Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger 2.733,00
EUR zu erstatten hat, die diesem durch die Versorgung mit einem beidseitigen Hörsystem "Phonak Audeo Q 70-312 xS" (Preis: 4.347,00
EUR) nach Abzug des von der beigeladenen Krankenkasse übernommenen Vertragspreises (1.614,00
EUR) unter Berücksichtigung der vom Kläger zu leistenden gesetzlichen Zuzahlung (20,00
EUR) entstanden sind.
Der 0000 geborene Kläger ist examinierter Krankenpfleger und ausgebildeter Informatik-Kaufmann. Seit 2012 ist er als Personalvermittler beim Kreis Düren (JobCom) mit der Beratung von Beziehern von SGB II-Leistungen (Schwerpunkt: schwerbehinderte Menschen) beschäftigt. Unter seinen Klienten befinden sich auch Menschen mit Hör- und Sprachbehinderung sowie Menschen mit defizitären Deutschkenntnissen. Der Aufgabenbereich des Klägers umfasst die Beratung in Einzel- und Gruppengesprächen sowie die Begleitung von Vermittlungsmaßnahmen, auch Kundenbesuche in Betrieben. Der Kläger leidet an einer mittel- bis hochgradigen Schwerhörigkeit rechts und einer beginnenden Schwerhörigkeit links.
Am 25.10.2013 beantragte er bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Rheinland Leistungen zu Teilhabe, konkret die Versorgung mit Hilfsmitteln (Hörgeräten), die behinderungsbedingt zur Berufsausübung erforderlich seien. Die DRV Rheinland leitete den Antrag mangels Zuständigkeit unter Bezugnahme auf
§ 14 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) mit Schreiben vom 31.10.2013 an die Beklagte weiter, wo die Unterlagen am 07.11.2013 eingingen.
Am 07.11.2013 verordnete der den Kläger behandelnde HNO-Arzt eine beidseitige Hörhilfe.
Die Beklagte lehnte den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe durch Bescheid vom 12.12.2013 ab. Zur Begründung führte sie aus, zwar sei der Kläger aufgrund seiner Hörschädigung auf das Tragen einer Hörhilfe angewiesen; er benötige diese jedoch sowohl im privaten als auch im beruflichen Lebensbereich; die hohen Anforderungen an Kommunikation, Sprache, Verstehen würden nicht nur im Beruf, sondern auch im täglichen Leben bestehen. Die Beklagte meinte, es handele sich um eine Leistung im Sinne des Krankenversicherungsrechts.
Dagegen erhob der Kläger am 07.01.2014 Widerspruch. Er erklärte, mit den zum Vertragspreis der Krankenkasse erhältlichen Geräten lasse sich kein befriedigendes Sprachverstehen erzielen. Um eine adäquate Versorgung im professionellen Bereich sicherstellen zu können, benötige man neben einem behindertengerechten Telefon auch eine
FM-Anlage für Besprechungen/Konferenzen und Tagungen.
In der Zeit von Januar bis Juni 2014 testete der Kläger bei dem Hörgeräteakustikbetrieb K. verschiedene Hörsysteme, konkret - das eigenanteilsfreie System "OTICON GoPro BTE D VC
LG" - das Mehrkosten-System "PHONAK Audeo Q 70 - 312 xS". Die Firma K. ist Mitglied der Bundesinnung für Hörgeräteakustik (BIHA). Diese hatte mit Wirkung ab 01.11.2013 u.a. mit der Beklagten einen "Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen" (im Folgenden: Versorgungsvertrag) abgeschlossen. Der Kläger entschied sich schließlich für das System PHONAK Audeo Q 70. Am 18.06.2014 stellte der Hörgeräteakustiker dem Kläger für einen von ihm zu zahlenden Eigenanteil (einschließlich der zu leistenden Zuzahlung von 20
EUR) 2.753,00
EUR in Rechnung. Am 28.06.2014 erstellte der Hörgeräteakustiker die Anpass- und Abschlussberichte über die beiden getesteten Hörsysteme. Am selben Tag unterschrieb der Kläger folgende "Erklärung zur Mehrkosten": "Ich bin über das qualitativ hochwertige Angebot einer aufzahlungsfreien Versorgung (ohne Aufzahlung, ausgenommen der gesetzlichen Zuzahlung) informiert worden. Mit dem(n) getesteten eigenanteilsfreien Hörsystem(en) habe ich - soweit möglich - sowohl bei störenden Umgebungsgeräuschen als auch in größeren Räumen und größeren Personengruppen ein bestmögliches Sprachverstehen erreicht. Dennoch habe ich mich für eine Versorgung mit Aufzahlung entschieden. Mit der von mir zu leistenden Aufzahlung bin ich einverstanden. Des Weiteren bin ich darüber informiert worden, dass die aus der Mehrleistung bei einem Hörsystem mit privater Aufzahlung resultierenden Reparaturmehrkosten auch zu meinen Lasten gehen. Ich erkläre mich bereit, auch diese zu übernehmen. Die Versicherteninformation habe ich erhalten." Am 30.06.2014 bezahlte der Kläger 2.753,00
EUR an die Firma K ...
Durch zwei Bescheide vom 10.09.2014 bewilligte die Beigeladene dem Kläger für die beidseitige Hörgeräteversorgung mit dem System Phonak Audeo Q 70 - 312 xS insgesamt 1.614,00
EUR mit dem Hinweis, hierzu habe der Kläger 20,00
EUR als gesetzliche Zuzahlung sowie die Mehrkosten der Versorgung, soweit diese den bewilligten Vertragspreis übersteigen, zu zahlen. Die Firma K. stellte der Beigeladenen unter dem 24.10.2014 einen Betrag von 1.594,00
EUR für die Versorgung des Klägers in Rechnung, die diese bezahlte.
Nach Erhalt diverser Unterlagen über die durchgeführte Versorgung wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 21.01.2015 zurück mit der Begründung, es bestehe kein Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Dagegen hat der Kläger am 24.02.2015 Klage erhoben. Er verweist darauf, bereits 2013 den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe gestellt zu haben. Diese Leistung umfasse auch Hilfsmittel, konkret: Hörgeräte. Als Sachbearbeiter der JobCom, der für die Vermittlung von Behinderten tätig sei, habe er den ganzen Tag über zu telefonieren. Dafür benötige er ein entsprechend geeignetes Hörgerät; ein sehr gutes Sprachverständnis sowie Sprachkommunikation in verschiedenen Hörsituationen sei für die Beratertätigkeit unerlässlich.
Im Frühjahr 2015 erhielt der Kläger nach entsprechender Bewilligung der zuständigen Fürsorgestelle zu seinen Hörgeräten einen so genannten ComPilot und einen Roger Pen. Der Phonak ComPilot kann mit allen drahtlosen Phonak Hörgeräten verbunden werden und unterstützt Audioeingänge über bestimmte Stecker. Der Roger Pen ist ein Mikrofon, das Menschen mit Hörminderung die Kommunikation in lauten Umgebungen und über Distanz ermöglicht. Desweiteren stattete der Arbeitgeber des Klägers dessen Arbeitsplatz mit einer speziellen Telefonanlage aus. Nach Angaben des Klägers kann er diese Telefonanlage ausschließlich mit dem Hörgerätetyp, mit dem er jetzt versorgt ist, nutzen; mit anderen Hörgerätesystemen könne die Telefonanlage nicht genutzt werden. Das Hörsystem Phonak Audeo Q 70 ist zwar für Bluetooth geeignet; jedoch nutzt der Kläger diese Technik am Arbeitsplatz nicht, seine vom Arbeitgeber gestellte Telefonanlage ist nicht Bluetooth-fähig.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.12.2013 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2015 zu verurteilen, ihm 2.733,00
EUR zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer Auffassung, dass eine ausschließlich berufliche Betroffenheit des Klägers in der Tätigkeit als Personalvermittler nicht vorliegen könne. Ein uneingeschränktes Telefonieren müsse für jedwede Berufsausübung und natürlich auch im privaten Bereich gewährleistet sein.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Auffassung, mit der Bewilligung des Fest-/Vertragspreises für die beiden Hörgeräte den ihr gegenüber bestehenden Versorgungsanspruch des Klägers erfüllt zu haben. Mit dem gewählten Gerät habe der Kläger nur einen um 5 Prozentpunkte besseren Hörgewinn als mit dem eigenanteilsfreien Gerät OTICON GoPro BTE erzielt; dieser Unterschied liege im Toleranzbereich; eine signifikante Hörverbesserung resultiere daraus nicht.
Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere zu den Umständen der Hörgeräteversorgung eine Auskunft von der Firma K. eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf die Auskunft vom 26.08.2015 und die von der Firma K. vorgelegten Unterlagen über die Hörgeräteversorgung verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne des § 54
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat über die von der Beigeladenen bewilligten Kosten hinaus keinen Anspruch auf Erstattung der Mehrkosten, die ihm durch die Selbstbeschaffung der beidseitigen Hörgeräte Phonak Audeo Q 70 entstanden sind.
Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten einer selbstbeschafften Leistung ist allein
§ 15 Abs. 1 SGB IX. Diese Vorschrift normiert trägerübergreifend Kostenerstattungsansprüche für selbstbeschaffte Teilhabeleistungen (
BSG, Urteil vom 20.10.2009 -
B 5 R 5/07 R). Dies bestätigt insbesondere der mit Wirkung vom 01.07.2011 in
§ 13 Abs. 3 SGB V eingefügte Satz 2; danach werden Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem
SGB IX gem. § 15
SGB IX erstattet. Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass sich die Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation abweichend von der Selbstbeschaffung anderer Leistungen nach dem
SGB IX richtet. Ausweislich dieser gesetzgeberischen Absicht sollte mit § 15
SGB IX eine einheitliche Kostenerstattungsregelung für den Bereich der Teilhabeleistungen geschaffen werden (
BSG, Urteil vom 30.10.2014 -
B 5 R 8/14 R - unter Hinweis auf
BT-Drucksache 14/5074,
S. 117 zu
Nr. 7 Buchstabe b). Die Kostenerstattungsregelung des § 15
Abs. 1
SGB IX gilt auch für die Träger der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung, da der Anwendungsbereich dieser Regelung nur für die Träger der Sozialhilfe, der öffentlichen Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge ausgeschlossen ist (§ 15
Abs. 1 Satz 5
SGB IX).
§ 15
Abs. 1 Satz 3
i.V.m. Satz 4
SGB IX bestimmt, dass, wenn eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt wird und Leistungsberechtigte sich eine erforderliche Leistung selbst beschaffen, der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet ist. Zuständiger Reha-Träger im Sinne des § 15
Abs. 1
SGB IX ist der nach
§ 14 SGB IX verantwortliche Reha-Träger (
BSG, Urteil vom 30.10.2014 - B 5 R 8/14 R). Dies ist der beklagte Rentenversicherungsträger, an den die DRV Rheinland den am 25.10.2013 bei ihr gestellten Antrag des Klägers auf Leistungen zur Teilhabe, konkret: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form der Versorgung mit einem Hilfsmittel (
vgl. §§ 5 Nr. 1,
26 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX), innerhalb von zwei Wochen nach dem Eingang weitergeleitet hat (§ 14
Abs. 1 Satz 1 und 2,
Abs. 2 Satz 3
SGB IX). Die Zuständigkeit der Beklagten ist ausschließlicher Natur; denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Reha-Trägers nach § 14
Abs. 2 Satz 1
SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeit aller anderer Träger aus (
BSG, Urteil vom 26.10.2004 -
B 7 AL 16/04 R; Urteil vom 26.06.2007 -
B 1 KR 34/06 R; Urteil vom 21.08.2008 -
B 13 R 33/07 R; Urteil vom 20.10.2009 -
B 5 R 5/07 R; Urteil vom 24.01.2013 -
B 3 KR 5/12 R). Im Verhältnis zu dem zweitangegangenen Träger und dem Leistungsberechtigten ist also der Anspruch anhand aller Rechtsgrundlagen zu prüfen, die überhaupt in der konkreten Bedarfssituation für Reha-Träger vorgesehen sind (
BSG, Urteil vom 20.11.2008 -
B 3 KN 4/07 KR R; Urteil vom 25.06.2009 -
B 3 KR 4/08 R; Urteil vom 20.10.2009 -
B 5 R 5/07 R; Urteil vom 24.01.2013 -
B 3 KR 5/12 R).
Der Kostenerstattungsanspruch nach § 15
Abs. 1 Satz 3
SGB IX reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er findet seine materiell-rechtliche Grundlage im Recht der Gesetzlichen Krankenversicherung (
SGB V). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst u.a. die Versorgung mit Hilfsmitteln (
§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33
SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (
§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Viertel Kapitels des
SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2
Abs. 2 Satz 3
SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der BIHA und u.a. der Beklagten für die Zeit ab 01.11.2013 geschlossene Versorgungsvertrag.
Nach § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V haben Versicherte Anspruch auf Hörhilfen, die kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens und nicht nach
§ 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen, soweit sie im Rahmen des notwendigen und wirtschaftlichen (
§ 12 Abs. 1 SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind (
BSG, Urteil vom 17.12.2009 -
B 3 KR 20/08 R, Urteil vom 24.01.2013 -
B 3 KR 5/12 R;
LSG Hessen, Urteil vom 24.07.2014 -
L 8 KR 352/11).
Bei dem in § 33
Abs. 2 Satz 1
SGB V als dritte Variante genannten Zweck des Behinderungsausgleichs steht im Vordergrund, die ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktionen selbst unmittelbar auszugleichen (
BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R). Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier: das Hören - selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Die Versorgung mit Hörgeräten dient dem unmittelbaren Behinderungsausgleich (
BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R). Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens im Sinne von
§ 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX, weil die Erhaltung
bzw. Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinn ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiter entwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist (
BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -
m.w.N.). Das Maß der notwendigen Versorgung würde deshalb verkannt, wenn die Krankenkassen ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müssten. Teil des von den Krankenkassen nach § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik (§ 2
Abs. 1 Satz 3
SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen (
BSG, Urteile vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R - und vom 24.01.2013 - B 3 KR 5/12 R).
Begrenzt ist der so umrissene Anspruch allerdings durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12
Abs. 1
SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist; Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33
Abs. 1 Satz 5
SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der Gesetzlichen Krankenversicherung ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Das gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten nach ärztlicher Einschätzung in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet. Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels. Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile. Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen. Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (
BSG, Urteil vom 17.12 2009 - B 3 KR 20/08 R -
m.w.N.).
In dieser Hinsicht ist ferner zu beachten, dass die Krankenkasse aus Gründen der Wirtschaftlichkeit die Sachleistung "Versorgung mit Hörhilfen" (§ 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V) auf der Grundlage einer Festbetragsregelung (§ 36
SGB V) zu erbringen hat, also unter Zuzahlungspflicht des Versicherten hinsichtlich des den Festbetrag übersteigenden Teils des Kaufpreises (
BSG, Urteil vom 23.1.2003 -
B 3 KR 7/02 R). Soweit für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag (§ 12
Abs. 2
SGB V). Dies ist grundsätzlich verfassungsgemäß, gilt jedoch in dieser Form nur, wenn eine sachgerechte Versorgung des Versicherten zu den festgesetzten Festbeträgen möglich ist. Der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag begrenzt die Leistungspflicht der Krankenkasse nämlich dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht (
BVerfG, Urteil vom 17.12.2002 -
1 BvL 28/95, 29/95 und 30/95;
BSG, Urteil vom 23.1.2003 - B 3 KR 7/02 R;
LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 15.06.2005 -
L 4 KR 147/03).
Der Kläger leidet an einer mittel- bis hochgradigen Schwerhörigkeit rechts und einer beginnenden Schwerhörigkeit links und ist auf die Versorgung mit Hörgeräten angewiesen. Den daraus resultierenden Anspruch auf Versorgung mit Hörgeräten zum möglichst vollständigen Ausgleich der Hörminderung hat die Beigeladene durch die Bewilligung und Zahlung des Festbetrages/Vertragspreises erfüllt. Denn zu diesem Festbetrag konnte der Kläger ein beidseitiges Hörsystem erhalten, das zum Ausgleich seiner konkret vorliegenden Behinderung objektiv ausgereicht hätte. Die Firma K. hat in ihrer Auskunft vom 26.08.2015 dargelegt, dass es mit dem "OTICON GoPro BTE" ein eigenanteilsfreies Hörsystem gibt, das mit einer
FM-Anlage kompatibel ist. Als
FM-Anlage werden drahtlose Signalübertragungsanlagen bezeichnet, die Signale mit frequenzmodellierten Funksignalen (
FM) übertragen (aus: Wikipedia, Stichwort "
FM-Anlage"). Genau diesen Bedarf hatte der Kläger in seiner Widerspruchsbegründung vom 08.08.2014 geltend gemacht. Er hat dementsprechend in seiner "Erklärung zu Mehrkosten" vom 28.06.2014 auch ausdrücklich bestätigt, dass er mit dem getesteten eigenanteilsfreien Hörsystem - soweit möglich - sowohl bei störenden Umgebungsgeräuschen als auch in größeren Räumen und größeren Personengruppen ein bestmögliches Sprachverstehen erreicht habe. Mit seiner Entscheidung für das Hörsystem "Phonak Audeo Q 70", dessen Kosten weit über dem Festbetrag liegen, hat sich der Kläger für eine über das Maß des Notwendigen hinaus gehende Versorgung entschieden, deren Mehrkosten er
gem. § 33
Abs. 1 Satz 5
SGB V zu tragen hat.
Ein Anspruch des Klägers auf ein Hörgerät ohne Festbetragsbindung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach den §§ 9, 10, 11, 16 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI)
iVm § 33
Abs. 1,
Abs. 3
Nr. 1, 6,
Abs. 8
Nr. 4, 5
SGB IX besteht nicht, da ein berufsbedingter Mehrbedarf, der über die allgemeine Hörgeräteversorgung hinausgeht, nicht vorhanden ist. Demzufolge besteht erst recht kein Anspruch in Form von Teilhabeleistungen. Nach Angaben des Klägers gehören folgende Tätigkeiten zu seinem Aufgabengebiet als Personalvermittler: häufiges Telefonieren, Beratung in Einzel- und Gruppengesprächen, Begleitung von Vermittlungsmaßnahmen, Kundenbesuche in Betrieben, Besprechungen/Konferenzen/Tagungen.
Diese Anforderungen an das Hörvermögen gehen nach Ansicht der Kammer nicht über die Anforderungen hinaus, die auch im privaten Alltag zu bewältigen sind. Der Kläger ist weder aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit noch aufgrund der besonderen Verhältnisse am Arbeitsplatz auf ein spezielles Hörsystem angewiesen. Als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben sind nach § 33
Abs. 8 Satz 1
Nr. 4
SGB IX "Hilfsmittel, die wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind", also nur solche Hilfsmittel umfasst, die zum Ausgleich einer Behinderung für eine bestimmte Berufsausübung erforderlich sind und nicht (wie Hörhilfen) generell für alle beruflichen Tätigkeiten benötigt werden - oder sogar auch für Teilnahme am gesellschaftlichen Leben überhaupt (
BSG, Urteil vom 21.08.2008 -
B 13 R 33/07 R, das verweist auf: Hohmann in Wiegand,
SGB IX, HandKomm, § 33 RdNr. 178 unter Hinweis auf
BSG, Urteil vom 26.07.1994, SozR 3-4100 § 56 Nr 15 - orthopädische Arbeitssicherheitsschuhe Stand: 2007;
BSG, Urteil vom 08.03.1990, USK 9056 - Arbeitsrollstuhl mit Hubvorrichtung).
Daran ändert auch nichts der Umstand, dass dem Kläger inzwischen von der zuständigen Fürsorgestelle ein ComPilot und Roger Pen für sein Phonak Audeo Q 70 bewilligt wurde und der Arbeitgeber seinen Arbeitsplatz mit einer speziellen Telefonanlage ausgestattet hat,die - nach Angaben des Klägers - ausschließlich mit dem selbstbeschafften Hörgerät, nicht aber mit anderen Hörsystemen genutzt werden kann. Wenn der Kläger von Dritten mit speziellem Zubehör für die Nutzung seines Hörgerätes am Arbeitsplatz ausgestattet wird, kann dies nicht dazu führen, dass daraus ein Anspruch nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung auf Teilhabeleistungen in Form der Übernahme der Mehrkosten für ein - nicht notwendiges - Hörgerät erwächst. Dies gilt umso mehr, als der ComPilot und der Roger Pen auch mit dem Hörsystem "Phonak Audeo Q 30-312" kompatibel ist, das die Firma K., wie dem Gericht aus einem anderen Verfahren bekannt ist, als eigenanteilsfreies System anbietet. Wenn die Fürsorgestelle und der Arbeitgeber ihre Leistungen dem vom Kläger selbst beschafften Hörsystem anpassen, wäre es konsequent, dass sie auch die von der Krankenkasse und dem Rentenversicherungsträger nicht zu erbringenden Mehrkosten dieses Hörsystems übernehme. Darüber hat die Kammer jedoch nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.