Streitig ist die Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten der Hörgeräteversorgung der Klägerin in Höhe von
EUR 2.196,00.
Die 1949 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie leidet an einer Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Bis 6. Juli 2009 stand die Klägerin in einem Beschäftigungsverhältnis als Geschäftsstellenleiterin, vom 7. Juli 2009 bis 5. Juli 2011 bezog sie Arbeitslosengeld und war deshalb versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten, vom 6. Juli 2011 bis 25. März 2012 war sie freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten, ab 26. März 2012 als Rentenantragstellerin und seit 1. April 2013 als Rentnerin erneut versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten.
Wegen der Innenohrschwerhörigkeit beidseits verordnete Hals-Nasen-Ohrenarzt
Dr. R. der Klägerin am 7. Juli 2008 erstmals eine beiderseitige Hörhilfe. Die Klägerin suchte in der Folgezeit das Hörakustikstudio
S. (im Folgenden
S.), das nach dem Vortrag der Beklagten im Jahr 2008 dem Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen zwischen der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker (BIHA) einerseits sowie dem - damaligen - Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. und Arbeiter-Ersatzkassen-Verband e.V. (VdAK/AEV), heute Verband der Ersatzkassen (vdek), beigetreten war, auf. Von
S. erhielt die Klägerin am 5. August 2008 die Hörgeräte BALANCE microBTE. Unter dem 1. September 2008 bescheinigte
Dr. R., er habe sich davon überzeugt, dass durch die vorgeschlagene Hörhilfe eine ausreichende Hörverbesserung erzielt werde und das vorgeschlagene Gerät zweckmäßig sei. Nach dem Anpassbericht des
S. vom 5. September 2008 habe die Klägerin bei Einsilbern (Wörter) ohne Hörgerät 30 vom Hundert (v.H.), mit einem Hörgerät links 70 v.H. und mit beiden Hörgeräten 90 v.H. verstanden, die Steigerung der Verständlichkeit liege bei 60 v.H., das Richtungshören habe sich verbessert. Am 10. September 2008 legte
S. der Beklagten den Kostenvoranschlag vom 9. September 2008 über zwei Hörgeräte BALANCE microBTE vor. Bei einem Preis der Hörgeräte von jeweils
EUR 1.519,28 sowie zweier Otoplastiken von jeweils
EUR 35,29 abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung in Höhe von insgesamt
EUR 20,00, eines Eigenanteils der Klägerin von jeweils
EUR 1.098,00, insgesamt
EUR 2.196,00 sowie eines binauralen Abschlags von
EUR 84,26 ergab sich ein Kassenanteil inklusive Mehrwertsteuer von
EUR 808,88. Die Beklagte bewilligte mit nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Bescheid vom 30. September 2008 die Übernahme dieses Festbetrags und zahlte diesen an
S..
S. stellte der Klägerin für die Hörgeräte
EUR 2.196,00 in Rechnung (Rechnung vom 2. Oktober 2008). Die Klägerin beglich diese Rechnung vollständig am 6. Oktober 2008.
Am 27. Januar 2009 bat die Klägerin die Beklagte um Erläuterung ihrer Eigenbeteiligung und beantragte fürsorglich die Erstattung weiterer Kosten. Letzteres lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 2009, dem keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, ab. Bei der beigefügten Rechnung handele es sich um den Eigenanteil der Klägerin. Der Hörgeräteakustiker habe bei der Versorgung mit Hörgeräten eigenanteilsfreie Versorgungen innerhalb der Festbetragsgruppen anzubieten. Werde eine Versorgung gewählt, welche das Maß des Notwendigen und Zweckmäßigen überschreite, erhalte der Akustiker ebenfalls die vereinbarten Festbeträge, der übersteigende Betrag werde dem Kunden als privater Eigenanteil in Rechnung gestellt. Auf die Genehmigung vom 30. September 2008 werde verwiesen.
Die Klägerin wiederholte unter dem 13. Februar 2009 ihr Begehren, die Beklagte habe einen weitaus umfassenderen, wenn nicht sogar den vollen Anteil an der Hörgeräteversorgung zu tragen. Es sei keine das Maß des Notwendigen und Zweckmäßigen überschreitende Versorgung gewählt worden. Die erfolgte Hörgeräteversorgung beinhalte eine Programmierung der Hörgeräte, die es ermögliche, wie eine Art Richtmikrofon zu funktionieren, sodass bei Stimmengewirr, Außengeräuschen
usw. die Sprache des direkten Gegenübers genau verstanden werde. Diese Versorgung hätte es ihr ermöglicht, ihren Beruf als Geschäftsstellenleiterin weiter auszuüben. Im Übrigen sei eine Hörgeräteversorgung, die es nicht ermögliche, einwandfrei zu hören, keine zweckmäßige, sondern eine unsinnige Versorgung. Mit Schreiben vom 17. Februar 2009 empfahl die Beklagte der Klägerin, die Mehrkosten beim Rentenversicherungsträger geltend zu machen. Eine Kostenübernahme ihrerseits außerhalb der vereinbarten Festbeträge sei nicht möglich. Am 8. Juni 2009 erhob die Klägerin förmlich Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. Januar 2009. Die Versorgung sei erforderlich, um nicht nur im Berufs- sondern auch im Alltagsbereich alles zu verstehen. Mit Bescheid vom 4. Juni 2009 wiederholte die Beklagte ihre Ablehnung. Es lägen keine Befunde vor, aus denen hervorgehe, dass zum Festbetrag keine Versorgung möglich sei. Ohne Vorliegen medizinischer Gründe könne keine andere Entscheidung getroffen werden. Im weiteren Verlauf bat die Beklagte
S. um Einreichung aller Anpassberichte und des Abschlussberichts zur Hörgeräteversorgung, worauf
S. die bereits erwähnten Unterlagen übermittelte. Im Anschluss daran hörte die Beklagte die Hörgeräteakustikerin Schmidt, die unter dem 20. Juli 2009 ausführte, dass nach den vorliegenden Dokumentationen keine vergleichende Anpassung erfolgt sei und die Klägerin nicht die Möglichkeit gehabt habe, Geräte verschiedene Hersteller zu testen, da
S. nicht branchenübliche Hörgeräte anbiete. Eine medizinische Begründung zur Kostenübernahme oberhalb der Festbeträge bestehe aber nicht. Die Klägerin sei aufgrund der Schwerhörigkeit mit Vertragsgeräten versorgbar. Bezugnehmend hierauf teilte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 22. Juli 2009 nochmals mit, dass es weiterhin bei dem Bescheid vom 29. Januar 2009 verbleibe. Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2009 wies der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss den Widerspruch zurück.
S. erfülle die Voraussetzungen des
§ 126 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) alte Fassung (a.F.) und sei daher berechtigt, Hörgeräte auszuliefern und anzupassen. Da zwischen ihr, der Beklagten, und
S. eine vertragliche Regelung nicht bestehe, würden hier die Vorschriften des
§ 33 Abs. 7 SGB V eingreifen. Nach § 33
Abs. 7
SGB V würden die Krankenkassen die jeweils vertraglich vereinbarten Preise übernehmen. Erfolge jedoch eine Versorgung auf Grundlage des § 126
Abs. 2
SGB V a.F. durch einen Leistungserbringer, der nicht Vertragspartner der jeweiligen Krankenkasse sei, trage die Krankenkasse die Kosten in Höhe des niedrigsten Preises, der für eine vergleichbare Leistung mit anderen Leistungserbringern vereinbart worden sei; bei Hilfsmitteln, für die ein Festbetrag festgesetzt worden sei, höchstens bis zur Höhe des Festbetrags. Für die Produktgruppe der Hörgeräte, die zweifelsfrei zu den Hilfsmitteln gehörten, seien Festpreise vereinbart worden. Bei der Bewilligung der Hörgeräte für die Klägerin sei der Festbetrag, der im Bescheid vom 30. September angesetzt worden sei, folgendermaßen ermittelt worden: Zwei Hörgeräte zum Festbetrag von je
EUR 421,28 und zweimal
EUR 35,25 für die Secret Ear Versorgung. Hieraus ergebe sich zunächst ein Betrag in Höhe von
EUR 913,06. Von dieser Summe habe für die Zweitversorgung ein Betrag in Höhe von
EUR 84,26 abgezogen werden müssen. Abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung (zweimal
EUR 10,00) verbleibe ein Betrag in Höhe von
EUR 808,80, den sie, die Beklagte, als Festbetrag zu übernehmen habe. Aufgrund eines Schreibfehlers (gemeint wohl Betrag für die Otoplastiken von jeweils
EUR 35,29 statt
EUR 35,25) sei der Klägerin irrtümlich ein Betrag in Höhe von
EUR 808,88 zugesagt worden. Von dieser Zusage werde sie, die Beklagte, nicht abweichen. Eine Kostenübernahme über den zugesagten Betrag hinaus sei nicht begründet.
Die Klägerin erhob am 24. September 2009 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) und begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung ihres Eigenanteils an der Hörgeräteversorgung. Die Hörgeräteversorgung übersteige nicht das Maß des Notwendigen und Zweckmäßigen. Sie sei nicht nur im Berufs-, sondern auch im Alltagsbereich erforderlich. Es handele sich bei der Hörgeräteversorgung um den modernen Standard und nicht um einen Luxusgegenstand oder eine Überversorgung.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies auf ihren Widerspruchsbescheid vom 31. August 2009 und wies ergänzend darauf hin, dass der geltend gemachte Anspruch auch deshalb nicht bestehe, weil die Klägerin erst nach Rechnungslegung eine angeblich unzureichende Versorgung mit Festbetragsgeräten geltend gemacht habe. Abgesehen davon habe sie, die Beklagte, die notwendige ausreichende Versorgung der Klägerin als Sachleistung erbracht. Eine unrechtmäßige Entscheidung für das Entstehen des Eigenanteils sei nicht kausal gewesen. Die von der Klägerin angeführte berufliche Tätigkeit sei nach deren Aufgabe nicht relevant.
Mit Gerichtsbescheid vom 30. November 2011 wies das SG die Klage ab. Die Kostenbelastung der Klägerin beruhe nicht wesentlich auf der Leistungsversagung der Beklagten. Der Hilfsmittelerbringer habe lediglich den üblichen Voranschlag, in dem bereits der Eigenanteil der Klägerin eingearbeitet gewesen sei, der Beklagten vorgelegt, worauf diese - dem Voranschlag entsprechend - den im Gesetz vorgesehenen Festbetrag übernommen habe. Dass sie hier zu Unrecht eine volle Kostenübernahme abgelehnt habe, liege fern, denn niemand habe eine volle Kostenübernahme von ihr verlangt. Davon abgesehen sei offenbar zu dem Zeitpunkt, als der Bescheid vom 30. September 2008 der Klägerin frühestens zugegangen sein könne, das unbedingte Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Klägerin und
S. schon abgeschlossen gewesen, denn darauf beruhe die Rechnung vom 2. Oktober 2008. Die Klägerin sei nicht durch eine ablehnende Entscheidung der Beklagten zur Anschaffung der Hörgeräte mit erheblichem Eigenanteil gezwungen gewesen, sondern sie sei zu der Anschaffung schon vorher entschlossen gewesen und habe diese in die Tat umgesetzt.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 6. Dezember 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 5. Januar 2012 Berufung eingelegt. Ihr sei es nicht um eine Luxusversorgung gegangen, für sie sei nur dieses Hörgerät hilfreich gewesen. Die Kosten seien sicherlich durch
S. im Wege der Übermittlung des Kostenvoranschlags vom 9. September 2008 beantragt worden, denn sie sei zum damaligen Zeitpunkt an Krebs erkrankt gewesen und habe nicht die Kraft gehabt, selbst ein Prozedere mit der Beklagten durchzuführen. Die Beklagte sei ihrer Beratungspflicht im Rahmen des
§ 13 Abs. 2 SGB V nicht nachgekommen. Dass sie nicht durch eine ablehnende Entscheidung der Beklagten zur Anschaffung der Hörgeräte mit erheblichem Eigenanteil gezwungen worden sei und schon vorher zu dieser Anschaffung entschlossen gewesen sein solle, sei überhaupt kein Argument. Ergänzend hat sie auf das - vorgelegte - Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (
LSG) vom 12. Juni 2012 - L 1 U 5167/11 - verwiesen.
Die Klägerin beantragt - sachgerecht gefasst -,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 30. November 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 30. September 2008 und Aufhebung des Bescheids vom 29. Januar 2009, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2009 zu verurteilen, ihr
EUR 2.196,00 zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf ihren Widerspruchsbescheid vom 31. August 2012 und ihr bisheriges Vorbringen. Das Urteil des 1. Senats des
LSG vom 12. Juni 2012 könne nicht zum Vergleich herangezogen werden, da bei dem dortigen Kläger bereits eine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anerkannt gewesen sei. Auch sei dort die Versorgung im Rahmen der Festbetragsregelung erfolgt. Diese Festbeträge hätten bei der Versorgung der Klägerin keine Bedeutung, da der versorgende Leistungserbringer sich dem Vertrag zwischen der BIHA und dem VdAK/AEV, angeschlossen habe. Damit würden die vereinbarten Vertragssätze und nicht die Festbeträge gelten.
Der Senat hat die Beteiligten auf das Urteil des Bundessozialgerichts (
BSG) vom 24. Januar 2013 -
B 3 KR 5/12 R - hingewiesen.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Die gemäß § 151
Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Der Beschwerdewert des § 144
Abs. 1 Satz 1
Nr. 1
SGG von
EUR 750,00 ist überschritten. Die Klägerin begehrt die Erstattung von
EUR 2.196,00.
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Das SG hätte die Klage nicht wegen Nichteinhaltung des Beschaffungsweges abweisen dürfen. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten auch einen Anspruch auf Erstattung ihres Eigenanteils für die Hörgeräte BALANCE microBTE in Höhe von
EUR 2.196,00.
1. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der das Kostenerstattungsbegehren der Klägerin ablehnende Bescheid vom 29. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. August 2009. Der Senat lässt offen, ob die Beklagte unter dem 4. Juni und 22. Juli 2009 weitere Bescheide erlassen hat. Selbst wenn dies der Fall wäre, wären diese nicht Streitgegenstand, denn hiermit hat die Beklagte nicht neu entschieden, sondern ihren ursprünglichen Bescheid vom 29. Januar 2009 wiederholt. Eine solche wiederholende Verfügung stuft das
BSG nicht als Verwaltungsakt ein, selbst dann nicht, wenn diese in der Form eines Bescheides mit Rechtsbehelfsbelehrung und Gründen erfolgt (
BSG, Urteile vom 17. April 1991 - 1 RR 2/89 -,
m.w.N. und vom 20. Dezember 2012 - B 10 LW 1/12 R -, beide in juris). Streitgegenstand ist aber auch der Bewilligungsbescheid vom 30. September 2008, mit dem eine Leistungsbegrenzung erfolgte. Durch ihn hat die Beklagte mit der Leistungsgewährung zugleich ihre Leistungspflicht auf den Festbetrag in Höhe von
EUR 808,88 beschränkt. Damit hat die Beklagte das weitergehende Leistungsbegehren der Klägerin abgelehnt und mit Bindungswirkung ihr gegenüber entschieden, dass Ansprüche nur im Rahmen einer Festbetragsversorgung bestehen. Ohne Beseitigung der Bindungswirkung dieser Entscheidung kann die Klägerin mit ihrem Kostenerstattungsanspruch nicht durchdringen. Denn wäre die im Bewilligungsbescheid vom 30. September 2008 getroffene Regelung bindend (§ 77
SGG), stünde zwischen den Beteiligten fest, dass die Klägerin keinen Anspruch auf einen Betrag von mehr als
EUR 808,99 hätte. Bei sachgerechter Auslegung ihres Begehrens musste die Beklagte folglich den Kostenerstattungsantrag vom 27. Januar 2009 zugleich als Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 30. September 2008 verstehen, soweit darin der Antrag auf vollständige Hörgeräteversorgung abgelehnt worden war. Hierüber war auch eine Sachentscheidung zu treffen, nachdem der Bewilligungsbescheid - entgegen der gesetzlichen Verpflichtung nach § 36 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB X) - nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen und die somit erst ein Jahr nach Zustellung des bewilligenden Leistungsbescheids endende Widerspruchsfrist (§ 66
Abs. 2 Satz 1
SGG) am 27. Januar 2009 noch nicht abgelaufen war. Demgemäß ist der Widerspruchsbescheid vom 31. August 2009 bei sachgerechter und im Berufungsverfahren noch möglichen Auslegung nicht nur als Bestätigung der ablehnenden Entscheidung vom 29. Januar 2009, sondern auch als Billigung der Leistungsbegrenzung durch den Bewilligungsbescheid vom 30. September 2008 zu verstehen. Mit diesen - inhaltlich identischen - Regelungselementen ist der Widerspruchsbescheid zum Gegenstand des Rechtsstreits geworden (so
BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 -
B 3 KR 20/08 R -, in juris).
2. Die Klägerin hat sich mit ihrem Begehren an die Beklagte als krankenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 33
SGB V) gewandt. An den rentenversicherungsrechtlichen Leistungsträger (§ 15
Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]
i.V.m. § 26 Abs. 2 Nr. 6 und
§ 31 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IX]) ist sie nicht herangetreten und die Beklagte hat ihr Begehren auch nicht an den Rentenversicherungsträger weitergeleitet (
§ 14 Abs. 2 SGB IX). Die Beklagte ist damit im ausschließlich maßgeblichen Außenverhältnis zur Klägerin zuständig. Dies schließt eine Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für die Erfüllung des Kostenerstattungsanspruchs aus.
3. Rechtsgrundlage des hier geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs ist § 13
Abs. 3 Satz 1 Fall 2
SGB V. Danach gilt: Hat die Krankenkasse "eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war". Der Erstattungsanspruch reicht, wie in der Rechtsprechung des
BSG geklärt ist, nicht weiter als ein entsprechender - primärer - Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung,
vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 a.a.O.). Der Anspruch ist demgemäß gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (
vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009, a.a.O.). So liegt es hier, weil die Beklagte ihre Leistungspflicht zu Unrecht auf den Festbetrag begrenzt und die vollständige Erfüllung des gegebenen Leistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt hat, die Klägerin sich die geschuldete Leistung selbst beschafft und hierbei die Grenzen des Notwendigen gewahrt hat (hierzu b)) und es auch an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung nicht fehlt (dazu nachfolgend a)).
a) Entgegen der Ansicht des SG und auch der von der Beklagten vertretenen Auffassung scheitert der Kostenerstattungsanspruch nicht an der fehlenden Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenbelastung. Ansprüche nach § 13
Abs. 3 Satz 1 Fall 2
SGB V sind zwar nur gegeben, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten "dadurch" Kosten für die selbst beschaffte Leistung entstanden sind. Dazu muss die Kostenbelastung des Versicherten der ständigen Rechtsprechung des
BSG zufolge wesentlich auf der Leistungsversagung der Krankenkasse beruhen (
vgl. z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 a.a.O.,
m.w.N.). Hieran fehlt es, wenn diese vor Inanspruchnahme der Versorgung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst worden ist, obwohl dies möglich gewesen wäre oder wenn der Versicherte auf eine bestimmte Versorgung von vornherein festgelegt war (
vgl. hierzu weiter
BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 a.a.O.,
m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.
Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung werden auf Antrag erbracht, soweit sich aus den Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nichts Abweichendes ergibt (§ 19 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB
IV]). Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenbehandlung umfasst u.a. die Versorgung mit Hilfsmitteln (
§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V), und zwar nach Maßgabe des § 33
SGB V. Dieser Anspruch ist von der Krankenkasse grundsätzlich in Form einer Sachleistung (
§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V) zu erbringen, wobei sie ihre Leistungspflicht gemäß
§ 12 Abs. 2 SGB V mit dem Festbetrag erfüllt, wenn für die Leistung ein Festbetrag festgesetzt ist (
BSG, Urteil vom 6. September 2007 -
B 3 KR 20/06 R -, in juris). Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels des
SGB V Verträge mit den Leistungserbringern (§ 2
Abs. 2 Satz 3
SGB V). Im vorliegenden Fall maßgeblich ist der zwischen der BIHA und damaligen dem VdAK/AEV für die Zeit ab 1. Januar 2004 geschlossene Vertrag nach §§ 126,
127 SGB V zur Komplettversorgung mit Hörsystemen. Danach erfolgt die Abgabe von Hörhilfen auf der Grundlage einer ärztlichen Verordnung oder einer Bewilligung der Ersatzkassen (§ 4
Nr. 1 Satz 1 des Vertrags). Unter der Überschrift "Verfahren bei vorheriger ärztlicher Verordnung" ist u.a. Folgendes vereinbart worden: "Nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten erstattet der Leistungserbringer eine Versorgungsanzeige (Anl. 3) gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse. Der Leistungserbringer erhält nach Prüfung der leistungsrechtlichen Voraussetzungen ein Bewilligungsschreiben der Ersatzkasse. Die Versorgung kann abgerechnet werden, wenn die zur Versorgung geeigneten Hörhilfen nach der Anpassung an den Versicherten ausgeliefert sind und der HNO-Arzt eine ausreichende Hörverbesserung und die Zweckmäßigkeit der Hörhilfe bestätigt hat" (§ 4
Nr. 1 Satz 2 des Vertrags).
Wie das
BSG im Urteil vom 24. Januar 2013 -
B 3 KR 5/12 R -, in juris lässt der Senat offen, ob die maßgebliche Antragstellung im Sinne des § 14
SGB IX durch Übergabe der vertragsärztlichen Hörgeräteverordnung vom 7. Juli 2008 durch die Klägerin an
S. erfolgte, die vor dem 5. August 2008 gelegen haben muss, nachdem die Klägerin bereits am 5. August 2008 das streitgegenständliche Hörgerät erhielt. In Betracht käme als maßgebliches Antragsdatum auch die Vorlage der Versorgungsanzeige (so
BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O.). Nach den vorliegenden Akten erfolgte hier indessen keine Versorgungsanzeige des
S. bei der Beklagten, dies wird auch weder von der Klägerin noch der Beklagten vorgetragen.
S. wandte sich erstmals am 10. September 2008 mit Kostenvoranschlag vom 9. September 2008 an die Beklagte. Ob die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits zur Versorgung mit den Hörgeräten BALANCE microBTE entschlossen war, kann dahingestellt bleiben. Denn auch wenn dem so gewesen wäre, kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, es sei vorher bei ihr kein Antrag gestellt worden.
S. traf nach § 4
Nr. 1 und 2 des Vertrags zur Komplettversorgung mit Hörsystemen die Pflicht nach Vorlage der Verordnung durch den Versicherten gegenüber der leistungspflichtigen Ersatzkasse eine Versorgungsanzeige zu erstatten. Wenn der Leistungserbringer - wie vorliegend
S. - dieser Pflicht nicht nachkommt, wirkt sich dies nicht zu Lasten des Versicherten aus. Dies fällt in die Sphäre der Beklagten, die sich ihrer leistungsrechtlichen Verantwortung durch sogenannte "Verträge zur Komplettversorgung" nahezu vollständig entzieht und dem Leistungserbringer quasi die Entscheidung darüber überlässt, ob dem Versicherten eine Teilhabeleistung (wenn auch nur zum Festbetrag) zu Teil wird. Damit erfüllt die Beklagte ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Einzelfallprüfung nach § 33
SGB V nicht und sie befolgt auch nicht die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 12
Abs. 1 und
§ 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Sie verweigert sich letztlich der Pflicht zur Antragsentgegennahme (§ 16 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB I)), wenn sie den Vorgang komplett in die Hände des Leistungserbringers gibt. Wenn der Leistungserbringer in diesem Fall seinen sich aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrag ergebenden Pflichten nicht nachkommt, kann die Beklagte dem Leistungserbringer gegenüber vorgehen, sie kann sich jedoch nicht dem Versicherten gegenüber darauf berufen, es sei bei ihr kein Antrag gestellt worden (
vgl. hierzu
BSG, Urteil vom 24. Januar 2013 - B 3 KR 5/12 R -, a.a.O.). Hinzu kommt, dass die Beklagte hinsichtlich der erfolgten Versorgung Unterlagen, wie sie in ihrem "Vertrag zur Komplettversorgung" mit den Hörgeräteakustikern vorgeschrieben sind, nicht vorlegen kann. Es existiert lediglich die hals-nasen-ohrenärztliche Verordnung, der Anpassbericht, der Kostenvoranschlag, die Rechnung, die ärztliche Bescheinigung des
Dr. R. und die Empfangsbestätigung der Klägerin sowie ein Datenauszug, der dies dokumentiert. Eine Überprüfung des Leistungsfalls durch den MDK erfolgte nicht. Im Übrigen ist die Klägerin mit den Hörgeräten BALANCE microBTE endgültig erst am 2. Oktober 2008 versorgt worden und hat sich diese damit an diesem Tag selbst beschafft. Erst zu diesem Zeitpunkt lag ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft zwischen der Klägerin und
S. als Leistungserbringer in Bezug auf diese Hörgeräte vor. Zuvor stellte
S. der Klägerin diese Hörgeräte lediglich zur Probe zur Verfügung. Die probeweise Überlassung eines Hörgeräts ist eine Auswahlentscheidung (
BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 a.a.O.). Am 2. Oktober 2008 lag bereits die über den Festbetrag hinausgehende Ablehnung der Beklagten vom 30. September 2008 vor. Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass dieser Bescheid innerhalb einer normalen Postlaufzeit der Klägerin zuging. Auf die Nichteinhaltung des Beschaffungsweges kann sich die Beklagte deshalb nicht berufen.
b) Rechtsgrundlage des primär verfolgten Leistungsanspruchs ist § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V. Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach
§ 34 Abs. 4 SGB V aus der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind. Demgemäß besteht nach § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V ein Anspruch auf Hörhilfen, die kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens und nicht nach § 34
Abs. 4
SGB V aus der Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen sind und weder der Krankenbehandlung noch der Vorbeugung einer Behinderung dienen, soweit sie im Rahmen des Notwendigen und Wirtschaftlichen (§ 12
Abs. 1
SGB V) für den von der Krankenkasse geschuldeten Behinderungsausgleich erforderlich sind (
BSG, Urteile vom 17. Dezember 2009 a.a.O. und 24. Januar 2013 a.a.O.).
Bei dem in § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V als 3. Variante genannten Zweck des Behinderungsausgleichs (
vgl. jetzt auch § 31
Abs. 1
Nr. 3
SGB IX) steht im Vordergrund, die ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktionen selbst auszugleichen (so genannter unmittelbarerer Behinderungsausgleich). Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (so genannter mittelbarer Behinderungsausgleich) (
z.B. BSG, Urteile vom 29. April 2010 -
B 3 KR 5/09 R -, 18. Mai 2011 -
B 3 KR 12/10 R -, beide in juris und Urteil vom 24. Januar 2013 a.a.O.). Im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs ist die Hilfsmittelversorgung grundsätzlich von dem Ziel eines vollständigen funktionellen Ausgleichs geleitet. Im Vordergrund steht dabei der unmittelbare Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion. Davon ist auszugehen, wenn das Hilfsmittel die Ausübung der beeinträchtigten Körperfunktion - hier das Hören - selbst ermöglicht, ersetzt oder erleichtert. Die Versorgung mit Hörgeräten dient dem unmittelbaren Behinderungsausgleich (
BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 a.a.O.). Für diesen unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts (§ 2
Abs. 1 Satz 3
SGB V). Dies dient in aller Regel ohne gesonderte weitere Prüfung der Befriedigung eines Grundbedürfnisses des täglichen Lebens im Sinne von § 31
Abs. 1
Nr. 3
SGB IX, weil die Erhaltung
bzw. Wiederherstellung einer Körperfunktion als solche schon ein Grundbedürfnis in diesem Sinne ist. Deshalb kann auch die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiter entwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen erreicht ist. Das Maß der notwendigen Versorgung würde deshalb verkannt, wenn die Krankenkassen ihren Versicherten Hörgeräte ungeachtet hörgerätetechnischer Verbesserungen nur "zur Verständigung beim Einzelgespräch unter direkter Ansprache" zur Verfügung stellen müssten. Teil des von den Krankenkassen nach § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V geschuldeten - möglichst vollständigen - Behinderungsausgleichs ist es vielmehr, hörbehinderten Menschen im Rahmen des Möglichen auch das Hören und Verstehen in größeren Räumen und bei störenden Umgebungsgeräuschen zu eröffnen und ihnen die dazu nach dem Stand der Hörgerätetechnik (§ 2
Abs. 1 Satz 3
SGB V) jeweils erforderlichen Geräte zur Verfügung zu stellen. Dies schließt je nach Notwendigkeit auch die Versorgung mit digitalen Hörgeräten ein (so
BSG, Urteile vom 17. Dezember 2009 und 24. Januar 2013 a.a.O.).
Beschränkter sind die Leistungspflichten der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn die Erhaltung
bzw. Wiederherstellung der beeinträchtigten Körperfunktion nicht oder nicht ausreichend möglich ist und deshalb Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten und indirekten Folgen der Behinderung benötigt werden (sogenannter mittelbarer Behinderungsausgleich). Dann sind die Krankenkassen nach ständiger Rechtsprechung des
BSG nur für einen Basisausgleich von Behinderungen eintrittspflichtig. Es geht nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (
vgl. § 1 SGB V sowie
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Nr. 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der gesetzlichen Krankenversicherung deshalb nur dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören nach ständiger Rechtsprechung des
BSG das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums. Für den Ausgleich darüber hinausreichender Behinderungsfolgen haben beim mittelbaren Behinderungsausgleich hingegen gegebenenfalls andere Sozialleistungssysteme Sorge zu tragen (
BSG, Urteile vom 17. Dezember 2009 und 24. Januar 2013 a.a.O.)
Dies gilt auch für Gebrauchsvorteile im Beruf. Auswirkungen bei der oder auf die Berufsausübung für die Hilfsmittelgewährung nach dem
SGB V sind grundsätzlich unbeachtlich. Für Leistungen der medizinischen Rehabilitation und demgemäß nach § 26
Abs. 2
Nr. 6
SGB IX auch für die Versorgung mit Hilfsmitteln sind die Krankenkassen nicht allein zuständig, sondern ebenso Rehabilitationsträger wie u.a. die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (
vgl. §§ 9
Abs. 1 Satz 1, 15
Abs. 1 Satz 1
SGB VI i.V.m. § 31
SGB IX) und die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (
vgl. § 31
Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VII]). Dies rechtfertigt die Leistungsbegrenzungen der gesetzlichen Krankenversicherung auf solche Hilfsmittel, mit denen die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder gemildert werden können und die damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffen. Ausschließlich berufliche und arbeitsplatzspezifische Gebrauchsvorteile sind für die Hilfsmittelversorgung nach dem
SGB V grundsätzlich unbeachtlich. Ist ein Versicherter für die Anforderungen des allgemeinen Alltagslebens ausreichend versorgt, kommt es auf etwaige zusätzliche Nutzungsvorteile im Erwerbsleben ohnehin nicht an. Umgekehrt kann ein Hilfsmittelanspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung nicht auf ausschließlich berufliche Nutzungsvorteile gestützt werden, wenn das Hilfsmittel ansonsten keine allgemeinen Grundbedürfnisse betrifft und seine Nutzung die Auswirkungen der Behinderung nicht im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert (
BSG, Urteile vom 17. Dezember 2009 und 24. Januar 2013 a.a.O.).
Begrenzt ist der so umrissene Anspruch auf eine Hilfsmittelversorgung nach § 33
SGB V durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12
Abs. 1
SGB V. Die Leistungen müssen danach "ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein" und dürfen "das Maß des Notwendigen nicht überschreiten"; Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Demzufolge verpflichtet auch § 33
Abs. 1 Satz 1
SGB V nicht dazu, den Versicherten jede gewünschte, von ihnen für optimal gehaltene Versorgung zur Verfügung zu stellen. Ausgeschlossen sind danach Ansprüche auf teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist; Mehrkosten sind andernfalls selbst zu tragen (§ 33
Abs. 1 Satz 5
SGB V). Eingeschlossen in den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung ist eine kostenaufwändige Versorgung dagegen dann, wenn durch sie eine Verbesserung bedingt ist, die einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber einer kostengünstigeren Alternative bietet. Keine Leistungspflicht besteht dagegen für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität betreffen, sondern in erster Linie die Bequemlichkeit und den Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels. Dasselbe gilt für lediglich ästhetische Vorteile. Desgleichen kann eine Leistungsbegrenzung zu erwägen sein, wenn die funktionalen Vorteile eines Hilfsmittels ausschließlich in bestimmten Lebensbereichen zum Tragen kommen. Weitere Grenzen der Leistungspflicht können schließlich berührt sein, wenn einer nur geringfügigen Verbesserung des Gebrauchsnutzens ein als unverhältnismäßig einzuschätzender Mehraufwand gegenübersteht (
BSG, Urteile vom 17. Dezember 2009 und 24. Januar 2013 a.a.O.,
m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen zur Versorgung Versicherter mit Hilfsmitteln zum Ausgleich von Behinderungen steht der Klägerin der Kostenerstattungsanspruch nach § 13
Abs. 3 Satz 1
SGB V zu.
Die Klägerin ist auf die Versorgung mit Hörgeräten angewiesen. Bei ihr besteht eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits. Dies ergibt sich aus der Verordnung des
Dr. R. vom 7. Juli 2008.
Der Senat vermag nicht festzustellen, dass die von der Klägerin selbst beschafften Hörgeräte BALANCE microBTE die Grenzen des Wirtschaftlichkeitsgebots überschreiten.
S. hat nach den vorgelegten Unterlagen keine anderen Geräte bei der Klägerin getestet. Es erfolgte keine vergleichende Anpassung. Nach der Stellungnahme der Hörgeräteakustikerin Schmidt vom 20. Juli 2009 hatte die Klägerin auch nicht die Möglichkeit Geräte verschiedener Hersteller zu testen, da
S. nicht branchenübliche Hörgeräte anbietet. Ob nur die von der Klägerin selbst beschafften Hörgeräte einen möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits - hier des Hörens - im Sinne des Gleichziehens mit einem gesunden Menschen gewährleisten, ist deshalb fraglich.
Dies kann jedoch nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Dass hier durch
S., der dem Vertrag zur Komplettversorgung mit Hörsystemen beigetreten war, keine vergleichende Anpassung, die § 3 des Vertrags zur Komplettversorgung mit Hörsystemen vorsieht, erfolgte, muss sich die Beklagte zurechnen lassen. Nach § 3 des Vertrags zur Komplettversorgung mit Hörsystemen erhält der Versicherte mindestens zwei eigenanteilsfreie Versorgungsangebote (= ohne Zuzahlung, ausgenommen der gesetzlichen Zuzahlung) mit analogen oder digitalen Hörgeräten der Produktgruppen 13.20.01, 13.20.02 und 13.20.03 entsprechend dem festgestellten Hörverlust einschließlich der erforderlichen Otoplastik. Dem kam
S. hier nicht nach. Nach den Unterlagen erfolgte keine vergleichende Anpassung. Wenn die Krankenkasse bei Vorlage der Unterlagen an sie, hier bei Übermittlung des Kostenvoranschlags vom 9. September 2008, erkennt, dass keine vergleichende Anpassung erfolgte und einem Versicherten von einem Hörgeräteakustiker nur ein Gerät angeboten wurde, das mit den Festbeträgen nicht abgedeckt ist, hat sie den Versicherten, insbesondere wenn ihr auch - wie hier mit Blick auf
S. - bekannt ist, dass
S. über keine branchenüblichen Geräte verfügt, gegebenenfalls auch in diesem Zeitpunkt noch darauf hinzuweisen und ihm die Alternativen aufzuzeigen, mit denen eine gleichwertige Versorgung mit Hörgeräten zu Festbeträgen erfolgen kann. Denn genau aus diesem Grund wird verlangt, dass sich die Versicherten zunächst an ihre Krankenkasse wenden. Unterlässt die Krankenkasse entsprechende Hinweise, kann sie sich nachträglich nicht darauf berufen, der Versicherte hätte mit einem anderen Hörgerät gleichwertig versorgt werden können. Die Festbetragsregelung enthebt die Krankenkassen nicht von ihrer Pflicht, im Rahmen der Sachleistungsverantwortung (§ 2
Abs. 1 Satz 1
SGB V) für die ausreichende Versorgung der Versicherten Sorge zu tragen. Hieraus können gesteigerte Obhuts- und Informationspflichten erwachsen, wenn vor allem bei anpassungsbedürftigen Hilfsmitteln der notwendige Überblick über die Marktlage, die auch durch ein hohes Maß an Intransparenz gekennzeichnet ist, und geeignete Angebote auch bei zumutbarer Anstrengung für Versicherte schwierig zu erlangen ist (
BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 a.a.O.).
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass die Hörgeräte BALANCE microBTE nur zur Berufsausübung notwendig sind. Der Nutzungsvorteil der Geräte mit dem Richtmikrofon mindert über einen etwaigen beruflichen Nutzen hinaus die Auswirkungen der Hörbehinderung der Klägerin im gesamten Alltagsleben. Der Vorteil der Richtmikrofontechnik dient auch nicht in erster Linie der Bequemlichkeit und dem Komfort und es stehen auch keine ästhetischen Vorteile im Vordergrund. Es handelt sich auch nicht um eine nur geringfügige Verbesserung des Gebrauchsnutzens.
c) Das Erstattungsbegehren der Klägerin ist in Höhe von
EUR 2.196,00 begründet. Hierbei handelt es sich um den Eigenanteil der Klägerin für die Hörgeräte BALANCE microBTE. Die Kosten der Versorgung mit den Hörgeräten BALANCE microBTE betrugen insgesamt
EUR 3.024,88 (zwei Hörgeräte à
EUR 1.519,28 und zwei Otoplastiken à
EUR 35,29 abzüglich des Abschlags für die binaurale Versorgung von
EUR 84,26). Hiervon abzuziehen sind die von der Klägerin zu leistende gesetzliche Zuzahlung von
EUR 20,00 (zweimal
EUR 10,00) sowie der gezahlte Festbetrag von
EUR 808,88.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.