Kurzfassung:
Streitig ist, ob der Rentenversicherungsträger einen Zuschuss zu den Kosten für ein Kraftfahrzeug mit behindertengerechter Ausstattung zum Zwecke der beruflichen Rehabilitation leisten muss.
Der 1969 geborene Kläger ist 134
cm groß und hat einen Grad der Behinderung (
GdB) von 80 mit dem Merkzeichen "G".
Er arbeitet als Pförtner im Drei-Schicht-Dienst an sieben Tagen die Woche. Für die Fahrten zu seiner Arbeitsstelle benötigt er ein Auto. Der Grund hierfür liegt unter anderem darin, dass nachts keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung stehen.
Im Februar 2013 beantragte er daher bei seinem Rentenversicherungsträger (Beklagte) finanzielle Hilfe zur Anschaffung eines
Kfz mit Zusatzausstattung.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts holte die Beklagte ein medizinisches Gutachten ein. Dieses kam zu dem Ergebnis, dass es dem Kläger nicht zumutbar sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aufgrund seiner geringen Körpergröße habe er Schwierigkeiten aus dem Bus auszusteigen. Er könne die Stufen nicht abwärts gehen, sondern müsse springen.
Dennoch lehnte der Rentenversicherungsträger den Antrag ab. Der Kläger könne trotz bestehender gesundheitlicher Einschränkungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln seinen Arbeitsplatz erreichen. Die schlechte nächtliche Anbindung begründe keinen Anspruch auf
Kfz-Hilfe. Vielmehr wäre der Kläger auch ohne gesundheitliche Beeinträchtigung auf ein Auto angewiesen, so dass die Behinderung nicht kausal für den Bedarf sei. Auf das Ergebnis des medizinischen Gutachtens ging die Beklagte nicht ein.
Hiergegen wendete sich der Kläger mit seiner Klage vor dem Sozialgericht (SG) und machte geltend, die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung den Sinn und Zweck der
UN-Behindertenrechtskonvention (
UN-
BRK) nicht beachtet. Nach
Art. 27 und
Art. 29 UN-BRK seien Mobilitätshilfen zum Erhalt des Arbeitsplatzes zu treffen. Diese Vorschriften führten zu einer Ermessensreduzierung der Beklagten.
Die Klage hatte teilweise Erfolg,
Das SG stellte zunächst klar, dass dem Kläger grundsätzlich ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch den Rentenversicherungsträger
gem. §§ 10
ff. SGB VI zustehe.
Es prüfte im Folgenden die besonderen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kraftfahrzeughilfe
gem. § 16
SGB VI i.V.m. § 33 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. Abs. 8 Nr. 1 SGB IX und
§§ 3,
4 Kraftfahrzeughilfeverordnung (KfzHV). Danach müsse der Kläger infolge seiner Behinderung auf ein
Kfz angewiesen sein, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Dieses Erfordernis sah das Gericht als erfüllt an.
Eine Behinderung des Klägers läge in dessen Kleinwuchs begründet. Die geringe Körpergröße entspräche nicht der für das Lebensalter des Klägers typischen Größe. Sie stelle eine längerfristige körperliche Beeinträchtigung dar, die den Kläger an einer gleichberechtigten, gesellschaftlichen Teilhabe hindere. Die Voraussetzungen für eine Behinderung nach der Definition des
§ 2 SGB IX als auch nach der
UN-
BRK seien damit erfüllt.
Auch nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen handele es sich bei der Körpergröße des Klägers von 134
cm um eine Behinderung. Danach sei ein
GdB zwischen 30 und 40 bei einer Körpergröße zwischen 130 und 140
cm anerkannt.
Der Kläger sei darüber hinaus auf ein
Kfz angewiesen, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Ausweislich des Gutachtens der Beklagten sei es ihm nicht zumutbar, die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Aufgrund seiner kurzen Beine könne er nicht ordnungsgemäß aus dem Bus aussteigen. Diese Beurteilung habe sich im Termin zur mündlichen Verhandlung nach dem persönlichen Eindruck der Kammer bestätigt.
Schließlich bestehe der Bedarf des Klägers nach der
Kfz-Hilfe auch infolge seiner Behinderung.
Zwar sei die schlechte, nächtliche Anbindung der Arbeitsstelle mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ein weiterer Grund für den Bedarf des Klägers. Dies führe jedoch nicht dazu, dass die Behinderung als Ursache quasi verdrängt werde. Es komme vielmehr darauf an, dass die Behinderung allein reiche, den Betroffenen zur Nutzung eines
Kfz zu zwingen.
Diese Voraussetzung sah das Gericht aufgrund des von der Beklagten eingeholten Gutachtens als erfüllt an.
Das SG billigte dem Kläger noch keinen Leistungsanspruch zu. Die Gewährung von
Kfz-Hilfe liege im Ermessen des zuständigen Leistungsträgers. Die Beklagte könne insbesondere entscheiden, in welchem Umfang sie
Kfz-Hilfe gewähre. Der Kläger habe daher nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Auch die Berücksichtigung der
UN-
BRK führe zu keinem anderen Ergebnis. Zwar sei die
UN-
BRK bei der Auslegung von nationalen Vorschriften zu berücksichtigen, die Einzelheiten ergäben sich aber aus dem jeweils anwendbaren nationalen Recht. Danach bestehe keine Ermessensreduzierung.
Quelle: Rechtsdienst der Lebenshilfe
Nr. 3/2016