Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das angegriffene Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 23. März 2011 verletzt die Beklagte nicht in ihren Rechten und ist daher nicht aufzuheben. In diesem Urteil hat das Sozialgericht zutreffend die angegriffenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, über den Antrag des Klägers auf Gewährung eines Zuschusses zur Anschaffung eines behindertengerechten Fahrzeuges unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, denn der Kläger habe Anspruch auf eine Beihilfe zur Anschaffung eines
Kfz. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit gemäß § 153
Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) auf die Gründe des Urteils vom 23. März 2011 Bezug genommen.
Zu ergänzen ist insbesondere im Hinblick auf den Vortrag im Berufungsverfahren:
Das Sozialgericht ist davon ausgegangen, dass als maßgeblichen Zeitpunkt auf die letzte Verwaltungsentscheidung, hier also auf den Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2008, abzustellen sei. Dem ist allerdings nicht zuzustimmen.
Das Oberverwaltungsgericht (
OVG) Magdeburg benennt zwar in seinem Urteil vom 28. September 2007 (Az.:
3 L 231/05 -, FEVS 59,
S. 280) diesen Grundsatz, führt aber weiter aus, dass die zeitliche Fixierung nicht uneingeschränkt gelte. Eine Ausnahme sei dann zu machen, wenn die Behörde den Hilfefall für einen längeren Zeitraum geregelt habe oder die Ablehnung einer Bewilligung einen längeren Zeitabschnitt erfasse. Habe der Sozialhilfeträger die Kostenübernahme für ein Hilfsmittel von längerer Gebrauchsdauer, das der Hilfesuchende für einen in die Zukunft hineinreichenden Bedarfszeitraum begehre, für die Dauer dieses Zeitraumes abgelehnt, sei - sofern sich im Hinblick auf den in Rede stehenden Bedarf aus dem Bescheid nicht ein anderer Regelungszeitraum ergebe - auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (
OVG Magdeburg, a.a.O.,
S. 280 f.). Das Bundessozialgericht (
BSG, Urteil vom 23. August 2013 -
B 8 SO 24/11 R -) stellt - jedenfalls hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse - auf den Zeitpunkt der Entstehung der Kosten, also in der Regel der Anschaffung des
Kfz, ab. Es ist daher nicht nur der Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung maßgebend. Vielmehr kommt es darauf an, ob bei prognostischer Beurteilung der im maßgeblichen Beurteilungszeitraum bekannten Umstände zu erwarten ist, dass der Hilfesuchende auf die regelmäßige Benutzung eines
Kfz angewiesen ist. Es ist also nicht nur eine Momentaufnahme, sondern zugleich eine vorausschauende Einschätzung unter Berücksichtigung absehbarer zukünftiger Lebensumstände geboten (
OVG Magdeburg, a.a.O.,
S. 281).
Bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2008 war der Kläger wegen des Schulbesuchs und seiner sportlichen Aktivitäten auf die Nutzung eines
Kfz angewiesen. Dies galt auch zum Zeitpunkt der Anschaffung des Pkws am 18. August 2009 und danach wegen des Studiums und auch der weiter geführten sportlichen Betätigung.
Allerdings kommt es - entgegen der Auffassung der Beklagten - jedenfalls im Bereich der Sozialhilfe (anders im Unfallversicherungsrecht:
BSG, Urteil vom 15. Dezember 1994 -
4 Ra 44/93 -; Urteil vom 29. April 1997 - 8 RKn 31/65 -;
LSG Thüringen, Urteil vom 2. Juli 2003 - L 1 U 676/02 -; Schleswig-Holsteinisches
LSG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - L 8 U 36/11 -), nicht darauf an, dass der Kläger im Laufe des gerichtlichen Verfahrens einen Pkw erworben hat, denn, richtet sich der geltend gemachte Anspruch - wie hier - auf eine Geldleistung, ist es rechtlich unerheblich, ob der Kläger zwischenzeitlich ein
Kfz angeschafft hat. Insbesondere stehen §§ 2, 18
SGB XII (Nachrang der Sozialhilfe, Leistung erst ab Kenntnis des Sozialhilfeträgers) einer Leistungsgewährung nicht entgegen (so:
BSG, Urteil vom 23. August 2013
B 8 SO 24/11 R , recherchiert bei juris, Rn. 13; Sozialgericht Gotha, Urteil vom 2. Juni 2006 -
S 14 SO 1391/06 -).
Der Kläger gehört unstreitig zu dem eingliederungshilfeberechtigten Personenkreis des § 53
SGB XII. Behinderte Menschen haben gemäß
§ 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit
§ 55 SGB IX Anspruch auf Eingliederungshilfe und Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Hierzu gehört gemäß
§ 8 EinglH-VO auch die Hilfe zur Beschaffung eines
Kfz. Sie wird in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung eines
Kfz angewiesen ist. Das ist nur dann zu bejahen, wenn aus den geltend gemachten Gründen eine ständige oder jedenfalls regelmäßige,
d. h. tägliche oder fast tägliche Benutzung des
Kfz erforderlich ist. Ausgeschlossen ist die
Kfz-Beihilfe daher bei einer nur gelegentlichen Inanspruchnahme, weil dies nicht mit dem "Normalfall" vergleichbar ist, den die Gesetzgebung vor Augen hatte, nämlich mit dem Angewiesensein auf ein
Kfz, um am Arbeitsleben teilnehmen zu können (so
LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. September 2011 - L 9 SO 40/04). Ob der behinderte Mensch auf ein eigenes Kraftfahrzeug angewiesen ist, beurteilt sich maßgeblich anhand der Art und Schwere der Behinderung und zum anderen anhand der gesamten Lebensumstände und der Verhältnisse des Behinderten. Es ist zu berücksichtigen, dass ein Kraftfahrzeug typischerweise ein der Eingliederung eines Behinderten dienendes Hilfsmittel ist. Ist die erforderliche Mobilität in zumutbarer Weise durch andere Hilfen,
z. B. durch die Benutzung eines Behindertenfahrdienstes oder von öffentlichen Verkehrsmitteln oder in sonstiger Weise (Krankentransport, Taxi, Mietauto) sichergestellt, ist der Behinderte nicht auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges ständig angewiesen (
OVG Magdeburg, Beschluss vom 28. September 2007 -
3 L 231/05). Der Senat ist der Auffassung, dass die Beförderung durch Taxis, Mietautos oder einen Behindertendienst zumutbar ist, auch wenn solche Beförderungsmöglichkeiten nicht ständig zur Verfügung stehen (anderer Ansicht:
LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5. März 2009 - L 15 SO 262/07). Außerdem teilt der Senat nicht die Auffassung, eine regelmäßige Benutzung eines Autos sei schon dann gegeben, wenn gelegentliche Besuche von Bekannten, Verwandten und Freunden mittels Pkw durchgeführt werden müssten, weil ein behinderter Mensch nicht darauf verwiesen werden dürfe, Besuche zu Hause zu empfangen (so aber
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10. Mai 2007 -
L 8 SO 20/07 ER). "Angewiesen sein" bedeutet somit wegen Fehlens anderweitiger Beförderungsmöglichkeiten die Notwendigkeit der ständigen Nutzung eines eigenen
Kfz, also nicht nur vereinzelt und gelegentlich (
vgl. Bayerisches
LSG, Urteil vom 29. Juni 2010 -
L 8 SO 132/09 -, recherchiert bei juris, Rn. 35; Sächsisches
LSG, Beschluss vom 27. Juni 2013 -
L 3 AL 124/13 ER -, Info also 2013,
S. 216, 219).
Dem Sozialgericht kann daher insoweit nicht gefolgt werden, als es meint, auch Freizeitaktivitäten des Klägers wie Verwandten- und Bekanntenbesuche, Urlaube, Besuche von kulturellen Veranstaltungen, Einkäufe und sonstige Besorgungen sowie Fahrten zu Behörden führten dazu, dass dieser auf ein
Kfz angewiesen gewesen sei (so auch SG München, Urteil vom 27. März 2012 -
S 48 SO 485/10 -, ZFSH-
SGB 2012,
S. 549; wohl auch
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. September 2012
L 2 SO 1378/11 , FEVS 64,
S. 407). Für Fahrten zu Ärzten sind die Krankenkassen zuständig (
LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. September 2011 -
L 9 SO 40/09 -, recherchiert bei juris, Rn. 57). Soweit Besuche von Konzerten, Festen und ähnlichen Veranstaltungen stattfinden, kann der behinderte Mensch auch auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verwiesen werden. Es ist auch einem behinderten Menschen zuzumuten, gewisse Unannehmlichkeiten und Zeitverzögerungen in Kauf zu nehmen, die damit verbunden sein können, dass er gewisse Zeit auf einen Bus warten muss, dass gegebenenfalls ein behindertengerechter Bus angefordert
bzw. ein Behindertendienst eingeschaltet werden muss. Grundsätzlich spricht ebenfalls nichts dagegen, bei dem Besuch von Bekannten und Verwandten über längere Entfernungen die Bahn in Anspruch zu nehmen. Die Deutsche Bahn ist verpflichtet, behinderte Menschen zu transportieren, und sie ist hierauf grundsätzlich auch eingerichtet. Der Kontakt zu weiter entfernt wohnenden Verwandten und Bekannten kann auch von diesen gesucht werden. Auch diejenigen Nichtbehinderten, die über knappe finanzielle Mittel verfügen, können Kontakte zu weiter entfernt wohnenden Freunden, Verwandten und Bekannten nicht ständig dadurch pflegen, dass sie selbst diese besuchen, denn die dafür entstehenden Kosten können sie nur in sehr begrenztem Rahmen bestreiten. Sie sind daher darauf angewiesen, dass der Besuch auch zu ihnen kommt. Es stellt keine, aus der Behinderung resultierende Benachteiligung dar, wenn diesbezüglich behinderte Menschen gleichbehandelt werden.
Der Kläger hat aber hier nach den oben genannten Grundsätzen einen Anspruch auf eine Beihilfe zur Anschaffung eines
Kfz. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, benötigte der Kläger ein
Kfz für den Schulbesuch. Der Schulbesuch ist gleichwertig der Teilhabe am Arbeitsleben (
OVG Magdeburg, Beschluss vom 28. September 2007 - 3 L 231/05 -, FEVS 59, 280, 284). Der Kläger musste regelmäßig,
d. h. an fünf Tagen in der Woche, zur Schule und zurück fahren. Am Donnerstag hatte er erst so spät Unterricht, dass Schulbusse zu diesem Zeitpunkt nicht fuhren. Im Übrigen war ihm - wie vom Kläger geschildert und vom Sozialgericht zutreffend gewürdigt worden ist - die Benutzung im Rahmen der Schülerbeförderung nicht zuzumuten. Für den Senat ist nachvollziehbar, dass bei der Fülle in den Bussen bei der Schülerbeförderung und dem Gedränge beim Ein- und Aussteigen gefährliche Situationen für Rollstuhlfahrer entstehen können und dass es Busfahrern bereits aus zeitlichen Gründen nicht möglich ist, Rollstuhlfahrer in der gebotenen Weise zu unterstützen. Dem kann die Beklagte nicht wirksam mit der pauschalen Behauptung entgegentreten, die Benutzung der Busse der Schülerbeförderung sei für den Kläger zumutbar. Wie vorher wegen des Schulbesuchs war der Kläger auch nach seinem Umzug nach Neu-A auf die Nutzung eines
Kfz angewiesen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die Lehrveranstaltungen zu Zeiten stattgefunden hätten, zu denen er diese mit dem öffentlichen Personennahverkehr nicht hätte erreichen können. Für den Senat ist nachvollziehbar, dass er daher auch hinsichtlich des Besuchs der Lehrveranstaltungen nicht auf den öffentlichen Personennahverkehr verwiesen werden konnte.
Die Zumutbarkeit hält der Senat bei dem "normalen" öffentlichen Personenverkehr in Bussen und Bahnen für gegeben, weil dieser auf behinderte Menschen eingerichtet sein muss und grundsätzlich auch eingerichtet ist.
Im Übrigen war aber im besonderen Fall des Klägers auch die Benutzung des
Kfz nötig im Rahmen des von ihm betriebenen Sports. Der Kläger hat in der Woche zweimal in L- und einmal in H- trainiert. Außerdem musste er an den Wochenenden zu Punktspielen fahren. Er war Mitglied der U23-Mannschaft für die Europameisterschaft im Rollstuhl-Basketball der Herren. Im Wesentlichen an den Wochenenden zu Basketballspielen und zum Training nach H- war der Kläger auf die Nutzung eines
Kfz angewiesen. Hierfür erhielt er zwar eine geringfügige Unterstützung (0,10
EUR/
km) für die laufenden Betriebskosten. Die Anschaffung eines
Kfz ist damit aber nicht zu bewerkstelligen. Das war offenbar auch der wesentliche Grund für den Bereich Soziale Sicherung der Beklagten, mit Schreiben vom 19. März 2008 eine
Kfz-Beihilfe "unbedingt" zu befürworten.
Die Notwendigkeit der
Kfz-Nutzung setzte sich auch insoweit nach seinem Umzug fort. Gleich zu Beginn seines Studiums hat der Kläger seine sportlichen Aktivitäten bei einem Bundesligaverein in F- aufgenommen. Dort musste er ebenfalls zu Trainingsspielen fahren und an den Wochenenden entweder zu Spielen dieser Bundesligamannschaft oder, wenn die Mannschaft geschlossen mit dem Bus gefahren ist, jedenfalls nach F-, um von dort den Bus zu nehmen.
Der Nutzung eines
Kfz für sportliche Aktivitäten in der vom Kläger betriebenen Form kann nicht entgegen gehalten werden, diese sei nicht notwendig, denn Fahrten zu Training und Spielen seien freiwillig. Eine solche Überlegung mag
ggf. auf "lediglich" hobby-mäßig betriebenen Sport zutreffen. Gerade für behinderte Menschen stellt sportliche Betätigung eine Form der Teilnahme am Leben in der Gesellschaft dar. Jedenfalls, wenn es in dem Maße - profihaft - betrieben wird, wie hier im Falle des Klägers, dient sie auch der Gesundheit, weil sie der durch die Behinderung bedingten Unbeweglichkeit
bzw. dem sich Abfinden mit der vermeintlichen völligen Unbeweglichkeit positiv und nachhaltig entgegen wirkt. Das psychische und physische Wohlbefinden des behinderten Menschen kann - wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung überzeugend verdeutlicht hat - dadurch gestärkt und die Folgen der Behinderung gemildert werden. Der hier profimäßig betriebene Sport stellt sich in seiner konkreten Ausgestaltung als aktive Teilnahme am Leben in der Gesellschaft dar. Eine solche umfasst gemäß § 11
Abs. 2
S. 2
SGB XII auch ein gesellschaftliches Engagement, zu dem unter anderem der Spitzensport im Amateurbereich gehört.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.
Gründe, die Revision nach § 160
Abs. 1,
Abs. 2
Nr. 1 und 2
SGG durch den Senat zuzulassen, sind nicht ersichtlich.