Urteil
Voraussetzungen für Kfz-Hilfe

Gericht:

LSG München 13. Senat


Aktenzeichen:

L 13 RA 66/98


Urteil vom:

27.01.1999


Orientierungssatz:

Bei der Bewilligung der Hilfe zur Beschaffung eines PKW handelt es sich um eine finale Leistung. Es muß die Möglichkeit der voraussichtlichen Eingliederung auf Dauer auch im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides noch gegeben sein. Steht bereits bei der Entscheidung über die Gewährung der Hilfe fest, daß der Zweck der Leistung nicht mehr erreicht werden kann, darf der Rentenversicherungsträger diese nicht mehr erbringen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

JURIS-GmbH

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges bewilligen muß.

Der 1940 geborene Kläger leidet an den Folgen eines 1966 als Referendar erlittenen schweren Unfalles mit Hirnverletzung und Triparese mit Betonung der oberen und unteren linken Extremität. Trotz der Behinderung war der Kläger voll erwerbstätig als juristischer Sachbearbeiter (seit 1981 beim selben Arbeitgeber). Das Arbeitsverhältnis wurde vom Arbeitgeber zum 30.06.1997 gekündigt. Der Kläger meldete sich arbeitslos und wandte sich nach seinen Angaben gegen die von der Hauptfürsorgestelle erteilte Zustimmung zur Kündigung.

Auf Antrag vom 22.07.1994 hatte die Beklagte dem Kläger, nachdem sie zuerst den Antrag abgelehnt hatte, auf seinen Widerspruch hin, ab 01.08.1994 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bei einem Leistungsfall am 22.07.1994 bewilligt (Bescheid vom 10.11.1995). Sie sah die vom Kläger ausgeübte Erwerbsfähigkeit nicht als rentenschädlich an, da der Kläger sie auf Kosten seiner Gesundheit erbringe. Dieser Entscheidung lagen Gutachten der Dres. K. und C. vom 27.06.1995 und 05.07.1995 zugrunde, wonach der Kläger nur noch 2 Stunden bis unter halbschichtig bzw. gar nicht mehr erwerbstätig sein konnte. Eine Besserungsaussicht wurde verneint. Die noch verrichtete Tätigkeit wurde laut Feststellung des beratungsärztlichen Dienstes der Beklagten auf Kosten der Gesundheit ausgeübt.

Bereits am 06.12.1993 hatte der Kläger Hilfe zur Beschaffung eines Kfz mit Automatikgetriebe beantragt. Es handelte sich laut Angebot der Fa. M. vom 03.12.1993 um einen VW Golf, dessen Kaufpreis inklusive Automatik (Aufpreis DM 2.070,00) DM 30. 845,00 betrug.

Mit Bescheid vom 26.01.1994 lehnte die Beklagte die Übernahme der Anschaffungskosten des Kfz ab, da der Kläger die Verdienstgrenze des § 6 Kraftfahrzeughilfe-Verordnung - KfzHV - bei einem Bruttoverdienst von rund DM 4.800,00 überschreite. Die Aufwendungen für die behinderungsbedingte Zusatzausstattung in Höhe von DM 2.144,75 übernahm die Beklagte unter Vorbehalt (Bescheid vom 26.01.1994). Am 14.03.1994 legte der Kläger weitere Unterlagen vor und bat sinngemäß um Überprüfung einer Härteregelung. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 07.04.1994 Hilfe für behinderungsbedingte Zusatzeinrichtungen in Höhe Vom DM 2.145,00 und wies den Betrag am selben Tag an. Insofern besteht zwischen den Beteiligten laut Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 27.01.1999 kein Streit mehr.

Während der Prüfung der Härteklausel wurde dem für die Bewilligung der Kfz-Hilfe zuständigen Dezernat bekannt, daß dem Kläger Rente wegen EU bewilligt worden war. In der Folge lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.12.1995 die Hilfe zu den Anschaffungskosten des Kfz und die Übernahme der Kosten der behinderungsbedingten Zusatzausstattung ab. Der Kläger sei Bezieher einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit; durch die Beschaffung und Benutzung des Kfz könne die Erwerbsfähigkeit nicht wieder hergestellt werden. Damit lägen die Voraussetzungen für die begehrte Leistung nicht vor. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte nach Anhörung ihres ärztlichen Dienstes zurück (Bescheid vom 03.12.1996). Die Erwerbsunfähigkeit könne weder durch das Kfz noch durch die behinderungsbedingten Zusatzeinrichtungen beseitigt werden. Die Tatsache, daß der Kläger auf Kosten der Gesundheit arbeite, sei unerheblich.

Mit der am 02.01.1997 beim SG München erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er führte aus, er habe eine versicherungsrechtliche Doppelstellung. So beziehe er aufgrund der Rechtsprechung des BSG Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, sei aber gleichzeitig noch als Arbeitnehmer pflichtversichert und entrichte Beiträge zur Rentenversicherung. Deswegen könne ihm nicht entgegengehalten werden, daß durch die Gewährung von Kfz-Hilfe die Erwerbsunfähigkeit nicht beseitigt werden könne. Die Vorschrift des § 10 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch - SGB VI - sei in seinem Falle nicht anwendbar.
Hinzukäme, daß die Beklagte das ihr in § 9 SGB VI eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt habe, so daß der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grunde rechtswidrig sei.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 26.03.1998 ab. Es führte aus, die KfzHV enthalte keine eigenständigen Anspruchsgrundlagen. Der Rentenversicherungsträger könne daher Kfz-Hilfe nur bewilligen, wenn die Voraussetzungen der § 9 ff SGB VI erfüllt seien. Insbesondere müsse der Versicherte die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllen. Aus § 9 Abs. l S. 1 Nr. 2 SGB VI sei abzuleiten, daß Kfz-Hilfe nur zur dauerhaften beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben gewährt werden dürfe. Bei einer bestehenden geminderten Erwerbsfähigkeit müsse diese wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden können. Liege bereits Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vor, reiche nicht die Besserung, es müsse vielmehr zumindest die Erwerbsunfähigkeit behoben werden können. Dies sei nach den ärztlichen Feststellungen beim Kläger aber nicht der Fall. Im übrigen sei das Arbeitsverhältnis des Klägers gekündigt, so daß der Kläger mit dem Kfz nicht die Wiedereingliederung i.S. einer Behebung der Erwerbsunfähigkeit erreichen könne. Schließlich könne der hilfsweise erhobene Anspruch auf Erstattung der behinderungsbedingten Zusatzeinrichtungen auch nicht auf den Bescheid vom 26.01.1994 gestützt werden. Denn zum einen sei die unter Vorbehalt des Widerrufs erteilte Bewilligung von einer weiteren Sachprüfung abhängig gemacht worden, zum anderen habe sich nach Abschluß der Sachprüfung durch die Rentenbewilligung der Sachverhalt grundlegend geändert.

Der Kläger legte am 06.05.1998 Berufung ein. Er hält sein bisheriges Vorbringen aufrecht und verweist ergänzend darauf, daß er durchaus die Wiedereingliederung in das Erwerbsleben anstrebe. Seine derzeitige Arbeitslosigkeit stehe dem nicht entgegen; er werde die Zustimmung zur Kündigung durch die Hauptfürsorgestelle anfechten. Seine Meldung beim Arbeitsamt zeige, daß er an einer weiteren Erwerbstätigkeit interessiert sei. Der Begriff der Erwerbsunfähigkeit sei in § 10 SGB VI anders zu verstehen als in § 43 SGB VI. Er arbeite auf Kosten seiner Gesundheit und sei demnach entsprechend der Rechtsprechung des BSG erwerbsunfähig i.S. des § 44 SGB VI, nicht aber im Rahmen des § 10 SGB VI. Im übrigen sei für die Frage, ob die beantragte Reha-Leistung erfolgversprechend sei, auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen.


Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG München vom 26.03.1998 sowie des Bescheides der Beklagten vom 11.12.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.1996 zu verurteilen, ihm Hilfe zu den Anschaffungskosten eines Kraftfahrzeuges zu gewähren.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf das angefochtene Urteil und ihr Vorbringen in erster Instanz. Weiter stützt sie sich auf das Urteil des BSG vom 18.04.1996 - Az: 4 RA 96/95. Das BSG habe in einem vergleichbaren Fall festgestellt, daß bei bestehender Erwerbsunfähigkeit eine Kfz-Hilfe nur bewilligt werden könne, wenn zumindest die Erwerbsunfähigkeit dadurch beseitigt werden könne. Dies sei beim Kläger aber nicht der Fall.

Dem Senat liegen zur Entscheidung die beigezogenen Akten der Beklagten und des SG München sowie die Akte des Bayer. Landessozialgerichts vor.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat zurecht die Voraussetzungen des § 10 SGB VI verneint, da die Erwerbsunfähigkeit des Klägers durch die Kfz-Hilfe nicht beseitigt werden kann.

Nach § 10 Nr. 2 SGB VI kann die Beklagte Leistungen zur Rehabilitation einem Versicherten erbringen, wenn dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist, falls dadurch die Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden oder bei einer bereits geminderten Erwerbsfähigkeit durch diese Leistungen der Eintritt von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit abgewendet werden kann. Liegt bereits Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vor, reicht es nicht, wenn zwar die geminderte Erwerbsfähigkeit gebessert, nicht aber zumindest die Erwerbsunfähigkeit beseitigt werden kann. Dabei ist es unerheblich, ob bereits eine Rente bezogen wird (Niesel in KassKomm. § 10 SGB VI Rdnr. 11).

Das Gesetz bindet die Ermessensentscheidung der Beklagten gemäß dem Grundsatz des Vorranges der Rehabilitation vor Rente an das Ziel, daß durch die Leistungen bei einer wie hier bereits geminderten Erwerbsfähigkeit die Erwerbsunfähigkeit zumindest in Berufsunfähigkeit umgewandelt wird. Deshalb darf die Beklagte Leistungen zur Rehabilitation nur dann bewilligen, wann sie u.a. geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen (ständige Rechtsprechung, u.a. BSG SozR 3-5765 § 10 Nr. 3). Die BfA ist als Rehabilitationsträger nicht schlechthin und unter allen denkbaren Gesichtspunkten gehalten, einen Behinderten in Arbeit, Beruf und Gesellschaft einzugliedern. Sie kann diese Aufgabe nur im Rahmen der für sie geltenden besonderen Rechtsvorschriften, d.h. entsprechend § 10 SGB VI i.V. mit den Bestimmungen der Kfz-HV erbringen.
Die Beklagte durfte deswegen dem Kläger die begehrte Hilfe zur Anschaffung eines PKW nicht erbringen. Die Erstattung der Kosten für behinderungsbedingte Zusatzausstattungen ist nicht streitig, da die Beklagte die Leistung entsprechend Bescheid vom 07.04.1994 erbracht und der Kläger den Rechtsstreit insofern für erledigt erklärt hat.

Der Kläger ist unter Berücksichtigung der Gutachten der Dres. K. und C. nicht mehr als fähig anzusehen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Im Hinblick auf die schwerwiegenden Folgen des 1966 erlittenen Unfalles, einer im Bereich der orthopädischen Gesundheitsstörungen aufgetretenen Verschlimmerung sowie der mit zunehmenden Alter nachlassenden Fähigkeit, die Folgen des Unfalles auszugleichen, ist die Beurteilung der Gutachter als schlüssig zu bewerten. Diese Leistungseinschränkung steht in keinem Zusammenhang mit der Bewilligung einer Hilfe für die Beschaffung eines PKW. Dadurch wird zwar die fehlende Fähigkeit des Klägers, einen Anmarschweg von mindestens 500 Meter zu Fuß zurückzulegen, ausgeglichen; im übrigen verbleibt es aber beim aufgehobenen Leistungsvermögen des Klägers. Er ist auch bei Bewilligung der Kfz-Hilfe nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Erwerbsunfähigkeit liegt vor und kann auch durch Gewährung der angestrebten Leistung nicht behoben werden. Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen des Sozialgericht Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Argumentation des Klägers, der Begriff der Erwerbsunfähigkeit in § 44 SGB VI und § 10 SGB VI sei unterschiedlich auszulegen, geht fehl. Es findet sich für diese Meinung kein Anhaltspunkt im Gesetz; das BSG geht auch in der Entscheidung vom 18.04.1996, Az: 4 RA 96/95 von der Identität der Begriffe aus. Es hat deswegen in dem vergleichbaren Fall ( Erwerbsunfähigkeit bei auf Kosten der Gesundheit geleisteter Arbeit) einen Anspruch des Versicherten auf Kfz-Hilfe verneint.
Auch das Vorbringen des Klägers, bei Beantragung der Kfz-Hilfe am 06.12.1993 sei er noch nicht erwerbsunfähig gewesen, kann seinen Anspruch nicht begründen. Denn dieser Antrag war durch den Bescheid vom 26.01.1994 bereits abgelehnt. Darüber hinaus ist aber entscheidend, daß es sich bei der Bewilligung der Hilfe zur Beschaffung eines PKW um eine finale Leistung handelt, so daß die Möglichkeit der voraussichtlichen Eingliederung auf Dauer auch im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides noch gegeben sein muß. Steht bereits bei der Entscheidung über die Gewährung der Hilfe fest, daß der Zweck der Leistung nicht mehr erreicht werden kann, darf die Beklagte diese nicht mehr erbringen. Bei Erlaß des ablehnenden Bescheides vom 11.12. 1995 lag aber Erwerbsunfähigkeit bereits vor und konnte durch die Hilfe zur Beschaffung eines Kfz nicht mehr beseitigt werden.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

Referenznummer:

KSRE072351315


Informationsstand: 26.09.2000