Die form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht Ulm erhobene Klage ist als Anfechtungsklage zulässig.
In der Sache ist die Klage begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 26.06.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.09.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 45 Absatz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB X). Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, soweit er rechtswidrig ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach Absatz 2 darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (
Nr. 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (
Nr. 2) oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (
Nr. 3). Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Der Kammer ist bereits nicht ersichtlich, aus welchem Grund es sich bei dem Bescheid vom 21.05.2012 um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt gehandelt haben soll, nachdem bei dem Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben vorgelegen haben. Ausweislich § 10 Absatz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (
SGB VI) erfüllen Versicherte die persönlichen Voraussetzungen für Leistungen zur Teilhabe deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und bei denen voraussichtlich bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterungen abgewendet werden kann, oder bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese durch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder hierdurch deren wesentliche Verschlechterung abgewendet werden kann. Maßgebender Bezugspunkt ist für die Beurteilung die Tätigkeit als Staplerfahrer, hinsichtlich derer die Erwerbsfähigkeit gemindert gewesen ist. Aus dem Fahrverbot aufgrund der Epilepsie folgt gleichzeitig die Unmöglichkeit, weiter als Staplerfahrer tätig zu sein. Dass diese Tätigkeit nicht leidensgerecht war, ist auch den Ausführungen des ärztlichen Dienstes der Beklagten zu entnehmen. Nicht abgestellt werden kann hingegen auf die Tätigkeit in der Beutelkonfektion, nachdem es sich hierbei ersichtlich nur um eine Maßnahme des Arbeitgebers handelte, um die Phase des Fahrverbotes zu überbrücken. Dieses Entgegenkommen des Arbeitgebers kann indessen nicht dazu führen, dass auf diese Tätigkeit abzustellen und eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit zu verneinen wäre.
Darüber hinaus liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Kläger keinen Vertrauensschutz beanspruchen könnte. Zur Frage des schutzwürdigen Vertrauens finden sich keine Ausführungen der Beklagten, sodass es auch an einer Interessenabwägung mangelt, wobei auch darauf hinzuweisen ist, dass sich die Beklagte im Widerspruchsbescheid mit der Rücknahme des Bescheides vom 21.05.2012 nicht mehr auseinandersetzt.
Letztlich hat die Beklagte das ihr zustehende Ermessen hinsichtlich der Rücknahme weder erkannt noch ausgeübt, sodass sich der Bescheid auch deshalb als rechtswidrig erweist.
Der Bescheid war daher aufzuheben und somit der Zustand, der durch die Gewährung der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach geschaffen wurde, wiederherzustellen. Die Beklagte wird nunmehr über Art und Höhe der Leistungen erneut unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens (§ 38 Absatz 1
SGB VI) zu entscheiden haben.
Bezüglich der zu treffenden Entscheidung weist die Kammer darauf hin, dass die Rechtsauffassung der Beklagten zur Frage eines Zuschusses zu den Beförderungskosten durchgreifenden Bedenken begegnet. Gemäß § 16
SGB VI erbringen die Träger der Rentenversicherung Leistungen zur Teilhabe nach den § 33 bis 38 des Neunten Buches (
SGB IX). Nach
§ 33 Absatz 1 SGB IX werden die erforderlichen Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, um die Erwerbsfähigkeit behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern. Die Leistungen umfassen insbesondere Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes einschließlich Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung sowie sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbstständige Tätigkeit zu ermöglichen oder zu erhalten.
Wie oben bereits ausgeführt, ist Bezugspunkt für die Beurteilung der Teilhabeleistungen die Tätigkeit des Klägers als Staplerfahrer, welche diesem aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich gewesen ist. Der Umstand, dass der Arbeitgeber durch das zeitweise Zuweisen einer anderen Tätigkeit bereits einen Beitrag zur Erhaltung des Arbeitsplatzes geleistet hat, führt nicht zu einem gänzlichen Entfallen der Leistungspflichten des Beklagten. Dass neben einer leidensgerechten Tätigkeit auch das Erreichen des Arbeitsplatzes gewährleistet sein muss, bedarf keiner Erörterung. Nachdem die Erkrankung des Klägers zu einem Fahrverbot geführt hat und das Zurücklegen der einfachen Wegstrecke von 7
km nach Schichtende um 22.30 h weder zu Fuß noch mit dem Fahrrad ernstlich erwartet werden kann, bliebe nur der öffentliche Nahverkehr, welcher jedoch nicht vorhanden ist. Somit ergibt sich, dass die krankheitsbedingte Unfähigkeit, ein Kraftfahrzeug zu führen, zur Inanspruchnahme Dritter geführt hat, um vom Arbeitsplatz wieder nach Hause gelangen zu können.
Die Ausführungen zu den Voraussetzungen des Merkzeichen "G" nach dem Schwerbehindertenrecht oder das Vorliegen eines Grades der Behinderung von wenigstens 50 v.H. überzeugen in dem vorliegenden Zusammenhang nicht. Es fehlt insoweit schon an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalten, da hier keine dauerhafte Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit zu beurteilen ist, sondern der Zeitraum von einem Jahr zur Überprüfung der Anfallsfreiheit. Unabhängig davon, welche Bindungswirkung die von der Deutschen Rentenversicherung erstellten "Leitlinien für die sozialmedizinische Begutachtung - Sozialmedizinische Beurteilung bei neurologischen Krankheiten - Juli 2010" haben, ist die Kammer der Auffassung, dass die wesentlichen Gesichtspunkte, die der Entscheidung zu Grunde zu legen sind, darin zutreffend wiedergegeben sind. Dort ist nämlich ausgeführt, dass Leistungen der Kraftfahrzeughilfe voraussetzen, dass die Wegefähigkeit aufgehoben ist und der Versicherte infolge einer Behinderung nicht nur vorübergehend auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, um seinen Arbeits- oder Ausbildungsort oder den Ort einer sonstigen Maßnahme der beruflichen Bildung zu erreichen, wobei sich Ausnahmen insbesondere bei Personen mit Epilepsie ergeben können (Seite 34). Hinsichtlich der Epilepsie wird darauf hingewiesen, dass bereits nach einem erstmalig aufgetretenen Anfall oder einem situativen Anfall die Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen für eine bestimmte Beobachtungszeit, in der Anfallsfreiheit vorliegen muss, nicht mehr erfüllt sind, sodass ein Beförderungszuschuss zu prüfen ist, wenn die Nutzung des Kraftfahrzeuges zum Erreichen des Arbeitsplatzes erforderlich ist (Seite 77). Diese Darlegungen berücksichtigen in angemessener Weise die Besonderheiten der Erkrankung (Erforderlichkeit der Anfallsfreiheit von einem Jahr zur Wiedererlangung der Fahrtüchtigkeit), sodass auch die Schlussfolgerung der Prüfung der Leistungsgewährung für den Beobachtungszeitraum nachvollziehbar ist.
Zu folgen ist der Beklagten allerdings in ihrer Auffassung, dass die Erkrankung des Klägers weder die Wegefähigkeit eingeschränkt noch an der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel gehindert ist. Insoweit handelt es sich jedoch um eine Frage des Umfangs der Leistungen, nachdem zu erwägen ist, den Kläger für die Fahrt zur Arbeitsstelle (Arbeitsbeginn 13.30 Uhr) auf die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zu verweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193
SGG.