Urteil
Anspruch auf Übernahme der Mehrkosten für eine über dem Festbetrag liegende Hörgeräteversorgung

Gericht:

LSG Niedersachsen-Bremen


Aktenzeichen:

L 4 KR 280/17


Urteil vom:

04.06.2020


Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 24. April 2017 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Rechtsweg:

SG Stade, Urteil vom 24. April 2017 - S 29 KR 133/13

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin Anspruch auf Übernahme der Mehrkosten für eine über dem Festbetrag liegende Hörgeräteversorgung hat.

Die 1952 geborene Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse (KK) gesetzlich krankenversichert. Sie leidet an einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit. Am 16. Januar 2012 stellten ihr die Ärzte der HNO-Gemeinschaftspraxis Dres. F. eine ohrenärztliche Verordnung für eine Hörhilfe aus. Sie leide unter einer beidseitigen Innenohrschwerhörigkeit. Die alten Hörgeräte seien unzureichend. Daraufhin führten die Hörgeräteakustiker "G.", H. am 24. Januar 2012 eine Hörgeräteanpassung durch. Ausweislich des Anpassungsberichts erfolgte die Anpassung der Hörsysteme Widex Clear 220 Fusion (Widex), Siemens Pure 101 S (Siemens), Oticon Excellence, Oticon GO PRO Compact VC (Oticon) und Phonak Cassia mikroM (Phonak). In der Freifeldmessung (160 dB, 1 m Abstand) ergab sich ausweislich des Anpassungsberichts im Störschall eine Verständlichkeit bei der beidohrige Anpassmessung mit zwei Geräten mit dem Widex von 75 %, Siemens 80 %, Oticon Excellence 70 %, Oticon 65 % und Phonak 70%.

Die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers über eine beidohrige Folgeversorgung ging am 25. Januar 2012 bei der beklagten KK ein.

Am 1. Juli 2012 beantragte die Klägerin bei der Beigeladenen eine Hörgeräteversorgung beidseits als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Sie gab an, dass es ihr große Anstrengungen, Ängste und Unsicherheiten in ihrem Beruf als Krankenschwester bereite, dass sich ihr Sprachverstehen verschlechtert habe. Alarmsignale der Überwachungsgeräte etc. seien für sie nur noch schlecht wahrnehmbar. Dem Antrag beigefügt war neben dem Anpassungsbericht ein Kostenvoranschlag des Hörgeräteakustikers "G." vom 8. Mai 2012 über das Hörgerät Widex Clear 220 Fusion in Höhe von insgesamt 3.516,- Euro. Inklusive der gesetzlichen Zuzahlung in Höhe von 20,- Euro ergab sich ein Eigenanteil der Klägerin in Höhe von 2.713,- Euro für die Versorgung.

Mit Bescheid vom 13. Juni 2012 lehnte die Beigeladene den Antrag auf eine Hörgeräteversorgung ab. Die Klägerin sei angesichts der bestehenden Hörschädigung generell auf das Tragen einer Hörhilfe aus medizinischen Gründen angewiesen. Dies bedeute, sie benötige dieses Hilfsmittel im privaten wie auch im beruflichen Lebensbereich. Bei der Versorgung dieses Grundbedarfes handele es sich um eine Krankenbehandlung im Sinne des Krankenversicherungsrechts. Eine den medizinischen Erfordernissen entsprechende zweckmäßige Ausstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung (gKV) sei auch bei der von der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als Krankenschwester ausreichend. Eine Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers könne sich ergeben, wenn ein Hilfsmittel zum Ausgleich einer Behinderung nur für einen bestimmten Arbeitsplatz bzw. nur für eine spezielle Form einer Berufsausübung erforderlich sei und dieses Hilfsmittel bei anderweitiger beruflicher Tätigkeit nicht benötigt werde. Sie könne also dann in Betracht kommen, wenn die Versorgung elementarer Grundbedürfnisse hörbeeinträchtigter Menschen im Rahmen einer medizinisch indizierten Krankenbehandlung arbeitsbezogenen berufstypischen Anforderungen nicht genüge. Diese Voraussetzungen würden bei ihr nicht vorliegen, da die Anforderungen ihrer Berufstätigkeit keine spezifisch berufsbedingte Notwendigkeit erkennen ließe. Persönliche oder telefonische Kommunikation, im Zweier- oder Gruppengespräch, auch bei ungünstigen akustischen Bedingungen, mit hohen Anforderungen an das Verstehen sowie störende Umgebungsgeräusche am Arbeitsplatz würden Anforderungen an das Hörvermögen darstellen, die auch im täglichen Leben sowie nahezu bei jeder Berufsausübung bestehen würden. Die beantragte Hörhilfe diene vielmehr dem unmittelbar Behinderungsausgleich mit dem Ziel der Angleichung an das Hörvermögen hörgesunder Menschen. Sie biete Gebrauchsvorteile im gesamten täglichen Leben. Eine Leistungsverpflichtung des Rentenversicherungsträgers ergebe sich nicht.

Dagegen richtete sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 4. Juli 2012. Im Widerspruchsverfahren vorgelegt wurde eine betriebsärztliche Stellungnahme der I., Klinikum H. vom 25. Juni 2012, aus der hervorgeht, dass die Klägerin eine Tätigkeit als Krankenschwester auf einer chirurgischen Station ausübe. Sie sei wegen ihrer Innenohrschwerhörigkeit auf das Tragen von Hörgeräten angewiesen. Da sie als Krankenschwester sehr unterschiedlichen akustischen Anforderungen gerecht werden müsse, benötige sie ein hochwertiges Hörgerät mit nur geringer Tendenz zur Rückkopplung und mit optimalem Sprachverständnis.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2012 wies die Beigeladene den Widerspruch der Klägerin vom 4. Juli 2012 zurück. Eine Leistungsgewährung seitens der Beigeladenen könnte nur in Betracht kommen, wenn eine auf besonders gute Hörfähigkeit angewiesene berufliche Tätigkeit ausgeübt werde oder wegen der besonderen berufsspezifischen Verhältnisse am Arbeitsplatz notwendig sei. Die persönliche Kommunikation im Zweier- und Gruppengespräch sowie die Wahrnehmung akustischer Signale, auch unter dem Vorhandensein einer Geräuschkulisse, würde sich nicht von den im Berufsleben üblicherweise gegebenen Bedingungen unterscheiden und könnte daher die für eine Leistung des Rentenversicherungsträgers geforderte spezifische Notwendigkeit nicht begründen. Sollten die von der KK geförderten Hörhilfen zum Festbetrag diesen allgemeinen Anforderungen nicht genügen, erwachse aus diesem Umstand keine Leistungspflicht des Rentenversicherungsträgers. Die Festbetragsregelungen würden den Leistungsanspruch von Versicherten nicht beschränken, wenn damit der Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht erreicht werde. Es werde zwar nicht bestritten, dass das Hörvermögen durch spezielle Hörgeräte, die über der Festbetragsregelung der KK liegen würden, verbessert werden könnte. Dieser Umstand allein könne den Rentenversicherungsträger allerdings nicht zur Leistung verpflichten. Diese Leistungspflicht ergebe sich nur, wenn am Arbeitsplatz ganz spezielle zusätzliche Anforderungen bestehen würden, die über die Anforderungen für jeden Arbeitsplatz hinausgehen würden.

In der Zwischenzeit erwarb die Klägerin das ausgewählte Hörsystem Widex, wofür der Hörgeräteakustiker ihr mit Kostenrechnung vom 25. Juni 2012 den über den Festbetrag hinausgehenden Betrag in Höhe von 2.693,- Euro in Rechnung stellte. Am 17. Juli 2012 richtete sich die Klägerin erneute an die Beklagte mit einem Antrag auf Kostenerstattung.

Mit Bescheid vom 9. August 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erstattung der Mehrkosten für die Hörgeräteversorgung ab. Nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sei eine vorherige Prüfung durch die KK, verbunden mit der Möglichkeit einer Beratung des Versicherten, zwingend erforderlich. Der Weg der vorherigen Prüfung durch die KK sei nicht eingehalten worden, da die Hörgeräte beschafft und erst im Nachhinein die Kostenerstattung beantragt worden sei. Die Klägerin hätte vor der Beschaffung der Hörgeräte an die KK herantreten müssen, um dieser die Gelegenheit zu geben, zu prüfen, ob eine zuzahlungsfreie Versorgung mit Hörgeräten für den Ausgleich der Hörminderung möglich sei. Zudem habe die Klägerin am 25. Mai 2012 schriftlich bestätigt, dass sie sich für eine Versorgung mit Eigenanteil entschieden habe. Ungeachtet dessen sei der Antrag auch inhaltlich geprüft worden. Der beratende Hörgeräteakustiker sei in der Auswertung der Anpassungsgeräte zu dem Ergebnis gelangt, dass mit dem Hörgerät Oticon bei fach- und sachgerechter Anpassung die gleichen Ergebnisse wie mit der Wunschversorgung erzielt worden seien. Grundsätzlich sei das Gerät mit Richtmikrofon geeignet, auch für den beruflichen Bedarf.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 20. August 2012. Der Umstand, dass sie mit ihrer Unterschrift erklärt habe, dass sie sich für eine Versorgung mit einem privaten Eigenanteil entschieden habe, steht dem Anspruch der Antragstellerin auf Erstattung des über die Versorgungspauschale hinausgehenden Eigenanteils nicht entgegen. Die Belehrung sei unvollständig und könne Ansprüche nicht ausschließen.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte der Hörgeräteakustiker "G." mit Schreiben vom 26. November 2012 mit, dass es sich bei der Versorgung der Klägerin um eine Folgeversorgung gehandelt habe, sodass ihr der Versorgungsablauf aus der gut sechs Jahre zuvor erfolgten Versorgung bekannt gewesen sei. Um der Klägerin einen Überblick über die technischen Entwicklungen der Hörsystemtechnik zu ermöglichen, hätte sie Gelegenheit gehabt, verschiedene für den Ausgleich ihrer Schwerhörigkeit geeignete Hörsysteme mit und ohne Eigenanteil Probe zu tragen. Eine Versorgung mit Hörsystemen zum Vertragspreis und somit ohne privaten Eigenanteil sei bei der Klägerin möglich gewesen und diese seien ihr auch angeboten worden. Ohne Hörsystem sei bei der Klägerin ein beidseitiges Hörverstehen von 65 % festzustellen. Mit den eigenanteilsfrei angebotenen Hörsystemen hätte sie ein Sprachverstehen von 80 % bzw. 85 % erzielen können. Der Unterschied zum ausgewählten Hörsystem betrage fünf bzw. zehn Prozentpunkte, was das Verstehen von einem Wort bzw. zwei Wörtern und mehr betreffe. Dies könne aber allein schon aufgrund von Konzentration und Tagesform vorliegen. Die Entscheidung der Klägerin für die Hörsysteme von Widex beruhe auf subjektiven Ansichten, die zur Auswahlentscheidung geführt hätten. Der Klägerin hätte der Komfort des kleinen Hörsystems gefallen, welches sich automatisch an die jeweilige Umgebungssituation anpasse. Darüber hinaus habe sie subjektiv ein besseres Klangempfinden mit dem Widex gehabt. Diese subjektiven Höreindrücke- und Empfindungen seien objektiv nicht darzustellen. Das gängige Verfahren über den normierten und validierten Freiburger Sprachtest habe nachgewiesen, dass alle angebotenen Hörsysteme geeignet seien und den Hörverlust der Klägerin angemessen ausgleichen könnten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Einer Kostenübernahme der Mehrkosten für die beidseitige Hörgeräteversorgung der Marke Widex in Höhe von 2.693,- Euro könne nicht zugestimmt werden. Die Leistungspflicht der Beklagten sei durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Die Leistungen müssten danach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. Sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich seien, könnten Versicherte nicht beanspruchen, dürften die Leistungserbringer nicht bewirken und die KKen nicht bewilligen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) können Versicherte ausschließlich dann Kostenerstattung für selbstbeschaffte Leistungen verlangen, wenn die KK vor der Selbstbeschaffung über den Leistungsantrag entschieden habe. Der 3. Senat des BSG habe diesbezüglich in seiner Entscheidung vom 7. Dezember 2009 unter dem Az. B 3 KR 20/08 R ausgeführt, dass eine Hilfsmittelleistung bereits dann selbst verschafft sei, wenn der Versicherte das Hilfsmittel noch nicht erhalten habe, aber bereits vor der Entscheidung der KK eine endgültige rechtliche Verpflichtung eingegangen sei und der Leistungserbringer demgemäß auch infolge der Ablehnung des Leistungsbegehrens durch die KK die Abnahme und Bezahlung des Hilfsmittels verlangen könnte. Ein solcher Leistungsausschluss liege im vorliegenden Fall vor. Da die Klägerin sich das Hörgerätesystem Widex bereits vor der Entscheidung der Beklagten - der Bescheid datiere vom 9. August 2012 - beschafft habe, die Rechnung datiere vom 25. Juli 2012, bestehe kein Kostenerstattungsanspruch.

Die Klägerin hat unter Beibehaltung ihres Begehrens am 13. Mai 2013 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Stade erhoben. Korrekt sei, dass sie sich in der Tat vor der endgültigen Entscheidung der Beklagten die Hörgeräte beschafft habe. Jedoch bleibe zu berücksichtigen, dass bereits eine ablehnende Entscheidung der Beigeladenen mit Bescheid vom 13. Juni 2012 erfolgt sei. Die Beklagte müsse sich insoweit das Fehlverhalten hinsichtlich der Beratung der Hörgeräteakustikerin zurechnen lassen. Diese stehe als Hilfsmittellieferantin im Lager der Krankenversicherung, sodass sich diese ein Fehlverhalten im Verhältnis zum Versicherten grundsätzlich zurechnen lassen müsse.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens durch den Hörgeräteakustiker J., K ... Dieser hat in seinem Gutachten vom 25. Februar 2014 ausgeführt, dass bei der Klägerin eine mittelgradige Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits vorliege. Art und Grad der Schwerhörigkeit sei nicht außergewöhnlich und würden in der Praxis bei HNO-Ärzten und Hörgeräteakustiker fast täglich auftreten. Das im Anpassungsbericht vom 13. April 2012 beschriebene Hörgerät Oticon sei auch als Eigenanteil freies Hörgerät zum Festpreis angeboten worden. Mit diesen Hörgeräten seien während der Vergleichsmessungen bessere Erfolge erzielt worden, als mit dem streitigen Hörsystem. Das von der Klägerin erworbener Hörsystem Widex sei kosmetisch unauffälliger zu tragen und verfüge mit einer automatischen Situationserkennung über ein sehr angenehmes Komfortmerkmal, da man im Störgeräusch nicht mehr manuell umschalten müsse. Mit den erworbenen Hörgeräten erzielte die Klägerin eine Sprachverständlichkeit von 70 % in Ruhe und 60 % im Störgeräusch. Nach den aktuellen Messungen könne mit den Hörgeräten der Firma Oticon eine optimale Sprachverständlichkeit in Ruhe von 85 bis 95 % und im Störgeräusch von 75 % erreicht werden.

Das Gericht hat ein weiteres Sachverständigengutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt. Die Hörgeräteakustikerin L. hat in ihrem Gutachten vom 23. September 2014 die Auffassung vertreten, dass messtechnisch, also auch bei der Messung mit Einsilbern, Sprachlautstärke 65 dB sowohl in Ruhe als auch im Störgeräusch, andere Ergebnisse als beim Vorgutachter J. nicht zu erwarten seien. Die Klägerin selbst habe bestätigt, dass sie bei der ersten Erprobung von Festbetragsgeräten im Anpassraum oft einen guten Eindruck der Hörqualität erworben habe. Messtechnisch seien Festbetragsgeräte als ausreichend anzusehen. Die Hörgeräte von Widex würden über folgende Techniken verfügen, die bei marktüblichen Festbetragsgeräten im Jahr 2012 nicht zu erhalten waren: Ex-Hörer für bessere Hochtonübertragung, binaural koordinierte Signalverarbeitung, Inter-Ear Synchronisation, Multimikrofon-Technologie adaptiv, Störlärmunterdrückung SIS, Inter-Ear-Rückkopplungsauslöschung. Die Klägerin habe berichtet, dass die manuelle Einstellung (Umschalten) zwischen den verschiedenen Programmen bei "Kittelpflege" (bei infektiösen Patienten immer mit Handschuhen) problematisch sei, da sie die Hörgeräte mit den infizierten Handschuhen nicht anfassen dürfe, d.h. sie müsse die Handschuhe ausziehen und die Hörgeräte umschalten und dann die Handschuhe wieder anziehen. Dies habe sie bei den einfacheren Geräten häufig tun müssen, oder aber in Kauf nehmen müssen nicht alles richtig zu hören. Weiterhin habe die Klägerin berichtigt, einige Patienten würden beim Transport z.B. vom Zimmer zum Behandlungsraum Mundschutz tragen müssen, dann sei "keine Unterstützung des Sprachverstehens durch Absehen etc. möglich, oft sprächen die Patienten dann auch undeutlich".

Das SG hat mit Urteil vom 24. April 2017 die Klage abgewiesen. Die form- und fristgerecht erhobene Klage sei statthaft und zulässig. Sie sei in der Sache nicht begründet. Die Kammer sehe die angefochtenen Bescheide der Beklagten als rechtmäßig an. Die Klägerin habe danach kein Anspruch darauf, dass sich die Beklagte in weitgehendem Umfang an den Gesamtkosten des von ihr gewählten Hörgerätesystems von Widex in Höhe von 2.693,- Euro beteilige. Der Beklagten habe es lediglich oblegen, den Festbetrag zu übernehmen. Die Kammer habe ebenso wenig die Beigeladenen als verpflichtet angesehen, die Differenz zwischen dem Festbetrag und den gemäß der Rechnung vom 25. Juni 2012 von der Klägerin verauslagten Kosten zu tragen. Der geltend gemachte Anspruch sei der Klägerin allerdings nicht schon aus dem Grund einer verspäteten Antragstellung zu versagen. Die Antragstellung im Sinne des § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) könne bereits in der Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung an den Hörgeräteakustiker gesehen werden oder aber in der Anzeige des Hörgeräteakustikers an die KK. Für die Anzeige des Hörgeräteakustikers an die KK müsse dies schon deshalb gelten, weil die KK, hier die Beklagte, durch die zugunsten der Klägerin erfolgte Zahlung des Festbetrages an den Hörgeräteakustiker eine antragsabhängige Leistung (teilweise) erbracht habe. Aus der zusammenfassenden Betrachtung der einschlägigen Rechtsgrundlagen der §§ 12 Abs. 2, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 und 36 SGB V folge zunächst keine absolut geltende Beschränkung auf den sog. Festbetrag. Zwar heiße es in § 12 Abs. 2 SGB V, die KK erfülle in denjenigen Fällen, in denen für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt sei, ihre Leistungspflicht bereits mit der Übernahme des Festbetrages. Die im Kontext mit § 12 Abs. 2 SGB V zu lesenden Maßgaben der §§ 33 Abs. 1 Satz 1 und 36 SGB V verbiete eine solche Leistungsbegrenzung zulasten des Versicherten aber in solchen Fällen, in denen der Festbetrag für die konkret vorliegende Behinderung objektiv nicht genüge. Es bleibe dann ungeachtet der Festbetragsregelung bei der Verpflichtung der KK zur kostenfreien Versorgung der Versicherten. Der von der Klägerin geltend gemachte Kostenübernahmeanspruch scheitere jedoch im vorliegenden Einzelfall daran, dass die von § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V gemeinte erforderliche Versorgung bereits durch ein Festbetragsgerät gewährleistet sei, etwa durch das von der Klägerin erprobte Oticon. Das von der Klägerin gewählte Widex führe demgemäß zu einer Überversorgung. Dies gelte selbst unter gebührender Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG, wonach als Maßstab für die Erforderlichkeit nicht lediglich ein Basisausgleich heranzuziehen sei, vielmehr als Maßstab die nach dem Stand der Medizintechnik bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder zu gelten habe. Denn der Zusatznutzen, den das Widex gegenüber dem von der Beklagten genannten und von den Sachverständigen J. und L. zum Vergleich herangezogenen, zuzahlungsfreien Oticon biete, betreffe keinen unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten wesentlichen Gebrauchsvorteil. Vielmehr sei in erster Linie ein höherer Komfort und eine höhere Bedienungsfreundlichkeit maßgeblich. Diese Gesichtspunkte würden indessen keine Abweichung von der Festbetragsregelung rechtfertigen. Die Ermittlung der Kammer hätte die Beurteilung der Beklagten bestätigt. Die Klägerin erziele mit dem Widex eine Sprachverständlichkeit von 70 % in Ruhe und 60 % im Störgeräusch. Das zuzahlungsfreie Oticon zeige sich nach den weiteren Ausführungen im Gutachten vom 25. Februar 2014 bei diesen Kriterien nicht nur ebenbürtig, sondern sogar mit besseren Werten. Der Sachverständige führe weiter aus, mit dem Oticon ließe sich nach seinen Messungen ein Hörerfolg im Sinne "optimal angepasster Hörsysteme" erreichen, nämlich eine Sprachverständlichkeit in Ruhe zwischen 85 % und 95 % und eine Sprachverständlichkeit im Störgeräusch von ca. 75 %. Bestätigung finde dies in dem Gutachten der Sachverständigen L ... Sie erkläre zwar, eine vergleichende Testung habe in der aktuellen Untersuchungssituation angesichts mangelnder Verfügbarkeit der bereits aus dem Sortiment genommen Geräte des Jahres 2012 nicht mehr stattfinden können. Eine Überprüfung unter Heranziehung der Messung des Sachverständigen J. spreche aber für die Annahme ausreichender Hörverbesserung sowohl bei der Messung in Ruhe als auch im Störgeräusch. Unter Berücksichtigung der beruflichen Bedürfnisse der Klägerin könnte in Bezug auf die Automatik der Geräuschunterdrückung ein Gebrauchsvorteil angenommen werden. Tatsächlich sei dies allerdings insoweit schnell zu relativieren, als die Klägerin bei den zuzahlungsfreien Geräten mit dem Hauptprogramm ausreichend versorgt sein müsste und deshalb im beruflichen Alltag nicht darauf angewiesen wäre, die manuelle Umschaltung überhaupt zu nutzen, jedenfalls nicht häufig und nicht notwendigerweise in Situationen, in denen sie vor allem angesichts der Pflicht, Handschuhe tragen, dazu nicht in der Lage sei. Die Klägerin könne bereits vorsorglich in das von ihr in den besonderen Situationen benötigte Hörprogramm umschalten. Ebenso wenig wie die Störschall- und Mikrofonautomatik würden die weiteren Vorteile des Widex genügen, um den von der Klägerin geltend gemachten Zahlungsanspruch ausreichend zu rechtfertigen. Der Sachverständige J. habe nämlich vor allem Aspekte genannt, die dem Komfort und der Benutzerfreundlichkeit zuzuordnen seien. Er habe ausgeführt, das Widex sei in den Ausmaßen kleiner und ließ sich kosmetisch unauffälliger tragen. Bei dieser Einschätzung bleibt es ungeachtet weiterer Aspekte, die die Sachverständige L. aufgelistet habe. Die Kammer verkenne nicht den Stellenwert, der diesen Aspekten über eine reine Verbesserung des Komforts und der Benutzerfreundlichkeit hinaus beigemessen werden könnte. Allerdings sehe die Kammer bei zusammenfassender Würdigung den Zusatznutzen als begrenzt und nicht wesentlich im Sinne eines bedeutsamen Qualitätszuwachses an. Zu dem sog. externen Hörer, der eine bessere Übertragung von Hochtönen ermögliche, damit verbunden ein etwas natürlicheres Klangbild, habe die Sachverständige von Vorteilen für ein angenehmes Hören gesprochen. Sie habe die Verbesserung als nicht zwingend erforderlich eingeschätzt. Mit einer Rückkopplungsauslöschung würde das Auftreten von Pfeifton vermieden, die bei sog. offener Versorgung häufig auftreten könnten. Nur wenn beide Geräte der beidohrigen Versorgung ein Signal erhielten, werde es zur Wahrnehmung weitergegeben. Wenn dagegen lediglich eines der Geräte ein Signal erkenne, werde dieses als Rückkopplungssignal identifiziert und ausgelöscht. Die Auslöschung des Störtones helfe dabei, in geräuschvoller Umgebung Sprache gegenüber den Störgeräuschen hervorzuheben. Die Geräusche würden um bis zu 14 dB pro Frequenzkanal gedämpft und würden dadurch weniger stören. Die Sprache könne so aus einer Geräuschkulisse heraus leichter verstanden werden.

Gegen das am 12. Mai 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12. Juni 2017 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Die mit § 33 SGB V gemeinte erforderliche Versorgung sei nicht bereits durch ein Festbetragsgerät gewährleistet. Die Sachverständige L. habe in ihrem Gutachten vom 23. September 2014 die Gebrauchsvorteile des von der Klägerin ausgewählten Hörgerätes dargelegt. Das erstinstanzliche Gericht habe verkannt, dass es sich bei diesen Vorteilen gerade nicht um unwesentliche Vorteile handele, die in erster Linie einen höheren Komfort und eine höhere Bedienerfreundlichkeit ergeben würden. Gerade im Hinblick eines Maßstabs des Hörvermögens eines Gesunden sei insbesondere die binaurale koordinierte Signalverarbeitung und Inter-Ear Synchronisation ein extrem wichtiger Aspekt im Hinblick auf einen bestmöglichen Angleich an einen nicht behinderten Versicherten. Zudem verkenne das SG, dass die im Übrigen vorhandenen Ergebnisse im Hinblick auf das Hörvermögen nicht dem tatsächlichen Alltag entsprechen würden.


Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 24. April 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2013 aufzuheben und die Beklagte, hilfsweise die Beigeladene, zu verurteilen, die Mehrkosten für eine über dem Festbetrag liegende Hörgeräteversorgung mit dem Widex Clear 220 Fusion in Höhe von 2.693,- Euro zu erstatten.


Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet weiterhin einen Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung für nicht gegeben.


Die Beigeladene beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist im Wesentlichen auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den gesamten Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Vorliegend konnte eine Entscheidung durch die Berichterstatterin gemäß § 155 Abs. 3 und 4 SGG und ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG getroffen werden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat zutreffend mit Urteil vom 24. April 2017 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 9. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung für Hörgeräte über den Festbetragspreis hinaus.

Rechtsgrundlage des Kostenerstattungsanspruchs ist § 13 Abs. 3 Satz 1, Alt. 2 SGB V. Da eine unaufschiebbare Leistung nicht vorgelegen hat, kommt eine Kostenerstattung nur in Betracht, wenn die KK eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Diese sind von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der Kostenerstattungsanspruch setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die KK in allgemeiner Natur, als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der Anspruch ist umgekehrt gegeben, wenn die KK die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt hat und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn und soweit auch ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbstbeschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2009, B 3 KR 20/08 R, zitiert nach juris).

Vorliegend hat die Beklagte ihre Leistungspflicht zu Recht auf den Festbetrag begrenzt und die Leistungserbringung für die von der Klägerin geltend gemachten Hörgeräte zu Recht abgelehnt. Wie bereits das SG zutreffend festgestellt hat, besteht auch kein Anspruch gegenüber der dem Verfahren beigeladenen DRV. Unstreitig steht fest, dass die Klägerin unter einer mittelgradigen Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits leidet. Diese vom behandelnden Arzt festgestellte Gesundheitsstörung ist durch die im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen bestätigt worden.

Leistungen der gKV werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV)). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst u.a. die Versorgung mit Hilfsmitteln gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V, und zwar nach Maßgabe des § 33 SGB V. Dieser Anspruch ist von der KK grundsätzlich in Form einer Sachleistung zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß § 12 Abs. 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die KKen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des SGB V Verträge mit den Leistungserbringern. Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der BIHA und dem damaligen VdK/AEV im Jahr 2012 geltende Vertrag nach §§ 126, 127 SGB V zur Komplettversorgung mit Hörsystemen. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4 Nr. 1 Satz 1 des Vertrages). Vorliegend ist der Beklagten die Versorgungsanzeige des Hörgeräteakustikers am 25. Januar 2012 zeitnah zugegangen, die ärztliche Verordnung der HNO-Ärzte Dres. F. lag vor.

Rechtsgrundlage des Leistungsanspruchs ist § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung der gKV ausgeschlossen sind. Hörgeräte sind keine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens und nicht nach § 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung der gKV ausgeschlossen. Sie dienen weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung. Begrenzt ist der so umrissene Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Die Leistungen müssen danach ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die KK nicht bewilligen. Sie sind zu leisten, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (§ 12 Abs. 1 SGB V) für den von der KK geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind.

Beim Hörgerät geht es um einen sog. unmittelbaren Behinderungsausgleich: das Gerät soll die ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktionen selbst ausgleichen. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Es gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Es kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weit entwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist. Beim Hören ist vielmehr geschuldet, dass für behinderte Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen eröffnet wird und ihnen dazu die erforderlichen Geräte zur Verfügung gestellt werden. Versicherte haben nach §§ 11 Abs. 1 Nr. 4, 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um eine Behinderung auszugleichen. Ist eine bestimmte Hilfe notwendig im Sinne des Rechts der gKV, so hat der Versicherungsträger die Hörhilfe von Zuzahlung abgesehen in vollem Umfang zu gewähren.

Diese Maßstäbe gelten aber nur, wenn eine gegenüber den Festbetragsgerät höherwertige Hörmittelversorgung medizinisch notwendig ist. Grundsätzlich erfüllt die KK mit der Zahlung des Festbetrages ihre Leistungspflicht (§ 12 Abs. 2 SGB V). Der für ein Hilfsmittel festgesetzte Festbetrag, der eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebot darstellt, begrenzt die Leistungspflicht der gKV lediglich dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreicht (BSG, Urteil vom 7. Dezember 2009, B 3 KR 20/08 R). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der gKV ist eine kostenaufwändige Versorgung, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels betreffen. Es muss demnach eine vernünftige Relation zwischen dem Gebrauchsvorteil und den Mehrkosten gegeben sein. Wirtschaftlich im engeren Sinne ist nicht die billigste zweier notwendiger Leistungen, sondern diejenige mit der besten Kosten-Nutzen-Relation. Die Mehrkosten dürfen im Verhältnis zum medizinischen Vorteil nicht unangemessen hoch sein.

Ein entsprechender Behinderungsausgleich durch ein Hörgerät zum festgelegten Festbetrag war bei der Klägerin ausreichend. Eine Verbesserung, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer der kostengünstigeren Festbetragsalternativen bietet, bietet eine Versorgung mit der Kostenübernahme für das begehrte Widex nicht. Dies ergibt sich aus den schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten der Hörgeräteakustiker M. und L. vom 25. Februar 2014 bzw. 23. September 2014. Den Feststellungen der Sachverständigen schließt sich der Senat - ebenso wie bereits das erstinstanzliche Gericht - an. Insbesondere ist hier auf die Ausführungen des Sachverständigen Hartmann in seinem Gutachten vom 25. Februar 2014 zu verweisen, wonach mit dem Festbetrag Hörsystem Oticon ein Hörerfolg im Sinne "optimal angepasster Hörsysteme" erreicht werden konnte. Angegeben wird ein Sprachverstehen in Ruhe zwischen 85 % und 95 % und eine Sprachverständlichkeit im Störgeräusch von ca. 75 %. Dieses Ergebnis hat letztendlich die Gutachterin L. bestätigt. Dem SG ist dahingehend zuzustimmen, dass prinzipiell angesichts der beruflichen Bedürfnisse der Klägerin in der Geräuschunterdrückungsautomatik und in der Umschaltautomatik ein Gebrauchsvorteil gesehen werden könnte. Allerdings ist unter Berücksichtigung der Ausführung der Sachverständigen davon auszugehen, dass die Klägerin aufgrund der Ausgestaltung auch des Festbetragsgeräts im beruflichen Alltag nicht darauf angewiesen ist, die manuelle Umschaltung überhaupt zu nutzen. Insofern kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen werden (§ 153 Abs. 2 SGG).

Fest steht, dass sämtliche getesteten Geräte, insbesondere auch das Oticon, die technischen Mindestparameter erfüllen. Das höherwertige Gerät von Widex hat mehr Komfortmerkmale, welche subjektiv ein komfortableres Hören erlauben könnten. Das Hörgerät entscheidet u.a. selbstständig, in welchem Modus es in der entsprechenden Situation arbeitet. Geräte mit den geforderten Mindestkriterien arbeiten dagegen manuell. Das automatische Umschalten ist allerdings ein sog. Komfortmerkmal. Abgesehen von den definierten Komfortmerkmalen hat das von der Klägerin beanspruchte Gerät von Widex jedoch keine objektiv verbesserten Hörergebnisse. Die Messergebnisse haben gezeigt, dass identische bzw. bessere Messergebnisse auch bei dem Festbetragsgerät im Zielkorridor für die erzielte objektive Sprachverständlichkeit erreicht werden konnten.

Eine erneute Beweiserhebung war angesichts der eindeutigen, übereinstimmenden Ergebnisse der bereits vorliegenden Gutachten nicht erforderlich. Insgesamt muss der Berufung der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.

Referenznummer:

R/R8915


Informationsstand: 24.08.2023