Urteil
Bewilligung von Kraftfahrzeughilfe

Gericht:

LSG Baden-Württemberg


Aktenzeichen:

L 9 R 1979/12 NZB


Urteil vom:

27.11.2012


Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 04. April 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Rechtsweg:

SG Karlsruhe, Urteil vom 04. April 2012 - S 9 R 2790/11

Quelle:

Sozialgerichtsbarkeit BRD

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe (SG) vom 04. April 2012 ist zulässig (vgl. § 145 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) aber nicht begründet, weil die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nicht vorliegen.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Beschwerdewert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor.

Gegenstand des Klageverfahrens S 9 R 2790/11 war der Bescheid vom 05. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08. Juni 2011, mit dem die Beklagte auf den Antrag vom 23. November 2009 die Bewilligung von Kraftfahrzeughilfe in Form der Übernahme von Kosten in Höhe von 670,20 EUR einer behinderungsbedingt erforderlichen Zusatzausstattung, die die Klägerin am 20. Januar 2010 in ihr gebraucht erworbenes Kraftfahrzeug einbauen ließ, abgelehnt hat, weil der Erwerb des gebrauchten Fahrzeuges (BMW 320i, Erstzulassung August 2003), dessen Zeitwert 50 % des Neuwagenpreises unterschreite, nach § 4 Abs. 3 Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) nicht förderungsfähig sei und damit auch die Kostenübernahme für die erforderliche Zusatzausstattung entfalle. Damit ist ein Wert des Beschwerdegegenstands von über 750,00 EUR nicht erreicht.

Da das SG die Berufung nicht zugelassen hat, bedarf eine Berufung der Zulassung durch Beschluss des Landessozialgerichts - LSG - (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor. Die Klägerin macht zur Begründung der Beschwerde im Wesentlichen geltend, die angefochtene Entscheidung verstoße gegen die Entscheidung des BSG vom 21. März 2006, B 5 RJ 9/04 R, weil die Gewährung der Kostenübernahme für die Zusatzausstattung nicht nach § 4 Abs. 3 KfzHV ausgeschlossen sei und die Beklagte das ihr infolgedessen eingeräumte Ermessen bei ihrer Entscheidung nicht ausgeübt habe. Die unterbliebenen Ermessenserwägungen, bei denen die Beklagte den einwandfreien Zustand der Kfz-Technik des erworbenen Fahrzeuges, den Umstand, dass sie das Fahrzeug selbst bezahlt habe und keine Mittel für den Erwerb eines Neufahrzeuges oder Jahreswagens gehabt habe, dass bei ihr ein GdB von 90 und die Nachteilsausgleiche G sowie aG festgestellt seien, und sie die Zusatzausstattung benötige, um mit ihrem Fahrzeug ihre Arbeitsstelle zu erreichen und ansonsten Erwerbsminderungsrente beantragen müsste, hätte berücksichtigen müssen, hätten dazu führen können, dass die Leistung zu gewähren sei. Ferner betreffe die zu Grunde liegende Frage auch eine Vielzahl von Schwerbehinderten und habe damit grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

Mit diesen Rügen macht die Klägerin allerdings letztlich nur die (aus ihrer Sicht) materielle Unrichtigkeit des Urteils des SG geltend, ohne einen Zulassungsgrund aufzuzeigen. Hierauf kann die Nichtzulassungsbeschwerde (mit Erfolg) nicht gestützt werden. Im Übrigen ist ein Zulassungsgrund nicht erkennbar.

Der Rechtssache kommt zunächst keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Eine solche kommt der Rechtssache nur zu, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 2, 121, 132 zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (so Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144 Rdnr. 28; vgl. dort auch § 160 Rdnr. 6 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinn wirft die Streitsache nicht auf. Die Rechtsfrage, ob für die Übernahme von Kosten einer behinderungsbedingt erforderlichen Zusatzausstattung nach § 7 KfzHV für ein gebraucht erworbenes Fahrzeug der Erwerb des Fahrzeuges selbst nach § 4 Abs. 3 KfzHV förderungsfähig sein muss, ist durch die obergerichtliche Rechtsprechung geklärt. Hierzu haben das LSG Nordrhein-Westfalen, L 17 U 207/97, am 10. Juni 1998 und das LSG Niedersachsen, L 1 RA 51/99, am 24. Februar 2000 (jeweils veröffentlicht in Juris) entschieden, dass die in § 4 Abs. 3 KfzHV vorzunehmende Prüfung, d. h. ob der Zeitwert des erworbenen Gebrauchtwagen 50 % seines Neupreises erreicht, auch für die Entscheidung, ob eine erforderliche Zusatzausstattung zu fördern ist, vorzunehmen ist. Im Hinblick darauf, dass die Bestimmung des § 7 KfzHV im Einzelfall unter Beachtung der allgemein geltenden Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 13 Abs. 1 SGB VI) auszulegen ist und insbesondere auch die behinderungsbedingt erforderliche Ausstattung wirtschaftlich sinnvoll und zweckmäßig sein muss (BR-Drucksache 266/87, S. 25), schließt sich der Senat der vorgenannten Rechtsprechung, die auch von der Literatur gestützt wird (vgl. Majerski-Pahlen in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 12. Auflage, § 7 KfzHV Rdnr.3; so im Ergebnis auch Knittel, SGB IX, Kommentar 2012, § 33 SGB IX, Rdnr 179), an. Die Klägerin hat auch nicht unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung dargelegt, welche klärungsbedürftigen Fragen darüber hinaus noch zu beantworten wären. Eine darüber hinausgehende Rechtsfrage, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, wirft der vorliegende Rechtsstreit nicht auf.

Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung jener Gerichte nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Leitherer, a.a.O., § 160 Rdnr. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen Rechtssatz in diesem Sinn hat das SG in seinem Urteil vom 04. April 2012 nicht aufgestellt, so dass eine Divergenz nicht in Betracht kommt. Die angefochtene Entscheidung steht in Übereinstimmung mit der o. g. obergerichtlichen Rechtsprechung. Sie steht - entgegen dem Vorbringen der Klägerin - auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des BSG vom 21. März 2006, B 5 RJ 9/04 R, da in dieser Entscheidung das gebraucht erworbene Kfz nach § 4 Abs. 3 KfzHV förderungsfähig war, wie das LSG festgestellt hatte.

Da letztlich auch ein wesentlicher Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des dritten Zulassungsgrundes nicht geltend gemacht wurde bzw. ersichtlich ist, war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht gefochten werden (§ 177 SGG).

Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (vgl. § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Referenznummer:

R/R9677


Informationsstand: 02.01.2024