Der Bescheid der Hauptfürsorgestelle vom 21.2.2001 und der nach § 79
Abs. 1
Nr. 1
VwGO maßgebliche Widerspruchsbescheid des Senators für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales vom 8.11.2001 sind rechtswidrig und aufzuheben (§ 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO), weil sie die Klägerin in ihrem Recht auf eine ( fehlerfreie) Ermessensentscheidung der Beklagten über die Gewährung einer Arbeitsassistenz verletzen. Das Gericht darf die Beklagte nur zur Neubescheidung verpflichten (§ 113
Abs. 5 Satz 2
VwGO), weil wegen des Ermessens- und des Bewertungsspielraums der Behörde keine Spruchreife hergestellt werden kann. Daher ist die weitergehende Klage abzuweisen.
Rechtsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Arbeitsassistenz ist für den streitgegenständlichen Zeitraum (1.1.2001 bis 31.12.2002) trotz der Einführung des
SGB IX und gleichzeitigen Aufhebung des
SchwbG zum 1.7.2001 nach wie vor § 31
Abs. 3a
SchwbG in der bis zum 30.6.2001 gültigen Fassung und nicht der (allerdings nahezu wortgleiche)
§ 102 Abs. 4 SGB IX. Dies folgt aus der Übergangsvorschrift des
Art. 67 des Gesetzes vom 19.6.2001 (BGBl. I
S. 1046), nach der auf Leistungen zur Teilhabe bis zum Ende der Leistungen die Vorschriften in der vor dem Tag des In-Kraft-Tretens des
SGB IX geltenden Fassung weiter anzuwenden sind, wenn insbesondere - wie vorliegend mit Bescheid vom 12.2.2001 - die Leistung vor diesem Tag zuerkannt worden ist (
Art. 67
Abs. 1
Nr. 2).
Gem. § 31
Abs. 3a Satz 1
SchwbG haben Schwerbehinderte im Rahmen der Zuständigkeit der Hauptfürsorgestelle ( jetzt: Integrationsamt) für die begleitende Hilfe im Arbeitsleben aus den ihr aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mitteln Anspruch auf Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz. Zum Erlass einer
Rechtsverordnung mit näheren Regelungen über die Voraussetzungen des Anspruchs sowie über Höhe und Dauer der Leistungen, zu der § 31
Abs. 3a Satz 2
SchwbG (jetzt:
§ 108 SGB IX) ermächtigt, ist es bislang nicht gekommen.
§ 17 Abs. 1a SchwbAV wiederholt lediglich den Wortlaut des § 31
Abs. 3a Satz 2
SchwbG.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass im Falle der Klägerin, die wegen ihrer hochgradigen Querschnittslähmung zur Teilhabe am Arbeits- und Berufsleben für die gesamte Arbeitszeit praktischer und begleitender Hilfe bedarf, die Voraussetzungen für eine notwendige, persönliche Arbeitsassistenz erfüllt sind. Die Arbeitsassistenz wird, woraufhin im Ausgangsbescheid zutreffend hingewiesen wird, für die Wahrnehmung auswärtiger Termine (Besuche bei Assistenznehmern, Behördentermine, Verhandlungen mit Kostenträgern, Teilnahme an Gerichtsterminen, Öffentlichkeitsarbeit
etc.) sowie für die Unterstützung bei der Verrichtung der täglichen Arbeiten im Büro aus behinderungsbedingten Gründen benötigt. Nur durch diese Hilfe wird es der Klägerin ermöglicht, die von ihr arbeitsrechtlich geschuldete Leistung als Geschäftsführerin der Assistenzgenossenschaft zu erbringen. Es wird von der Beklagten auch nach wie vor anerkannt, dass der Bedarf sich - wie bisher schon in den Jahren 1992 bis 2000 - auf täglich fünf Stunden realer Arbeitsunterstützung und 2,7 Stunden Bereitschaftszeit erstreckt....
Der Anspruch auf Kostenübernahme für die notwendige Arbeitsassistenz richtet sich nicht, wie zunächst von der Klägerin begehrt, auf Sach- sondern - wie sich aus dem Wortsinn des Terminus "Kostenübernahme" und der die ständige Verwaltungspraxis regelnden vorläufigen Richtlinien (Punkt 1.3) ergibt - auf Geldleistungen (
vgl. Hauck/Noltz,
SGB IX, 2003 § 108 Rn. 1,7; Schneider/Adlhoch, Arbeitsassistenz für Schwerbehinderte - Fachliche und juristische Aspekte, br 2001, 51).
Hieraus folgt nicht, wie offenbar die Klägerin meint und woraufhin auch die Auflage des Ausgangsbescheides hindeutet, nach der die Klägerin für die Einhaltung aller gesetzlichen Arbeitgeberpflichten im Verhältnis zur Arbeitsassistenz verantwortlich ist, dass die Klägerin selbst als Arbeitgeberin ihrer persönlichen Arbeitsassistenz auftreten muss. Es bleibt ihr vielmehr unbenommen, hiermit wie bisher die Assistenzgenossenschaft als Anbieter von Assistenzleistungen für Behinderte zu beauftragen und hierfür einen festen Stundensatz zu vereinbaren. Die Gewährung von Dienst- oder Sachleistungen seitens der Integrationsämter wäre im Bereich der Arbeitsassistenz nach dem Schwerbehindertenrecht auch kaum praktikabel, da - anders als im Bereich des § 69 b
Abs. 1 BSHG - keine Kostenvereinbarungen (
vgl. § 93 BSHG) mit den Anbietern von Assistenzleistungen bestehen.
Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin steht die Entscheidung über die Höhe der zu gewährenden Kostenübernahme im Ermessen der Beklagten. Dies ergibt sich zum einen aus dem Verweis in § 31
Abs. 3a Satz 1
SchwbG auf die dem Integrationsamt aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden (begrenzten) Mittel und zum anderen aus der Verordnungsermächtigung in § 31
Abs. 3a Satz 2
SchwbG. In dieser Ermächtigung wird deutlich, dass auch bei Vorliegen eines Anspruchs auf Arbeitsassistenz dem Grunde nach hinsichtlich der Höhe der zu gewährenden Kostenübernahme ein Spielraum besteht (
vgl. VG Hamburg, Urt. v. 9.7.2002 -
5 VG 3700/2001 - br 2002,
S. 218; Weyand/Schubert, Das neue Schwerbehindertenrecht, Rn. 245; Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter, NZA 2000, 1025; Schneider/Adlhoch, a.a.O.,
S. 55).
Da die Bundesregierung bisher keine
Rechtsverordnung über Dauer und Höhe der Leistungen erlassen hat, ist der eröffnete Ermessensspielraum von der Verwaltung auszufüllen und kann zur Verwaltungsvereinheitlichung in einer Verwaltungsanweisung wie den Vorläufigen Richtlinien vom 15.12.2000 näher geregelt werden.
Nicht zu beanstanden ist grundsätzlich auch die in den Vorläufigen Richtlinien in Punkt 4.1 enthaltene pauschalierte Staffelung der Förderung, nach der bei Vollzeitbeschäftigung und einem durchschnittlichen arbeitstäglichen Unterstützungsbedarf von mindestens drei Stunden ein monatliches Budget von bis zu 1023 Euro zur Verfügung gestellt wird. Die Begrenzung der Förderleistungen ist, wie ausgeführt, notwendige Folge der Gesetzesregelung, die Leistungen der Arbeitsassistenz den den Integrationsämtern zur Verfügung stehenden ( begrenzten) Mitteln der Ausgleichsabgabe zu entnehmen. Die Pauschalierung dient der Verwaltungsvereinfachung und ist insoweit, wie auch in anderen Rechtsgebieten (
z.B. § 67 BSHG, im
SGB III, im
SGB V und in der Kriegsopferfürsorge (
vgl. Schneider/Adlhoch, a.a.O.,
S. 59), im Bereich der Kostenübernahme nach § 31
Abs. 3a
SchwbG nicht zu beanstanden.
Besonderheiten des Einzelfalles, die
ggf. die Gewährung höherer Leistungen erfordern, ist durch die in Punkt 4.1 Satz 3 der Richtlinien enthaltene Möglichkeit zu angemessener Erhöhung des Budgets, insbesondere wenn neben dem eigentlichen Unterstützungsbedarf am Arbeitsplatz Bereitschaftszeiten der Assistenzkraft im Betrieb auch bei Ausschöpfen der vom Arbeitgeber bereitgestellten Unterstützungsmaßnahmen unvermeidlich und unabweisbar erforderlich sind, Rechnung getragen.
Zu beanstanden ist indes im vorliegenden Falle die im Zuge des hiernach der Beklagten obliegenden Ermessens getroffene Entscheidung, der Klägerin über das monatliche Budget von 2000 DM hinaus (lediglich) 800 DM als angemessene Erhöhung zuzubilligen. Weder der Ausgangs- noch der Widerspruchsbescheid lassen die Erwägungen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung geleitet habe, nachvollziehbar erkennbar werden. Die Entscheidungsfindung orientierte sich ganz offensichtlich nicht am gegenwärtigen Assistenzbedarf im besonderen Einzelfall der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer Arbeitsplatzsituation und ihres umfänglichen Unterstützungsbedarfs, sondern vielmehr an der Höhe des ihrem Arbeitgeber seit dem Jahre 1992 in Anwendung von § 31
Abs. 3
Nr. 2n
SchwbG gewährten Zuschusses für außergewöhnliche Belastungen, der der Höhe nach den der Klägerin für die Jahre 2001 und 2002 gewährten Leistungen i.H.v. 2800 DM entspricht. Ersichtlich ist weder, in welcher Weise die Behörde berücksichtigt hat, dass die Klägerin praktisch über ihren gesamten Arbeitstag hin ohne Unterbrechung einer Assistenz bedarf, noch dass ihr trotz der allgemeinen Teuerungsraten, die naturgemäß auch die Kosten für die Arbeitsassistenz erfasst haben, seit nunmehr zehn Jahren derselbe Förderungsbetrag zuteil wurde. Obgleich die auf Punkt 2.6 der Vorläufigen Richtlinien beruhende Erwägung der Behörde, nach der die Leistungen nach § 31
Abs. 3a
SchwbG in einem vertretbaren Verhältnis zum Einkommen des schwerbehinderten Arbeitnehmers stehen sollen, wegen des bei sozialrechtlichen Leistungen stets zu beachtenden Gebotes der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, lässt sie in ihren angefochtenen Entscheidungen doch nicht erkennen, warum lediglich die gewährten
ca. 1400 Euro noch in angemessener Relation zum (vergleichsweise hohen) Einkommen der Klägerin stehen.
Es fehlt diesbezüglich an einer Offenlegung der Ermessenserwägungen, die Vergleichsmaßstäbe benennen sowie
evtl. auf die anderen schwerbehinderten Arbeitnehmern nach § 31
Abs. 3a
SchwbG gewährte Leistungen und auf die dem Integrationsamt in Bremen aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung stehenden Mittel näher eingehen könnte.
Nach Punkt 4.1 der Vorläufigen Richtlinien können bereits bei einem Unterstützungsbedarf von drei Stunden (lediglich) bis zu 1023 Euro gewährt werden. Eine starre Handhabung dieser Regel, d.h. die grundsätzliche Begrenzung der Förderung einer Arbeitsassistenz auf einen bestimmten Höchstbetrag auch bei einem Unterstützungsbedarf von acht Stunden am Tag, erfordert zur Herstellung einer Einzelfallgerechtigkeit eine nachvollziehbare und transparente Ausübung der "Härtefallklausel" in Punkt 4.1, Satz 3, die erkennen lässt, welche Förderung bei welchen Arbeits- und Unterstützungsbedarfszeiten noch in angemessenem Verhältnis zu bestimmten Einkommenshöhen steht
bzw. warum dies im zu entscheidenden Fall nicht mehr der Fall ist.
Mangels Vorliegen von Spruchreife i.
S. von § 113
Abs. 5 Satz 1
VwGO ist die Behörde jedoch lediglich zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten. Eine sog. Ermessensreduzierung auf Null, nach der die Förderung der Arbeitsassistenz der Klägerin in einer bestimmten Höhe,
evtl. im Umfang des Hauptantrages, als einzig rechtmäßige Entscheidung erscheint, vermag das Gericht vorliegend nicht anzunehmen. Wie ausgeführt, ist eine Begrenzung der Förderung von Arbeitsassistenzen auch im Anwendungsbereich des § 31
Abs. 3a
SchwbG grundsätzlich möglich. Das Gericht ist nicht befugt, das der Behörde diesbezüglich obliegende Ermessen durch eigene Erwägungen zu ersetzen. Die Behörde wird bei ihrer Neubescheidung,
evtl. unter Heranziehen von Vergleichsfällen, zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin einen über den Normalfall wohl hinausgehenden arbeitstäglichen Unterstützungsbedarf hat. Da die Behörde dem Arbeitgeber der Klägerin bereits im Jahre 1992 eine Geldleistung in Höhe von 2800 DM als begleitende Hilfe im Arbeits- und Berufsleben gewährt hat, würde ein Beibelassen der bisherigen Förderungshöhe angesichts der unstreitigen Verteuerung der Assistenzleistungen eine nicht unwesentliche Verschlechterung der Förderung der Klägerin bedeuten, die sogar zu einem Arbeitsplatzverlust führen könnte. Die Klägerin weist zu Recht darauf hin, dass ein solches Ergebnis mit den Zielen der verstärkten Förderung der Integration von Schwerbehinderten in das Arbeitsleben kaum in Einklang zu bringen ist. Angesichts des recht hohen Verdienstes erscheint jedenfalls eine höhere Förderung als die bisher gewährten
ca. 1400 Euro nicht unverhältnismäßig und unangemessen.