bedarf. Insoweit kann der Klage eine ausreichende Erfolgsaussicht jedenfalls derzeit nicht abgesprochen werden.
Nach
§ 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist. Weitere Voraussetzungen dafür sind, dass vor Beginn der Teilnahme eine Beratung und Zustimmung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist, die Maßnahme für die Weiterbildungsförderung durch die Agentur für Arbeit anerkannt ist und die Vorbeschäftigungszeit erfüllt ist (vgl § 77
Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3
SGB III). Vorliegend dürfte es zwar bereits an einer Arbeitslosigkeit des Klägers fehlen, der zumindest bei Abschluss des Widerspruchsverfahrens vier Stunden täglich in einer Werkstatt für Behinderte arbeitete, Erwerbsminderungsrente bezog und noch immer bezieht und Teilhabeleistungen vom Rentenversicherungsträger im Rahmen der Werkstattförderung erhält. Er ist damit mangels Verfügbarkeit schon nicht arbeitslos iSv
§ 119 Abs. 1 SGB III. Gleiches würde auch gelten, wenn der Kläger, wie er nunmehr vorträgt, daneben die Schule besucht, um den Abschluss der 10. Klasse nachzuholen.
Im Rahmen des § 77
Abs. 1
Nr. 1
SGB III ist zur Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzung (Notwendigkeit der beruflichen Weiterbildung, um den Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern) wie auch bei
§ 60 Abs. 2 Satz 2 SGB III in der seit 30. August 2008 geltenden Fassung (dazu s.o.) überdies eine Prognoseentscheidung erforderlich, ob die Bildungsmaßnahme die Eingliederungschancen erhöht. Der Beklagten steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu; der gerichtlichen Kontrolle unterliegt lediglich, ob die Verwaltungsentscheidung in einer dem Sachverhalt angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (vgl
BSG, Urteil vom 3. Juli 2003 - B 7 AL 66/02 R = SozR 4-4300 § 77
Nr. 1 mwN). Liegen die Voraussetzungen des § 77
Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3
SGB III vor, so hat die Beklagte ihr pflichtgemäßes Ermessen auszuüben, ob die Teilnahme an einer Maßnahme und, wenn ja, zu welcher und in welchem Umfang gefördert wird (
vgl. BSG aaO mwN). Abzustellen ist dabei als Beurteilungszeitpunkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (vgl
BSG aaO;
BSG SozR 3-4100 § 36 Nrn. 1, 5). Die Prognose der Beklagten zum Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens, wonach auf Grundlage der seinerzeitigen Sachlage der Kläger dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stand und daher eine Eingliederung insoweit in absehbarer Zeit nicht zu erwarten war, ist indes nicht zu beanstanden.
Auch ein Anspruch nach
§ 97 Abs. 1 SGB III scheidet derzeit aus. Danach können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der beruflichen Eingliederung erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre berufliche Eingliederung zu sichern. Letzteres durfte die Beklagte aus den dargelegten Gründen verneinen, und zwar sowohl für die allgemeinen Leistungen iSv
§ 100 SGB III als auch die besonderen Leistungen iSv
§§ 102 ff SGB III. So verlangt auch § 97
Abs. 1
SGB III neben der Zweckbestimmung einer Förderung der beruflichen Eingliederung die Erforderlichkeit der Maßnahme wegen Art oder Schwere der Behinderung. Sodann sind bei der Auswahl der Leistungen Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Die Beklagte hat dabei auch nach
§ 7 Abs. 1 SGB III bei der Auswahl von Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung, zu der die Förderung der beruflichen Weiterbildung nach § 100
Nr. 6
SGB III zählt, unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu wählen. Dabei sind vorrangig die Fähigkeiten der zu fördernden Personen und die Erfolgsaussichten einer Eingliederung zugrunde zu legen. Eine Maßnahme ist demnach nur förderfähig, wenn der behinderte Mensch für diese objektiv geeignet ist, also über die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verfügt, so dass die Maßnahme voraussichtlich mit Erfolg abgeschlossen werden kann und zur beruflichen Eingliederung des behinderten Menschen führt.
Derzeit stehen dem Kläger mangels Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung auch keine Ansprüche auf Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung oder Kostenerstattungsansprüche nach Maßgabe der §§ 6, 7 Berufliches Rehabilitierungsgesetz zu.
Indes haben die Beklagte und das SG verkannt, dass die Beklagte im Hinblick auf
§ 14 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) verpflichtet war und ist, den Antrag des Klägers vom 3. Mai 2011 auf Gewährung von Teilhabeleistungen unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Grundlagen, dh nicht nur nach Maßgabe des
SGB III, zu prüfen. Denn die Beklagte hat den Antrag nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen iSv § 14
Abs. 1 Satz 1 und 2
SGB IX an den nach ihrer Einschätzung zuständigen Rentenversicherungsträger weitergeleitet.
Das Zuständigkeitsklärungsverfahren beginnt nach § 14
Abs. 1 Satz 1
SGB IX damit, dass ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe gestellt wird. Der Rehabilitationsträger, bei dem der Antrag gestellt worden ist, dh der erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag "befasst" worden ist (vgl
BSG, Urteil vom 20. November 2008 -
B 3 KN 4/07 KR R - juris) - hier die Beklagte - prüft innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang, ob er sich für sachlich zuständig hält. Diese Zwei-Wochen-Frist beginnt zu laufen am Tag nach dem Eingang des Antrags bei dem "erstangegangenen" Rehabilitationsträger. Eine entsprechende Vereinbarung findet sich auch in § 1
Nr. 1 der Gemeinsamen Empfehlung der Rehabilitationsträger über die Ausgestaltung des Zuständigkeitsklärungsverfahrens. Wenn es allerdings dort weiter heißt, dass ein die Frist auslösender Antrag nur vorliege, wenn die Unterlagen, die eine Beurteilung der Zuständigkeit ermöglichen, auch vorlägen, so dürfte diese Vereinbarung vom Gesetzeswortlaut, der allein auf den Antragseingang abstellt, nicht gedeckt sein. Natürlich kann der erstangegangene Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit nur prüfen, wenn sich aus dem Antrag ergibt, was von dem Antragsteller beansprucht wird. Von einem "vollständigen" Antrag ist aber im Gesetz jedenfalls nicht die Rede, so dass der Rehabilitationsträger oder aber auch die Servicestelle, die den Antrag entgegen nimmt, gegebenenfalls unter Auflagen mit Rechtsfolgenbelehrung (§ 66
SGB I) sich um die Vervollständigung des Antrags kümmern muss. Für den Beginn des Laufs der Frist des § 14
Abs. 1 Satz 1
SGB IX genügt jedenfalls jedweder Antrag, aus dem sich das Begehren des behinderten Menschen auf eine Leistung zur Teilhabe ergibt. Der Antrag des Klägers vom 3. Mai 2011 wird diesen Anforderungen ohne weiteres gerecht.
Da die Beklagte den Antrag nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 14
Abs. 1 Satz 1
SGB IX nicht unverzüglich weitergeleitet hatte, gilt nunmehr § 14
Abs. 2 Satz 1
SGB IX, wonach sie den Rehabilitationsbedarf unverzüglich feststellen musste, und zwar in eigener endgültiger Zuständigkeit (vgl
BSG, Urteile des 1. Senats vom 26. Juni 2007 -
B 1 KR 34/06 R -, des 11b. Senats vom 25. Juni 2008 -
B 11b AS 19/07 R - des 13. Senats vom 21. August 2008 -
B 13 R 33/07 R - und des 3. Senats vom 20. November 2008 -
B 3 KR 16/08 R - und -
B 3 KN 4/07 KR R - alle juris). Sie war und ist daher auch verpflichtet, alle Rechtsgrundlagen heranzuziehen, die überhaupt in der entsprechenden Bedarfssituation für den behinderten Menschen vorgesehen sind, dh vorliegend auch Ansprüche des Klägers insbesondere nach dem Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (
SGB VI).
Das SG wird davon ausgehend zu prüfen haben, ob für den Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach Maßgabe der §§ 9, 10, 11, 12 und 16
SGB VI in Betracht zu ziehen sind. Die Träger der Rentenversicherung erbringen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 33 bis 38
SGB IX sowie im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen nach
§ 40 SGB IX. Ob der Kläger die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine entsprechende im Ermessen des Trägers stehende Maßnahme erfüllt, wird dabei ebenso zu klären sein wie die Frage, ob der Beklagten, die auf der Grundlage ihrer Rechtsauffassung keine Ermessensentscheidung getroffen hatte, ggfs insoweit Ermessensfehler in Gestalt eines Ermessensausfalls unterlaufen sind. Schließlich wird auch der "eigentlich" zuständige und im Innenverhältnis der Träger weiterhin zuständige Rentenversicherungsträger beizuladen sein.
Eine Kostenerstattung findet im PKH-Beschwerdeverfahren nicht statt (vgl § 127
Abs. 4
ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177
SGG).