Das Verfahren wird hinsichtlich des Klägers zu 1 eingestellt.
Auf die Berufung des Klägers zu 2 wird das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 3. März 2023 geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. August 2022 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. November 2022 sowie des Bewilligungsbescheids zugunsten des Beigeladenen vom 26. August 2022 verpflichtet, dem Kläger zu 2 gemäß seinem Antrag vom 25. März 2022 einen nicht rückzahlbaren Zuschuss auf Ausgabenbasis für 1,42 Vollzeitäquivalente zu bewilligen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1 und die Beklagte jeweils zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von staatlichen Zuschüssen für die Durchführung von Beratungsleistungen nach der auf Grundlage des § 32
SGB IX erlassenen „Verordnung zur Weiterführung der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung - Teilhabeberatungsvertrag - EUTBV -“. Die Bewilligung der Zuschüsse erfolgt durch die Beklagte als vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragtes und insoweit beliehenes Unternehmen. Nach der Verordnung werden Bundesmittel für die fraglichen Beratungsleistungen zur Verfügung gestellt, die mit Stellenanteilen auf die Bundesländer nach Bevölkerungsdichte und einem Flächenschlüssel aufgeteilt werden. In den Bundesländern selbst werden die den Ländern zugewiesenen Mittel nach denselben Maßstäben weiter auf die Regionen aufgeteilt. Vorliegend geht es um Beratungsleistungen im s... Landkreis L..., für den ein Stellenanteil im Umfang von 1,42 Vollzeitäquivalenten - VZÄ - vorgesehen sind. Ein VZÄ entspricht einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden.
Der Kläger zu 2 betreibt seit Februar 2018 eine Beratungsstelle im Landkreis L..., die bis zum 31. Dezember 2022 von der Beklagten nach der vor Inkrafttreten der EUTBV angewandten Förderrichtlinie zur Durchführung der „Ergänzenden unabhängigen Teilhaberberatung“ gefördert wurde. Seit dem 1. Januar 2023 betreibt er sie wegen des anhängigen Rechtsstreits auf eigene Kosten. Der Beigeladene hat seinen Sitz außerhalb des hier betroffenen Landkreises und betreibt an seinem Sitzort seit 2018 eine Beratungsstelle für ergänzende unabhängige Teilhabeberatung.
Mit Blick auf den Ablauf der Förderperiode für die
EUTB-Beratungsstelle im Landkreis L... beantragten sowohl die beiden Kläger als auch der Beigeladene die Bewilligung des EUTBV-Zuschusses zur Weiterführung
bzw. für die Einrichtung und den Betrieb der Beratungsstelle bei der Beklagten im Zeitraum ab 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2029. Der Kläger zu 2 ist Mitglied im Kläger zu 1. Der Kläger zu 2 soll nach den Erklärungen der Kläger perspektivisch aufgelöst und als Fachabteilung im Kläger zu 1 eingegliedert werden. Da die in den Blick genommen Eingliederung voraussichtlich im Laufe der beantragten Förderperiode geschehen soll, stellten beide Kläger jeweils identische Anträge, um zu erreichen, dass eine Eingliederung möglich werde, ohne dass es zu einem Trägerwechsel kommen müsse.
Dem auf Basis eines Stellenanteils von 1,27 VZÄ gestellten Antrag des Beigeladenen entsprach die Beklagte mit Bewilligungsbescheid vom 26. August 2022 und bewilligte insgesamt 661.509,61 Euro, verteilt auf den siebenjährigen Förderzeitraum.
Die auf Basis eines Stellenanteils von 1,42 VZÄ gestellten Anträge der Kläger lehnte die Beklagte mit jeweils gleichlautenden Bescheiden vom 29. August 2022 ab, in denen sie jeweils zur Begründung ausführte, für die beantragte Region habe ein regionales Überangebot im Sinne des
§ 3 Abs. 2 EUTBV bestanden, bei dem ein anderer Antragsteller das Auswahlkriterium gemäß den Vorgaben des
§ 9 Abs. 2 Nr. 1 EUTBV zur Umsetzung flächendeckender, wohnortnaher Angebote für wesentliche Teile des Umsetzungskonzepts besser erfülle. Die Kläger hätten lediglich einen Nebenstandort mit drei Sprechstunden pro Woche im Landkreis geplant, der Beigeladene plane für sein Beratungsangebot zwei Nebenstandorte mit Öffnungszeiten von je zehn Stunden pro Woche. Damit sei in höherem Maße zur Flächendeckung und Wohnortnähe des Beratungsangebots beigetragen. Die hiergegen eingelegten Widersprüche der Kläger wies die Beklagte mit jeweils gleichlautenden Widerspruchbescheiden vom 21.
bzw. 22. November 2022 zurück. Zur Begründung führte sie jeweils aus: Der von den Klägern erstmals im Widerspruchsverfahren konkret benannte weitere Nebenstandort in der Gemeinde R... habe nicht berücksichtigt werden können. Das in
§ 10 EUTBV geregelte Antragsverfahren sei durch klare Ausschlussfristen gekennzeichnet. Danach sei der Antrag auf Zuteilung bis zum 31. März des Kalenderjahres vor Beginn der jeweiligen Bewilligungsperiode unter Beifügung aller erforderlichen Unterlagen zu stellen.
Auf die am 29. November 2022 mit dem Ziel, den Bewilligungsbescheid an den Beigeladenen aufzuheben und den Klägern die begehrten Zuschüsse gemäß ihrer Anträge zu gewähren, erhobenen Verpflichtungsklage hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 3. März 2023 die an die Kläger gerichteten Bescheide der Beklagten in der Fassung ihrer Widerspruchsbescheide sowie den Bewilligungsbescheid der Beklagten zu Gunsten des Beigeladenen auf und verpflichtete die Beklagte, über die Anträge der Kläger einerseits und des Beigeladenen andererseits durch das Los zu entscheiden. Zur Begründung heißt es, die Beklagte habe zu Unrecht angenommen, das Beratungsangebot des Beigeladenen sei flächendeckender und wohnortnäher im Sinne des § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV und damit gegenüber dem der Kläger vorzugswürdig. Während die Kläger Beratungsstellen in beiden Städten des Landkreises unterhalten wollten, wolle der Beigeladene Beratungsstellen in der Kreisstadt und in einer nördlichen und der östlichsten Samtgemeinde des Landkreises betreiben. Dem stehe gegenüber, dass die Kläger die zur Verfügung stehenden 1,42 VZÄ voll ausschöpfen wollten, während der Beigeladene davon einen unterhalb des nach § 3
Abs. 4 Satz 1 EUTBV verteilbaren Rest von 0,15 VZÄ lassen wolle. Die unterschiedlichen Öffnungszeiten wirkten sich nicht aus, weil damit nichts über die Erreichbarkeit für Ratsuchende gesagt sei, da es zudem Terminsprechstunden geben werde. Weiter würden beide Konkurrenten jeweils aufsuchende Beratung anbieten, für die nach
§ 6 Nr. 3 EUTBV Sachausgaben gewährt werden könnten und § 83
SGB IX Leistungen zur Mobilität vorsehe. § 9
Abs. 2
Nr. 2 und
Nr. 3 EUTBV führten ebenfalls nicht zur Bevorzugung eines der Bewerber, weil sowohl die Kläger als auch der Beigeladene die Voraussetzungen gleichermaßen erfüllten. Unter diesen Umständen entscheide nach § 9
Abs. 3 EUTBV zwischen zwei oder mehreren Antragstellern gleichen Ranges das Los. Dabei sei hier nur von zwei Antragstellern, also zwei Losen auszugehen, denn die beiden Kläger hätten zwar eigenständige Anträge gestellt, stünden aber nicht in Konkurrenz zueinander.
Gegen dieses Urteil haben sowohl die Kläger als auch die Beklagte die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger zu 1 auf den Hinweis, dass nicht beide Kläger mit der Klage gleichzeitig durchdringen könnten, weil man die VZÄ nur einmal zuteilen könne, erklärt, an seinem Antrag nicht mehr festzuhalten. Die Beteiligten haben daraufhin das Verfahren hinsichtlich der Klage des Klägers zu 1 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Der verbliebene Kläger zu 2 macht zur Begründung seiner Berufung geltend: Der Antrag des Beigeladenen sei nicht berücksichtigungsfähig gewesen, weil er im Antragsformular als Hauptstandort keine Ortschaft im Landkreis, sondern die Stadt R... angegeben habe. Dies sei erst auf einen ausdrücklichen Hinweis der Beklagten nach Ablauf der Antragsfrist korrigiert worden. Bei dem von ihm selbst abgegebenen Antrag hätte der im Widerspruchsverfahren benannte Standort in R... berücksichtigt und das Beratungsangebot damit als flächendeckender als dasjenige des Beigeladenen eingeschätzt werden müssen. Es decke mit den drei Standorten L..., R... und R... die vollständige Nord-/Südachse des Landkreises ab, während der Beigeladene mit seinem Beratungsangebot lediglich den mittleren (L...), nördlichen (M...) und östlichen (G...), weniger dicht besiedelten Bereich des Landkreises abdecke. Nach § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV sei damit das Beratungsangebot des Klägers zu 2 vorzugswürdig. Dies gelte im Übrigen auch schon für sich genommen im Hinblick darauf, dass allein sein Angebot mit den vorgesehenen Stellenanteilen den regionalen Beratungsbedarf abdecke.
Der Kläger zu 2 beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte unter Abänderung ihres ablehnenden Bescheides vom 29. August 2022 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 21. November 2022 ihm gegenüber und unter Aufhebung des Bewilligungsbescheids der Beklagten vom 26. August 2022 an den Beigeladenen zu verpflichten, ihm eine Bewilligung (für 1,42 VZÄ) gemäß seines Antrags zu gewähren sowie die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
unter Zurückweisung der Berufung des Klägers das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. März 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte vor: § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV verpflichte sie zu einer Optimierungsentscheidung. Im Wege einer Bewertung mit Rangfolgenmethode sei jenen Angeboten der Vorzug zu geben, die die Kriterien der Wohnortnähe und Flächendeckung bestmöglich erfüllen. Das Kriterium der Erforderlichkeit des Beratungsangebots diene dem Ziel, Beratungsangebote zu schaffen, die möglichst flächendeckend und wohnortnah erreichbar seien. Es bezwecke damit eine Verteilungs- und Optimierungsentscheidung, mit der die regionale wie auch die lokale Verteilung der Beratungsangebote innerhalb der Länder und der Antragsregionen bestmöglich verwirklicht werden solle, um lokale Unterversorgungslagen oder Überangebote zu vermeiden. Wohnortnähe und Flächendeckung seien dabei miteinander abzuwägen und sich ergänzende Kriterien, nach denen Konkurrenzangebote vergleichend bewertet und in eine Rangfolge gesetzt würden. Erforderlichkeit bedeute, dass dasjenige von den geeigneten Mitteln auszuwählen sei, das die mit der Leistung verfolgten Zwecke am weitesten verwirkliche. Demnach müsse es eine möglichst hohe Zahl an Wohnorten geben, die sich in einer vergleichbar günstigen Entfernung
bzw. Fahrtzeit zum Beratungsstandort befänden. Die Zuteilung nach § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV werde durch die Deckelung und Verteilung der VZÄ nicht determiniert. Diese betreffe eine Ebene, die von der Beschränkung und regionalen Verteilung der VZÄ zu unterscheiden sei, nämlich die Frage, ob es dem Antragsteller gelinge, unter Einsatz des für seine Region beantragten Zuschusses ein Angebot bereitzustellen, das flächendeckend und wohnortnah ist. Es komme nicht darauf an, dass die VZÄ gedeckelt und regional verteilt worden seien, weil es anderenfalls keiner Zuteilung nach § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV mehr bedürfe. Zum anderen könne auch nicht entscheidend sein, ob der Antragsteller das für seine Region vorgesehene Maximum an VZÄ ausschöpfe. Denn dann hätte § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV keinen Anwendungsbereich in der Vielzahl von Fällen, in denen mehrere Antragsteller das Maximum an VZÄ beantragten. Weiter stehe der Beklagten bei der Anwendung der Zuteilungskriterien des § 9
Abs. 2 EUTBV ein Beurteilungsspielraum zu, der in
§ 32 Abs. 7 Satz 4 SGB IX mit der Ermächtigung, die
Rechtsverordnung „auszugestalten“, normativ verankert sei und im Übrigen aus den Funktionsgrenzen der Rechtsprechung bei der rechtlichen Würdigung der Zuteilungsentscheidung nach § 9
Abs. 2 EUTBV folge. Dies ergebe sich auch aus § 9
Abs. 1 EUTBV, wonach in den dort geregelten Fällen kein Anspruch auf den Zuschuss nach § 3
Abs. 1 EUTBV bestehe, sondern lediglich ein Anspruch auf Teilnahme am Zuteilungsverfahren. Daraus lasse sich schließen, dass die Behörde bei der Auswahl zwischen den im Zuteilungsverfahren beteiligten Antragstellern einen Beurteilungsspielraum habe und lediglich die ordnungsgemäße, rechtmäßige Beteiligung am Verfahren nachprüfbar sei. Dies ergebe sich weiter aus dem Wortlaut und der Binnensystematik des § 9
Abs. 2 EUTBV. Die Normierung von wertungs- und prognoseabhängigen Zuteilungskriterien wie Wohnortnähe und Flächendeckung oder Angemessenheit der Personalausstattung lasse erkennen, dass der Auswahlbehörde ein Entscheidungskorridor überlassen werden sollte, um deren Handeln zu flexibilisieren und die Normziele der Verordnung im Einzelfall bestmöglich umzusetzen. Ein Beurteilungsspielraum sei auch in den vergleichbaren Fällen der Bewertung von Zulassungskriterien für Marktzulassungen nach den einschlägigen Gemeindeordnungen oder nach § 70 GewO, aber auch für die Beurteilung von Vergabekriterien im Rahmen von Vergabekammerentscheidungen anerkannt. Auch § 9
Abs. 2 EUTBV sei durch prognostische und subjektiv wertende Tatbestandsmerkmale geprägt, deren justizförmige Überprüfung keine bessere Richtigkeitsgewähr verspreche als jene der Beklagten. Es hänge von einer Vielzahl tatsächlicher und planerischer Verhältnisse ab, u.a. der Siedlungs- und Einwohnerverteilung, ob eine Flächendeckung und/oder Wohnortnähe eines Beratungsangebots gegeben sei. Die Frage, ob die Personalausstattung des betreffenden Beratungsangebots angemessen sei, sei ebenfalls wertungsabhängig und könne durch ein Gericht nicht besser überprüft werden als durch die sachnähere Auswahlbehörde, so dass sich die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung allein auf die Kontrolle von Beurteilungsfehlern beschränke. Danach sei die Auswahlentscheidung rechtmäßig und beurteilungsfehlerfrei. Die Beklagte habe sich bewusst und zutreffend dafür entschieden, die Zuteilung der Beratungsangebote nach Wohnortnähe und Flächendeckung und nach der Zahl sowie den Öffnungszeiten der Nebenstandorte zu bemessen. Die Beklagte habe die Anträge der Kläger und des Beigeladenen einer vergleichenden Bewertung hinsichtlich der Kriterien des § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV unterzogen und hierbei das Beratungsangebot des Beigeladenen als „erforderlicher“ bewertet, da es durch die Wahl von zwei Nebenstandorten eine größere Fläche im Landkreis abdecke, in der Summe mehr Einwohner als der Mitbewerber erreiche sowie durch längere wöchentliche Öffnungszeiten in den Standorten eine flexiblere Verfügbarkeit für Ratsuchende darstelle. Die Zuteilungsentscheidung der Beklagten sei auch losgelöst vom Bestehen eines Beurteilungsspielraums rechtmäßig. Dem Beigeladenen sei nach § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV Vorrang gegenüber dem Kläger zu 2 einzuräumen, denn er decke mit dem Hauptstandort L... und den Nebenstandorten M... und G... in jeder Ausdehnung des Landkreises eine höhere Zahl von Wohnorten bei einer gleichmäßigeren Abdeckung ab als der Kläger zu 2 mit seinem Hauptstandort in L... und dem Nebenstandort in R....
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und ebenso wie die vom Senat eingeführte Bevölkerungsstatistik des Landkreises L... Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
I. Hinsichtlich des Klägers zu 1 war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92
Abs. 3
VwGO einzustellen, nachdem die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich dessen Klage in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist insoweit wirkungslos (§ 173 Satz 1
VwGO in Verbindung mit § 269
Abs. 3 Satz 1
ZPO analog).
II. Die zulässige Berufung des Klägers zu 2 [im Folgenden: Kläger] ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat seinem Begehren zu Unrecht nicht entsprochen. Er hat einen Anspruch auf Bewilligung der begehrten Zuschüsse zur Durchführung der Beratung im Sinne der Verordnung zur Weiterführung der Ergänzenden unabhängigen Teilhaberberatung - Teilhabeberatungsverordnung - EUTBV - vom 14. Juni 2021 (BGBl. I 1976) im Zeitraum ab 1. Januar 2023 gegenüber der Beklagten (§ 113
Abs. 5 Satz 1
VwGO), ohne sich auf ein Losverfahren verweisen lassen zu müssen.
1. Dass sowohl der Kläger als auch der Beigeladene die Bewilligungsvoraussetzungen dem Grunde nach erfüllen, weil beide antragsberechtigt, zuverlässig und fachlich geeignet sind und ihre Angebote die inhaltlichen Voraussetzungen gewährleisten (
vgl. §§ 7 und 8 EUTBV), ist zwischen den Beteiligten unstreitig und von der Beklagten in den Bescheiden gegenüber dem Kläger ausdrücklich festgehalten. Der Senat sieht keinen Anlass, diese Annahmen in Zweifel zu ziehen.
2. Vor diesem Hintergrund hängt der Anspruch des Klägers von dem in § 9 EUTBV vorgesehenen Zuteilungsverfahren ab. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift tritt an die Stelle des Anspruchs nach § 3
Abs. 1 EUTBV ein Anspruch der Antragsteller auf Teilnahme an einem Zuteilungsverfahren, wenn durch die Bewilligung ein regionales Überangebot entstehen würde. Ein Überangebot ist dann anzunehmen, wenn die für die fragliche Region zur Verfügung stehenden Vollzeitäquivalente überschritten werden. Das ergibt sich zum einen aus der Binnensystematik der Norm, die als weiteren, ein Zuteilungsverfahren erfordernden Fall nennt, dass bezogen auf das Gebiet eines Landes mehr Antragsteller die Voraussetzungen für die Gewährung des Zuschusses nach
§ 8 EUTBV als für das Land Vollzeitäquivalente nach § 3
Abs. 2 EUTBV vorgesehen sind erfüllen. Zum anderen folgt es aus der Begründung der Verordnung, in der es heißt: „Soweit in einem Land oder einer Region mehrere geeignete Anträge vorliegen und dadurch die Anzahl der jeweiligen zur Verfügung stehenden Vollzeitäquivalente überschritten wird, nehmen die Antragsteller an einem Zuteilungsverfahren teil“ (
S. 22 der Begründung, über https://www.gsub.de/fileadmin/user_upload/EUTBV_Begruendung_barrierefrei.
pdf abrufbar).
Für den Landkreis L... sind nach der von der Beklagten veröffentlichten Übersicht 1,42 Vollzeitäquivalente vorgesehen (abrufbar über https://www.gsub.de/fileadmin/user_upload/UEbersicht_der_Regionen_und_Stellenanteile_barrierefrei.
pdf). Da das Angebot der Kläger 1,42 VZÄ und das des Beigeladenen 1,27 VZÄ umfasst, würde die Anzahl der zur Verfügung stehenden VZÄ überschritten und es entstünde ein regionales Überangebot, würden sowohl dem Kläger als auch dem Beigeladenen die streitigen Zuschüsse gewährt. Damit erfolgt die Verteilung des Zuschusses auf die Antragsteller in der Rangfolge des Vorliegens der in § 9
Abs. 2
Nr. 1 bis
Nr. 3 EUTBV genannten Kriterien.
a) Nach § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV ist abzustellen auf die „Erforderlichkeit des Beratungsangebots zur Umsetzung eines flächendeckenden, wohnortnahen Angebots“.
Der Vorschrift lässt sich die Zielsetzung entnehmen, ein flächendeckendes Angebot mit wohnortnaher Erreichbarkeit sicherzustellen. Welches Beratungsangebot zur Umsetzung dieses Ziels „erforderlich“ ist, richtet sich nach den für die fragliche Region, hier den Landkreis L..., vorgesehenen Stellenanteilen, die in der Verordnung mit Vollzeitäquivalenten ausgewiesen sind. Das folgt aus dem systematischen Zusammenhang der Verordnungsregelungen sowie deren Sinn und Zweck.
Gemäß § 3
Abs. 2 EUTBV werden die vom Bund finanzierten Stellenanteile von insgesamt 610 Vollzeitäquivalenten auf die einzelnen Bundesländer kalkulatorisch nach Einwohnerzahl und unter Berücksichtigung eines Flächenschlüssels aufgeteilt. Hierdurch wird sichergestellt, dass die zur Verfügung stehenden Mittel bedarfsgerecht auf die Länder verteilt werden, so dass eine bundesweit einheitliche Struktur von gleichwertigen Beratungsangeboten zur Verfügung steht (Begründung der Verordnung zu § 3
Abs. 2,
S. 15). Die danach für die einzelnen Bundesländer vorgesehenen Stellenanteile werden jeweils auf die Regionen aufgeteilt.
Aus dem Vorstehenden folgt, dass nach der Vorstellung des Verordnungsgebers für die Deckung des Beratungsbedarfs in einem Bundesland
bzw. einer Region ein Beratungsangebot erreicht werden soll, das den insoweit vorgesehenen Stellenanteilen entspricht. Bleibt das Beratungsangebot dahinter zurück, liegt danach eine (regionale) Unterversorgung vor, übersteigt sie diese, ein (regionales) Überangebot. Dies spiegelt auch § 3
Abs. 3 EUTBV wider. Nach dessen Satz 1 wird ein Zuschuss nicht gewährt, wenn dadurch ein regionales Überangebot entsteht. Nach dessen Satz 2 liegt ein regionales Überangebot vor, wenn der für das Land errechnete Referenzwert pro zu bewilligendem Vollzeitäquivalent die Einwohnerzahl des betreffenden Landkreises, der betreffenden kreisfreien Stadt oder des Bezirks der Stadtstaaten pro zu bewilligendem Vollzeitäquivalent überschreitet. Bereits daraus lässt sich die Annahme des Verordnungsgebers folgern, ein Beratungsangebot sei zur Umsetzung eines flächendeckenden wohnortnahen Angebots erforderlich, wenn es den für die betreffende Region vorgesehenen Stellenanteilen entspricht. Die Verknüpfung der Regelung in § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV und den für die Beratung in den einzelnen Regionen vorgesehenen Stellenanteilen stellt der Verordnungsgeber überdies selbst her. In der Verordnungsbegründung zu § 9
Abs. 2
Nr. 1 wird ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass eine lokale Unterversorgung oder ein Überangebot vermieden werden soll (
S. 22). Das Ziel, eine Unterversorgung zu vermeiden, zeigt sich weiter in
§ 1 Abs. 3 EUTBV, wonach auch Leistungserbringer ausnahmsweise für Zuschüsse zu berücksichtigen sind, wenn dies für eine ausreichende Abdeckung an regionalen Beratungsangeboten erforderlich ist und sie nachweisen, dass die Beratungsangebote organisatorisch, finanziell und wirtschaftlich unabhängig durchgeführt werden.
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist das Angebot des Klägers vorzugswürdig gegenüber demjenigen des Beigeladenen. Denn das Angebot des Beigeladenen beschränkt sich auf Stellenanteile von 1,27 VZÄ und führt damit zu einer lokalen Unterversorgung.
Dabei lässt der Senat offen, ob dies auch in Fällen anzunehmen wäre, in denen ein Angebot nur mit unwesentlichen Stellenanteilen hinter den insoweit zur Deckung des Beratungsbedarfs ausgewiesenen Vollzeitäquivalenten zurückbleibt. Jedenfalls im vorliegenden Verfahren, bei dem die Unterversorgung mit 0,15 VZÄ Beratungsstunden einem Umfang von 5,85 Stunden wöchentlich entspricht, erweist sich dieser Gesichtspunkt bereits für sich genommen als ausschlaggebend (
vgl. die „Übersicht vakanter Stellenanteile in den Regionen“, https://www.gsub.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Projekte/
EUTB/Liste_vakanter_Regionen_Stand_21.12.2023.
pdf).
b) Diese Einschätzung wird durch den Vortrag der Beklagten nicht durchgreifend in Frage gestellt.
Der Einwand, das Merkmal der Erforderlichkeit sei ein „relationaler Rechtsbegriff“, der beinhalte, dass mehrere Mittel zur Zielerreichung miteinander verglichen werden müssten, indem dasjenige von den geeigneten Mitteln auszuwählen sei, dass die mit der Leistung verfolgten Zwecke am weitesten verwirkliche, lässt den Zusammenhang zu den Stellenanteilen und deren Bedeutung für die Umsetzung eines flächendeckenden und wohnortnahen Angebots unberücksichtigt. Der Hinweis, nach § 9
Abs. 2 EUTBV erfolge die Verteilung des Zuschusses auf die Antragsteller in der „Rangfolge des Vorliegens“ der in Nummer 1 bis Nummer 3 genannten Kriterien, die Vorgabe einer Rangbildung beziehe sich allerdings nicht nur auf die Kriterien der Nummern 1 bis 3 der Norm untereinander, sondern gelte auch innerhalb der einzelnen Kriterien, führt nicht weiter. Welche „Rangfolge“ zwischen den Kriterien der Wohnortnähe, der Flächendeckung und der „Erforderlichkeit“ gelten soll, erschließt sich daraus nicht. Mit dem Argument will die Beklagte letztlich ihre Auffassung stützen, es sei eine wertende Betrachtung der in der Norm aufgeführten Merkmale vorzunehmen. Dies lässt sich aus dem Gesichtspunkt der „Rangbildung“ allerdings nicht herleiten.
Soweit die Beklagte geltend macht, die Deckelung der gesamten Summe des Zuschusses pro VZÄ und deren auf Einwohnerzahlen basierte kalkulatorische Aufteilung erfolge allein aus haushaltsrechtlichen Gründen und trage damit dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz Rechnung, die Zuteilung nach § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV werde durch die Deckelung und Verteilung der Stellenanteile jedoch nicht determiniert, stellt dies die vorstehenden Erwägungen nicht in Frage. Zwar trifft es zu, dass die Beschränkung der Vollzeitäquivalente aus haushaltsrechtlichen Gründen für erforderlich erachtet wird, weil die hierfür zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel begrenzt sind und der Rechtsanspruch demzufolge unter den Vorbehalt ihrer Verfügbarkeit gestellt werden muss (
vgl. die Verordnungsbegründung zu § 3
Abs. 1,
S. 15 sowie BT-Drucks. 18/9522,
S. 247 zu § 32
Abs. 5). Das schließt jedoch nicht die bereits dargelegte Annahme des Verordnungsgebers aus, dass die bereitgestellten Mittel den vorhandenen Beratungsbedarf abdecken und gemessen daran weder eine lokale Unterversorgung noch ein Überangebot entstehen soll. Ebenso wenig überzeugt der weitere in diesem Zusammenhang gebrachte Einwand, es könne nicht darauf ankommen, dass die Stellenanteile gedeckelt und regional verteilt worden seien, weil es anderenfalls keiner Zuteilung nach § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV mehr bedürfe und es zum anderen auch nicht entscheidend sein könne, ob der Antragsteller das für seine Region vorgesehene Maximum an Stellenanteilen ausschöpfe, weil dann § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV keinen Anwendungsbereich in der Vielzahl von Fällen habe, in denen mehrere Antragsteller das Maximum an Stellenanteilen beantragten. Es besteht kein Zusammenhang zwischen der Deckelung und regionalen Verteilung der Stellenanteile und den Kriterien des § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV. Ein eigener Anwendungsbereich verbleibt § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV im Übrigen ohne Weiteres in Fällen, in denen - wie hier - ein Antragsteller kein die Stellenanteile ausschöpfendes Beratungsangebot abgibt. Im Übrigen ist der Beklagten entgegenzuhalten, dass für die Fälle, in denen eine Zuteilung nicht schon nach § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV erfolgen kann, eine Zuteilung anhand der Nummern 2 und 3 der Vorschrift erfolgt und bei Gleichrang das Losverfahren nach § 9
Abs. 3 EUTBV vorgesehen ist.
c) Ungeachtet der Vorzugswürdigkeit des Beratungsangebots des Klägers aufgrund der den Beratungsbedarf des Landkreises abdeckenden Stellenanteile erweist sich dessen Angebot auch dann als gegenüber demjenigen des Beigeladenen vorzugswürdig, wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV ein Optimierungsgebot in dem Sinne enthält, dass stets eine wertende Betrachtung der einzelnen Merkmale zu erfolgen hat. Das Angebot des Klägers ist nicht nur hinsichtlich der bereits dargelegten Ausschöpfung der für den Landkreis vorgesehenen Stellenanteile „erforderlicher“, sondern auch hinsichtlich des Kriteriums der Wohnortnähe. Die Berücksichtigung der in § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV genannten Flächendeckung und der von der Beklagten herangezogenen Öffnungszeiten führt zu keiner abweichenden Einschätzung. Hierzu im Einzelnen:
aa) Das Merkmal „Wohnortnähe“ im Sinne des § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV zielt darauf ab, für einen möglichst großen Anteil der Bevölkerung des Landkreises ein nahe am Wohnort gelegenes und damit niedrigschwelliges Beratungsangebot zu gewährleisten. Diese Vorgabe erfüllt das Beratungsangebot des Klägers in größerem Maße als das des Beigeladenen. Das ergibt sich aus der Anzahl der Einwohner der jeweiligen Standorte. Dabei kann die Stadt L... außer Betracht bleiben, da beide Beteiligte angeben, dort ihren Hauptstandort betreiben zu wollen. In den von dem Beigeladenen beabsichtigten Nebenstandorten in den Samtgemeinden M... und G... waren nach dem Einwohnermelderegister des Landkreises am 30. September 2023 9.063
bzw. 17.099, insgesamt also 26.162 Einwohner gemeldet. Der von dem Kläger benannte Nebenstandort in der Stadt R... hat zwar nur 11.575 Einwohner. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Kläger beabsichtigt, einen weiteren Standort in der Gemeinde R... zu eröffnen, die zur Samtgemeinde U... mit 25.007 Einwohnern (Stand: 30. September 2023) gehört. Das Angebot des Klägers erfüllt damit das Kriterium „Wohnortnähe“ bei seinen Nebenstandorten für insgesamt 36.582 Einwohner. Dem kann nicht entgegengehalten werden, der von dem Kläger erstmals im Widerspruchsverfahren konkret benannte Nebenstandort in der Gemeinde R... sei nicht berücksichtigungsfähig. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten ist rechtsirrig.
Das in § 10
Abs. 1 und
Abs. 3 EUTBV geregelte Verfahren und die darin vorgesehenen Antragsfristen stehen einer Ergänzung und Konkretisierung der fristgerecht eingereichten Antragsunterlagen nicht entgegen. § 10 EUTBV stellt für die von der Beklagten insoweit angenommene Präklusion keine hinreichende Grundlage dar. In der Praxis des Gesetzgebers wird das Ziel einer Präklusion tatsächlichen Vorbringens regelmäßig durch entsprechend klare und eindeutige Formulierungen zum Ausdruck gebracht (
vgl. etwa die Präklusionsregelungen in § 87a
Abs. 3
VwGO, § 160 GWB, § 51
Abs. 2 VwVfG, § 238
Abs. 2 FamFG). Es darf deshalb angenommen werden, dass sich eine vom Verordnungsgeber beabsichtigte Präklusion im Wortlaut der Verfahrensvorschriften der Verordnung in einer entsprechend klaren und eindeutigen Weise niedergeschlagen hätte. Schon daran fehlt es vorliegend.
Nach Absatz 1 Satz 3 der Vorschrift sind dem schriftlich zu stellenden Antrag alle erforderlichen Angaben beizufügen, insbesondere eine Übersicht zu den Personal- und Sachausgaben nach den §§ 5 und 6. Ungeachtet des Regelungsgehalts dieser Vorschrift im Einzelnen schließt sie weder ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck aus, dass Antragsteller im Laufe des Verfahrens jedenfalls ergänzende Angaben machen oder bereits gemachte Angaben konkretisieren oder die Beklagte diese im Bedarfsfall von ihm nachfordert. Im Gegenteil wird in der Verordnungsbegründung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die zuständige Stelle „ergänzende Angaben vom Antragsteller nachfordern“ könne (zu § 10
Abs. 1,
S. 23). In dieselbe Richtung weist
§ 11 Abs. 1 Satz 2 EUTBV, wonach der Zuschuss unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden kann, wenn „eine abschließende Beurteilung des Antrags noch nicht möglich“ ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 10
Abs. 3 Satz 1 EUTBV, wonach der Antrag auf Zuteilung bis zum 31. März des Kalenderjahres vor Beginn der jeweiligen Bewilligungsperiode zu stellen ist. Die Vorschrift normiert ein Ausschlussdatum für die Antragstellung. Dass die darin gemachten Angaben nicht
ggf. ergänzt oder konkretisiert werden können, lässt sich weder der Vorschrift selbst noch der Begründung des Verordnungsgebers entnehmen. Dort heißt es zu § 10
Abs. 3: „Insbesondere zur Durchführung des Verfahrens nach § 9 ist es erforderlich, dass die Anträge an einem bestimmten Stichtag vorliegen. Verspätete Anträge können daher nicht berücksichtigt werden“ (
S. 23).
Die Benennung des Nebenstandorts in R... ist lediglich eine ergänzende
bzw. konkretisierende Angabe im vorgenannten Sinne. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in seinem Antrag unter Ziffer 6 des Antragsformulars, in dem die wesentlichen Inhalte und Meilensteine des geplanten Beratungsangebots dargestellt werden sollten, als „Meilenstein 3“ ausgeführt hat:
„Ausbau der Standorte zur Beratung, die Bevölkerung im Landkreis benötigt zur niederschwelligen Nutzung von Beratungsangeboten der
EUTB mindestens einen weiteren Standort, die Corona-Krise hat gezeigt, dass Online-Angebote zwar genutzt werden und ein allgemeiner Abbau der Hemmschwellen stattgefunden hat, doch auch im Interesse des Datenschutzes und der sehr wichtigen Niederschwelligkeit erscheint die persönliche Beratung nach wie vor das erfolgreichste Instrument der
EUTB-Beratung zu sein“.
Damit hat der Kläger die Absicht bekundet, neben den ausdrücklich benannten Standorten in L... und R... (mindestens) einen weiteren Standort zu planen. Diese Planung hat er im Widerspruchsverfahren mit Nennung der Gemeinde R... rechtzeitig bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens konkretisiert.
bb) Damit erweist sich zugleich, dass die Annahme der Beklagten, das Ziel einer Flächendeckung gewährleiste das Beratungsangebot des Beigeladenen in größerem Maße als das des Klägers, unzutreffend ist. Vielmehr ist bei beiden Beteiligten von einem Hauptstandort in L... sowie zwei Nebenstandorten auszugehen. Dass vor diesem Hintergrund eines der Beratungsangebote flächendeckender wäre als andere, lässt sich nicht feststellen. Der Beigeladene beabsichtigt Standorte im Zentrum (L...), im Norden (M...) und im Osten (G...) des Landkreises, der Kläger im Zentrum (L...), im Norden (R...) und im Süden (R...).
cc) Hinsichtlich der beabsichtigten Öffnungszeiten der Beratungsstellen ist schon fraglich, ob die Beklagte hierauf maßgeblich abstellen durfte, zumal die Öffnungszeiten keines der in § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV benannten Kriterien ist. Dafür könnte sprechen, dass offene Sprechstunden der Beratungsstellen das in § 1
Abs. 1 Satz 1 EUTBV zum Ausdruck kommende Ziel eines niedrigschwelligen Beratungsangebots fördern können. Die Frage kann aber letztlich offenbleiben, weil selbst eine Berücksichtigung der Öffnungszeiten ohne Einfluss auf das Ergebnis der Entscheidung bliebe.
Im Hinblick auf die Erreichbarkeit des Beratungsangebots erweist sich weder das des Beigeladenen noch das des Klägers als eindeutig vorzugswürdig. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Öffnungszeiten der Beratungsstellen nur eine Facette des Beratungsangebots darstellen. Daneben werden Terminsprechstunden angeboten, die sowohl in Form einer persönlichen Beratung in der Beratungsstelle als auch als Hausbesuch, per Mail, telefonisch, postalisch oder online möglich sind. Bei der danach gebotenen Gesamtbetrachtung ist das Beratungsangebot des Beigeladenen trotz der längeren Öffnungszeiten schon deswegen nicht vorzugswürdig, weil er Terminsprechstunden an den einzelnen Standorten nur an bestimmten Wochentagen zu bestimmten Uhrzeiten, im Wesentlichen außerhalb der offenen Sprechstunden anbieten will, während der Kläger Terminsprechstunden auch zusätzlich zu den Öffnungszeiten und zudem während der ganzen Woche ohne zeitliche Beschränkung beabsichtigt.
d) Gegen die Einschätzung des Senats lässt sich nicht einwenden, der Beklagten stehe bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Auffassung der Beklagten überzeugt nicht.
Dass der Gesetzgeber in
§ 32 Abs. 7 Satz 4 SGB IX dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Verordnungsermächtigung erteilt hat und dies mit einer Ausgestaltungsbefugnis der Exekutive in den Grenzen des Artikels 80
Abs. 1 Satz 2
GG verbunden sein mag, führt nicht dazu, dass Dritte, wie hier die Beklagte, denen das Bundesministerium die Umsetzung der
EUTB gemäß § 32
Abs. 7 Satz 2
SGB IX übertragen hat, eine „Ausgestaltungsbefugnis“ bei der Anwendung der
Rechtsverordnung haben. Mit § 32
SGB IX lässt sich ein Beurteilungsspielraum - anders als die Beklagte meint - daher schwerlich begründen. Ein Beurteilungsspielraum lässt sich auch nicht aus der „Binnensystematik“ des § 9
Abs. 2 EUTBV herleiten. Die von der Beklagten hierfür angeführten Kriterien wie „Wohnortnähe“, „Flächendeckung“ und „Angemessenheit der Personalausstattung“ lassen für sich genommen nicht erkennen, dass der Auswahlbehörde ein „Entscheidungskorridor“ überlassen werden sollte. Vielmehr handelt es sich um auslegungsbedürftige unbestimmte Rechtsbegriffe, die sich im Rahmen des üblichen und - im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Artikels 19
Abs. 4 Satz 1
GG notwendigerweise grundsätzlich - uneingeschränkten Prüfprogramms der Verwaltungsgerichte bewegen.
Ebenso wenig besteht ein Beurteilungsspielraum aufgrund der „Eigenart der Zuteilungsentscheidung des § 9
Abs. 2 EUTBV“. Die Beklagte legt zwar zutreffend dar, dass die Anerkennung von Beurteilungsspielräumen in Betracht kommt, wenn eine weitergehende gerichtliche Kontrolle zweifelsfrei an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stieße. Das ist hier jedoch nicht anzunehmen. Die Tatbestandsmerkmale der Norm und der hieran anknüpfende Subsumtionsvorgang werden nicht durch prognostische und subjektiv wertende Elemente geprägt, hinsichtlich deren Beurteilung der Beklagten ein uneinholbarer Erkenntnisvorsprung zukommt. Die Zuteilungsentscheidung anhand des § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV ist auch nicht mit einer der in der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen für Beurteilungsermächtigungen vergleichbar. Es entscheidet kein besonders zusammengesetztes Gremium, das über einen (kollektiven) Sachverstand verfügt, über den das Gericht nicht verfügt. Ebenso wenig erfordert die Zuteilungsentscheidung „prüfungsspezifische Wertungen“. Sie enthält keine fachlich bedingten Einschätzungsspielräume, wie etwa bei pädagogischen oder jugendhilferechtlichen Maßnahmen (
vgl. zu den Fallgruppen: Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 10. Auflage 2023, § 40 Rn. 175
ff.). Die Auslegung und Anwendung der Merkmale des § 9
Abs. 2
Nr. 1 EUTBV bewegt sich vielmehr innerhalb des bei unbestimmten Rechtsbegriffen üblichen Rahmens. Dies illustriert im Übrigen die Art und Weise, wie die Beklagte ihre Auswahlentscheidung vorliegend getroffen und begründet hat. Eine wie auch immer geartete Komplexität oder Wertung, die an die Grenzen gerichtlicher Nachprüfbarkeit stieße, ist danach nicht ersichtlich.
3. Der damit dem Grunde nach bestehende Anspruch des Klägers auf den begehrten Zuschuss ist auch spruchreif im Sinne des § 113
Abs. 5 Satz 1
VwGO, denn der Senat ist zu einer abschließenden Entscheidung in der Lage.
Dass gemäß § 10
Abs. 2 Satz 1 EUTBV Anträge, die die Voraussetzungen nach § 8 erfüllen und im Fall des Verfahrens nach § 9 für eine Zuteilung vorgesehen sind, den zuständigen Landesbehörden zuzuleiten sind, um ihnen entsprechend Satz 2 der Norm Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von sechs Wochen zu geben, rechtfertigt keine andere Einschätzung. Das Erfordernis, der zuständigen Landesbehörde die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben, wäre reine „Förmelei“. Denn nach einer im Falle fehlender Spruchreife durch Urteil auszusprechenden Verpflichtung des Beklagten, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden (
vgl. § 113
Abs. 5 Satz 2
VwGO), hätte vor dem dargelegten Hintergrund zur Folge, dass rechtmäßigerweise allein der Kläger, nicht aber der Beigeladene im Zuteilungsverfahren ausgewählt werden müsste; etwaige Spielräume der Beklagten bestünden - unabhängig vom Inhalt einer etwaigen Stellungnahme der zuständigen Landesbehörde - nicht. Selbst wenn die Landesbehörde Gesichtspunkte anführte, die bei der Beklagten zu Bedenken an der Zuteilungsentscheidung führten, würde das an deren Verpflichtung, die Zuteilungsentscheidung in der vom Gericht vorgegebenen Weise vorzunehmen, nichts ändern. Unabhängig davon hat die Beklagte die zuständigen Landesbehörden nach ihren Angaben der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in der vorgeschriebenen Form beteiligt. Dass die von der Behörde zunächst beabsichtigte Zuteilung späterhin durch gerichtliche Entscheidung geändert wird, bedingt keine erneute Beteiligung.
Dies entspricht im Übrigen der insoweit vergleichbaren Rechtslage im Bauordnungsrecht. Danach ist über die Zulässigkeit eines Bauvorhabens nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB im Einvernehmen mit der betroffenen Gemeinde zu entscheiden (§ 36
Abs. 1 Satz 1 BauGB). Wird die Bauaufsichtsbehörde vom Verwaltungsgericht verpflichtet, die - zuvor versagte - Baugenehmigung zu erteilen, wird nach allgemeiner Ansicht das Einvernehmen durch die stattgebende gerichtliche Entscheidung ersetzt. Das Gericht kann daher durchentscheiden und ist nicht gehalten, lediglich zur Neubescheidung zu verpflichten. Wertungsmäßig gilt dies erst recht in der vorliegenden Konstellation. Denn während das einzuholende Einvernehmen der Gemeinde eine echte Mitentscheidungsbefugnis darstellt, weil dessen Verweigerung der Erteilung der Baugenehmigung entgegensteht (Reidt, in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Auflage 2022, § 36 Rn. 5), hat die zuständige Landesbehörde lediglich ein Anhörungsrecht, entscheidet über die Mittelvergabe aber nicht mit.
II. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Berufung der Beklagten keinen Erfolg hat.
III. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils aus §§ 154
Abs. 1 bis 3, 162
Abs. 3
VwGO. Hinsichtlich des von den Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten Teils beruht sie auf § 161
Abs. 2
VwGO. Insoweit war über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten dem Kläger zu 1 aufzuerlegen, da die Rücknahme seines Zuschussantrages in Verbindung mit der Erledigungserklärung des gerichtlichen Verfahrens einer Klagerücknahme gleichkommt, bei der die Kosten stets demjenigen zur Last fallen, der sie erklärt hat (
vgl. § 155
Abs. 2
VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis beruhen auf 167
VwGO in Verbindung mit § 709
ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der in § 132
Abs. 2
VwGO genannten Gründe erfüllt ist.