II.
Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bleibt erfolglos.
Nach § 123
Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (
VwGO) kann das Verwaltungsgericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Eine einstweilige Anordnung kann auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis getroffen werden, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus sonstigen Gründen geboten ist (Regelungsanordnung; § 123
Abs. 1 Satz 2
VwGO).
Eine derartige Anordnung setzt voraus, dass ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) besteht und sich der Antragsteller auf einen Anordnungsanspruch berufen kann. Das Vorliegen beider Voraussetzungen ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123
Abs. 3
VwGO, § 920
Abs. 2 Zivilprozessordnung -
ZPO). Eine solche Glaubhaftmachung liegt in entsprechender Anwendung von § 23
Abs. 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (
SGB X) dann vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch überwiegend wahrscheinlich ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Vorliegend spricht vieles dafür, dass ein Anordnungsgrund (Dringlichkeit) besteht; es fehlt jedoch an einem Anordnungsanspruch.
Die Antragstellerin begehrt Leistungen, die das Integrationsamt nach
§ 102 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b) des Sozialgesetzbuches Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) aus den Mitteln der Schwerbehindertenausgleichsabgabe als begleitende Hilfe im Arbeitsleben zum Erreichen des Arbeitsplatzes erbringen kann. Gemäß
§ 14 Abs. 1 Nr. 2, § 17 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) und
§ 20 der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) können Leistungen nach Maßgabe der Verordnung über Kraftfahrzeughilfe zur beruflichen Rehabilitation - Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (
KfzHV) erbracht werden. Die Kraftfahrzeughilfe-Verordnung sieht vor, für behinderte Menschen, die zum Erreichen ihres Arbeitsplatzes auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sind, Kraftfahrzeughilfe zu leisten, wenn nur auf diese Weise die Teilhabe am Arbeitsleben dauerhaft gesichert werden kann (
§ 3 Abs. 3 KfzHV). Die Leistungen des Integrationsamtes sind damit auf die Sicherstellung der Teilhabe am Arbeitsleben beschränkt.
Auf eine telefonische Zusage einer Sachbearbeiterin des Integrationsamtes kann sich die Antragstellerin nicht berufen. Eine Zusicherung wäre nur dann wirksam, wenn sie in schriftlicher Form abgegeben worden wäre (§ 34
Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren (
SGB X)).
Die Antragstellerin gehört zwar unstreitig zum Personenkreis der schwerbehinderten Menschen, für die die Erbringung von Leistungen der begleitenden Hilfe im Arbeitsleben nach Maßgabe der §§ 102
SGB IX,
14 ff SchwbAV,
i.V.m. der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung grundsätzlich möglich ist. Es ist jedoch streitig, ob sie nicht mittels öffentlicher Verkehrsmittel ihren Arbeits-
bzw. Ausbildungsplatz erreichen kann, sie also auf einen individuellen Transport mit eigenem Kraftfahrzeug angewiesen ist. Da die Antragstellerin nicht gehbehindert oder sonst in ihrer Bewegungsfähigkeit relevant eingeschränkt ist, bedürfte es besonderer behinderungsbedingter Umstände, die die Erforderlichkeit einer Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges rechtfertigen könnten. Die Antragstellerin meint, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei ihr behinderungsbedingt nicht möglich
bzw. zumutbar. Sie hat jedoch keine Tatsachen glaubhaft gemacht, die diese Annahme stützen könnten.
Soweit sie sich auf eine durch die im Januar dieses Jahres begonnene Interferon-Therapie verursachte Immunschwäche beruft, verhilft dies ihrem Antrag nicht zum Erfolg. Wie von den vom Integrationsamt beteiligten Versorgungsärzten des Ärztlichen Dienstes - im Widerspruchsverfahren auch unter Berücksichtigung der von der Antragstellerin vorgelegten Laborbefunde - dargelegt, machen es die Therapie
bzw. deren Nebenwirkungen nicht erforderlich, Menschenansammlungen
z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln zu meiden. Dieser fachkundigen Beurteilung ist die Klägerin nur mit eigenen laienhaften Behauptungen und mit Zitaten aus der "Fachliteratur" entgegengetreten. Eine ärztliche Stellungnahme, die potentiell geeignet wäre, die versorgungsärztliche Beurteilung - gerade für ihren Fall - zu widerlegen oder zumindest in Frage zu stellen, hat sie dagegen nicht beigebracht. Im Übrigen kann die Auffassung der Antragstellerin auch deshalb nicht überzeugen, weil sie während des Studiums am Fachbereich Finanzwesen wie auch der fachpraktischen Ausbildung am Finanzamt ... (wie auch im Privatleben) ständig mit einer Vielzahl von Personen in Kontakt und konfrontiert sein wird. Wäre ihre Infektanfälligkeit tatsächlich derart gesteigert, wie die Antragstellerin Glauben machen will, wäre sie für die beabsichtigte Ausbildung ungeeignet.
Die Antragstellerin hat weiter auch nicht glaubhaft gemacht, dass sie aufgrund ihrer psychischen Störung zwingend auf ein eigenes Kraftfahrzeug angewiesen ist, um ihre Ausbildungsorte zu erreichen. Dass sie aufgrund der von ihr beschriebenen Phobien nicht in der Lage ist, öffentliche Verkehrsmittel (auch leere Zugabteile) zu benutzen, oder ihr das nicht zumutbar ist, ist nicht belegt. Eine solche Auswirkung ihrer psychischen Störung geht auch nicht konkret aus dem "Verlängerungsantrag psychosomatisch-/ psychotherapeutische Krankenhausbehandlung" der Hochgratklinik vom 29. April 2011, der dem Integrationsamt übermittelt wurde, hervor. Sonstige Nachweise oder Unterlagen, die die Behauptung der Antragstellerin stützen könnten, hat sie weder im Verwaltungs- noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegt.
Im Übrigen ist ihr Vorbringen auch nicht schlüssig. Wenn bei ihr in Situationen, in denen sie von hinten angegriffen werden könnte, Angstattacken ausgelöst würden, so könnte dies auch beim Führen eines von ihr favorisierten SUV auftreten. Denn sie könnte nicht sicher sein, ob nicht plötzlich im Fahrzeug hinter ihr ein potentieller Angreifer, der sich dort versteckt hielt, auftaucht. Eine unkontrollierte Reaktion der Antragstellerin während des Führens eines Fahrzeugs würde aber möglicherweise auch andere Verkehrsteilnehmer gefährden.
Da somit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 102
Abs. 3
SGB IX und der
§§ 17 und
20 SchwbAV bereits nicht vorliegen, bedarf es keiner Prüfung mehr, ob (auf der Ebene des Handlungsermessen) eine Ermessensreduzierung auf Null als überwiegend wahrscheinlich erscheint.
Nach allem ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123
VwGO abzulehnen. Die Antragstellerin trägt als unterliegender Teil die Kosten des gemäß § 188 Satz 2
VwGO gerichtskostenfreien Verfahrens (§ 154
Abs. 1
VwGO).