Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 30. August 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Klägerin begehrt die Übernahme von Kosten eines selbst beschafften, behindertengerechten Umbaus ihres Kraftfahrzeuges.
Die 1982 geborene Klägerin verfügt nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung und war ab Oktober 2012 als Industriemitarbeiterin bei der Firma A., B., beschäftigt und dort zuletzt bei der Firma C. als Produktionsmitarbeiterin
bzw. Kunststoffschweißerin in D. eingesetzt. Davor war sie beschäftigt als Verkäuferin im Lebensmitteleinzelhandel, als Gebietskoordinatorin im Einzelhandel sowie als Service-Mitarbeiterin in einer Spielothek und in der Zeit von Januar 2011 bis September 2012 arbeitsuchend mit dem Bezug von Arbeitslosengeld I
bzw. Arbeitslosengeld II. Ab 03.04.2013 bestand Arbeitsunfähigkeit mit einem Bezug von Krankengeld ab 04.05.2013. Das Arbeitsverhältnis endete durch ordentliche Kündigung der A. nach Zustimmung des Integrationsamtes am 30.04.2015. Nach Krankengeld, Übergangsgeld und Arbeitslosengeld I bezieht die Klägerin seit 01.07.2015 Arbeitslosengeld II über das E.. Wegen einer Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks, des rechten Ellenbogengelenks und des rechten Handgelenkes ist ein Grad der Behinderung von 30 seit 14.11.2013 festgestellt (Bescheid des Landratsamtes O. vom 11.03.2014). Über die Agentur für Arbeit absolvierte die Klägerin zwischen Juli 2011 und Januar 2012 eine Weiterbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation (ohne Abschluss). Die Agentur für Arbeit stellte mit Bescheid vom 25.06.2014 fest, dass die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist.
Nach dem Entlassungsbericht der F., G., vom 17.10.2013, wo sich die Klägerin vom 01.10.2013 bis 18.10.2013 in stationärer Behandlung befand, leidet die Klägerin unter einem gemischt nozizeptiv-neuropathischen Schmerzsyndrom des rechten Ellenbogens bei Epicondylitis radialis sowie Operation mit Tenotomie und Denervierung nach Wilhelm sowie einer Anpassungsstörung. Im Rahmen einer von der Beklagten geförderten medizinischen Rehabilitation in der H. I., wo sie sich vom 02.12.2013 bis 23.12.2013 in stationärer Behandlung befand, wurden die Diagnosen schmerzhafte Funktionseinschränkung am rechten Arm nach Operation wegen Epicondylopathia humeri radialis am 02.05.2013, Anpassungsstörung, Bandscheibenvorfall L5/S1, Penicillin-Allergie und Adipositas gestellt und die Auffassung vertreten, dass die Klägerin die Tätigkeit einer Kunststoffschweißerin nur noch unter drei Stunden, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedoch leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr ausüben könne. Die Entlassung erfolgte als arbeitsunfähig.
Mit am 30.12.2013 eingegangenen Schreiben vom 20.12.2013 beantragte die Klägerin die Prüfung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und machte geltend, bei allen auszuführenden Tätigkeiten bestünden Einschränkungen.
Vom 27.02.2014 bis 17.03.2014 befand sich die Klägerin in stationärer schmerztherapeutischer Behandlung der J., K..
Die Klägerin nahm im Rahmen von der Beklagten gewährten Leistungen zur Teilhabe in der Zeit vom 10.06.2014 bis 18.07.2014 an einer Trainingsmaßnahme im Berufsförderungswerk G. mit dem Ziel des Erlernens des Einhänder-Schreib-Programms mit der nichtdominanten linken Hand und der Verbesserung der Koordination und der Feinmotorik im Bereich der nichtdominanten linken oberen Extremität teil. Diese endete mit der Empfehlung, dass die Klägerin eine Tätigkeit im Verwaltungsbereich mit Eignung für Tätigkeiten an Bildschirmarbeitsplätzen aus arbeitsmedizinischer Sicht zeitnah aufnehmen könne. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Produktionsmitarbeiterin in der Kunststoffindustrie sei aufgrund der hohen Hand-Arm-Beanspruchung nicht mehr leidensgerecht. Auch im Bereich des Fahrtrainings hätten Fortschritte erzielt werden können und obwohl die Fahrtauglichkeit
bzw. das Führen von Fahrzeugen und die Maschinenbedienung bei bestehender Medikation zwar grundsätzlich eingeschränkt sein könne, sei ein Führen von Fahrzeugen unter Beachtung der Eigenverantwortlichkeit durchaus möglich (Bericht vom 05.08.2014).
Eine ebenfalls im Berufsförderungswerk G. vom 21.07.2014 bis 01.08.2014 geplante Berufsfindung und Arbeitserprobung wurde auf Wunsch der Klägerin zunächst verschoben und ist nach Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung des M1 vom 22.08.2014 ("Aufgrund ihrer Erkrankung (
ICD R52.2;
ICD F43.2) ist Frau L. auf nicht absehbare Zeit nicht in der Lage eine Tätigkeit auszuüben, insbesondere auch nicht an einer Maßnahme der Berufsfindung/Arbeitserprobung teilzunehmen") zunächst nicht durchgeführt worden. Im Abschlussbericht (19.12.2014) der dann vom 17.11.2014 bis 28.11.2014 durchgeführten Maßnahme wurde ausgeführt, dass die Klägerin unter einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung des rechten Armes, an einer mittelgradigen depressiven Episode, an einer posttraumatischen Belastungsstörung und an einer atypischen Anorexia nervosa leide. Aus arbeitsmedizinischer Sicht bestehe eine vollschichtige Eignung für leichte physische Belastungen, ohne schweres Heben und Tragen und Zwangshaltungen. Auf eine ergonomische Arbeitsplatzgestaltung sei zu achten, als Hilfsmittel benötige die Klägerin eine Ergorest-Unterarmauflage. Kaufmännisch-verwaltende Tätigkeiten seien geeignet, eine Teilnahme an einer Abschlussprüfung der Ausbildung zur Bürofachkraft erscheine nach Stabilisierung der depressiven Episode möglich. Ferner wurde ausgeführt, dass die psychische Belastbarkeit der Klägerin derzeit deutlich eingeschränkt sei. Von schulischen Bildungsmaßnahmen oder einer Arbeitsaufnahme sei derzeit abzusehen. Es werde dringend zur stationären Aufnahme in einer psychosomatischen Klinik geraten.
Im von der Beklagten im Rahmen eines Antrages auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 24.09.2014 veranlassten Gutachten des M2 vom 22.04.2015 ist vermerkt, dass die Klägerin zur aktuellen Begutachtung pünktlich mit dem Auto des Vaters angereist sei. Im Vordergrund der Beschwerdeschilderung bestehe ein Schmerzsyndrom im Bereich des rechten Armes, schwerpunktmäßig im rechten Ellenbogen. Eine klinisch-neurologische Untersuchung des rechten Armes habe die Klägerin nicht zugelassen, weshalb dieser nicht beurteilt werden könne. Ansonsten habe sich kein pathologischer Befund gefunden. Psychiatrisch habe sich keine schwerergehende depressive Störung, keine psychotische Störung und kein hirnorganisches Psychosyndrom gezeigt. Aufgrund der Schmerzstörung ergebe sich das Bild einer depressiven Anpassungsstörung. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit in der Produktion sei nicht mehr leidensgerecht, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien aus seiner Sicht weiterhin vollschichtig möglich. Eine Indikation für eine medizinische Rehabilitation
bzw. für Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben sehe er aktuell nicht.
Vom 23.07.2015 bis 02.09.2015 befand sich die Klägerin in teilstationärer Behandlung der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im N.O. mit den Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom, psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide: Abhängigkeitssyndrom. Den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 05.05.2015 und Widerspruchsbescheid vom 27.04.2016 ab.
Am 09.07.2014 beantragte die Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der Form einer
Kfz-Hilfe und gab an, dass sie aus gesundheitlichen Gründen (Arm) nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Ferner sei ein
Kfz, ein Ford Fiesta, Baujahr 2013 mit einer Erstzulassung am 09.01.2014, vorhanden, das auf den Vater zugelassen sei.
Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.08.2014 ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin könne ihren Arbeitsort oder Ausbildungsort trotz der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Die Fußwege zu den Haltestellen und die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel seien ihr zuzumuten. Dass Verkehrsmittel zu ungünstigen Zeiten verkehrten, sei unerheblich, weil die Klägerin auch ohne ihre gesundheitlichen Einschränkungen auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen wäre. Die Voraussetzungen für eine Kraftfahrzeughilfe lägen damit nicht vor.
Hiergegen hat die Klägerin am 04.09.2014 Widerspruch eingelegt und darauf hingewiesen, dass der rechte Arm keinerlei Funktion mehr zulasse. Sie sei weder in der Lage, etwas zu greifen geschweige denn festzuhalten. Schon deshalb sei zukünftig das Führen eines Kraftfahrzeuges nur mit einer entsprechenden Zusatzeinrichtung möglich. Hauptsächlich gehe es aber um die Frage der Arbeitstätigkeit. Sie befinde sich noch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis. Einstellungsvoraussetzung sei gewesen, dass sie über einen Pkw verfüge und deshalb auch an wechselseitigen Arbeitsstellen einsetzbar sei. Auch jetzt in der Rehabilitationsphase werde immer wieder die Wahrnehmung von Terminen verlangt, welche nicht immer und ohne Weiteres mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und hielt daran fest, dass die Klägerin in der Lage sei, ihren Arbeitsort oder Ausbildungsort trotz der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Die Fußwege zu den Haltestellen und die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel seien ihr zumutbar.
Hiergegen hat die Klägerin am 02.06.2016 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben und geltend gemacht, dass ihr rechter Arm völlig funktionslos sei und quasi nur noch ein Anhängsel darstelle. Es sei eine Knochenhautentzündung am Epicondylus radialis festgestellt worden; nachdem alle konservativen Maßnahmen ohne Erfolg geblieben seien, habe man am 02.05.2013 eine Tenotomie und Denervierung durchgeführt. Direkt nach dem Aufwachen aus der Narkose habe sich eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung am Ellenbogen sowie am Hand- und Schultergelenk rechts entwickelt. Weder im angefochtenen Bescheid noch im Widerspruchsbescheid sei berücksichtigt, dass ihr Arm zu 100 % ohne jegliche Funktion sei. Im Rahmen der Behandlung in der Tagesklinik im P. seien diesbezüglich auch Tests vorgenommen worden, insbesondere, ob sie in der Lage sei, mit diesem Arm via Bus Einkäufe zu tätigen und anderes mehr, was aber überwiegend nicht funktionierte. Sobald sie eine gefüllte Einkaufstasche bei sich habe, habe sie keinen Arm mehr zur Verfügung, um sich im Bus festzuhalten. Den Zustand des Armes als chronifiziertes Schmerzsyndrom zu benennen, werde weder ihr noch ihrem Krankheitsbild gerecht. Fakt sei, dass sie auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sei, insbesondere dann, wenn es möglicherweise in unabsehbarer Zeit zu einer Wiedereingliederung kommen sollte. Obwohl sie noch gehfähig sei, sei sie in ihrer Bewegungsfähigkeit insbesondere im Straßenverkehr erheblich eingeschränkt, vor allem dann, wenn sie irgendwelche Gegenstände mit sich führe, weil der rechte Arm völlig ohne Funktion sei und damit auch keine Möglichkeit des Festhaltens oder Greifens eines Gegenstandes gegeben sei.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat die sozialmedizinische Stellungnahme des Q vorgelegt, der die Auffassung vertreten hat, dass die Klägerin trotz ihrer bestehenden Beschwerden öffentliche Verkehrsmittel nutzen könne.
Das SG hat Beweis erhoben durch das Einholen einer sachverständigen Zeugenaussage des R.,
S.O., der unter dem 16.08.2016 zusammen mit der T. ausführte, dass eine schwere Funktionsbeeinträchtigung der gesamten oberen Extremität rechts vorliege, wobei eine neurologische Ursache bislang nicht habe gefunden werden können. Das Ausmaß der Schmerzen und der Bewegungseinschränkung kontrastiere erheblich zu dem Eingriff. Gegen ein CRPS sprächen das fehlende Ödem, die fehlende Lividität und fehlende Unterschiede der Schweißneigung. In der tagesklinischen Behandlung habe die Behandlung der psychiatrischen Diagnose im Vordergrund gestanden.
2016 hat die Klägerin ein Kind geboren. Unter dem 10.04.2017 hat sie mitgeteilt, dass sie an der Kraftfahrzeugbeihilfe festhalte, der Umbau nach wie vor erforderlich und rein tatsächlich auch mittlerweile durchgeführt worden sei. Sie sei bezüglich der Kosten in Vorleistung getreten. Das Fahrzeug werde auch als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben benötigt, denn zum Zeitpunkt der Beantragung/des Widerspruchsverfahrens habe sie sich in einem Beschäftigungsverhältnis befunden. Sie befinde sich zwar zurzeit in Elternzeit, die Problematik werde aber nach Ablauf dieser Zeit erneut aktuell.
Mit Gerichtsbescheid vom 30.08.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der verfolgte Erstattungsanspruch schon deshalb nicht greife, weil der Rehabilitationsträger die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt habe. Der Erstattungsanspruch scheitere, weil die Klägerin infolge ihrer Behinderung nicht auf die Benutzung eines
Kfz angewiesen sei. Aktuell und zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung der Beklagten habe sie zudem keine Arbeit oder Ausbildungsstelle innegehabt. Die Behinderung müsse nicht der einzige Umstand sein, der Ursache für ein Angewiesensein auf ein
Kfz sei. Es genüge, wenn die Behinderung so erheblich sei, dass sie allein geeignet sei, den Behinderten zur Benutzung eines
Kfz zu zwingen. Der Versicherte müsse also wegen Art und Schwere der Behinderung auf ein
Kfz angewiesen sein. Dies sei gegeben, wenn wegen der Behinderung der Arbeits-
bzw. Ausbildungsort oder der Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung nicht oder nicht zumutbar zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder anderweitig erreicht werden könne. Dies sei dann der Fall, wenn regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzt oder die Fußwege von der Wohnung zur Haltestelle und von dieser zu einem Arbeits- oder Ausbildungsort nicht zurückgelegt werden könnten. Entsprechendes gelte, wenn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen einer Behinderung,
z. B. einer besonders schweren Gesichtsentstellung, nicht zuzumuten sei. Kein Anspruch bestehe, wenn ein
Kfz nur wegen fehlender oder unzureichender öffentlicher Verkehrsmittel erforderlich sei, weil dann die Behinderung nicht Ursache für die Erforderlichkeit eines
Kfz sei. Vorliegend sei schon nicht ersichtlich, weshalb die Klägerin trotz ihres beeinträchtigten Armes nicht Bus oder Bahn fahren können sollte. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt mit dem Ergebnis, dass sie die nächstgelegene Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel erreichen könne. Selbst wenn in öffentlichen Verkehrsmitteln einmal kein Sitzplatz vorhanden sein sollte, könne sich die Klägerin immer noch mit ihrem gesunden Arm festhalten. Soweit vorgetragen werde, dass das nicht gehe, wenn die Klägerin beispielsweise Einkäufe bei sich führe, so sei dem entgegenzuhalten, dass dann entweder ein Rucksack verwendet werden könne oder die entsprechenden Einkaufstüten einfach auf den Boden gestellt werden könnten. Weitergehend sei Anspruchsvoraussetzung einer
Kfz-Beihilfe gerade die Angewiesenheit auf ein
Kfz, um den Arbeits- oder Ausbildungsort zu erreichen. Die Erleichterung täglicher Besorgungen sei nicht deren Sinn und Zweck. Weitergehend habe die Klägerin weder aktuell noch zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung tatsächlich einen Arbeitsplatz innegehabt.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 05.09.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 02.10.2017 Berufung einlegen lassen. Sie hält daran fest, dass sie gerade nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Soweit behauptet werde, sie könne sich im Bus oder im Zug festhalten, sei dies nicht belegt, gerade das Gegenteil sei mit der Klageschrift angeführt worden. Die Tagesklinik des
SRH-Klinikums habe Tests vorgenommen, die negativ ausgefallen seien. Sie verweist ferner auf die Besonderheiten des Morbus Sudeck, bei dem sich der Arm in L-Stellung befinde und jedwede Berührung/Veränderung erhebliche Schmerzen auslöse. Sie sei damit nicht mit einem Behinderten zu vergleichen, dem ein Arm gänzlich fehle. Eine Rucksackbenutzung scheide als sinnvolle Alternative daher aus. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt des Umbaus auf den Vater zugelassen gewesen sei. Dieser sei zwischenzeitlich verstorben und sie die Erbin. Das Fahrzeug sei ihr im Zeitpunkt der Antragstellung und auch davor und danach zur ausschließlichen Nutzung überlassen gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei zum 30.04.2015 aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung beendet worden. Sie hat das Duplikat einer Rechnung des Autohauses W vom 30.07.2014 über am 30.07.2014 ausgeführte Arbeiten mit einem Gesamtaufwand von 4.313,99 Euro vorgelegt.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 30. August 2017 und den Bescheid der Beklagten vom 14. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihren Antrag vom 9. Juli 2014 neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.
Nach Erörterung des Sach- und Streitstandes vor dem Berichterstatter des Senats am 27.03.2018 teilt die Klägerin mit, die Umbaukosten habe sie nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können, weswegen sie diese darlehensweise von ihrem Vater erhalten habe. Eine an und für sich geschuldete Rückführung habe sich erübrigt, da der Vater zwischenzeitlich verstorben und sie dessen Erbin geworden sei. Zum Zeitpunkt des Umbaus sei der Pkw auf den Vater zugelassen gewesen, dies erkläre auch, weshalb der Kostenvoranschlag auf den Namen des Vaters ausgestellt sei. Im Zeitpunkt der Antragstellung und auch davor und danach sei das Fahrzeug jedoch zur ausschließlichen Nutzung ihr überlassen gewesen. Aus dem vorgelegten Duplikat der Rechnung des Autohauses W ergibt sich eine Auftragserteilung am 03.07.2014 und ein Liefer- und Rechnungsdatum vom 30.07.2014.
Auf den Umstand der Erteilung des Auftrages vor einer Entscheidung der Beklagten wurde die Klägerin mit gerichtlicher Verfügung vom 24.06.2019 hingewiesen. Hierauf machte die Klägerin geltend, es sei kein klassischer Fall einer eigenmächtigen Selbstbeschaffung vor Bescheidung, da dieses Vorgehen in enger Abstimmung mit der Beklagten erfolgt sei. Ihr sei bei einer persönlichen Vorsprache gesagt worden, sie solle den Antrag einreichen und könne unverzüglich und damit vor Bescheidung den Umbau des Pkw veranlassen, sie erhalte die Mittel erstattet. Konkret (Schriftsatz vom 29.07.2019) hat sie dann ausgeführt, am 01.07.2014 mit Frau W unter der Durchwahl 0751/xxx telefoniert zu haben und von dieser die Auskunft erhalten zu haben, dass sie den Umbau des Pkw in die Wege leiten könne, sie möge sich einen Kostenvoranschlag beschaffen und, wenn die Rechnung nach erfolgtem Umbau zugehe, diese Unterlagen bei der Beklagten einreichen. Das einzige was sie beachten solle sei, dass sie zwar den Kostenvoranschlag jetzt schon besorgen könne, allerdings den formalen Auftrag erst dann erteilen solle, wenn der ausgefüllte schriftliche Antrag bei der Beklagten eingegangen sei. Genau so habe sie sich verhalten. Eine jüngst erfolgte Recherche habe ergeben, dass die formale Auftragserteilung am 10.07.2014 stattgefunden habe. Dies habe sich noch recherchieren lassen, da am Tag der formalen Auftragserteilung das Fahrzeug vom Autohaus W zu einem Partnerbetrieb nach B verbracht worden sei, weil der Umbau extern durchgeführt worden sei. Am 03.07.2014 sei kein Auftrag erteilt worden, sondern lediglich der Kostenvoranschlag angefordert worden. Das Datum des Kostenvoranschlages sei als Annahmetag fälschlicherweise bezeichnet worden, einen förmlichen Annahmetag habe es nicht gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (
SGG) zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist nach Ablehnung der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Bescheid vom 14.08.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2016 nicht nur lediglich, ob die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (hier: die begehrte zuschussweise Übernahme von Umbaukosten nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung) zu erbringen hat, sondern, ob die Klägerin die Kosten des von ihr veranlassten behinderungsbedingten Umbaus des Pkw von der Beklagten erstattet verlangen kann. Richtige Klageart ist (auch) im Falle der Geltendmachung eines bestimmten Zahlungsbetrages zur beruflichen Wiedereingliederung (Rehabilitation) nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung (
KfzHV) - wie hier - die (kombinierte Anfechtungs- und) Verpflichtungsklage. Auch wenn
§ 7 Satz 1 KfzHV vorschreibt, dass
u. a. für eine Zusatzausstattung, die wegen der Behinderung erforderlich ist, und für ihren Einbau die Kosten in vollem Umfang übernommen werden, folgt hieraus nicht, dass der Versicherte gegen den Rentenversicherungsträger einen Rechtsanspruch darauf hat, dieser müsse ihm in jedem Fall und in voller Höhe die Kosten jeglicher von ihm wegen seiner Behinderung angeschafften Zusatzausstattung bezuschussen. Der Rentenversicherungsträger darf vielmehr nur die Kosten einer - gemessen an der Erfüllung seiner Rehabilitationsaufgabe - objektiv notwendigen behinderungsbedingten Zusatzausstattung übernehmen. Dem Rentenversicherungsträger steht damit auch bei Anwendung der hier zu berücksichtigenden Vorschriften der
KfzHV ein Handlungs- und Auswahlermessen zu (
vgl. BSG, Urteil vom 16.11.1993 -
4 RA 22/93 -, juris Rn. 15f.), welches allerdings hinsichtlich Art und Umfang der Leistung durch die Vorschriften der
KfzHV eingeschränkt ist, soweit diese entsprechende Regelungen enthalten. Einen Kostenerstattungsanspruch hat die Klägerin auch im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemacht, sondern sinngemäß die Verpflichtungsklage, die eine Verpflichtungsbescheidungsklage miteinschließt. Der Antrag ist daher richtigerweise nicht auf Kostenerstattung, sondern auf ermessensfehlerfreie Entscheidung gerichtet. Den Antrag hat die Klägerin auf den Hinweis des Senats präzisiert und mit Blick auf die grundsätzlich im Ermessen der Beklagten stehende Entscheidung (siehe hierzu noch im Folgenden) den zwischenzeitlich erhobenen konkreten Erstattungsanspruch fallen gelassen. Insoweit liegen keine Klageänderungen vor (§ 99
Abs. 3
Nr. 1
SGG).
Über die rechtlichen Voraussetzungen ist zudem nach Maßgabe jener Rechtsvorschriften zu entscheiden, die zu dem Zeitpunkt gegolten haben, als die konkrete Leistung notwendig geworden ist (
vgl. BSG, Urteile vom 27.04.1982 -
1 RA 71/80 -, juris Rn. 28 und vom 21.03.2006 -
B 5 RJ 9/04 R -, juris Rn. 11). Damit ist nicht der Rechtszustand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich, sondern die zur Zeit der Beantragung im Juli 2014 geltenden Vorschriften. Dies ergibt sich aus § 301
Abs. 1 Satz 1 Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (
SGB VI), wonach für Leistungen zur Rehabilitation bis zum Ende der Leistungen die Vorschriften weiter anzuwenden sind, die im Zeitpunkt der Antragstellung oder, wenn den Leistungen ein Antrag nicht vorausging, der Inanspruchnahme galten.
Gemäß § 9
Abs. 1 Satz 1
SGB VI erbringt die Rentenversicherung Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, um den Auswirkungen einer Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit der Versicherten entgegenzuwirken oder sie zu überwinden und dadurch Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit der Versicherten oder ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern oder sie möglichst dauerhaft in das Erwerbsleben einzugliedern. Gemäß § 9
Abs. 2
SGB VI in der bis 31.12.2016 anzuwendenden Fassung vom 19.02.2002 können die Leistungen nach Absatz 1 erbracht werden, wenn die persönlichen (§ 10
SGB VI) und die versicherungsrechtlichen (§ 11
SGB VI) Voraussetzungen erfüllt sind. Nach § 13
Abs. 1 Satz 1
SGB VI (in der bis 31.12.2017 anzuwendenden Fassung) werden die Leistungen vom Träger der Rentenversicherung nach pflichtgemäßem Ermessen erbracht. Zu den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zählt gemäß § 16
SGB VI (in der bis 31.12.2017 anzuwendenden Fassung)
i. V. m.
§ 33 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 SGB 9 (
SGB IX - in der Fassung vom 20.12.2011) auch die Kraftfahrzeughilfe nach der Kraftfahrzeughilfeverordnung. Nach
§ 2 der von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats verordneten und am 01.10.1987 in Kraft getretenen
KfzHV vom 28.09.1987 umfasst die Kraftfahrzeughilfe auch Leistungen zur Beschaffung eines
Kfz und für eine (hier begehrte) behinderungsbedingte Zusatzausstattung. Gemäß § 2
Abs. 2
KfzHV werden die Leistungen als Zuschüsse und nach Maßgabe des
§ 9 (Leistungen in besonderen Härtefällen) als Darlehen erbracht. Zusätzlich zu den in den §§ 10-12
SGB VI genannten Voraussetzungen müssen die zwingenden spezifischen (persönlichen und sachlichen) Voraussetzungen einer
Kfz-Hilfe gemäß § 16
SGB VI i. V. m § 33
SGB IX und
§§ 3 ,
4 gegeben sein (
vgl. BSG vom 21.03.2001 -
B 5 RJ 8/00 R -, juris, Rn. 13).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Hilfe nach § 2
KfzHV nicht vor.
Die Entscheidung der Frage, ob der Klägerin berufsfördernde Rehabilitationsleistungen zu gewähren sind (sog. Eingangsprüfung), steht dabei nicht im Ermessen der Beklagten, sondern ist davon abhängig, ob neben den allgemeinen Leistungsvoraussetzungen von § 10 (persönliche Voraussetzungen), § 11 (versicherungsrechtliche Voraussetzungen) und § 12
SGB VI (kein Leistungsausschluss) die in der
KfzHV genannten, zusätzlichen (
u. a. persönlichen [§ 3
KfzHV]) Voraussetzungen vorliegen. Ein Anspruch auf Ausübung des Ermessens besteht erst dann, wenn die Voraussetzungen für die Pflicht zur Ermessensbetätigung vorliegen. Dem steht nicht entgegen, dass im Gesetz (
vgl. § 9
Abs. 2
SGB VI) die Formulierung gebraucht wird, berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation "können" erbracht werden. Gemäß gesetzessystematischer Auslegung steht nur die in einem zweiten Schritt zu treffende Entscheidung, "wie" die Rehabilitation nach Art, Dauer, Umfang und Begründung durchzuführen ist,
d. h. welche Leistungen in Betracht kommen, im pflichtgemäßen Ermessen der Beklagten (
vgl. zum Ganzen
BSG, Urteile vom 23.02.2000 -
B 5 RJ 8/99 R -; vom 16.11.1993 - 4 RA 22/93 - und vom 15.12.1994 -
4 RA 44/93 - juris).
Die persönlichen Voraussetzungen erfüllen nach § 10
Abs. 1
SGB VI Versicherte,
1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und
2. bei denen voraussichtlich
a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben abgewendet werden kann,
b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann,
c) bei teilweiser Erwerbsminderung ohne Aussicht auf eine wesentliche Besserung der Erwerbsfähigkeit der Arbeitsplatz durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten werden kann.
Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 10
SGB VI ist die Fähigkeit zur möglichst dauernden Ausübung der bisherigen beruflichen Tätigkeit im normalen Umfang. Bei der Beurteilung ist auf die bisherige Tätigkeit abzustellen. Sowohl bei der Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung, nämlich ob die Erwerbsfähigkeit bedroht oder beeinträchtigt ist, als auch bei der Auswahl einer konkreten Leistung ist grundsätzlich von dem zuletzt innegehabten Arbeitsplatz auszugehen (
BSG, Urteil vom 12.03.2019 -
B 13 R 27/17 R -, juris Rn. 18). Insoweit stellt der Senat fest, dass bei der Klägerin im Zeitpunkt des geltend gemachten Bedarfes im Juli 2014 (neben anderen Gesundheitsstörungen) im Wesentlichen eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Armes nach einer Operation wegen einer Epicondylopathia humeri radialis am 02.05.2013 vorlag, die, wie bereits im Entlassungsbericht der H. nach einer multimodalen Schmerztherapie in der Rklinik G. im Oktober 2013 (Diagnosen: gemischt nozizeptiv-neuropathisches Schmerzsyndrom des rechten Ellenbogens bei Epicondylitis radialis sowie Operation mit Tenotomie und Denervierung nach Wilhelm, Anpassungsstörung) beschrieben, eine erhebliche Beeinträchtigung der Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes zur Folge hat, die nach Einschätzung der behandelnden Ärzte in der H. auch der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Produktionshelferin/Kunststoffschweißerin entgegensteht. Deswegen haben diese Ärzte für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit auch ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden attestiert. Dieses Ergebnis stellt auch die Beklagte nicht in Frage, nachdem sie der Klägerin im Mai 2014 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der Form eines sechswöchigen Umstellungstrainings/Einhandtrainings (durchgeführt im Berufsförderungswerk G. vom 10.06.2014 bis 18.07.2014) und darüber hinaus eine Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung (durchgeführt ebenfalls im Berufsförderungswerk G. vom 17.11.2014 bis 28.11.2014) bewilligt hat. Diese Maßnahmen belegen, dass solche zur Teilhabe unabhängig von einer konkreten Einzelbetrachtung von Maßnahmen erfolgversprechend waren, weswegen auch die Voraussetzungen des § 10
Abs. 2
Nr. 2b)
SGB VI erfüllt sind (
BSG, Urteil vom 11.05.2011 -
B 5 R 54/10 R -, juris Rn. 47).
Es bestehen auch keine Zweifel, dass die Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 11
SGB VI erfüllt. Ausschlusstatbestände nach § 12
SGB VI liegen ebenfalls nicht vor.
Die Voraussetzungen des § 3
Abs. 1
KfzHV liegen bezogen auf den Vortrag der Klägerin, sie habe den damals noch bestehenden Arbeitsvertrag nicht erfüllen können, weil sie aufgrund der Gebrauchseinschränkung des rechten Armes auf die Benutzung eines Pkw angewiesen gewesen sei, indes nicht vor.
§ 3
Abs. 1
KfzHV bestimmt, dass,
1. der behinderte Mensch infolge seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung zu erreichen, und
2. der behinderte Mensch ein Kraftfahrzeug führen kann oder gewährleistet ist, dass ein Dritter das Kraftfahrzeug für ihn führt.
Voraussetzung für die Gewährung von
Kfz-Hilfe ist daher, dass der Versicherte berufsbedingte Wege nicht zurücklegen kann, die ihm als Erwerbstätigen ohne Behinderung zuzumuten wären. Anspruch auf
Kfz-Hilfe besteht deshalb nicht, wenn der Versicherte zum Zurücklegen berufsbedingter Wegstrecken auch dann ein
Kfz benötigen würde, wenn bei ihm keine Behinderung vorläge. Denn die
KfzHV bezweckt, Erwerbstätige mit und ohne Behinderung hinsichtlich der berufsbezogenen Mobilität insoweit gleichzustellen (Kater in KassKomm,
SGB VI, Stand Juni 2018, Anh. zu § 16 Rn. 24). Nach § 3
Abs. 1
Nr. 1
KfzHV ist die
Kfz-Hilfe final auf die Erreichung bestimmter Zielorte ausgerichtet. Arbeitsort ist der Ort, an dem der Versicherte als Beschäftigter oder als pflichtversicherter Selbstständiger dauernd tatsächlich tätig ist. Bei Personen, die an wechselnden Einsatzorten tätig sind, ist Arbeitsort der Ort, an dem der Einsatz erfolgt. Ausbildungsort ist der Ort, an dem die Lehrveranstaltung stattfindet, zu deren Erreichbarkeit die
Kfz-Hilfe dienen soll. Allein für Familienheimfahrten braucht
Kfz-Hilfe nicht gewährt zu werden (
BSG, Urteil vom 29.04.1997 -
8 RKn 31/95 , juris). Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung ist der Ort, an dem der RV-Träger aufgrund der §§ 33
ff. SGB IX (a.F.) eine Maßnahme durchführt, die nicht bereits "Ausbildung" ist und die mit Veranstaltungen verbunden ist, bei denen die Anwesenheit des Versicherten gefordert wird (Kater,
a. a. O., Rn. 29). Der Versicherte muss "infolge" der Behinderung auf das
Kfz angewiesen sein. Maßgebend ist an sich die sozialversicherungsrechtliche Kausalitätsnorm. Danach sind als Ursachen im Rechtssinn unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur diejenigen Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum "Erfolg" zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (
BSG, Urteil vom 14.07.1955 - 8 RV 177/54 -, juris). Die Mobilität eines Menschen mit Behinderung hängt (auch) von den Umständen des Weges
bzw. der Beförderung zum Zielort ab, die er trotz der Behinderung bewältigen muss, so dass die Erforderlichkeit der
Kfz-Hilfe immer auf mehreren Bedingungen beruht. Deshalb hat die ältere Rspr. auch unter den Mitursachen die wesentliche zu bestimmen versucht (
BSG, Urteil vom 15.10.1981 -
5b/5 RJ 96/79 -, juris). Angesichts der allgemeinen Regelungstendenz des Teilhaberechts kann jedoch die Behinderung als wesentlich angesehen werden, sofern sie sich überhaupt auswirkt. Kausalität ist lediglich dann nicht gegeben, wenn das
Kfz auch ganz ohne Behinderung erforderlich wäre; in diesen Fällen fehlt die Grundbedingung kausalen Denkens (die "natürliche Kausalität" nach der sog. Wegdenkformel).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nicht entscheidend, dass die Klägerin für die Strecke von O. nach D. (Einsatzort bei der Firma C. Kunststoffverarbeitung
GmbH, einfache Streckenentfernung 88,5
km mit einer Fahrzeit von 1 Stunde 28 Min., nach Google-Maps) ohnehin auf ein Kraftfahrzeug angewiesen war, da diese Strecke nicht zumutbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zudem unter Wechselschichtbedingungen, erreicht werden konnte (Internetrecherche am 23.08.2020 unter www.bahn.de). Zum Zeitpunkt der Beantragung und Selbstbeschaffung bestand prognostisch keine hinreichende Aussicht mehr darauf, dass die Klägerin ihre Tätigkeit dort in absehbarer Zeit wieder aufnehmen werde können. Zu diesem Zeitpunkt war sie wegen der Erkrankung am rechten Ellenbogen seit 03.04.2013 arbeitsunfähig.
Leistungen zur Teilhabe waren bereits in der Form einer Umstellungsmaßnahme und Arbeitserprobung und Berufsfindung bewilligt (Bescheid vom Mai 2014) und eine weitere Beschäftigung im gewerblichen Bereich aufgrund der funktionellen Einschränkungen ausgeschlossen, weswegen eine Tätigkeit im kaufmännischen und verwaltenden Bereich empfohlen wurde (
vgl. Bericht Berufsförderungswerk G. vom 05.08.2014 nach Abschluss des Einhandtrainings am 18.07.2014: "Die ... zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Produktionsmitarbeiterin in der Kunststoffindustrie ist aufgrund der hohen Hand-Arm-Beanspruchung nicht mehr leidensgerecht."). Die Gewährung von
Kfz-Hilfe war damit zum Zeitpunkt der Beantragung und Beschaffung im Juli 2014 nicht mehr zur Erreichung eines konkreten Arbeitsortes erforderlich.
Eine zeitnahe Aufnahme einer Erwerbstätigkeit war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht zu erwarten. So war zum Zeitpunkt der Beendigung des Einhandtrainings (18.07.2014) bereits die Arbeitserprobung und Berufsfindung von der Beklagten bewilligt, deren geplanter Beginn am 01.09.2014 dann "aus gesundheitlichen Gründen" verschoben werden musste, da die Klägerin sich aufgrund der verabreichten Medikamente zur Linderung der Beschwerden nicht ausreichend aufnahmefähig einschätzte. Unter dem 03.09.2014 hielt der damalige Bevollmächtigte eine medizinische Rehabilitation für erforderlich. Aus der dann ab dem 17.11.2014 und bis 28.11.2014 durchgeführten Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung wurde die Klägerin entlassen mit der Empfehlung, dass wegen einer derzeit deutlich eingeschränkten psychischen Belastbarkeit von schulischen Bildungsmaßnahmen (kaufmännische Qualifizierung) oder einer Arbeitsaufnahme abzusehen sei. Die Klägerin bedürfe dringend einer psychischen Stabilisierung, eine stationäre Aufnahme in einer psychosomatischen Klinik werde dringend empfohlen. Obwohl durch das Gutachten des M2. vom 22.04.2015 im Rentenverfahren psychiatrisch keine schwerergehende depressive Störung, keine psychotische Störung und kein hirnorganisches Psychosyndrom festgestellt werden konnte und (nur) noch vom Vorliegen einer depressiven Anpassungsstörung ausgegangen wurde, befand sich die Klägerin nur wenig später vom 23.07.2015 bis 02.09.2015 in teilstationärer Behandlung der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im N.O. mit den Diagnosen posttraumatische Belastungsstörung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom, psychische Verhaltensstörungen durch Opioide: Abhängigkeitssyndrom. Damit war auch im Widerspruchsverfahren eine Arbeitsaufnahme mit der Notwendigkeit einer
Kfz-Hilfe nicht mehr zu erwarten.
Darüber hinaus vermag der Senat abseits der konkreten Beschäftigung bei der Firma C. Kunststoffverarbeitung
GmbH ein Angewiesensein auf ein
Kfz nicht zu bejahen. Soweit § 3
Abs. 1
Nr. 1
KfzHV bestimmt, dass der Behinderte "infolge" seiner Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines
Kfz angewiesen ist, folgt hieraus, dass die Behinderung - wie ausgeführt - nicht der einzige Umstand sein muss, der Ursache für das Angewiesensein auf ein
Kfz ist. Es reicht aus, wenn die Behinderung so erheblich ist, dass sie allein geeignet ist, den Behinderten zur Benutzung eines
Kfz zu zwingen. Der Versicherte muss also wegen Art und Schwere der Behinderung auf ein
Kfz angewiesen sein. Dies ist gegeben, wenn wegen der Behinderung der Arbeits-
bzw. Ausbildungsort oder der Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung nicht oder nicht zumutbar zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder anderweitig erreicht werden kann. Das ist der Fall, wenn regelmäßig verkehrende öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzt oder die Fußwege von der Wohnung zur Haltestelle und von dieser zu einem Arbeits- oder Ausbildungsort nicht zurückgelegt werden können. Entsprechendes gilt, wenn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen einer Behinderung,
z. B. einer besonders schweren Gesichtsentstellung, nicht zuzumuten ist. Kein Anspruch besteht, wenn ein
Kfz nur wegen fehlender oder unzureichender öffentlicher Verkehrsmittel erforderlich ist, weil dann die Behinderung nicht Ursache für die Erforderlichkeit eines
Kfz ist (
vgl. zu all dem: Kater
a. a. O., Rn. 7). Ausgehend hiervon ist festzustellen, dass die Gehfähigkeit der Klägerin nicht eingeschränkt ist, was
u. a. der Rehaentlassungsbericht der H. bestätigt und von der Klägerin auch nicht bestritten wird. Ferner ist festzuhalten, dass die Klägerin den etwas mehr als 1
km entfernten Bahnhof in O. mit Stadtbusanbindung in wenigen Minuten erreichen kann. Damit standen zum Zeitpunkt der Beantragung ausreichende und zumutbare Möglichkeiten der Inanspruchnahme des Nah- und Fernverkehrs zur Verfügung, um insbesondere von dort aus Ziele im Stadtbereich und im Umland erreichen zu können. Der Senat vermag den Einlassungen, ihr sei eine Inanspruchnahme von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar, nicht zu folgen. So wird im Entlassungsbericht des Berufsförderungswerks G. vom 05.08.2014 ausgeführt, dass die Klägerin ihre Einschränkungen im Alltag mittlerweile gut kompensieren könne,
u. a. sei sie aufgrund der Hilfsmittelberatung in Lage, einhändig zu kochen, das Bett zu beziehen und das Essen klein zu schneiden, was dafür spricht, dass die Klägerin gelernt hat, mit ihrer Behinderung umzugehen. Die vorliegende Einschränkung der Einsatzfähigkeit des rechten Armes wirkt sich nicht dahingehend aus, dass die Klägerin keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen kann oder dies nicht zumutbar ist. Dies hat der sozialmedizinische Dienst der Beklagte bereits festgestellt und auch für den Senat ist kein Grund ersichtlich, wieso dies nicht der Fall sein sollte. Weder die Berührungsempfindlichkeit im Bereich des rechten Armes, die nach den Angaben der Klägerin im Rehaentlassungsbericht vom 23.12.2013 von Mitte des Oberarmes bis Mitte des Unterarmes reicht (Oklinik K. 17.03.2014: zur Schmerzsituation: "im Bereich des Ellenbogens in einem
ca. handbreiten Areal umfassend einen Schmerz der Stärke NRS 9. Die Schmerzen beschreibt sie als hellen Schmerz mit deutlicher Verschlechterung beim Anfassen und Berühren. Die Narbe der Tenotomie schmerzt zudem bei Berührung oder Hautbewegung sowie Wasserkontakt...") noch die eingeschränkte Gebrauchsfähigkeit an sich steht einer Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln entgegen. Es ist regelmäßig davon auszugehen, dass ihr im öffentlichen Nah- und Fernverkehr ein Sitzplatz zur Verfügung steht. Selbst wenn kein Sitzplatz frei sein sollte, ist es der Klägerin möglich, sich mit dem gesunden Arm festzuhalten. Das Vorbringen der Klägerin befasst sich fast ausschließlich mit Einschränkungen, die nicht die Fortbewegungsmöglichkeit betrifft, sondern eher im privaten Bereich anzusiedeln ist (das Tragen von Taschen und Rucksäcken, von Einkäufen
etc.), die auch eher die höhere Bequemlichkeit durch ein
Kfz darlegen als dessen Notwendigkeit.
Soweit über § 3
KfzHV Kfz-Hilfe grundsätzlich auch für einen Ort einer sonstigen Leistung der beruflichen Bildung gewährt wird, ist damit der Ort gemeint, an dem der RV-Träger aufgrund § 16
SGB VI i. V. m. § 33
SGB IX eine Maßnahme durchführt, die nicht bereits "Ausbildung" ist und die mit Veranstaltungen verbunden ist, bei denen die Anwesenheit des Versicherten gefordert wird. Ein Anspruch diesbezüglich scheitert bereits am Tatbestandsmerkmal "nicht nur vorübergehend", das grundsätzlich einen Zeitraum von wenigstens sechs Monaten meint und bei einer damals ausstehenden Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung von 12 Tagen im November 2014 nicht erfüllt ist (Kater
a. a. O. Rn 8).
Liegen damit die Grundvoraussetzungen für die Gewährung von
Kfz-Hilfe nicht vor, hat die Beklagte die Gewährung von
Kfz-Hilfe zu Recht abgelehnt, ohne dass ihr dabei Ermessen eröffnet gewesen wäre.
Die Klägerin kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf eine von ihr sinngemäß geltend gemachte telefonische, von der Beklagten indes bestrittene Zusage der Sachbearbeiterin der Beklagten stützen. Gemäß § 34
Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch bedürfte die Zusage zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, die hier unstreitig nicht erfüllt ist.
Ein Anspruch gegen die Beklagte - die auch insoweit nach
§ 14 SGB IX im Außenverhältnis zur Klägerin für die Leistungserbringung zuständig wäre -, die begehrte Leistung als Maßnahme der Eingliederungshilfe auf der Grundlage sozialhilferechtlicher Vorschriften, insbesondere in Form der Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft (§§ 19
Abs. 3, 53
Abs. 1 Satz 1, 54
Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XII] in Verbindung mit
§ 55 SGB IX), zu erbringen, kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil die Klägerin ersichtlich nicht bedürftig im Sinne von
§ 19 Abs. 3 SGB XII ist. Einer Beiladung des Sozialhilfeträger bedurfte es daher nicht. Dabei ist zugrunde zu legen, dass der Umbau am im Eigentum des Vaters der Klägerin stehenden
Kfz vorgenommen und ihr dieses (nur) zur Nutzung überlassen wurde. Ferner wurden diese Umbaukosten nach ihrem Vortrag im Schriftsatz vom 05.04.2018 nicht von ihr selbst getragen, sondern sie hat diesbezüglich von ihrem Vater ein Darlehen in Anspruch genommen. Eine Rückführung hat sich aber erübrigt, nachdem der Vater zwischenzeitlich verstorben und sie (die Klägerin) dessen Erbin geworden ist. Ein sozialhilferechtlicher Bedarf besteht daher nicht (mehr), nachdem die Eingliederung in der Form des behinderungsgerechten Umbaus erfolgt und die Klägerin diesbezüglich keinen Forderungen mehr ausgesetzt ist.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193
SGG und berücksichtigt das Unterliegen der Klägerin auch im Rechtsmittelverfahren.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.