Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierauf gemäß § 124 Absatz 2
SGG verzichtet haben.
Der Bescheid der Beklagten vom 24. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. September 2008 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten.
Der Bescheid vom 30. Juni 2009 stellt keinen Abänderungsbescheid hinsichtlich der angegriffenen Bescheide nach § 96
SGG dar, weil letztere lediglich die streckenbezogene Eigenbeteiligung regelten. Mit Bescheid vom 30. Juni verzichtete die Beklagte auf die Anrechnung des Arbeitgeberanteiles an den Fahrkosten, welche sie mit Schreiben vom 29. Oktober 2008 vorgenommen hatte, was einen anderen Streitgegenstand als den anhängig gemachten betrifft. Eine statthafte Klage setzt einen Widerspruchsbescheid zum späteren Klagegegenstand voraus, was vorliegend hinsichtlich des Arbeitgeberanteiles nicht der Fall ist. In der Eigenbeteiligung in Höhe von 463,32 Euro, welche sich aus den streitigen Bescheiden ergibt, war der Arbeitgeberanteil von 268,10 Euro nicht enthalten. Das Schreiben vom 29. Oktober 2008 wäre hinsichtlich der Anrechnung der Fahrkostenerstattung des Arbeitgebers als Verwaltungsakt gemäß § 31
SGB X zu bewerten gewesen und hätte eigenständig mit dem Widerspruch angegriffen werden können. Dieser Verwaltungsakt hat sich mit dem Bescheid vom 30. Juni 2009 erledigt.
Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide sind
§§ 33 Absatz 8 Nr. 1 SGB IX und
§ 9 Absatz 1 KfzHV.
Gemäß
§§ 6 Absatz 1 Nr. 2,
5 Nr. 2 SGB IX ist die Bundesagentur für Arbeit zuständiger Rehabilitationsträger für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Nach § 33 Absatz 1
SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.
Gemäß
§ 2 Absatz 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Nach § 33 Absatz 3
SGB IX umfassen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben insbesondere
(1.) Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Beratung und Vermittlung, Trainingsmaßnahmen und Mobilitätshilfen, (6.) sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen oder zu erhalten.
Dabei umfassen Leistungen nach § 33 Absatz 3
Nr. 1 und 6
SGB IX auch Kraftfahrzeughilfe nach der
KfzHV (§ 33 Absatz 8 Satz 1
Nr. 1
SGB IX).
Nach § 9
KfzHV können zur Vermeidung besonderer Härten Leistungen auch abweichend von
§§ 2 Absatz 1,
6 und
8 Absatz 1 KfzHV erbracht werden soweit dies
1. notwendig ist, um Leistungen der Kraftfahrzeughilfe von Seiten eines anderen Leistungsträgers nicht erforderlich werden zu lassen, oder 2. unter den Voraussetzungen des § 3 zur Aufnahme oder Fortsetzung einer beruflichen Tätigkeit unumgänglich ist.
Im Rahmen von Satz 1
Nr. 2 kann auch ein Zuschuss für die Beförderung behinderter Menschen, insbesondere durch Beförderungsdienste, geleistet werden, wenn
1. der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug nicht selbst führen kann und auch nicht gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt, oder 2. die Übernahme der Beförderungskosten anstelle von Kraftfahrzeughilfen wirtschaftlicher und für den behinderten Menschen zumutbar ist.
Dabei ist zu berücksichtigen, was der behinderte Mensch als Kraftfahrzeughalter bei Anwendung des § 6 für die Anschaffung und die berufliche Nutzung des Kraftfahrzeugs aus eigenen Mitteln aufzubringen hätte.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten ohne eine Eigenbeteiligung.
Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus § 9
KfzHV (1) noch nach § 53
SGB X (2).
(1) Der Kläger ist wesentlich behindert im Sinne von § 2
SGB IX und erfüllt auch die übrigen Voraussetzungen der Gewährung von Teilhabeleistungen am Arbeitsleben und der
KfzHV. Streitig ist nunmehr einzig die Rechtsfrage, ob der Kläger eine streckenbezogene Eigenbeteiligung zu leisten hat. Die Beklagte hat bereits zutreffend eine einkommensbezogene Eigenbeteiligung abgelehnt, da die Einkünfte des Klägers unterhalb der monatlichen Netto-Einkommensgrenze von 980,- Euro liegen. Streitgegenständlicher Zeitraum sind allein die Fahrkosten zur Schulungsteilnahme am 07. August 2008 und diejenigen innerhalb der 27 Tage umfassenden Zeit vom 11. August bis 16. September 2008, in welcher der in H. wohnende Kläger an einem Lehrgang in I. teilnahm.
Die Voraussetzungen des § 9
KfzHV sind erfüllt, wobei nach § 9 Absatz 1 Satz 2 der Norm eine Eigenbeteiligung zu verlangen ist. Insoweit räumt die Norm der Behörde kein Ermessen ein. Die Anwendung der Vorschrift ist rechtlich nicht zu beanstanden, zumal der Wortlaut klar und unmissverständlich ist.
Die Kammer teilt die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers nicht, soweit sie substanziiert vorgetragen wurden. Insbesondere ist kein Verstoß gegen Artikel 3 Grundgesetz erkennbar, da sich der diesbezügliche Vortrag des Klägers auf die Anrechnung der Arbeitgeberleistungen zu den Fahrkosten bezog, welche aber nicht streitgegenständlich ist.
Die KfzVO als
Rechtsverordnung der Bundesregierung regelt Sachverhalte, welche von der Ermächtigungsnorm gedeckt sind (§§ 9 Absatz 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 07. August 1974, §§ 27f, 26 Absatz 6 Satz 1 Bundesversorgungsgesetz in der Fassung vom 22. Januar 1982, § 11 Absatz 3 Satz 3 Schwerbehindertengesetz vom 26. August 1986). Ferner hat der Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes einen weiten Gestaltungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative, wenn es um die Formulierung und Ausgestaltung sozialer Rechte geht.
Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass die Höhe der Eigenbeteiligung mit täglich 17,16 Euro den Kläger unverhältnismäßig belastet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Aufwendungen nicht durchgehend über die gesamte Dauer der Ausbildung andauern, und die Belastung von vornherein auf die Zeit beschränkt war, in welcher er noch über kein behinderungsgerechtes
Kfz verfügte. Letzteres erhielt er bereits im November 2008, dreieinhalb Monate nach Beginn der Ausbildung.
(2) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Fahrkosten als Reisekosten im Sinne von § 53
SGB IX ohne Leistung einer Eigenbeteiligung.
Nach § 53 Absatz 1
SGB IX werden als Reisekosten die im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erforderlichen Fahr-, Verpflegungs- und Übernachtungskosten übernommen; hierzu gehören auch die Kosten für besondere Beförderungsmittel, deren Inanspruchnahme wegen Art und Schwere der Behinderung erforderlich ist, für eine wegen der Behinderung erforderliche Begleitperson einschließlich des für die Zeit der Begleitung entstehenden Verdienstausfalls, für Kinder, deren Mitnahme an den Rehabilitationsort erforderlich ist, weil ihre anderweitige Betreuung nicht sichergestellt ist, sowie den erforderlichen Gepäcktransport.
Gemäß Absatz 4 Satz 1 der Norm ist als Fahrtkosten für jeden Tag, an dem der behinderte oder von Behinderung bedrohte Mensch den Ort der Ausführung der Leistung aufsucht, eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer zwischen Wohnungs- und Ausführungsort von 0,36 Euro für die ersten zehn Kilometer und 0,40 Euro für jeden weiteren Kilometer anzusetzen. Nach Satz 3 ist für die Bestimmung der Entfernung die kürzeste Straßenverbindung maßgebend.
§ 53
SGB IX ist neben § 9
KfzHV selbständig anwendbar (
vgl. Urteil des Sozialgerichtes Hamburg vom 15. Februar 2008 -
S 18 AL 491/05 -). Jedoch weist diese Norm mit Absatz 4 eine eigenständige Regelung über die Deckelung der Höhe der zu übernehmenden Fahrkosten auf. Bei Anwendung des § 53
SGB IX würde der Kläger daher schlechter stehen, als bei Subsumtion des § 9
KfzHV.
Bei der Erstattungsregelung handelt es sich um eine Wegstreckenentschädigung und eine Entfernungspauschale, so dass nur die einfache Entfernung von Wohn- und Schulungs-
bzw. Lehrgangsort berücksichtigt werden kann (
vgl. Hauck/Noftz/Schütze, Kommentar zum
SGB IX, § 53, Rd.38).
Demnach erhielte der Kläger für die Schulung am 07. August 2008 im 10
km entfernten J. einen Erstattungsbetrag von 3,60 Euro (10
km multipliziert mit 3,60 Euro), welcher geringer wäre als die tatsächliche Leistung in Höhe von 57,40 Euro.
Hinsichtlich der Teilnahme an dem Lehrgang im 66
km entfernten K. fiele täglich eine Entfernungspauschale von 26,40 Euro an (10
km multipliziert mit 0,36 Euro zuzüglich 56 multipliziert mit 0,40 Euro). Der Kläger erhielt aber tatsächlich täglich 160,84 Euro.
Dabei ist Absatz 4 auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene nicht in der Lage ist, ein öffentliches Verkehrsmittel zu nutzen (
vgl. Urteil des Sozialgerichtes Hamburg vom 15. Februar 2008 - S 18 AL 491/05 -). Dies folgt aus dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut des § 53 Absatz 1
SGB IX, an welchem jede Auslegung eine Grenze finden muss. Kosten für besondere Beförderungsmittel sind daher als Reisekosten und damit Fahrkosten im Sinne des Satzes 1 der Norm anzusehen. Der Gesetzgeber normiert ausdrücklich die Gleichsetzung mit diesem Leistungstatbestand, auf welchen sich dann auch § 53 Absatz 4
SGB IX bezieht. Der vertretenen Rechtsansicht, dass in diesem Falle das Kostenprinzip gelte mit der Folge der Übernahme aller angefallenen Kosten (
vgl. Hauck/Noftz/Schütze § 53, Rd. 32, 47), vermag die Kammer angesichts dessen nicht zu folgen. Auch der Verweis auf die Begründung des Gesetzentwurfes vom 05. September 2003 (BT Drucksache 15/1515,
S.120) überzeugt nicht, weil dem der Wortlaut der geänderten Fassung des Gesetzes entgegensteht. Der Gesetzgeber muss sich daran festhalten lassen, solange er die Formulierung nicht ändert. Dass er eine anderweitige Auslegung als nach dem Wortlaut offenbar nicht beabsichtigt oder favorisiert, ergibt sich aus dem Umstand, dass nach dem September 2003 das
SGB IX mehrfach geändert wurde, ohne dass eine Berichtigung der Formulierung stattgefunden hätte. Dies legt den Schluss nahe, dass der Gesetzgeber an der getroffenen Formulierung festhalten möchte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Absatz 1
SGG. Da der Bescheid vom 30. Juni 2009 nicht als Änderungsbescheid nach § 96
SGG zu werten ist, war keine Kostenquotelung erforderlich.
Gemäß § 144 Absatz 1 Satz 1
Nr. 1, Absatz 2
SGG bedarf die Berufung der Zulassung, weil hier die Beschwer des Klägers mit 465,92 Euro unterhalb des Schwellenwertes von 750,- Euro liegt. Die Berufung wird nicht zugelassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichtes, des Bundessozialgerichtes, des Gemeinsamen Senates der Obersten Gerichtshöfe abweicht.