Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.04.2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 113.199,92
EUR festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte dem klagenden Landkreis Kosten für von ihm erbrachte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer berufsvorbereitenden Maßnahme und der anschließenden Ausbildung zum Elektriker einschließlich einer Internatsunterbringung mit intensiver Betreuung in der Zeit vom 01.09.2009 bis zum 31.12.2011 zu erstatten hat (insgesamt 113.199,92
EUR).
1. Bei dem 1988 geborene A... W... (im Folgenden: A.W.) besteht eine ADHS-Erkrankung, Störung des Sozialverhaltens, wodurch es zu häufigen Konflikten kommt, kombiniert mit einer depressiven Störung und einer sexuellen Reifungskrise (
vgl. Vorläufige Entlassmitteilung
Dr. G. vom 14.07.2008, Blatt 143 des Vorbands vor
Bd. I der Klägerakte; Gutachten
Dr. T. vom 16.10.2008, Blatt 4 der Beklagtenakte; Gutachten
Dipl. Psych. W. vom 23.01.2009, Blatt 6/8 der Beklagtenakte; Gutachten
Dr. T. vom 02.07.2009, Blatt 36/41 der Beklagtenakte; ärztlicher Abschlussbericht zum Verlauf der Clearingphase vom 23.10.2010, Blatt 90/91 der Beklagtenakte).
A.W. legte nach Besuch der Grundschule und anschließend der Realschule - unterbrochen von stationärer Behandlung wegen ADHS im Jahr 2002 - im Sommer 2007 den externen Hauptschulabschluss (Notendurchschnitt 2,8) ab. Im Anschluss besuchte er ab Oktober 2007 an der Akademie für Kommunikation P. die private Berufsfachschule. Aufgrund zunehmender Konflikte mit Mitschülern und Lehrkräften brach A.W. im Februar 2008 diese Schule ohne Abschluss ab.
In der Zeit vom 30.05.2008 bis zum 14.07.2008 befand sich A.W. in stationärer Behandlung im Psychotherapeutischen Zentrum der K.-Klinik Bad M. (zum Abschlussbericht
Prof. Dr. P. vom 09.09.2008
vgl. Blatt 177/179 des Vorbands vor Band I der Klägerakte), gefolgt von einem Besuch der ambulanten Tagesförderstätte für psychisch erkrankte Menschen des Caritasverbandes (
vgl. Blatt 23/26 der Beklagtenakte), wo ihm Schwierigkeiten in der Konzentration und des Durchhaltevermögens bescheinigt wurden. Der Besuch endete dort am 16.01.2009, weil A.W. sich zunehmend geweigert hatte, sich an die Regeln der Einrichtung und getroffene Vereinbarungen zu halten (
vgl. Bericht Caritas vom 09.07.2009, Blatt 57/59 der Beklagtenakte).
Vom 15.07.2009 (Blatt 317/319 der Klägerakte) bis zum 31.08.2009 besuchte A.W. eine Clearingphase im Christlichen Jugenddorf H. (im Folgenden CJD H.; von der Beklagten als
BBW H. bezeichnet), deren Kosten der Kläger trug.
Ab dem 01.09.2009 begann A.W. (Blatt 421/423 der Klägerakte) im CJD H. eine Berufsvorbereitungsmaßnahme (BVB; zum Entwicklungsbericht vom 05.01.2010
vgl. Blatt 593/599 der Klägerakte; zur 1. Fortschreibung des Qualifizierungsplans vom 03.05.2010
vgl. Blatt 635/641 der Klägerakte; zum Entwicklungsbericht vom 15.07.2010
vgl. Blatt 655/659 der Klägerakte; zur Fortschreibung Qualifizierungsplan
vgl. Blatt 661/669 der Klägerakte); das Sozialgericht (SG) Karlsruhe verpflichtete mit Beschluss vom 25.08.2009 die Klägerin im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzes die Kosten für die BVB einschließlich Internatskosten ab 01.09.2009 zu übernehmen (Az.: S 14 AL 3321/09 ER).
Ab dem 01.08.2010 absolvierte A.W. eine Ausbildung zum Elektriker beim CJD H. (zum Ausbildungsvertrag
vgl. Blatt 1011 der Klägerakte; zum Entwicklungsbericht vom 29.07.2012
vgl. Blatt 905/913 der Klägerakte); das SG verpflichtete mit Beschluss vom 20.08.2010 den Kläger im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzes die Kosten für die Ausbildung BVB einschließlich Internatskosten ab 01.09.2009 zu übernehmen (Az.:S 14 AL 3162/10 ER; bestätigt durch Beschluss des Landessozialgerichts (
LSG) Baden-Württemberg vom 23.09.2010, Az.: L 12 AL 4133/10 ER-B).
Die Ausbildung beendete A.W. am 31.01.2014 erfolgreich (zum Ausbildungszeugnis
vgl. Blatt 1057 der Klägerakte; zum Berufsschulzeugnis
vgl. Blatt 1059 der Klägerakte; zum Prüfungszeugnis der
IHK vgl. Blatt 1060 der Klägerakte).
2. Bereits in einer Berufsberatung bei der Beklagten am 06.08.2007 (Blatt 55 der Senatsakte) hatte A.W. eine BVB thematisiert. Am 18.04.2008 wurde eine Eingliederungsvereinbarung "
SGB II" geschlossen (Blatt 57 der Senatsakte).
Am 19.05.2008 stellte sich A.W. persönlich bei der Beklagten vor wegen eines Termins in der Berufsberatung; er suche eine Ausbildungsstelle (Blatt 51 der Senatsakte). Über den Termin bei der Berufsberatung am 26.05.2008 hat die Beklagte notiert (Blatt 52 der Senatsakte), A.W. gehe die ADHS aktiv an durch Medikamente und Klinikaufenthalt; über BVB und "
EQ" seien Erstinformationen gegeben worden. In einem telefonischen Kontakt am 31.07.2008 (Blatt 53 der Senatsakte) berichtete die Mutter des A.W. der Beklagten, das Jugendamt habe sie wegen einer betreuten Berufsausbildung des A.W. zur Berufsberatung geschickt. Es sei ihr seitens der Beklagten mitgeteilt worden, dass eine Reha-Berufsberatung erst stattfinde, wenn ein Reha-Bedarf festgestellt sei.
Beim Kläger beantragte A.W. am 08.09.2008 (Blatt 153/159 des Vorbands vor Band I der Klägerakte) die Gewährung von stationärer/teilstationärer Hilfe zur Erziehung nach dem
SGB VIII sowie ambulante Hilfe nach dem
SGB VIII (Blatt 161/163 des Vorbands vor Band I der Klägerakte). A.W. gab in einem Fragebogen hierzu an (Blatt 165/167 des Vorbands vor Band I der Klägerakte), er ecke in der Schule immer an und merke es nicht. Er habe ständig Probleme mit seinem Vater, er habe nur sehr wenige Freunde und habe Schulden. Er finde keine Ausbildungsstelle. Die Eltern berichteten (Blatt 169/171 des Vorbands vor Band I der Klägerakte) von ständiger Verteidigungshaltung und einer verzögerten Entwicklung.
Bei der Beklagten war A.W. dann am 11.09.2008 zu einem Gespräch (Blatt 181 des Vorbands vor Band I der Klägerakte; Blatt 269 der Klägerakte; zum Aktenvermerk der Beklagten
vgl. Blatt 54 der Senatsakte); Thema dieses Gesprächs war u.a. eine "betreute Ausbildung". Die Beklagte verwies A.W. wegen "einer Sozialleistung" an den Jugendhilfeträger. In der Folge übergab A.W. ärztliche Berichte an die Beklagte (Blatt 211 der Klägerakte); die Beklagte holte das Gutachten von
Dr. T. vom 16.10.2008 (Blatt 4 der Beklagtenakte), die die Belastbarkeit des A.W. für eine BVB
bzw. eine BAE für noch nicht ausreichend erachtete.
Am 15.09.2008 beantragte A.W. beim Kläger schriftlich Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, ohne die es ihm unmöglich sei eine Berufsausbildung erfolgreich zu durchlaufen (Blatt 183 des Vorbands vor Band I der Klägerakte).
Der Kläger versagte mit Bescheid vom 05.03.2009 (Blatt 227 der Klägerakte) Leistungen zur beruflichen Einbindung/Teilhabe am Arbeitsleben mangels Mitwirkung im Verfahren, weil der Kläger nicht zu einem Termin erschienen sei. Dennoch trat der Kläger in eine Hilfeplanung ein (Blatt 245/257 der Klägerakte), stellte verwaltungsintern fest, die Beklagte sei zuständig (Blatt 263 der Klägerakte) und verwies A.W, mit Email vom 28.05.2009 auf Angebote in N., R. und das CJD H. (Blatt 263 der Klägerakte).
Mit Schreiben vom 10.06.2009 (Blatt 17 der Beklagtenakte) wandte sich A.W. an die Beklagte und beantragte unter Bezugnahme auf seinen Antrag auf Übernahme der Ausbildungskosten und Wohnkosten in einem Berufsbildungswerk, das Gutachten von
Dr. T. vom 16.10.2008 und seine behandelnden Ärzte, die eine begleitete Ausbildung und einen Auszug von zu Hause empfohlen hatten, eine Maßnahme der BVB oder BAE im CJD H., einem Berufsbildungswerk (
BBW). Am 17.06.2009 reichte A.W. den ausgefüllten Formantrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Beklagten ein (Blatt 1 der Beklagtenakte).
A.W. wandte sich mit Schreiben vom 22.06.2009 (Blatt 22 der Beklagtenakte) erneut an die Beklagte und beantragte "im Rahmen des
SGB III" die Kostenübernahme für eine Berufsvorbereitende Maßnahme (BVB) und anschließend die Berufsausbildung in einer Einrichtung (BAE) sowie die Übernahme der Kosten in einer Wohngruppe für Jugendliche mit hohem Betreuungsbedarf im CJD H..
Dr. T. vom arbeitsamtsärztlichen Dienst der Beklagten führte in ihrem Gutachten vom 02.07.2009 (Blatt 36/41 der Beklagtenakte) u.a. aus, auf Grund der Schwere der Verhaltensstörung seien die besonderen Hilfen einer Einrichtung seelisch behinderte und verhaltensauffällige Jugendliche erforderlich. Während der BVB sei eine hochfrequente ambulante Psychotherapie erforderlich. Von den behandelnden Ärzten sei dringend eine außerfamiliäre internatsmäßige Unterbringung empfohlen worden. Auch während dieser Internatsunterbringung benötige A.W. engmaschige Betreuung im Rahmen einer koedukativen Wohngruppe mit 24 Stunden Betreuung. A.W. sei noch nicht berufsreif, er benötige eine BVB für seelisch behinderte und verhaltensauffällige Jugendliche. Das
RPK H. sei eine geeignete Einrichtung.
Die Beklagte meldete A.W. daraufhin im
RPK H. an (Schreiben vom 03.07.2009, Blatt 46/47 der Beklagtenakte; Eingliederungsvorschlag vom 03.07.2009, Blatt 52/53 der Beklagtenakte; Anmeldung vom 08.07.2009, Blatt 54 der Beklagtenakte) und lehnte mit Bescheid vom 08.07.2009 (Blatt 44/45 der Beklagtenakte) den Antrag vom 22.06.2009 ab. Um an dieser Maßnahme teilnehmen zu können, habe A.W. vor Beginn der BVB eine Unterbringung in einer Wohngruppe für Jugendliche mit hohem Betreuungsaufwand, um sich in der Einrichtung eingewöhnen und um die Ablösung vom Elternhaus begleitet durchführen zu können, beantragt. Eine solche Maßnahme sei keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und könne nicht gefördert werden. Da A.W. erklärt habe, diese Maßnahme als Voraussetzung anzusehen um erfolgreich an der BVB teilnehmen zu können, müssten auch alle nachfolgenden Maßnahmen und Leistungen abgelehnt werden. Ein weiterer Grund sei die Vorgabe des ärztlichen Dienstes, dass eine Maßnahme in einer Einrichtung benötigt würde, die speziell auf seelisch behinderte Menschen ausgerichtet sei. Dies sei beim
BBW H. nicht der Fall. Auch habe sich A.W. noch nicht in der Lage gesehen an Maßnahmen der beruflichen Eingliederung teilnehmen zu können. Dies müsse so akzeptiert werden.
Der Kläger gewährte mit Bescheid vom 28.07.2009 (Blatt 347/349 der Klägerakte) für die Zeit vom 15.07.2009 bis zum 31.08.2009 im CJD H. "erforderliche Eingliederungshilfe" nach dem
SGB XII und übernahm die vereinbarten Vergütungen für die intensiv betreute Internatsgruppe samt Bekleidungspauschale (40,50
EUR) und Barbetrag (96,93
EUR) sowie Beihilfe zu Wochenendheimfahrtskosten.
Mit seinem Widerspruch vom 29.07.2009 (Blatt 60/61 der Beklagtenakte) gegen den Bescheid der Beklagten vom 08.07.2009 teilte A.W. mit, er sei seit 15.07.2009 im CJD H. in einer intensiv betreuten Internatsgruppe und absolviere bis 31.08.2009 eine Clearingphase, innerhalb der eine Berufsfindung und Arbeitserprobung stattfinde; die Kosten trage bis 31.08.2009 der Landkreis. Er gehe davon aus, dass er ab 01.09.2009 im
BBW H. eine BVB
bzw. eine Berufsausbildung beginnen könne. Das
BBW sei eine speziell auf seelisch behinderte Menschen ausgerichtete Einrichtung. Er bitte um Bewilligung der Gesamtkosten (Maßnahmekosten BVB
bzw. Ausbildung und Unterbringungskosten in der intensiv betreuten Internatsgruppe) ab 01.09.2009.
Nachdem der Kläger mit Beschluss des SG vom 25.08.2009 (S 14 AL 3312/09 ER) zur vorläufigen Übernahme der Kosten für die BVB einschließlich Internatskosten verpflichtet worden war, machte der Kläger mit Schreiben vom 01.09.2009 bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch für diese Kosten geltend (Blatt 80 der Beklagtenakte = Blatt 417 der Klägerakte), den die Beklagte nicht akzeptierte (Blatt nach Blatt 80 der Beklagtenakte). Mit Bescheid vom 22.09.2009 (Blatt 509/511 der Klägerakte) setzte der Kläger den Beschluss des SG um und gewährte ab Beginn der BVB zum 01.09.2009 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis zum Ende der BVB sowie längstens für die Dauer der tatsächlichen Anwesenheit im CJD H. "erforderliche Eingliederungshilfe für behinderte Menschen
gem. §§ 53,
54 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 12. Buch (SGB XII) vorläufig in Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts Karlsruhe unter AZ. S 14 AL 3312/09 ER vom 25.08.2009." In der Sache übernahm der Kläger vorläufig die vereinbarten Vergütungen für die intensiv betreute Internatsgruppe, die vereinbarten Vergütungen für den BVB Lehrgang, eine Bekleidungspauschale entsprechend dem saarländischen Kleidergeldsatz, einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung (monatlich) und Fahrtkosten anlässlich von Wochenendheimfahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
In dem mit der Beklagten geführten Widerspruchsverfahren legte A.W. den 1. Qualifizierungsbericht BVB-Maßnahme 2009/10 vom 12.10.2009 (Blatt 86/87 der Beklagtenakte) samt psychologischer Stellungnahme vom 15.10.2009 (Blatt 88/89 der Beklagtenakte) und ärztlichem Abschlussbericht zum Verlauf der Clearingphase vom 23.10.2009 (Blatt 90/91 der Beklagtenakte) vor. Außerdem zog die Beklagte beim CJD H. eine sozialpädagogische Stellungnahme bei (Stellungnahme vom 20.10.2009, Blatt 94/95 der Beklagtenakte), in der weiterhin die Notwendigkeit einer Jugendhilfemaßnahme gesehen wurde und wies mit Widerspruchsbescheid vom 03.12.2009 (Blatt 98/100 der Beklagtenakte) den Widerspruch von A.W. zurück; dieser befinde sich wegen Erziehungsproblemen im
BBW H. und benötige dort erzieherische und therapeutische Hilfen. Diese Leistungen seien von der Beklagten nicht zu erbringen. Hiergegen hat A.W. Klage beim SG erhoben (Blatt 581 der Klägerakte); die Klage wurde zurückgenommen (
vgl. unbeziffertes Blatt der Beklagtenakte).
Mit Schreiben vom 05.02.2010 meldete der Kläger beim Beklagten einen Erstattungsanspruch wegen der Übernehme der Kosten der BVB im CJD H. ab dem 01.09.2009 an (
vgl. unbeziffertes Blatt der Beklagtenakte = Blatt 621 der Klägerakte), den die Beklagte nicht anerkannte (Schreiben vom 11.02.2010;
vgl. unbeziffertes Blatt der Beklagtenakte = Blatt 627 der Klägerakte).
Am 16.07.2010 beantragte A.W. beim Kläger die Übernahme von Kosten der Ausbildung ab 01.08.2010, der Unterkunft, Verpflegung und der Betreuung (Blatt 671 der Klägerakte). Mit Schreiben vom selben Tag leitete der Kläger diesen Antrag des A.W. nach
§ 14 SGB IX an die Beklagte - Agentur für Arbeit H. - weiter (Blatt 675/677 der Klägerakte = Blatt 5 der Beklagtenakte/hinterer Aktenteil). Die Beklagte gab mit Schreiben vom 27.07.2010 (Blatt 8 der Beklagtenakte/hinterer Aktenteil) den weitergeleiteten Antrag wieder an den Kläger zurück, weil die Rehabilitationsmaßnahme noch andauere; A.W. sei noch nicht dauerhaft integriert.
Mit Bescheid vom 24.11.2011 (Blatt 893/895 der Klägerakte) führte der Kläger den Beschluss des SG vom 20.08.2011 (S 14 AL 3162/10 ER) aus und gewährte ab Beginn der Ausbildung zum Elektriker am 02.08.2010 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens jedoch bis zum Ende der Ausbildungsmaßnahme sowie längstens für die Dauer der tatsächlichen Anwesenheit im CJD H. "erforderliche Eingliederungshilfe für behinderte Menschen
gem. §§ 53, 54
Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 12. Buch (
SGB XII) vorläufig in Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts Karlsruhe unter Az. S 14 AL 3162/10 ER vom 20.08.2010." In der Sache übernahm der Kläger vorläufig die vereinbarten Vergütungen für die Verselbständigungsgruppe im Bereich Wohnen, die vereinbarten Vergütungen für den Ausbildungslehrgang, eine Bekleidungspauschale entsprechend dem saarländischen Kleidergeldsatz, einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung (monatlich) und Fahrtkosten anlässlich von Wochenendheimfahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
3. Am 18.03.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Karlsruhe Klage erhoben und zunächst die Zahlung von 28.962,14
EUR für seine Kosten der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben vom 01.09.2009 bis 28.02.2010 begehrt, der bis 31.07.2010 anfallende Betrag werde noch beziffert. Zu Unrecht behaupte die Beklagte, die von ihr vorgeschlagene
RPK-Maßnahme sei geeignet gewesen, die berufsvorbereitende Maßnahme im CJD sei lediglich Beiwerk einer Jugendhilfemaßnahme, um dem Antragsteller eine Tagesstruktur zu bieten. Schließlich zeige der positive Verlauf der Maßnahme, dass seine Einschätzung zutreffend gewesen sei. Auch gehörten die Unterbringungskosten zur beruflichen Reha-Maßnahme, weil A.W. die berufliche Maßnahme aufgrund seiner seelischen Behinderung nicht ambulant, sondern nur stationär, weg von zu Hause im geschützten Bereich einer Einrichtung, habe durchführen können. Nach den im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen Beschlüssen des SG vom 20.08.2010 und des
LSG vom 23.09.2010, die eine fortdauernde Leistungspflicht auch für die Berufsausbildung in Anknüpfung an den Antrag des A.W. vom 08.09.2008 angenommen hätten, müsse nun auch der Erstattungsanspruch auf diese erstreckt werden können.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit A.W. sei bei seiner ersten Vorsprache vereinbart worden, dass er sich wieder in ärztliche Behandlung begebe und einen späteren Termin wahrnehme. Dies habe er nicht getan. Ihm sei dann eine Maßnahme angeboten worden, die er abgelehnt habe. Daraufhin sei der Fall abgeschlossen worden. Bei einem weiteren Termin sei A.W. bereits auf die Maßnahme bei der CJD H. festgelegt gewesen. Man habe versucht, ein neues Gutachten zu erstellen, aber keine aktuellen Befunde bekommen können, weil A.W. bereits seit einem Jahr nicht mehr in ärztlicher Behandlung gewesen sei. Das CJD H. sei eine therapeutische Einrichtung der Jugendhilfe. Gemäß § 41
SGB VIII seien Hilfen für junge Volljährige in begründeten Einzelfällen über das 21. Lebensjahr hinaus zu gewähren. A.W. sei im Juni 2009 weder belastbar noch gemeinschaftsfähig gewesen; sogar Selbst-und Fremdgefährdung seien nicht ausgeschlossen gewesen. Der Bericht des CJD H. vom 20.10.2009 bestätige, dass es sich um eine Jugendhilfemaßnahme handele. Es würde überwiegend verhaltenstherapeutisch gearbeitet, von einer Rückkehr in die Herkunftsfamilie werde abgeraten. Der Besuch der BVB sei lediglich Beiwerk, um eine Tagesstruktur zu bieten. Die berufliche Orientierung des Antragstellers spiele eine untergeordnete Rolle.
Der Kläger legte einen fortgeschriebenen Qualifizierungsplan 3. Teil der BVB-Maßnahme 2009/10 (Blatt 25/29 der SG-Akte) vor, ebenso eine Dokumentation/Entwicklungsbericht (Berichtszeitraum 29.12.2009/12.07.2010, Blatt 30/32 der SG-Akte vom 15.07.2010, worin A.W. die Eignung für eine Ausbildung im Elektrobereich bescheinigt wird. Er benötige aber weiterhin sehr intensive Betreuung im Rahmen eines
BBW. Des Weiteren legte der Kläger einen Bericht des Rehaprozessbegleiters Z. vom 23.11.2011 (Blatt 42 der SG-Akte) vor, der u.a. ausführte, es fehle A.WE. noch an den im Arbeitsprozess wichtigen Schlüsselqualifikationen. Der psychologische Kurzbericht vom 23.11.2011 (Blatt 44/45 der SG-Akte) gibt an, es sei weiterhin psychologische Begleitung und sozialpädagogische Unterstützung erforderlich, um die sozialen Kompetenzen weiterzuentwickeln und eine Einmündung auf den ersten Arbeitsmarkt vorzubereiten. Der Bericht zum Verlauf der Probezeit vom 08.12.2010 (Blatt 48/49 der SG-Akte) bescheinigte A.W. das Bestehen der Probezeit bei Einschätzung des weiteren Ausbildungsverlaufs als erfolgreich und vermutetem Erreichen des Ausbildungsziels.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 05.08.2010 (Blatt 41 der SG-Akte) auf die von A.W. begonnene Ausbildung im CJD H. hingewiesen und mit Schreiben vom 01.02.2012 (Blatt 52 der SG-Akte) Rechnungen für die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme ab 01.09. 2009 und die Ausbildung ab 02.08.2010 bis zum 31.12.2011 vorgelegt sowie beantragt, die Beklagte zur Zahlung vom 113.199,92
EUR zu verurteilen.
Mit Urteil vom 26.04.2012 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die vom 01.09.2009 bis 31.12.2011 erbrachten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für 113.199,92
EUR zuzüglich 4 % Zinsen aus 28.962,14
EUR ab dem 01.04.2010 und aus weiteren 84.237,78
EUR ab dem 01.03.2012 zu erstatten. Rechtsgrundlage sei § 104
Abs. 1
SGB X. Der Anspruch des A.W. gegen die Beklagte auf Leistungen zur Teilhabe ergebe sich aus den
§§ 97 SGB III i.V.m. § 33 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4, Abs. 6, Abs. 7 Nr. 1 SGB IX. A.W. sei ein behinderter Mensch in diesem Sinne bei dem krankheitsbedingt eine seelische Minderbelastbarkeit mit Störung des Sozialverhaltens und depressiver Verstimmung, deutliche Entwicklungsverzögerung vorliege, die zu einer voraussichtlich länger als sechs Monate anhaltenden Minderung der Leistungsfähigkeit führe. Der Kläger habe Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 41, 35a
SGB VIII, zuletzt im Rahmen der Clearingphase vom 16.07.2009 bis 31.08.2009 gewährt. Daraus folge aber keine fortdauernde Leistungspflicht. Nach § 10
Abs. 1
SGB VIII seien Leistungen der Jugendhilfe nachrangig. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürften nicht deshalb versagt werden. Es bestehe damit ein Nachrang von Jugendhilfeleistungen gegenüber von der Beklagten zu gewährenden Maßnahmen. Zwar ende die Hilfegewährung durch den Jugendhilfeträger mit Erreichen des 21. Lebensjahres, was bei A.W. bereits vor Beginn der berufsvorbereitenden Maßnahme der Fall gewesen sei. Jedoch handele es sich bei der vom Kläger erbrachten Leistung um eine Leistung der Eingliederungshilfe nach § 35a
SGB VIII nicht um Erziehungshilfe. Die Unterbringung erfolge in erster Linie um die seelische Behinderung des Antragstellers, die in einer schweren Verhaltensstörung und adultem ADHS bestehe und zur Störung jeglicher sozialer Kontakte führe, zu mildern
bzw. zu beheben und nicht, um erzieherische Defizite der Eltern zu beseitigen. Die streitgegenständlichen Leistungen für die berufsvorbereitende Maßnahme und die Berufsausbildung seien auch berufliche Maßnahmen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, für die die Beklagte nach §§ 97ff
SGB III originär zuständig sei. Deren Eignung ergebe sich aus den Verlaufsberichten des CJD H.. Einwand, die Berufsausbildung sei nur Beiwerk und diene überwiegend der Tagesstrukturierung, sei nicht nachvollziehbar. Die Beklagte müsse auch die Kosten der Unterbringung tragen. Diese sei wegen der Art und Schwere der Behinderung und zur Sicherung des Erfolgs der Teilhabe notwendig. Die Beklagte könne dem Erstattungsanspruch nicht entgegenhalten, dass ihr ein Entschließungs- und Auswahlermessen zugestanden habe, der Anspruch des Antragstellers gemäß § 97
SGB III mithin nur auf pflichtgemäße Ermessensbetätigung gerichtet gewesen sei. Vorliegend seien die von der Beklagten angestellten Erwägungen offensichtlich fehlerhaft gewesen, so dass das vorgesehene Ermessen dem Erstattungsbegehren des Klägers nicht entgegengehalten werden könne. Eine offensichtlich unrichtige Rechtsanwendung seitens des Klägers sei hingegen nicht erkennbar. Vielmehr bestätige der Verlauf der Maßnahmen dessen Einschätzungen. Der Anspruch auf Zinsen stütze sich auf § 108
Abs. 2 Satz 1
Nr. 2
SGB X.
Gegen das ihr am 10.05.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.05.2012 beim
LSG Berufung eingelegt. Nach dem ärztlichen Gutachten bestehe bei A.W. eine seelische Minderbelastbarkeit mit Störung des Sozialverhaltens und depressiver Verstimmung und eine deutliche Entwicklungsverzögerung. Die verminderte Leistungsfähigkeit werde laut ärztlichem Gutachten voraussichtlich länger als 6 Monate, aber nicht auf Dauer, bestehen. Sie gestehe zu, dass die notwendige Zusammenarbeit mit dem Kläger nicht optimal gelaufen sei. Jedoch sei sie nicht in vollem Umfang für sämtliche angefallenen Kosten zur Betreuung des A.W. zuständig. Es liege eine Parallelzuständigkeit vor, weshalb im Interesse des Jugendlichen eine abgestimmte Leistungserbringung möglich sei. Mehrkosten, die durch die stationäre Hilfe zur Erziehung entstanden seien, stellten jedenfalls keine übliche Leistung der beruflichen Eingliederung dar und seien folglich nicht von ihr zu bezahlen.
Mit Schreiben vom 11.12.2012 (Blatt 30 der Senatsakte) hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass im CJD H. Jugendhilfeleistungen erbracht worden seien. Der Kläger habe die Kosten übernommen, obwohl das CJD H. auch über Maßnahmen verfüge, die im Rahmen der beruflichen Rehabilitation zu einem wesentlich günstigeren Kostensatz angeboten würden. Dieser Kostensatz wäre auch nur zum Tragen gekommen, wenn sie von vornherein Kostenträger gewesen wäre. Im Übrigen richte sich der Anspruch nach § 104
SGB X nach den für den vorrangig zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.04.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Erziehungshilfe nach dem
SGB VIII sei nicht gewährt worden; es seien Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 53 ff
SGB XII gewährt worden. A.W. sei bei Beginn der BVB bereits 21 Jahre alt gewesen und damit nicht mehr Kind oder Jugendlicher
i.S.d. SGB VIII. Der Kläger übersandt eine Aufstellung seiner Kosten (Blatt 24/25 der Senatsakte; zu den einzelnen Rechnung
vgl. den vom Kläger übersandten Band "Rechnungsakte").
Mit Schreiben vom 17.01.2013 (Blatt 31/32 der Senatsakte) hat der Kläger auf § 33
Abs. 6
SGB IX verwiesen. Der amtsärztliche Dienst der Beklagten habe festgestellt, dass bei A.W. während einer beruflichen Maßnahme
bzw. Internatsunterbringung eine hochfrequente ambulante Psychotherapie
bzw. eine engmaschige Betreuung im Rahmen einer koedukativen Wohngruppe erforderlich sei, was auch das von
Dipl.-Psych. W. erstellte Gutachten bestätige. Es sei somit nicht ersichtlich, dass die übernommenen Leistungen nicht den Rehabilitationsleistungen entsprechen, zu denen die Beklagte verpflichtet sei. Es möge zutreffen, dass die Beklagte mit dem CJD H. keine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung bezüglich der intensiven Wohngruppe abgeschlossen habe. Daraus könne aber nicht folgen, dass die Beklagte A.W. die nach § 33
SGB IX erforderlichen Rehabilitationsleistungen vorenthalten dürfe. Letztlich habe die Beklagte auch nicht dargelegt, dass A.W. das Angebot der intensiven Wohngruppe im CJD H. nicht benötigt habe.
Die Beklagte hat mit Schreiben vom 07.03.2013 (Blatt 35/43 der Senatsakte) u.a. die von ihr mit dem CJD H. vereinbarten Vergütungssätze mitgeteilt und § 33
Abs. 6
SGB IX für nicht einschlägig gehalten. Dazu hat die Klägerin mit Schreiben vom 22.03.2013 (Blatt 44/46 der Senatsakte) ausgeführt, sie sei lediglich nachrangiger Leistungsträger.
Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten in einem nicht öffentlichen Termin am 10.04.2013 erörtert. Wegen des Inhalts und Ergebnisses des Termins, ebenso wie auf die dort von der Beklagten vorgelegten Beratungsvermerke wird auf die Niederschrift (Blatt 48/60 der Senatsakte) Bezug genommen.
Die Beteiligten beharrten in der Folge auf ihren Standpunkten (Beklagte: Schreiben vom 07.05.2013 (Blatt 63/64 der Senatsakte), Schreiben vom 25.07.2013 (Blatt 133/134 der Senatsakte), Schreiben vom 27.09.2013 (Blatt 139/140 der Senatsakte); Kläger: Schreiben vom 28.05.2013 (Blatt 65/131 der Senatsakte), Schreiben vom 01.08.2013 (Blatt 135/136 der Senatsakte)).
Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten am 18.07.2014 erneut in einem nicht öffentlichen Termin erörtert. Wegen des Inhalts und Ergebnisses des Termins wird auf die Niederschrift (Blatt 146/147 der Senatsakte) Bezug genommen.
Nachdem die Klägerin eine erneute Kostenaufstellung übersandt hat (Blatt 149/151 der Senatsakte) wurde vom Berichterstatter vorgeschlagen, den Rechtsstreit durch Vergleich zu beenden (Blatt 152/155 der Senatsakte). Der Kläger lehnte eine vergleichsweise Einigung ab (Blatt 156 der Senatsakte).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG - einschließlich der Akten der Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes - und der Beteiligten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151
SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144
SGG zulässig aber unbegründet.
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung der in der Zeit vom 01.09.2009 bis zum 31.12.2011 vom Kläger dem A.W. im CJD H. erbrachten Leistung im Wert von insgesamt 113.199,92
EUR streitig; die nach dem 31.12.2011 erbrachten Leistungen und möglicherweise daraus resultierende Erstattungsansprüche sind vom vorliegenden Rechtsstreit nicht erfasst. Die erbrachten Leistungen umfassen eine berufsvorbereitende Maßnahme (01.09.2009 bis 31.07.2010), ein (erster) Teil einer Ausbildung zum Elektriker (02.08.2010 bis 31.12.2011), samt Internatskosten und der Kosten für dort inbegriffene medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen.
Zutreffend hat das SG entschieden, dass der hinsichtlich der Kosten für die ab August 2010 durchgeführte Berufsausbildung des A.W. zum Elektriker geltend gemachte Erstattungsanspruch zulässig zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht werden durfte. Da sich die Beklagte auf diese erweiterte Klage eingelassen hat (§ 99
Abs. 2
SGG), kann offen bleiben, ob es sich insoweit um eine gemäß § 99
Abs. 1 1. Alt.
SGG gegenüber dem ursprünglichen, bei Klagerhebung geltend gemachten Streitgegenstand (Zahlung von 28.962,14
EUR und weiterer Kosten bis voraussichtlich 31.07.2010 (Ende der BVB)) zulässige Klageänderung handelt (zuletzt: Zahlung von 113.199,92
EUR für Leistungen vom 01.09.2009 bis 31.12.2011) oder ob die Klageänderung wegen Sachdienlichkeit zulässig ist (§ 99
Abs. 1 2. Alt.
SGG). Soweit dann in der mündlichen Verhandlung die Klage um die Verurteilung zur Zahlung von Zinsen als Nebenforderung erweitert wurde, liegt gemäß § 99
Abs. 2
Nr. 2
SGG keine Klageänderung vor, sodass diese Erweiterung zulässig war.
Eine Beiladung des A.W. gemäß § 75
Abs. 2 1. Alt
SGG (echte notwendige Beiladung) war nicht erforderlich. Danach sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Vorliegend handelt es sich um einen Erstattungsstreit zweier Träger der Rehabilitation. In diesem Fall wird die Position des leistungsberechtigten Sozialleistungsempfängers nicht berührt (zuletzt
vgl. BSG 25.09.2014 - B 8 SO 7/13 R - juris RdNr. 18).
Bei A.W. handelt es sich nach Überzeugung des Senats, die sich auf die Gutachten und medizinischen Beurteilungen der Verwaltungsakten der Klägerin, wie auch der Beklagten stützt, um einen
i.S.d. § 2 Abs. 1 SGB IX behinderten Menschen und nicht "nur" um einen Jugendlichen, der erzieherische Hilfen benötigt. Denn A.W. leidet an einer ADHS-Erkrankung, einer krankhaften Störung des Sozialverhaltens, kombiniert mit einer depressiven Störung und einer sexuellen Reifungskrise. Insoweit weicht die geistige Fähigkeit des A.W. und seine seelische Gesundheit tatsächlich länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab, auch ist seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt, wovon sich der Senat auf Basis der vorliegenden ärztlichen und therapeutischen Berichte überzeugen konnte. A.W. war auch behindert
i.S.d. § 19 SGB III, denn auf Grund seiner Behinderungen war er auf Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben angewiesen, ohne die er nicht erfolgreich in den Arbeitsmarkt integriert werden kann; eine Integration ist erforderlich und - wie auch der mittlerweile erfolgreiche Abschluss der Berufsausbildung zeigt - prognostisch möglich, jedoch durch die Behinderung des A.W. erschwert.
Behinderte Menschen erhalten gemäß
§ 1 Satz 1 SGB IX Leistungen nach diesem Gesetzbuch und den für die Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen, um ihre Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern, Benachteiligungen zu vermeiden oder ihnen entgegenzuwirken. Gemäß
§ 4 Abs. 1 SGB IX umfassen die Leistungen zur Teilhabe die notwendigen Sozialleistungen, (1.) um unabhängig von der Ursache der Behinderung die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern, (2.) Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden, zu überwinden, zu mindern oder eine Verschlimmerung zu verhüten sowie den vorzeitigen Bezug anderer Sozialleistungen zu vermeiden oder laufende Sozialleistungen zu mindern, (3.) die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten dauerhaft zu sichern oder (4.) die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Die Leistungen zur Teilhabe werden zur Erreichung der in
Abs. 1 genannten Ziele nach Maßgabe des
SGB IX und der für die zuständigen Leistungsträger geltenden besonderen Vorschriften neben anderen Sozialleistungen erbracht (§ 4
Abs. 2 Satz 1
SGB IX). Die Leistungsträger erbringen die Leistungen im Rahmen der für sie geltenden Rechtsvorschriften nach Lage des Einzelfalls so vollständig, umfassend und in gleicher Qualität, dass Leistungen eines anderen Trägers möglichst nicht erforderlich werden (§ 4
Abs. 2 Satz 2
SGB IX).
Die Vorschriften des
SGB IX gelten für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt (
§ 7 Satz 1 SGB IX). Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen (§ 7 Satz 2
SGB IX). Jedoch enthält
§ 14 SGB IX besondere Regelungen im Verhältnis zwischen Rehabilitationsträgern und behindertem Menschen, die es den behinderten Menschen ermöglichen sollen, rasch und einfach ihre Leistungsansprüche zu realisieren.
So stellt nach § 14
Abs. 1 Satz 1
SGB IX der Rehabilitationsträger, wenn Leistungen zur Teilhabe beantragt werden, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist [...]. Stellt er bei der Prüfung fest (§ 14
Abs. 1 Satz 2
SGB IX), dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest (§ 14
Abs. 2 Satz 1
SGB IX). Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen Rehabilitationsträger nach Absatz 1 Satz 2 bis 4 festgestellt, dass ein anderer Rehabilitationsträger für die Leistung zuständig ist, erstattet dieser dem Rehabilitationsträger, der die Leistung erbracht hat, dessen Aufwendungen nach den für diesen geltenden Rechtsvorschriften (§ 14
Abs. 4 Satz 1
SGB IX).
Die Rechtsgrundlage des vorliegenden Erstattungsanspruchs findet sich dennoch nicht in § 14
Abs. 4
SGB IX sondern in § 104
SGB X. Zwar sind Leistungen zur Teilhabe
i.S.d. § 5 SGB IX streitig, auch sind vorliegend sowohl die Beklagte als auch der Kläger Rehabilitationsträger (§ 6
Abs. 1
Nr. 2
bzw. Nrn. 6/7
SGB IX) und werden als solche in Anspruch genommen. Jedoch hat der Kläger den Antrag des A.W. auf Leistungen zur Teilhabe nicht fristgerecht
i.S.d. § 14
Abs. 2 Satz 1
SGB IX weitergeleitet. Tut er dies - wie vorliegend - nicht, wird er selbst umfassend für die erforderlichen Rehabilitationsleistungen zuständig (§ 14
Abs. 2 Satz 1
SGB IX). Dabei genügt es für die Anwendung des § 14
Abs. 1 und 2
SGB IX, dass der Kläger als Landkreis Rehabilitationsträger
i.S.d. § 6
Abs. 1
Nr. 6
bzw. 7
SGB IX ist und bei ihm der maßgebliche Antrag gestellt worden ist (
BSG 25.09.2014 - B 8 SO 7/13 R - juris RdNr. 19).
Für diese Beurteilung ist insoweit der Antrag des A.W. vom 15.09.2008 maßgeblich. Mit diesem Antrag hatte er erstmals sein Rehabilitationsbegehren im Hinblick auf eine Eingliederung in das Erwerbsleben formuliert, als er Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt hatte (Blatt 183 des Vorbands der Klägerakte). Dass sich A.W. bereits zuvor mit seinen Antrag vom 08.09.2008 an den Kläger gewandt hatte, ist vorliegend ohne Bedeutung, denn in diesem Antrag hatte er keine Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sondern Leistungen zur stationären/teilstationären Hilfe zur Erziehung sowie ambulante Hilfe nach dem
SGB VIII beantragt, was ein anderes Rehabilitationsbegehren ist, als das vorliegend bedeutsame (
vgl. dazu
z.B. Luik in jurisPK
SGB IX, 2010, § 14 RdNr 55). Auch hat A.W. sein auf Rehabilitationsleistungen in Form von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gerichtetes Begehren nicht zuvor bei der Beklagten geäußert oder dort einen entsprechenden Antrag gestellt. Zwar war A.W. bereits am 19.05.2008 wegen einer Berufsberatung und am 11.09.2008 bei der Beklagten. Doch hatte sich sein Begehren damals lediglich auf eine Beratung und Information gerichtet, ohne dass es damals zu einem Rehabilitationsantrag
bzw. einem als solchen zu verstehenden Rehabilitationsbegehren gekommen wäre. Eine bloße Information
bzw. die Inanspruchnahme von Beratungsleistungen, auch wenn sie im Zusammenhang mit in Betracht kommenden Rehabilitationsleistungen des beratenden
bzw. informierenden Rehabilitationsträgers stehen, genügt nicht um eine Antragstellung
i.S.d. § 14
Abs. 1 Satz 1
SGB IX anzunehmen. Maßgeblicher Antrag ist damit der Antrag des A.W. vom 15.09.2008 beim Kläger; diesen hat der Kläger nicht weitergeleitet und hierdurch seine Zuständigkeit als erstangegangener Träger nach § 14
Abs. 2 Satz 1
SGB IX begründet.
Dass ein einmal gestellter Antrag umfassend, d.h. auf alle nach Lage des Falls in Betracht kommenden Leistungen und Anspruchsgrundlagen hin zu prüfen und insbesondere nicht "künstlich" in separate Teil-Leistungsanträge für die verschiedenen in Betracht kommenden Teilhabeleistungen aufzuspalten ist, hat das
BSG mehrfach ausgeführt (zuletzt
BSG 03.02.2015 - B 13 R 261/14 B - juris RdNr. 8 unter Hinweis auf
BSG SozR 4-2600 § 236a Nr 2 RdNr 21; SozR 4-2600 § 43 Nr 9 RdNr 27; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 14; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 34).
Damit kommt aber ein Erstattungsanspruch nach § 14
Abs. 4
SGB IX nicht in Betracht, weil der Kläger nicht erst aufgrund eines an ihn weitergeleiteten Antrages zuständiger Rehabilitationsträger geworden ist. Jedoch ist ein Erstattungsanspruch nach allgemeinen Vorschriften - mit Ausnahme des § 105
SGB X - mit § 14
Abs. 4 Satz 1
SGB IX nicht ausgeschlossen und ergibt sich vorliegend aus § 104
SGB X (stRspr; zuletzt
BSG 25.09.2014 - B 8 SO 7/13 R - juris; grundlegend BSGE 98, 267 ff RdNr 10 ff = SozR 4-3250 § 14
Nr. 4 = juris). § 14
Abs. 4
SGB IX schließt insoweit die Anwendung des § 104
SGB X nicht aus (
BSG 26.06.2007 -
B 1 KR 34/06 R - BSGE 98, 267-277 = SozR 4-3250 § 14
Nr. 4 = SozR 4-1300 § 104
Nr. 2 = juris RdNr. 9).
Die in § 14
Abs. 1 und 2
SGB IX geregelte Zuständigkeit erstreckt sich allein im Außenverhältnis (behinderter Mensch/Rehabilitationsträger) auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation für Rehabilitationsträger vorgesehen sind (
BSG a.a.O.). Das bedeutet aber nicht, dass es auch im Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander bei dieser Zuständigkeitsverteilung verbleibt. Anderenfalls wären die noch immer geltenden Zuständigkeitsnormen außerhalb des
SGB IX, auf die § 7
SGB IX gerade Bezug nimmt, im Wesentlichen obsolet. Wäre § 14
SGB IX so zu verstehen, dass es auch im Innenverhältnis der Rehabilitationsträger untereinander zu abschließenden Zuständigkeiten käme, stellte diese Auslegung die damit einhergehende Lastenverschiebung ohne Ausgleich die Grundlagen des gegliederten Sozialsystems in Frage (
BSG a.a.O. RdNr. 14). Solches war aber vom Gesetzgeber nicht bezweckt, was gerade an § 7
SGB IX sichtbar wird, der die Zuständigkeit der einzelnen Zweige der sozialen Sicherheit für Rehabilitationsleistungen grundsätzlich unberührt lässt (
BSG a.a.O. unter Hinweis auf
BT-Drucks 14/5074, Seite 95 zu 5.) Daher bedarf es eines Ausgleichssystems, das an die Zuständigkeiten außerhalb des § 14
SGB IX anknüpft, wie es die Aufgabe der Erstattungsansprüche nach §§ 102
ff. SGB X ist
BSG a.a.O. RdNr. 14). Dieses Ausgleichssystem ist notwendiges Korrelat der schnellen und strikten Zuständigkeitsklärung im Außenverhältnis unter Beibehaltung des gegliederten Sozialsystems, weil nur so verhindert werden kann, dass Zufälligkeiten oder Entlastungsstrategien im Zusammenhang mit der Zuständigkeitsordnung des § 14
SGB IX zu einer Lastenverschiebung zwischen den einzelnen Rehabilitationsträgern führen. Wie das
BSG (a.a.O. RdNr. 16) ausgeführt hat, sichert dieser Ausgleichsmechanismus über die §§ 102
ff. SGB X zugleich, dass der Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit im Rahmen von § 14
SGB IX bejahen kann, ohne allein schon deshalb verpflichtet zu sein, im Verhältnis zu anderen Rehabilitationsträgern diese Lasten auch endgültig zu tragen.
In der Sache wird mit § 14
SGB IX eine speziellere Regelung im Verhältnis zu § 102
SGB X getroffen, da die Zuständigkeit des erst- wie auch des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers die Vorschriften über vorläufige Leistungspflichten und die Zuständigkeit zur vorläufiger Leistungspflicht ersetzt (
BSG a.a.O. RdNr. 19 unter Hinweis auf BT-Drucks 14/5074, Seite 102, zu § 14). Denn der nach § 14
SGB IX zuständig (gewordene) Rehabilitationsträger ist im Verhältnis zum behinderten Menschen nicht vorläufig, sondern endgültig und umfassend leistungspflichtig (
BSG a.a.O. RdNR. 19).
Hat der (erstangegangene) Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit geprüft und bejaht, muss er auch im Nachhinein zu einer Korrektur im Rahmen der Erstattung befugt sein (
BSG a.a.O. RdNr. 26); andernfalls wäre er gehalten, schon bei geringstem Verdacht einen Rehabilitationsantrag weiterzuleiten, um die Zuständigkeitsproblematik
ggf. im Erstattungsstreit austragen zu können und andererseits nicht automatisch von jeglicher Erstattungsmöglichkeit ausgeschlossen zu sein. Dies widerspricht eindeutig dem Regelungszweck einer schnellen Zuständigkeitsklärung gegenüber dem behinderten Menschen, wie auch dem Ziel, das gegliederte Sozialsystem zu erhalten. Soweit nicht ein Fall vorliegt, in dem der Anspruch auf die Rehabilitationsleistung nachträglich ganz oder teilweise entfallen ist, kommt zur "nachträglichen Korrektur" der irrtümlichen Bejahung seiner Zuständigkeit durch den erstangegangenen Träger im Erstattungswege nur ein Anspruch wegen nachrangiger Verpflichtung des Leistungsträgers aus § 104
SGB X in Betracht (
BSG a.a.O. RdNR. 26). Das beruht nach der gefestigten Rechtsprechung des
BSG (a.a.O: RdNr. 26) darauf, dass § 14
Abs. 1 Satz 1 und
Abs. 2 Satz 1 und 2
SGB IX einerseits die Zuständigkeit gegenüber dem behinderten Menschen schnell, klar und endgültig regelt, andererseits die "eigentliche" Zuständigkeitsordnung (außerhalb des § 14
SGB IX) im Verhältnis der Rehabilitationsträger untereinander nicht antasten will. Daraus hat das
BSG abgeleitet, dass dem nach § 14
SGB IX leistenden Rehabilitationsträger im Verhältnis zum anderen (materiell zuständigen) Rehabilitationsträger eine nachrangige Zuständigkeit zukommt, die es zulässt, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger im Rahmen eines Erstattungsstreits sich die Kosten der Rehabilitationsmaßnahmen nach § 104
SGB X vom "eigentlich" zuständigen, in diesem Sinne vorrangigen Rehabilitationsträger erstattet verlangen kann (
BSG a.a.O. RdNR. 28). Der Rehabilitationsträger, der irrtümlich seine Zuständigkeit bejaht, wird damit nicht dauerhaft mit den Kosten der Rehabilitationsmaßnahme belastet. Er wird aber auch nicht wie ein vorleistungspflichtiger oder zweitangegangener Träger in der Rechtsfolge privilegiert, sondern erhält Erstattung nur im Umfang des § 104
Abs. 3
SGB X nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.
Nach diesen Grundsätzen ist diese Rechtsgrundlage hier gegeben. Zwar hat der Kläger seine Zuständigkeit weder positiv festgestellt noch war er zweitangegangener Rehabilitationsträger. Doch hat - bevor der Kläger über eine Leistung gegenüber A.W. entschieden hat - bereits das SG in den beiden im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschlüssen diese Prüfung mit Wirkung für und gegen der Kläger vorgenommen und diesen als erstangegangenen Rehabilitationsträger verpflichtet. Aufgrund dieser Prüfungen und Verpflichtungen durch das SG, die im vorliegenden Fall - der Kläger war jeweils beigeladen worden - Wirkung gegenüber dem Kläger haben, muss dieser sich nun so behandeln lassen, als hätte er seine Zuständigkeit selbst geprüft und
i.S.d. § 14
Abs. 1 Satz 1
i.V.m. Abs. 2 Satz 1
SGB IX bejaht. Damit liegt weder der in der Rechtsprechung des
BSG (a.a.O.) angesprochene Fall einer ergebnislosen Prüfung durch den erstangegangenen Rehabilitationsträger (dazu
vgl. auch Götze in Hauck/Noftz,
SGB IX, § 14 RdNr. 30) vor, noch der Fall, dass der Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit verneint und dennoch Leistungen erbracht hat (Götze a.a.O. RdNr. 31). Damit ist Rechtsgrundlage der vorliegenden Entscheidung § 104
SGB X.
Auch wenn der Kläger die ihm vom SG auferlegten Leistungen in den die Beschlüsse des SG ausführenden Bescheiden ausdrücklich lediglich als "vorläufig" bezeichnet hat, greift ein Erstattungsanspruch nach § 102
SGB X nicht ein. Denn dazu wäre es erforderlich, dass die Leistungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften als vorläufige Leistung erbracht worden wären. Vorliegend hat aber nicht ein Gesetz zur Erbringung vorläufiger Leistungen verpflichtet; Grund war die im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzes naturgemäß bestehende Möglichkeit, nur zu vorläufigen Leistungen verpflichten zu können. Das genügt aber für einen Erstattungsanspruch nach § 102
SGB X nicht.
Auch liegt ein Fall des § 103
SGB X nicht vor; denn diese Norm regelt nur den Anspruch des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist. Ein Anspruch des A.W. gegen den Kläger wäre aber auch ohne § 14
SGB IX nicht nachträglich entfallen.
Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103
Abs. 1
SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger nach § 104
Abs. 1 Satz 1
SGB X erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger nach § 104
Abs. 1 Satz 2
SGB X, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht gemäß § 104
Abs. 1 Satz 3
SGB X nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen.
Vorliegend war der Kläger gegenüber der Beklagten nachrangig verpflichteter Leistungsträger
i.S.d. § 104
Abs. 1 Satz 1 und 2
SGB X. Die h.M. leitet das Rangverhältnis - gegebenenfalls durch Auslegung - aus den jeweils einschlägigen materiell-rechtlichen Normen selbst oder deren Regelungszusammenhang ab (Böttiger in LPK-SGB X, 3. Aufl. § 104 RdNr. 10
m.w.N.). Grundsätzlich genügt es, wenn eine Sozialleistung aufgrund ihres Regelungssystems nachrangig ist (so
BSG 17.12.2013 - B 1 KR 50/12 R - SozR 4-3250 § 14
Nr. 20 = juris), was
z.B. für die Sozialhilfe wegen ihrer typischen Fallgestaltung nachrangiger Leistungsgewährung anerkannt ist (
vgl. Roos in v. Wulffen/Schütze, 4. Aufl., § 102 RdNr. 12 f.), ebenso wie für die Leistungsverpflichtungen der Kinder- und Jugendfürsorge (
vgl. Roos a.a.O. RdNr. 12). Vorliegend hat der Kläger aber schon deswegen nachrangige Leistungen erbracht, weil er nach § 14
Abs. 2 Satz 1
SGB IX trotz der materiell-rechtlich bestehenden Zuständigkeit der Beklagten, ausschließlich und umfassend gegenüber A.W. zu Leistung verpflichtet war und daher im Verhältnis zum Beklagten nachrangige Leistungen erbracht hatte.
Der Anspruch des A.W. gegen die Beklagte auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ergibt sich aus den §§ 97
SGB III in der vom 01.07.2001 bis 31.03.2012 geltenden Fassung
i.V.m. § 33
Abs. 1,
Abs. 3
Nr. 4,
Abs. 6,
Abs. 7
Nr. 1
SGB IX.
Gemäß § 97
Abs. 1
SGB III können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Bei der Auswahl der Leistungen sind Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen (§ 97
Abs. 2 Satz 1
SGB III). Soweit es erforderlich ist, schließt das Verfahren zur Auswahl der Leistungen eine Abklärung der beruflichen Eignung oder eine Arbeitserprobung ein (BVB; § 97
Abs. 2 Satz 2
SGB III). Nach § 33
Abs. 1
SGB IX werden zur Teilhabe am Arbeitsleben die erforderlichen Leistungen erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die Leistungen umfassen auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen (§ 33
Abs. 6
SGB IX). Die Übernahme der erforderlichen Kosten für Unterkunft und Verpflegung gehört ebenso zu diesen Leistungen, wenn die Unterbringung außerhalb des eigenen oder des elterlichen Haushalts wegen Art oder Schwere der Behinderung oder zur Sicherung des Erfolgs der Teilhabe erforderlich ist (§ 33
Abs. 7
Nr. 1
SGB IX). Für den behinderten A.W. waren Leistungen nach § 97
SGB III i.V.m. § 33
SGB VI zu erbringen; ein Ermessen stand der eigentlich zuständigen Beklagten lediglich hinsichtlich der Auswahl der erforderlichen Mittel zu. Soweit die Beklagte jedoch annimmt, die im Rahmen von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbrachten, erforderlichen und diese unterstützenden medizinischen, psychologischen und pädagogischen Hilfen, gehörten schon gar nicht in das von ihr zu leistende Spektrum der Rehabilitationsleistungen, so irrt sie. Denn bei diesen Leistungen handelt es sich um Annexleistungen zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Luik in: jurisPK-SGB IX, 2. Aufl. 2015, § 33
SGB IX RdNr. 177), für die derjenige Rehabilitationsträger zuständig ist, der auch für die "Hauptleistung" Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständig ist. Diese Annex-Leistungen stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit der beruflichen Rehabilitationsleistung als Hauptleistung; es handelt sich nicht um eigenständig zu gewährende Sozialleistungen (
BSG 13.09.2011 -
B 1 KR 25/10 R - BSGE 109, 122-133 = SozR 4-2500 § 42
Nr. 1 = SozR 4-2600 § 15
Nr. 4 = SozR 4-3250 § 26
Nr. 2 = juris; Masuch in Luthe, Rehabilitationsrecht 2009, Kapitel F RdNr 43; Luik in jurisPK-SGB IX, § 33 RdNr 133). Dies entspricht auch der vom Gesetzgeber angenommenen umfassenden Zuständigkeit des leistenden Rehabilitationsträgers (
vgl. oben zu § 14
SGB IX). Vorliegend handelt es sich auch bei den im CJD H. erbrachten medizinischen, psychologischen und pädagogischen Leistungen um solche, die die BVB
bzw. die Berufsausbildung unterstützen und insoweit ermöglichen. Damit handelt es sich nicht um eigenständige medizinische, psychologische, pädagogische oder sonstige isolierte erzieherische Maßnahmen, die rehabilitationsunabhängig wären. Damit gehören diese, wie auch die Internatsunterbringung, die wegen der Ermöglichung der BVB und der Ausbildung durch Herausnahme aus dem bisherigen Elternhaus, wo A.W, bis dahin seinen Wohnsitz hatte, wegen Art und Schwere der Behinderung des A.W. und auch zur Sicherung des Erfolges der Teilhabe erforderlich war und der Durchführung der BVB
bzw. der Ausbildung diente, zu den von der Beklagten zu erbringenden Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Auch war das CJD H. für die konkret zu erbringenden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben eine geeignete Einrichtung. Wenn die Beklagte einwendet, in ihren Vertragsbeziehungen mit ihren Leistungserbringern spezifische Leistungen im Sinne von
§ 36 Abs. 6 SGB IX (z. B. psychologische Betreuung) nicht vorgesehen zu haben, kann sie damit nicht durchdringen, denn sie muss Gewähr dafür tragen, ihre gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen.
Soweit der Kläger dem A.W. Leistungen der Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54
SGB XII - so die Bezeichnung in den die Beschlüsse des SG ausführenden Bescheiden - gewährt hatte, folgt daraus keine fortdauernde Leistungspflicht des Klägers. Denn selbst wenn auf die Bezeichnung der Leistung - hier als Eingliederungshilfe nach Sozialhilferecht - abzustellen wäre, handelte es sich um eine gegenüber der Leistungsverpflichtung der Beklagten nachrangige Leistung (§ 2
Abs. 2
SGB XII). Maßgeblich ist jedoch welche Leistung in der Sache erbracht, nicht wie diese bezeichnet wurde. So konnte der Senat feststellen, dass materiell-rechtlich eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 97
SGB III zu beanspruchen gewesen war; dies entspricht auch der Einschätzung des SG im angefochtenen Urteil sowie im Beschluss vom 25.08.2009. Insoweit war der Kläger wegen § 14
SGB IX zur Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem
SGB III gegenüber A.W. verpflichtet. Dieser Leistungspflicht war der Kläger nachgekommen, weshalb die verfahrensrechtlich von ihm zu erbringende Leistung gegenüber der materiell-rechtlichen Verpflichtung der Beklagten nachrangig ist.
Aber selbst wenn man mit dem angefochtenen Urteil des SG annehmen wollte, der Kläger habe Leistungen nach §§ 41, 35a
SGB VIII gewährt, folgte auch hieraus keine fortdauernde Leistungspflicht. Nach § 10
Abs. 1
SGB VIII sind Leistungen der Jugendhilfe nachrangig, d.h. Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem
SGB VIII entsprechende Leistungen vorgesehen sind. Nach dieser Bestimmung ist somit ein Nachrang von Jugendhilfeleistungen gegenüber von der Beklagten zur gewährenden Maßnahmen gegeben. Dieser Nachrang ist auch nicht durch § 22
Abs. 1
bzw. Abs. 2 Satz 1
SGB III zugunsten der Beklagten verändert. Denn insoweit enthält § 10
SGB VIII eine Regelung, die sich auch gegenüber § 22
SGB III durchsetzt (Estelmann/Eicher in Eicher/Schlegel,
SGB III, § 22 Stand 10/06, RdNr. 50). Zwar endet die Hilfegewährung durch den Jugendhilfeträger mit Erreichen des 21. Lebensjahres, bei A.W. mithin am 16.08.2009. Doch war eine darüber hinausgehende Eingliederungshilfe nach § 41
Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz,
Abs. 2
SGB VIII i.V.m. § 35a
SGB VII und § 7
Abs. 1
Nr. 4
SGB VIII jedenfalls bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres zulässig und nicht ausgeschlossen.
Der Kläger hat die BVB, die Ausbildung, die Unterkunft und die sonstigen Hilfen rechtmäßig erbracht. Die Unterbringung erfolgte, um die seelische Behinderung des Antragstellers, die in einer schweren Verhaltensstörung und adultem ADHS bestehen und zur Störung jeglicher sozialer Kontakte führen, zu mildern
bzw. zu beheben und so die Teilhabeleistung zu unterstützen
bzw. zu ermöglichen und nicht, um erzieherische Defizite der Eltern zu beheben. Die streitgegenständlichen Leistungen für die BVB und die Berufsausbildung sind berufliche Maßnahmen und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, für die die Beklagte nach §§ 97ff
SGB III originär zuständig ist. Deren Eignung ergibt sich - wie das SG zutreffend dargelegt hat - aus den Verlaufsberichten des CJD H.. Danach hat der Antragsteller die BVB-Maßnahme erfolgreich durchlaufen und auch für die Berufsausbildung zum Elektriker wird - bei fortbestehenden behinderungsbedingten Problemen - ein erfolgreicher Abschluss prognostiziert; dieser ist mittlerweile auch erreicht worden. Der dagegen von der Beklagten vorgebrachte Einwand, die Berufsausbildung sei nur Beiwerk und diene überwiegend der Tagesstrukturierung, ist nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist der Senat - wie ausgeführt - zu der Überzeugung gelangt, dass gerade die Unterbringung und die medizinischen, psychologischen und pädagogischen Hilfen lediglich der Unterstützung und Ermöglichung der erfolgreichen BVB-Maßnahme
bzw. der Ausbildung dienen und daher als Annexleistungen zur BVB und Ausbildung anzusehen sind. Bei objektiver, rückschauender Betrachtung lag der Schwerpunkt der Leistung eindeutig im Bereich der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben.
Zwar hat der Kläger bei der Auswahl der zu erbringenden Leistung kein Ermessen ausgeübt, doch kann insoweit ein Ermessensfehler, der die Erbringung der Leistung durch den Kläger rechtswidrig machen würde, nicht angenommen werden. Denn der Kläger war vom SG gerade zur Erbringung dieser Leistungen verpflichtet worden. Damit konnte er ein ihm zustehendes Ermessen nicht anders als vom SG bestimmt, ausüben.
Die vom Kläger an A.W. erbrachten Leistungen sind sowohl im Hinblick auf die Person des Leistungsempfängers (A.W.) als auch im Hinblick auf die Zeit (01.09.2009 bis 31.07.2010 und 02.08.2009 bis 31.12.2011) und Inhalt und Ziel der Leistungsverpflichtung (Vorbereitung und Eingliederung in das Erwerbsleben
bzw. Integration in die Gesellschaft durch Teilhabe am Arbeitsleben) vergleichbar und insoweit kongruent.
Damit hat der Kläger rechtmäßig Sozialleistungen erbracht, die gegenüber den von der Beklagten zu erbringenden Sozialleistungen, auf die A.W. einen Anspruch hatte, nachrangig waren. Auch hatte die Beklagte weder bisher zu irgendeinem Zeitpunkt Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben an den A.W. erbracht, noch wäre der Kläger verpflichtet gewesen, seine Leistungen auch dann zu erbringen, wenn die Beklagte ihre vorrangigen Leistungsverpflichtungen gegenüber dem A.W, erfüllt hätte. Damit besteht der Erstattungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten hinsichtlich der im CJD H. erbrachten Leistungen.
Der entstandene Erstattungsanspruch ist auch nicht nach § 111
SGB X ausgeschlossen. Der Kläger hat unmittelbar nach Beginn seiner jeweiligen Leistungen den Erstattungsanspruch ausreichend deutlich bei der Beklagten geltend gemacht (zum BVB
vgl. Blatt 80 der Beklagtenakte = Blatt 417 der Klägerakte); insoweit genügte es, dass der Kläger dem Grunde nach jeweils seinen Anspruch (2009 für die Kosten der BVB; 2010 für die Berufsausbildung) anmeldete. Spätestens, seit der Kläger im August 2010 (Blatt 41 der SG-Akte) im Klageverfahren vor dem SG mitgeteilt hatte, A.W. habe die Ausbildung begonnen und sowohl im Klageverfahren als auch in Schreiben gegenüber der Beklagten deutlich gemacht hatte, auch deswegen die Beklagte für zuständig und damit erstattungspflichtig zu halten, war der Beklagten hinreichend klar gemacht worden, dass der Kläger auch hinsichtlich der mit der Ausbildung des A.W. verbundenen Kosten einen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten ernsthaft durchsetzen will. Dies genügt zur Geltendmachung
i.S.d. § 111
SGB X.
Bei bestehendem Erstattungsanspruch richtet sich der Umfang des Anspruchs nach § 104
Abs. 3
SGB X nach den für den vorrangigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Maßgeblich ist insoweit die Rechtslage zum Zeitpunkt der Entstehung der Kosten. Der Erstattungspflichtige soll letztlich nicht mehr leisten müssen, als tatsächlich an Kosten angefallen sind, aber auch nicht mehr, als er bei eigener rechtzeitiger Leistungserbringung an den Sozialleistungsberechtigten zu leisten gehabt hätte. Jedoch kann der erstattungspflichtige Leistungsträger dem Erstattungsanspruch nicht entgegenhalten, die Leistung anders oder kostengünstiger erbringen gekonnt zu haben (
BSG 28.02.1980 -
8a RK 13/79 - BSGE 50, 47-51 = SozR 2200 § 184a
Nr. 3= juris RdNr. 17;
BSG SozR 2200 § 1237
Nr. 21;
BSG SozR 1300 § 104
Nr. 6;
BSG SozR 3-2200 § 1237a Nr 2) oder das Ermessen anders ausgeübt zu haben (
BSG SozR 2200 § 184 a
Nr. 3 und 5). Denn insoweit ist es alleine von Bedeutung, dass der erstattungspflichtige Leistungsträger - hier die Beklagte - die Leistung rechtmäßig so hätte erbringen können; dass dem so ist, zeigen gerade die auch zwischen der Beklagten und dem CJD H. bestehenden Verträge und Vergütungsvereinbarungen, die im Verhältnis zu den Vergütungsvereinbarungen mit der Klägerin lediglich billigere Leistungssätze beinhalten (dazu
vgl. Blatt 36 der Senatsakte). Denn die Begrenzung des § 104
Abs. 3
SGB X stellt nicht auf die Höhe des konkreten Leistungs-/Kostenbetrags ab, sondern auf die nach dem materiellen Leistungsrecht bestehenden Leistungsartverpflichtungen. Nachdem die Beklagte sich aber geweigert hatte, die BVB und die Ausbildung zu fördern, musste der Kläger die Durchführung der Maßnahme durch Kostenübernahme sicherstellen, was auch das SG in beiden Beschlüssen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutz entschieden hat. Eine solche faktische Vorwegnahme von Sozialleistungen ist für Erstattungsansprüche gerade der Anlass zur vorhandenen gesetzlichen Regelung und insoweit unabdingbare Voraussetzung des Anspruchs (
BSG 16.12.1993 -
13 RJ 21/93 - SozR 3-2200 § 1237a
Nr. 2 = SozR 3-1300 § 104
Nr. 7 = juris RdNr. 29;
BSG SozR 3-2200 § 1237
Nr. 2). Der Kläger, als Landkreis, konnte aber die Leistungen wegen § 77
Abs. 2
SGB XII nur nach den Vertragsvergütungen der Sozialhilfeträger abrechnen. Denn im Verhältnis zum CJD H. , konnte der Kläger, auch wenn er wegen § 14
SGB IX gegenüber A.W. zwar eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach dem
SGB II erbrachte, nur als Sozialhilfeträger in Erscheinung treten; § 14
SGB IX führt gerade nicht dazu, dass im Verhältnis zwischen dem nach § 14
SGB IX verpflichtetem Rehabilitationsträger und dem von diesem eingeschalteten Leistungserbringer, hier dem CJD H. , andere Rechtsbeziehungen entstehen, je nachdem, ob es sich um eine Leistung handelt, für die der Rehabilitationsträger nach seinem Recht zuständig ist oder ob der Rehabilitationsträger Leistungen aus dem Rechtskreis eines anderen Rehabilitationsträgers erbringen muss.
Die Beklagte kann dem Erstattungsanspruch auch nicht entgegenhalten, bereits bestandskräftig das Begehren des A.W. abgelehnt zu haben. Zwar ist der ablehnende Bescheid vom 08.07.2009 (Blatt 44/45 der Beklagtenakte) nach Rücknahme einer hiergegen geführten Klage bestandskräftig geworden. Jedoch kommt dem ablehnenden Bescheid im Rahmen eines Erstattungsanspruchs dann keine Bedeutung zu, wenn er offensichtlich rechtswidrig ist und sich dies zum Nachteil des anderen Leistungsträgers auswirkt (Roos in von Wulffen/Schütze,
SGB X, 8. Auflage, Vor §§ 102-114
SGB X, RdNr. 7
m.w.N.). Die genannte Ablehnung der Förderung der Leistungen war offensichtlich rechtswidrig; sie hat weder den Sinn und Zweck des Antrags des A.W. erfasst oder sich mit dessen Begehren in der gebotenen sachlichen Tiefe auseinander gesetzt, noch das Wunsch- und Wahlrecht des A.W. (
§ 9 SGB IX), die bestehenden eigenen Leistungsverpflichtungen (§ 97
SGB III) oder den Umfang und Grenzen ihres Ermessens berücksichtigt; insoweit war es auch offensichtlich rechtswidrig, den A.W. gegen seinen Willen im
RPK H. anzumelden. Nachdem aber gemäß § 14
Abs. 1 Satz 1
SGB IX ausschließlich der Kläger zur Entscheidung verpflichtet war, stand der Beklagten auch keine Entscheidungskompetenz mehr zu.
Die Beklagte kann dem Erstattungsanspruch auch nicht entgegenhalten, ihr habe ein Entschließungs- und Auswahlermessen zugestanden. Auch im Verhältnis der am Erstattungsverhältnis beteiligten Träger ist zwar eine Überprüfung der Ermessensausübung möglich, jedoch eingeschränkt auf offensichtliche Fehlerhaftigkeit. Ein Beharren eines Trägers auf einer offensichtlich rechtswidrigen, auf sachwidrigen Erwägungen beruhenden Entscheidung verletzt nämlich das in § 86
SGB X ausdrücklich geregelte Gebot der engen Zusammenarbeit (Roos a.a.O. RdNr. 9). Vorliegend waren die von der Beklagten angestellten Erwägungen offensichtlich fehlerhaft, so dass das in der Rechtsgrundlage grundsätzlich vorgesehene Ermessen dem Erstattungsbegehren des Klägers nicht entgegengehalten werden kann.
Auch liegt eine offensichtlich unrichtige Rechtsanwendung
bzw. eine vom Beklagten zu rügende offensichtlich fehlerhafte Ermessensausübung seitens des Klägers nicht vor. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat das SG nicht nur gegenüber dem Kläger sondern auch gegenüber dem Beklagten bindend ermessensleitende Vorgaben gegeben, von denen der Kläger nicht abgewichen ist. Auch liegen darüber hinaus, keine weiteren unberücksichtigten Ermessensgesichtspunkte vor. Vielmehr bestätigt der Verlauf der Maßnahmen dessen Einschätzungen.
Der Erstattungsanspruch des Klägers ist in der geltend gemachten Höhe auch begründet. Der Senat verweist hinsichtlich der Rechnungen auf den vorgelegten Band Rechnungsakte sowie die Aufstellung auf Blatt 24/25 der Senatsakte. Rechenfehler zu Lasten der Beklagten sind insoweit weder von dieser vorgetragen noch vom Senat nach eigener Prüfung festgestellt worden. Der Kläger hat seinen Anspruch durch Vorlage von Rechnungen belegt. Diese ergeben den geltend gemachten Erstattungsanspruch in Höhe von 113.199,92
EUR. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 108
Abs. 2 Satz 1
Nr. 2
SGB X, nachdem der Kläger den Erstattungsbetrag i.H.v. 28.962,14
EUR mit der Klageschrift vom 12.03.2010 (Eingang beim SG am 18.03.2010) sowie die Erhöhung des Betrags auf 113.199,92
EUR mit Schriftsatz vom 01.02.2012 (eingegangen beim SG am 06.02.2012) vollständig dargelegt hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a
SGG i.V.m. §§ 154
Abs. 2
VwGO, denn die Beklagte ist mit ihrem Rechtsmittel in vollem Umfang unterlegen.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Der Senat weicht weder von der Rechtsprechung des
BSG ab, noch liegt eine grundsätzlich bedeutsame Angelegenheit vor, weshalb dem Hilfsantrag der Beklagten nicht stattgegeben wurde.
Der Streitwert beläuft sich auf 113.199,92
EUR und war daher entsprechend festzusetzen.