Sprungnavigation Tastaturkurzbefehle

Suche und Service

Urteil
Ermessen bei der Fahrtkostenübernahme im Rahmen der Eingliederungshilfe für Behinderte

Gericht:

BVerwG 5. Senat


Aktenzeichen:

5 B 114/93


Urteil vom:

14.10.1994


Grundlage:

  • BSHG § 39 Abs 1 S 1 |
  • BSHG § 4 Abs 2 |
  • BSHG § 40 Abs 1

Orientierungssatz:

1. Fahrtkosten, die entstehen, weil anders eine Eingliederungshilfemaßnahme im Sinne des § 40 Abs. 1 BSHG nicht durchgeführt werden kann, sind notwendiger Bestandteil dieser Maßnahme und deshalb dem Grunde nach wie diese - und nicht im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt - vom Träger der Sozialhilfe zu tragen (st. Rspr. vgl. zuletzt Urteil vom 10. September 1992, BVerwG 5 C 7.87).

2. In welcher Form die Fahrtkosten zu gewähren und in welchem Maße (in welcher Höhe) sie zu berücksichtigen sind, beantwortet sich gemäß § 4 Abs. 2 BSHG nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei bleibt, wenn für die Fahrten zum und vom Schulort nur eine Beförderung im Pkw derjenigen Personen in Betracht kommt, in deren Haushalt sich der Behinderte gewöhnlich aufhält, Raum für ein Ermessen insoweit, als die Größe des Fahrzeugs und die damit zusammenhängenden Betriebskosten, die berücksichtigt werden sollen, eine Rolle spielen. Aber auch die Wahl einer von mehreren möglichen Berechnungsmethoden, um gleichliegende Fälle gleich behandeln zu können, gehört in den Ermessensbereich, zumal in diesem Zusammenhang gegebenenfalls auch in Rechnung zu stellen ist, daß das für die Beförderung eingesetzte Fahrzeug auch anderweitig genutzt wird (so für den Fall von Fahrten im Pkw der Eltern des Hilfesuchenden BVerwGE 48, 228 (235 f.)).

Rechtszug:

vorgehend OVG Lüneburg 1993-08-11 4 L 2691/92

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

JURIS-GmbH

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig, weil sie entgegen § 67 Abs. 1 VwGO nicht durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule eingelegt worden ist.

Der Klägerin kann auch nicht die beantragte Prozeßkostenhilfe bewilligt und der von ihr benannte Rechtsanwalt beigeordnet werden; denn eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 166 VwGO, § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO).

Die Revision ist nach § 132 Abs. 2 VwGO nur zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorlie zu gewährenden Hilfe zurücktreten müssen. Ein derartiger auf dem die angegriffene Entscheidung beruhen kann. Es ist weder dem Vortrag der Klägerin zu entnehmen noch sonst ersichtlich, daß danach eine Zulassung der Revision in Betracht kommen könnte. Das gilt selbst dann, wenn mit der Klägerin insoweit ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO angenommen wird, als das Berufungsgericht bei der Klägerin ein erzieherisches Defizit als Voraussetzung für das Eingreifen jugendhilferechtlicher Maßnahmen verneint hat. Denn auch wenn davon ausgegangen wird, daß bei der Klägerin im Hinblick auf ihre vom Jugendamt veranlaßte Unterbringung in der Familie ihrer Betreuerin im hier streitbefangenen Zeitraum ein erzieherisches Defizit vorgelegen hat, führt dies, wenn - wie hier - neben der Jugendhilfe Eingliederungshilfemaßnahmen nach Sozialhilferecht in Betracht kommen - auch die Klägerin selbst weist auf bei ihr bestehende seelische Behinderungen hin -, nicht notwendig dazu, daß diese Maßnahmen hinter einer nach Jugendhilferecht Nachrang ist vielmehr nach der Rechtsprechung des Senats zu dem auch hier noch maßgeblichen Gesetz für Jugendwohlfahrt in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. April 1977 (BGBl I S. 633, ber. S. 795) - JWG - nur dann anzunehmen, wenn in einer Notlage, die Hilfe zur Erziehung erfordert, diese Hilfe umfassend und endgültig vom Träger der Jugendhilfe gewährt wird ( Urteile vom 6. Februar 1986 - BVerwG 5 C 23.85 - (Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 6 S. 17 f.) und vom 27. Juni 1991 - BVerwG 5 C 4.87 - (Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 7 S. 2 = NDV 1991, 438 f.). An dieser Voraussetzung aber hat es im Fall der Klägerin nach deren eigenem Vortrag gemangelt, weil ihr die streitgegenständlichen Leistungen nach Jugendhilferecht nicht gewährt worden sind. Zu Recht hat deshalb das Berufungsgericht angenommen, daß hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs, soweit sich dieser nicht nach - gemäß § 137 Abs. 1 VwGO nicht revisiblem - niedersächsischem Schulrecht richtet, für eine Anwendung der sozialhilferechtlichen Vorschriften über die Eingliederungshilfe für Behinderte Raum sei (vgl. dazu auch, von dieser Rechtslage übergangsweise selbst für seelisch wesentlich Behinderte ausgehend, Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Kindes- und Jugendhilferechts vom 26. Juni 1990 (BGBl I S. 1163) in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Satz 2 und § 27 SGB VIII F. 1990 sowie Senatsurteil vom 27. Juni 1991 ( a.a.O. S. 3 f. bzw. S. 439)). Ist danach die von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 3. September 1993 angesprochene Frage des Verhältnisses von Jugend- und Sozialhilferecht für Fälle der hier vorliegenden Art bereits hinreichend geklärt, kann diese Frage der Rechtssache der Klägerin nicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO grundsätzliche Bedeutung verleihen. Nichts anderes gilt für die von der Klägerin weiter - und in erster Linie - aufgeworfene Frage, ob die wirtschaftliche Jugendhilfe (Übernahme der Kosten des notwendigen Lebensunterhalts), die die Klägerin nach § 6 Abs. 2 JWG erhielt, auch die Kosten des Transports zu und von der von ihr besuchten Schule einschließlich der Betriebs-, Anschaffungs-, Abschreibungs- und Finanzierungskosten für den für den Transport benötigten Pkw ihres Pflegevaters und der Kosten des diesem entstandenen Verdienstausfalls umfasse. Denn diese Frage könnte sich, weil sie die Anwendbarkeit des Jugendwohlfahrtsgesetzes voraussetzt, dieses hier aber nach den vorstehenden Ausführungen nicht maßgeblich ist, in einem künftigen Revisionsverfahren nicht stellen. Eine grundsätzliche Bedeutung kommt der vorliegenden Rechtssache auch nicht deswegen zu, weil revisionsgerichtlich entschieden werden müßte, ob und inwieweit Transportkosten, wie sie hier von der Klägerin mit Blick auf § 6 Abs. 2 JWG geltend gemacht worden sind, im Rahmen der Eingliederungshilfe vom Sozialhilfeträger zu übernehmen sind. Denn auch die damit angesprochenen Fragen sind in der Rechtsprechung des beschließenden Senats bereits ausreichend geklärt. Nach dieser Rechtsprechung sind Fahrtkosten, die entstehen, weil anders eine Eingliederungshilfemaßnahme im Sinne des § 40 Abs. 1 BSHG nicht durchgeführt werden kann, notwendiger Bestandteil dieser Maßnahme und deshalb dem Grunde nach wie diese - und nicht im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt - vom Träger der Sozialhilfe zu tragen (BVerwGE 25, 28 (29 f.) ; 35, 99 (101)). Das hat der Senat wiederholt gerade für Fahrten klargestellt, die im Zusammenhang mit der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung (§ 40 Abs. 1 Nr. 3 BSHG) notwendig wurden (BVerwGE 35, 99 (101); 48, 228 (232 f.); Urteil vom 10. September 1992 - BVerwG 5 C 7.87 - ( Buchholz 436.0 § 39 BSHG Nr. 8 S. 5)). In welcher Form die Fahrtkosten zu gewähren und in welchem Maße (in welcher Höhe) sie zu berücksichtigen sind, beantwortet sich gemäß § 4 Abs. 2 BSHG nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei bleibt, wenn - wie im Fall der Klägerin - für die Fahrten zum und vom Schulort nur eine Beförderung im Pkw derjenigen Personen in Betracht kommt, in deren Haushalt sich der Behinderte gewöhnlich aufhält, Raum für ein Ermessen insoweit, als die Größe des Fahrzeugs und die damit zusammenhängenden Betriebskosten, die berücksichtigt werden sollen, eine Rolle spielen. Aber auch die Wahl einer von mehreren möglichen Berechnungsmethoden, um gleichliegende Fälle gleich behandeln zu können, gehört in den Ermessensbereich, zumal in diesem Zusammenhang gegebenenfalls auch in Rechnung zu stellen ist, daß das für die Beförderung eingesetzte Fahrzeug auch anderweitig genutzt wird (so für den Fall von Fahrten im Pkw der Eltern des Hilfesuchenden BVerwGE 48, 228 (235 f.)). Es ist weder dem Vortrag der Klägerin noch dem übrigen Inhalt der dem Senat vorliegenden Akten zu entnehmen, daß es in dem von ihr erstrebten Revisionsverfahren möglich und notwendig sein könnte, diese - in ihrer Anwendung einzelfallgeprägten - Grundsätze fortzuentwickeln.

Referenznummer:

WBRE410000421


Informationsstand: 07.03.1995