Urteil
Sozialhilfe - Eingliederungshilfe - Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft - Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges - Verpflichtung zum Einsatz eines bereits vorhandenen Familienfahrzeugs - Vergleich mit nichtbehinderten Menschen

Gericht:

LSG Saarbrücken 11. Senat


Aktenzeichen:

L 11 SO 14/17


Urteil vom:

04.04.2019


Grundlage:

Leitsätze:

1. Grundsätzlich entfällt die Notwendigkeit von Kraftfahrzeughilfe in Form der Übernahme von Beschaffungskosten, wenn bereits ein verkehrstaugliches Kfz vorhanden ist (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2017 - B 8 SO 2/16 R), wobei es kein Ausschlusskriterium ist, wenn der Kläger nicht in der Lage ist, ein Kfz selbst zu steuern, sondern dies vor allem von seinem Assistenten im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung übernommen wird (vgl. § 8 Abs. 3 EinglHV). Nicht entscheidend ist, dass das zur Verfügung stehende Leasingfahrzeug nicht im Eigentum des Klägers steht.

2. Bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung ist die bestehende familiäre Einstandsgemeinschaft und das umfassende Prinzip familiärer Solidarität mit der Pflicht zu Beistand und Rücksicht - auch gegenüber volljähringen Kindern, wie sich aus § 1618a BGB ergibt - zu beachten (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28.08.2018 - B 8 SO 9/17 R).

3. Ziel der steuerfinanzierten sozialen Fürsorgeleistungen ist u.a. der Schutz vor sozialer Ausgrenzung. Hierbei ist auf die Lebensgewohnheiten abzustellen, die auch von der Bevölkerung in "bescheidenen Verhältnissen" geteilt werden (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 26.02.2010 - L 8 SO 55/09), so dass sich daraus eine Grenze des dem Kläger aus § 9 Abs. 2 SGB XII zustehenden Wunsch- und Wahlrechts ergibt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 02.12.2012 - B 8 SO 19/10 R).

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Saarland

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 14.09.2017 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Kostenübernahme für einen rollstuhlgerecht ausgestatteten PKW als Leistungen der Eingliederungshilfe nach den Vorschriften des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der 1989 geborene Kläger ist aufgrund einer perinatalen Hirnschädigung Tetraspastiker. Er benötigt Hilfe beim Toilettengang, beim An- und Auskleiden sowie beim Essen. Er hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 sowie die Merkzeichen "aG", "H", "B" und "RF", ist weder geh- noch frei stehfähig und dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen. Ihm steht ein Elektrorollstuhl sowie ein Schiebe- bzw. Klapprollstuhl zur Verfügung. Der Kläger ist ohne Beruf und arbeitete bis zum 01.03.2015 in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Er wohnte im Haus seines Vaters in einer eigenen Wohnung, für die er eine monatliche Kaltmiete von 370,-- EUR zahlte. Ab 01.06.2015 bezog er Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII i.H.v. 959,83 EUR/Monat (Bescheid vom 12.05.2015) sowie Pflegegeld der gesetzlichen Pflegeversicherung, seit 2009 nach Pflegestufe III, nunmehr nach Pflegegrad 4. Ihm wurden mit Bescheid des zuständigen örtlichen Sozialhilfeträgers vom 12.04.2017 ab 01.03.2015 ein persönliches trägerübergreifendes Budget als Geldleistung i.H.v. 2.141,- EUR/Monat, worin Aufwendungen für die ambulante Betreuung von durchschnittlich 21 Std./Woche (7 Std./Woche Fachkraft und 11,24 Helferstunden) enthalten waren, und ab 01.04.2017 Leistungen der Hilfe zur Pflege - unter Abzug der Leistungen der Pflegekasse - i.H.v. zunächst 12.342,50 EUR/Monat für 732 Monatsstunden (30,5 Tage x 24 Std.) gewährt (24-Stunden-Betreuung im Arbeitgebermodel). Der ihm zur Verfügung stehende Assistent wohnte für die Dauer der jeweiligen 24-Stunden-Schicht in der klägerischen Wohnung. Dem Kläger wurden zudem monatlich eine Mobilitätspauschale von 100,- EUR sowie weitere 106,20 EUR als Begleithilfe gewährt. Von 2005 bis März 2018 war auf seinen Namen ein PKW (Toyota RAV 4) angemeldet, der zu seiner Verfügung stand. Er selbst konnte das Kfz nicht bedienen und war auf einen Fahrer angewiesen. Am 21.07.2018 schloss der Kläger mit seinem Vater einen Leasingvertrag über die Überlassung eines rollstuhlgerecht umgebauten Ford Tourneo Connect. Die Übergabe des Fahrzeuges erfolgte am 24.07.2018.

Am 03.02.2015 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für die Anschaffung eines rollstuhlgerecht ausgestatteten Kfz "Citroen Berlingo Multispace Vti 120 Selection" zum Preis von 18,725,- EUR zuzüglich behindertengerechten Umbauten sowie die Übernahme der monatlichen Betriebskosten i.H.v. 283,- EUR, da das von ihm genutzte Fahrzeug altersbedingt reparaturbedürftig sei. Das Fahrzeug solle von seinem persönlichen Assistenten gefahren werden. Er sei zur Teilhabe am sozialen Leben in der Gemeinschaft, insbesondere zu Verwandtenbesuchen, Besuche von Freunden, Fußballspielen des 1. FC Kaiserslautern (1. FCK), VHS-Kursen, Besuch von kulturellen Veranstaltungen (Konzerte, Kino, Sportveranstaltungen) und Urlaubsfahrten auf die Nutzung eines Kfz angewiesen. Den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) könne er nicht nutzen, da er auf seinen Elektrorollstuhl angewiesen sei. Die Benutzung des Behindertenfahrdienstes sei zu unflexibel, unwirtschaftlich und Spontanfahrten nicht möglich.

Mit Bescheid vom 17.02.2015 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Ein Bedarf sei nicht erkennbar. Dem Kläger stehe ein Fahrzeug zur Verfügung. Darüber hinaus könne er einen Behindertenfahrdienst oder ein geeignet ausgestattetes Taxi-Unternehmen in Anspruch nehmen. Letztlich würde die begehrte Kfz-Hilfe zu unvertretbaren Mehrkosten im Sinne des § 9 SGB XII führen.

Hiergegen erhob der Kläger am 26.02.2015 Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2015 zurückwies. Er führte hierzu im Wesentlichen aus, ein Kraftfahrzeug sei weder zur Besetzung eines konkreten Arbeitsplatzes noch aus anderen gewichtigen Gründen zur Eingliederung notwendig. Sollte ein konkreter monatlicher Bedarf erhöht sein, könnte dies im Verwaltungsverfahren geprüft werden.

In dem am 01.09.2015 eingeleiteten Klageverfahren vor dem Sozialgericht für das Saarland (SG) hat der Kläger im Wesentlichen ergänzend geltend gemacht, seine Mobilitätsbedürfnisse könnten nur durch einen eigenen PKW gedeckt werden. Die von ihm gewünschten sozialen Kontakte könnten mit einem Behindertenfahrdienst nicht erreicht werden, schon gar nicht mit den hierfür zu veranschlagenden Kosten. Die monatliche Mobilitätspauschale sei hierzu nicht ausreichend. Öffentliche Verkehrsmittel könnten aus praktischen Gründen kaum in Anspruch genommen werden. Die Benutzung der Bahn sei schwierig, da eine Begleitperson dabei sein müsse. Auch seien spontane Reisen und u.a. Fahrten zu Auswärtsspielen des 1. FCK nicht möglich.

Der Beklagte hat nach Durchführung eines ersten Termins am 12.05.2016 Unterlagen zu Fahrdiensten und weiteren Transportmöglichkeiten zu den Akten gereicht. Auf Anfrage des SG hat das Busunternehmen Ba. am 11.09.2017 mitgeteilt, die Fahrzeuge, die die Linie 172 bedienen würden, seien alle mit Klapprampen für das Einladen von Rollstühlen mit entsprechenden Stellflächen ausgestattet. Die Haltestelle Ha. am Wohnort des Klägers sei jedoch nicht barrierefrei ausgebaut. Das SG hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 14.09.2017 den Vater des Klägers als Zeuge vernommen, der im Wesentlichen dargestellt hat, er selbst besitze kein eigenes Fahrzeug, sondern nutze einen Firmenwagen, der jedoch auch von einem Betreuer des Klägers im Ausnahmefall gefahren werden dürfe.

Durch Urteil vom 14.09.2017 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu im Wesentlichen ausgeführt, ein Kostenübernahmeanspruch gemäß §§ 19 Abs. 3, 55 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 SGB IX und § 8 Abs. 1 EinglHV bestehe nicht. Der hilfebedürftige Kläger erfülle zwar die persönlichen Voraussetzungen zur Gewährung von Eingliederungshilfe. Jedoch lägen die sachlichen Voraussetzungen für die begehrte Hilfe nicht vor, da er, soweit er mit der Anschaffung des behindertengerechten Kfz Kontakt zur Familie pflegen wolle, nicht um eine Leistung zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben handele. Soweit der Kläger seinen Anspruch damit begründe, dass er Kultur- und Sportveranstaltungen (Kino, Konzerte, Fußballspiele des 1. FCK) sowie Freunde besuchen möchte, handele es sich dabei zwar um Aktivitäten zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben (§ 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX). Hierzu sei die Anschaffung eines behindertengerechten Kfz unter Berücksichtigung der Wünsche des Klägers zwar geeignet, nicht jedoch notwendig bzw. unentbehrlich i.S.d. § 4 Abs. 1 SGB IX. Auch ein nicht sozialhilfebedürftiger Nichtbehinderter gleichen Alters in einer vergleichbaren Situation würde insoweit die Anschaffung eines Kfz nicht ernsthaft beabsichtigen, so dass die Grenze des Wunsch- und Wahlrechts (§ 9 Abs. 2 SGB XII) erreicht sei. Der Kläger entfalte nur bei vergleichsweise wenigen Gelegenheiten pro Monat kulturelle Freizeitaktivitäten, für deren Wahrnehmung er nach seinen Angaben auf die Nutzung eines Kfz angewiesen sei. Diese würden eine nur untergeordnete Rolle spielen. Er verfüge derzeit auch noch über ein fahrtüchtiges Kfz, so dass bereits deshalb die Notwendigkeit des Eingreifens der Sozialhilfe ausscheide. Aber selbst wenn eine Nutzung des Kfz nicht mehr möglich sei, sei die Erforderlichkeit der Beschaffung eines behindertengerechten umgebauten Kfz nicht gegeben. Der Kläger könne nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zum Erreichen der Eingliederungsziele auf andere Möglichkeiten zumutbar verwiesen werden, wie die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel, Behindertenfahrdienste und Taxis, wobei bei den beiden letzteren auch kurzfristig geplante Fahrten möglich wären. Eine entsprechende Anfrage habe ergeben, dass die auf der Hausstrecke des Klägers eingesetzten Busse der Linie 172 mit Klapprampen für das Einladen von Rollstühlen ausgestattet seien und entsprechende Stellflächen, ausgelegt auf ein Höchstgewicht von 350 kg, besitzen würden. Damit könne der Kläger diese Zugangsmöglichkeit auch tatsächlich nutzen, selbst, wenn die seiner Wohnung am nächsten gelegene Haltestelle "Ha." in A-Stadt-Ho. nicht barrierefrei ausgebaut sei. Mit dem Bus könne er zur nächsten Saarbahnhaltestelle am A-Stadt Bahnhof gelangen, um sich dann zur Weiterfahrt dieses Verkehrsmittels zu bedienen. Nach Auskunft des Fahrdienstleiters der Saarbahn-GmbH seien sämtliche Haltestellen der Saarbahn barrierefrei ausgebaut und für Rollstuhlfahrer und auch für den Kläger nutzbar. Über die vorstehend aufgezeigten Wege wäre dem Kläger auch der Weg zumindest zu den Heimspielen des 1. FC Kaiserslautern eröffnet, da eine unmittelbare barrierefreie Bahnverbindung zum Stadion in Kaiserslautern am Betzenberg bestehe. Soweit der Kläger diese zumutbaren Wege der Selbsthilfe nicht ausschöpfe, könne dies nicht zu Lasten des Sozialhilfeträgers gehen.

Gegen das ihm am 29.09.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.10.2017 Berufung eingelegt und hierzu im Wesentlichen geltend gemacht, im März 2018 habe er seinen PKW abmelden müssen, da dieser nicht mehr verkehrstauglich und eine Reparatur nicht mehr wirtschaftlich gewesen sei. Er sei auf ein Kfz angewiesen. Die Inanspruchnahme des Behindertenfahrdienstes würden pro Monat 1.251,-- EUR kosten. Er könne auch den ÖPNV nicht nutzen, da für ihn keine Beförderungspflicht bestehe. Er könne seinen Mobilitätsbedarf im Grunde nur durch ein eigenes Kfz bedienen. Im Übrigen habe das SG keine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung hinsichtlich der Kosten für die Anschaffung eines PKW und solcher bezüglich des Behindertenfahrdienstes durchgeführt. Zwar könne er u.a. für die Fahrt nach Berlin zu seiner Mutter Car-Sharing Angebote in Anspruch nehmen. Dann müsse er aber die Benzinkosten tragen. Im Übrigen sei auch § 83 SGB IX zu berücksichtigen. Ihm stehe daher insgesamt der geltend gemachte Anspruch zu.


Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 14.09.2017 sowie den Bescheid des Beklagten vom 17.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.2015 aufzuheben und die Beschaffungskosten für das aufgrund Leasingvertrags vom 21.07.2018 angeschaffte rollstuhlgerecht umgebaute Fahrzeug "Ford Tourneo Connect" entsprechend den gesetzlichen Vorschriften zu übernehmen.


Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und führt unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens im Wesentlichen an, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch, auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, nicht zu.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig.

Streitgegenstand ist (nunmehr) die Übernahme der Beschaffungskosten für das während des Verfahrens angeschaffte rollstuhlgerecht umgebaute Fahrzeug "Ford Tourneo Connect" (vgl. L 11 SO 15/18 B ER). Die hierzu vorgenommene Antragsumstellung ist nach § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG zulässig, nachdem der Kläger zuvor beim Beklagten Kfz-Hilfe für ein anderes Fahrzeug (Citroen Berlingo Multispace Vti 120 Selection) begehrt hatte (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 08.03.2017 - B 8 SO 2/16 R - juris Rn. 11). Die zunächst gleichfalls beim Beklagten beantragte Kostenübernahme i.H.v. 283,- EUR/Monat für die entstehenden laufenden Betriebskosten hat der Kläger, wie sein in der mündlichen Verhandlung beim SG protokollierter und auch der im Berufungsverfahren gestellte Antrag zeigen, nicht mehr weiterverfolgt.

Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage in dem angefochtenen Urteil abgewiesen, worauf nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, entfällt die Notwendigkeit von Kraftfahrzeughilfe, wenn bereits ein verkehrstaugliches Kfz vorhanden ist (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2017 - B 8 SO 2/16 R - juris Rn. 20), wobei es kein Ausschlusskriterium ist, dass der Kläger hier nicht in der Lage ist, ein Kfz selbst zu steuern, sondern dies vor allem von seinem Assistenten im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung übernommen wird (§ 8 Abs. 3 EinglHV "in der Regel"; vgl. BSG, Urteile vom 08.03.2017 - B 8 SO 2/16 R - juris Rn. 23 und vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R - juris Rn. 25; Wehrhahn in: jurisPK-SGB XII, § 8 EinglHV Rn. 9, mwN). Vorliegend stand dem Kläger bereits bei Antragstellung bis Ende März 2018 ein auf seinen Namen angemeldetes Kfz (Toyota RAV 4) und ab 24.07.2018 ein anderes rollstuhlgerecht umgebautes neuwertiges Fahrzeug (Ford Tourneo Connect) zur Verfügung, das er von seinem Vater geleast hat (Leasingvertrag vom 21.07.2018). Mit diesen Fahrzeugen konnte und kann der Kläger den von ihm geltend gemachten Bedarf decken. Dabei kommt es nicht darauf an, dass das seit 24.07.2018 dem Kläger zu Verfügung stehende Leasingfahrzeug im Eigentum des Vaters des Klägers steht. Zum einen ergibt sich bereits aus dem im beigezogenen Verfahren (L 11 SO 15/18 B ER) vorgelegten Leasingvertrag, dass dem Kläger daraus ein Überlassungsanspruch bezüglich des Pkw eingeräumt wurde. Zum anderen sind bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung auch die vorliegend bestehende familiäre Einstandsgemeinschaft und das umfassende Prinzip familiärer Solidarität mit der Pflicht zu Beistand und Rücksicht - auch gegenüber volljährigen Kindern, wie sich auch aus § 1618a BGB ergibt - zu beachten, was gerade dem Regelungskonzept des SGB XII, das u.a. in §§ 16 und 19 Abs. 3 SGB XII zum Ausdruck kommt, entspricht (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28.08.2018 - B 8 SO 9/17 R - juris Rn. 17, m.w.N.). Dementsprechend kommt es nicht mehr darauf an, dass der Kläger zudem der Firmenwagen seines Vaters - sofern dieser gerade zur Verfügung steht - in Anspruch nehmen könnte, der von einem der Betreuer des Klägers gefahren werden darf, wie der Vater des Klägers bekundet hat (vgl. Sitzungsniederschrift vom 14.09.2017).

Davon abgesehen hat der Kläger aufgrund des Ergebnisses der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats auch ansonsten keinen Anspruch auf Übernahme der für die Beschaffung des aktuell vorhandenen Pkw (Ford Tourneo Connect) entstanden Kosten. Entgegen der Ansicht des Klägers ergibt sich ein Anspruch hier nicht schon aus § 83 SGB IX. Diese seit 01.01.2018 anwendbare Vorschrift enthält keinen eigenen einklagbaren Anspruch (vgl. Luthe in: jurisPK-SGB IX, § 83, Rn. 10; siehe auch Hessisches LSG, Urteil vom 09.05.2018 - L 4 SO 214/16 - juris Rn. 48). Rechtsgrundlage sind vorliegend vielmehr § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 53 Abs. 1 Satz 1, 54 Abs. 1 SGB XII in der ab 01.01.2005 geltenden und hier anwendbaren Fassung i.V.m. §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX i.V.m. der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 60 SGB XII erlassenen Regelung in § 8 Abs. 1 EinglHV. Die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges gilt dabei als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EinglHV) und ist als Geld- und nicht als Sachleistung zu erbringen (vgl. nur BSG, Urteil vom 08.03.2017 - B 8 SO 2/16 R - juris Rn. 12). Sie wird in angemessenem Umfang gewährt, wenn der behinderte Mensch wegen Art oder Schwere seiner Behinderung insbesondere zur Teilhabe am Arbeitsleben auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist (§ 8 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 EinglHV). "Angewiesenheit" in § 8 Abs. 1 Satz 2 EinglHV erfordert dabei nicht, dass der behinderte Mensch "in der Regel täglich" auf das Kraftfahrzeug angewiesen sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2017 - B 8 SO 2/16 R - juris, Rn. 23). Im Hinblick auf das bei jeder Eingliederungsmaßnahme geltende Merkmal der "Notwendigkeit" (§ 4 Abs. 1 SGB IX) ist eine Angewiesenheit aber nur anzunehmen, wenn die Beschaffung des Kraftfahrzeuges als grundsätzlich geeignete Eingliederungsmaßnahme unentbehrlich zum Erreichen der Eingliederungsziele ist, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern, um den behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern (BSG, Urteile vom 08.03.2017 - B 8 SO 2/16 R - juris Rn. 20 und vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R - juris Rn. 15, m.w.N.). Dabei gilt ein individueller und personenzentrierter Maßstab, der regelmäßig einer pauschalierenden Betrachtung des Hilfefalls entgegensteht (vgl. nur BSG, Urteile vom 28.08.2018 - B 8 SO 9/17 R - juris Rn. 21; vom 08.3.2017 - B 8 SO 2/16 R - juris Rn. 18 und vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R - juris Rn. 15, m.w.N.).

Ergänzend zu den Ausführungen des SG ist insoweit anzuführen, dass die Beschaffung eines Pkw zur Teilhabe am Arbeitsleben i.S.d. § 8 Abs. 1 EinglHV hier ausscheidet, da der berufslose und nicht berufstätige Kläger einen konkreten Arbeitsplatz nicht in Aussicht hat. Eine Notwendigkeit zur Erlangung der begehrten Kfz-Hilfe für eine abstrakte Möglichkeit, zu einem Bewerbungsgespräch zu gelangen, das jedoch absehbar nicht in Aussicht steht, ist nicht gegeben. Allerdings können die vom Kläger bezeichneten Besuche von Verwandten, Kulturveranstaltungen (wie Kino oder Konzerte) und Spiele "seines" Fußballclubs (1. FCK) als Möglichkeit zur Teilhabe an der Gemeinschaft angesehen werden.

Es kann dabei dahinstehen, ob - wie das SG in der angefochtenen Entscheidung u.a. ausgeführt hat - eine Eingliederungshilfe zur Teilhabe an der Gemeinschaft ausscheidet, wenn es einem Leistungsberechtigten darum geht, vor allem familiäre Kontakte zu pflegen (zweifelnd u.a. Hessisches LSG, Urteil vom 09.05.2018 - L 4 SO 214/16 - juris Rn. 59 ff.; zu möglichen Eingliederungszielen, vgl. auch BSG, Urteil vom 08.03.2017 - B 8 SO 2/16 R - juris Rn. 22). Denn jedenfalls ist hier ein Kfz nicht "unentbehrlich" i.S.d. § 4 Abs. 1 SGB IX zum Erreichen des von dem Kläger angestrebten Eingliederungsziels. So hat das SG zutreffend festgestellt, dass es hinreichend andere und auch dem Kläger zumutbare Möglichkeiten gibt, die von ihm angegebenen Eingliederungsziele zu erreichen, wie insbesondere die ihm als Schwerbehindertem kostenfreie und zumutbare Nutzung des ÖPNV (Bus, Saarbahn). Hierzu ist ergänzend anzuführen, dass die nächstgelegene Bushaltestelle Ha. lediglich 3 Straßen vom Wohnhaus des Klägers im A-Straße liegt und die Entfernung rund 900 m beträgt (vgl. www.googlemaps.de), so dass diese innerhalb kurzer Zeit vom Kläger mit dessen für den Außenbereich geeigneten Elektrorollstuhl, mit dem Entfernungen von 10-15 km zurückgelegt werden können (vgl. Angaben des Klägers in den mündlichen Verhandlungen des SG vom 12.05.2016 und 14.09.2017), zu erreichen wäre. Von dort kann er mit dem Bus innerhalb weniger Minuten zur nächstgelegenen Saarbahn-Haltestelle gelangen. Die Saarbahn gewährt insoweit ausnahmslos barrierefreie Haltestellen und stufenlos zugängliche schienengebundene Fahrzeuge, die gerade Rollstuhlfahrern - auch ohne eine Begleitperson - einen sicheren Ein- und Ausstieg ermöglichen (www.saarbahn.de/Service/barrierefreie Mobilität), wobei dem Kläger im Rahmen seiner 24-Stunden-Betreuung ein Assistent - der ansonsten auch den Pkw des Klägers führen würde - zur Verfügung steht, der ihm beim Ein- und Aussteigen behilflich sein kann und ihn begleitet (vgl. Sitzungsniederschrift vom 14.09.2017). Erforderlichenfalls könnte hierzu auch der kostenlose und öffentlich geförderte Service "Mobisaar" zur Nutzung des ÖPNV im Saarland (www.mobisaar.de) in Anspruch genommen werden, der eigens mobilitätseingeschränkten Menschen dienen soll und insoweit Hilfestellung bietet. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) sind Eingliederungsmaßnahmen daher nicht zu leisten, wenn der Bedarf bzw. das Teilhabeziel anderweitig gedeckt werden kann, so wie hier - neben der Nutzung des dem Kläger zur Verfügung stehenden Pkw`s - auch durch die ihm zumutbare Inanspruchnahme des ÖPNV, der Bundesbahn für weitergelegene Ziele oder der Inanspruchnahme des zur Verfügung stehenden - auch mit der Möglichkeit sog. Spontanfahrten im Rahmen freier Kapazitäten - Behindertenfahrdienstes oder eines entsprechend ausgestatteten Taxis (vgl. BSG, Urteile vom 28.08.2018 - B 8 SO 9/17 R - juris Rn. 22; vom 08.03.2017 - B 8 SO 2/16 R - juris Rn. 21 - und vom 12.12.2013 - B 8 SO 18/12 R - juris Rn. 17; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.05.2015 - L 9 SO 303/13 - juris Rn. 46; Luthe in: jurisPK-SGB IX § 55 Rn. 22 ff., jeweils m.w.N.). Es liegen dabei keinerlei Anhaltspunkte vor, dass der Kläger, der offenbar körperlich dazu in der Lage ist, die von ihm im Einzelnen dargelegten verschiedensten Veranstaltungen unter Zuhilfenahme des ihm gewährten monatlichen Mobilitätszuschusses nebst Begleithilfe i.H.v. derzeit 206,20 EUR innerhalb und außerhalb des Saarlandes durchzuführen, die oben geschilderten Transportmöglichkeiten aufgrund seines Gesundheitszustands nicht nutzen könnte.

Dabei darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass Ziel der steuerfinanzierten sozialen Fürsorgeleistungen der Schutz vor sozialer Ausgrenzung ist und hierbei auf die Lebensgewohnheiten abgestellt werden muss, die auch von der Bevölkerung in "bescheidenen Verhältnissen" geteilt werden (Luthe in: jurisPK-SGB IX, § 55 Rn. 14; Bayerisches LSG, Urteil vom 26.02. 2010 - L 8 SO 55/09), so dass sich daraus eine Grenze des dem Kläger aus § 9 Abs. 2 SGB XII zustehenden Wunsch- und Wahlrechts ergibt (vgl. BSG, Urteil vom 02.12.2012 - B 8 SO 19/10 R - juris Rn. 27; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.05.2015 - L 9 SO 303/13 - juris Rn. 45). Daher sind solche Wünsche und Ziele für die Beurteilung der Notwendigkeit der Nutzung eines Kfz unbeachtlich, wenn es sich um solche handelt, deren Verwirklichung in der Vergleichsgruppe der nicht behinderten, nicht sozialhilfebedürftigen Erwachsenen in der gleichen Altersgruppe als unangemessen gelten - etwa wegen der damit regelmäßig verbundenen Kosten - und die damit der Teilhabe nicht dienen können (vgl. BSG, Urteil vom 08.03.2017 - B 8 SO 2/16 R - juris Rn. 23).

Unter Zugrundelegung dessen kann im vorliegenden Fall nicht zur Überzeugung des Senats davon ausgegangen werden, dass ein nicht behinderter Hilfebedürftiger der Vergleichsgruppe im vorliegenden Fall einen Pkw erwerben würde, um die von dem Kläger dargestellten Besuche und Veranstaltungen durchzuführen. Diese sind nicht derart umfangreich und so vom Wohnort des Klägers entfernt, dass hierfür die Benutzung eines eigenen Kfz notwendig oder unentbehrlich wäre. So hat der Kläger in der Anlage zum Schriftsatz vom 18.08.2017 für einige Monate die von ihm durchgeführten Aktivitäten aufgelistet und diese im Schriftsatz vom 03.07.2018 zusammenfassend mit durchschnittlich monatlich 4,35 Besuchen von kulturellen Veranstaltungen (die überwiegend in der Umgebung von oder in B-Stadt, wozu der Wohnort des Klägers gehört, stattfinden), 1 Besuch seines Zwillingsbruders bzw. sonstiger Verwandten, und pro Jahr mit 2 Besuchen seiner Mutter in Berlin und 19 Besuchen von Heimspielen des 1. FCK angegeben. Zu letzteren hat das SG im Übrigen zutreffend ausgeführt, dass der Kläger zum Erreichen des Stadions "Betzenberg" in Kaiserslautern sehr gut die Bahn benutzen könne, die einen barrierefreien Zugang zu allen Zügen gewährt, wobei sich der Bahnhof in Kaiserslautern direkt unterhalb des Stadions befindet.

Zusammenfassend würde sich daher zur Überzeugung des Senats auch ein Nichtbehinderter der Vergleichsgruppe unter Berücksichtigung der Kosten zur Anschaffung und zum Betrieb eines (eigenen) Pkw´s, die insgesamt außer Verhältnis zum Nutzen stehen, den sowohl der Kläger als auch ein Nichtbehinderter in der gleichen Situation hätte, kein eigenes Kfz anschaffen. Die Übernahme der Kosten für die Beschaffung eines Kfz auf Kosten der Gemeinschaft sind dementsprechend nicht als angemessen i.S.d. § 8 Abs. 1 EinglHV i.V.m. § 4 Abs. 1 SGB IX anzusehen, um die von dem Kläger angeführten Eingliederungsziele zu erreichen.

Infolge dessen kam es auch nicht mehr darauf an, ob das vom Kläger angeschaffte Fahrzeug selbst angemessen wäre oder ein anderes oder gebrauchtes Fahrzeug mit erheblich geringerem Wert nicht den Ansprüchen in gleicher Weise genügen würde (vgl. BSG, Urteil vom 02.02.2012 - B 8 SO 9/10 R - juris Rn. 23).

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen (§ 160 Abs. 2 SGG).

Referenznummer:

R/R8412


Informationsstand: 06.04.2020