Die Klage, über die nach den entsprechenden Erklärungen der Beteiligten der Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist als Verpflichtungsklage gemäß § 40
Abs. 1
VwGO i.V.m. § 114
SGB X, §§ 42, 68
Abs. 2, 74
Abs. 1
VwGO zulässig; insbesondere ist der Kläger als (möglicherweise) erstattungsberechtigter Sozialhilfeträger nach der Vorschrift des § 95
SGB XII (möglicherweise) befugt, Rechte des Beigeladenen im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen (
vgl. hierzu
OVG des Saarlandes, Urteil vom 20.10.2006 - 3 R 12/05 -).
Die Klage ist auch begründet. Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 30.10.2007 und der am 06.12.2007 ergangene Widerspruchsbescheid sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113
Abs. 5
VwGO. Der Kläger hat Anspruch darauf, dass der Beklagte die Kosten der Internatsunterbringung des Beigeladenen als Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe übernimmt.
Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Erstattung der dem Beigeladenen von ihm gewährten Leistungen für die Kosten der Unterbringung in dem Internat des Bildungszentrums für Hörgeschädigte in St. ist (§ 38 Satz 2
BAföG i.V.m.) § 104
SGB X.
Gemäß § 104
Abs. 1 Satz 1
SGB X ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat; nach Satz 2 der Vorschrift ist nachrangig verpflichtet ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre.
Diese Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten liegen vor.
Dabei ist zwischen den Beteiligten allein streitig, ob die Voraussetzungen des § 14 a
BAföG i.V.m. §§ 6 und 7 HärteV für die Gewährung von Ausbildungsförderung für die Kosten der Unterbringung in dem Internat, in dem der Beigeladene untergebracht war und noch ist, erfüllt sind. Das ist hier der Fall. Dem Beigeladenen steht ein Anspruch auf der Grundlage der entsprechenden Bestimmungen in der Sache zu, da diese Kosten in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner Ausbildung stehen und nicht im Wesentlichen durch seine Hörbehinderung bedingt sind.
Die Kammer nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen hinsichtlich der rechtlichen Bewertung des Anwendungsbereichs des § 14 a
BAföG i. V.m. §§ 6 und 7 HärteV auf die Ausführungen im Urteil vom 18.11.2005 - 11 K 222/05 - sowie auf das diese Entscheidung bestätigende Urteil des
OVG des Saarlandes vom 20.10.2006 - 3 R 12/05 - Bezug. Danach gilt Folgendes: Im Ansatz ist davon auszugehen, dass für Behinderte eine nicht auf die jeweilige Behinderung eingerichtete Sonderschule keine entsprechende Ausbildungsstätte im Verständnis von § 2
Abs. 1 a Satz 1
Nr. 1
BAföG darstellt. Die Notwendigkeit einen Behinderten zum Erreichen des Ausbildungszieles an einer auf die Art seiner Behinderung ausgerichteten Schule zu unterrichten, ist demnach ausbildungsförderungsrechtlich als ausbildungsbezogener Grund anerkannt, der den Besuch einer auswärtigen Ausbildungsstätte und damit die Gewährung von Ausbildungsförderung (im Umfang des Bedarfs nach § 12
Abs. 2 Satz 1 BAföG) rechtfertigt. Diese Auslegung von § 2
Abs. 1
Nr. 1
BAföG zeigt, dass im Regelungssystem des Bundesausbildungsförderungsgesetztes die Behinderung eines Auszubildenden durchaus ursächlich für den Besuch einer auswärtigen Schule und damit letztlich für die Gewährung von Förderungsleistungen für diese Ausbildung sein kann.
Eine Verweisung des Behinderten auf die Deckung des durch den Besuch einer für ihn geeigneten auswärtigen Schule verursachten Bedarfs im Wege der Eingliederungshilfe erfolgt insoweit nicht. An den Besuch einer auswärtigen Ausbildungsstätte, für den das Bundesausbildungsförderungsgesetz einen Bedarf nach § 12
Abs. 2
BAföG zubilligt, knüpfen die Regelungen der §§ 14 a BAföG, 6, 7 HärteV an. Eine Regelung dahin, dass Fälle, in denen der Besuch der auswärtigen Schule behinderungsbedingt ist, generell von Zusatzleistungen ausgenommen, insbesondere Leistungen der Eingliederungshilfe vorrangig sein sollen, lässt sich den Bestimmungen nicht entnehmen. Entscheidend ist auch insoweit nur, dass die besonderen Aufwendungen, die durch die Internatsunterbringung entstehen, im Verständnis von § 14 a Satz 1
Nr. 1
BAföG in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausbildung stehen und zum Erreichen des Ausbildungszieles notwendig sind.
Ausgehend hiervon haben die Kosten der Internatsunterbringung des Beigeladenen vorliegend ihre unmittelbare Ursache nicht in der Behinderung, sondern in dem Umstand, dass er an der Schule in St. ausgebildet werden muss, da im Saarland eine Schule für Hörgeschädigte, an der das Abitur erworben werden kann, gar nicht vorgehalten wird. Mit der Internatsunterbringung wird daher nicht seiner Behinderung entgegengewirkt, sondern es wird ihm überhaupt erst die Möglichkeit gegeben, sein Ausbildungsziel zu erreichen. Dabei ist die in St. auf die Art der Behinderung des Beigeladenen ausgerichtete pädagogische Förderung auch allein als Unterstützung zum Erreichen des mit dem Schulbesuch verfolgten Ausbildungszieles zu sehen. Es handelt sich danach ebenso wie bei der Entscheidung zum Besuch der auf die Situation und den Bedarf Hörbehinderter eingerichteten Schule um einen ausbildungsbezogenen Aspekt. Dass der Beigeladene infolge seiner Behinderung Unterstützung bei täglichen Verrichtungen wie
z.B. Körperpflege, Ankleiden oder Ernährung oder sonstige Hilfeleistungen benötigte und hieraus die Notwendigkeit der Internatsunterbringung resultierte, ist weder dargetan noch erkennbar. Oder mit anderen Worten: Die Unterbringung des Beigeladenen im Internat wäre trotz seiner Behinderung nicht erforderlich gewesen, wenn die von ihm besuchte Schule am Wohnort seiner Eltern gelegen wäre. Die Internatskosten für sich genommen treten somit zu den allgemeinen Schulkosten nicht als behinderungsspezifisch verursachte Kosten hinzu.
An der dargelegten rechtlichen Bewertung des Anwendungsbereichs des § 14 a
BAföG i.V.m. §§ 6 und 7 HärteV wird auch in Ansehung des Urteils des Bayr. VGH vom 10.01.2007 - 12 B 06.1996 - (zit. nach juris) festgehalten, zumal darin dem Ausgangspunkt der Entscheidungen der saarländischen Verwaltungsgerichtsbarkeit zugestimmt wird, aber dann entscheidungserheblich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.10.1973 - V C 15.73 - (BVerwGE 44,110) abgestellt wird, wonach die Ausbildungsförderung nicht die Betreuung von Behinderten erfassen soll, soweit es um Hilfen geht, mit denen die besonderen, behinderungsbedingten Aufwendungen aufgefangen werden sollen. Diese Rechtsprechung ist zur Überzeugung der Kammer aber - wie schon im Urteil vom 18.11.2005 - 11 K 222/05 - dargelegt - bereits deswegen überholt und nicht mehr einschlägig, weil sie zum früheren § 10
Abs. 5
BAföG (
bzw. als obiter dictum zu § 12
Abs. 5
BAföG a.F.) und vor Inkrafttreten von § 14 a
BAföG (zum 01.08.1983) sowie vor Erlass der Härteverordnung ergangen ist; so war etwa nach dem damaligen Stand der Gesetzgebung zum Ausbildungsförderungsrecht die Gewährung von Härtefallzusatzleistungen ins Ermessen der Ausbildungsförderungsverwaltung gestellt und war damit mit Blick auf die Leistungsempfänger schwächer ausgebildet als das Recht der Eingliederungshilfe (
vgl. dazu zutreffend auch Rothe/ Blanke, BAföG, § 14 a
Rdnr. 1.1 (Stand: November 2002)).
Da zwischen den Beteiligten darüber hinaus weder das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 104
Abs. 1 Satz 1
SGB X in Streit steht noch dass der Kläger "erstattungsberechtigter Träger der Sozialhilfe" im Sinne der Vorschrift des § 95
SGB XII ist, war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 1
VwGO und - mit Blick auf das von dem Beigeladenen nicht eingegangene Kostenrisiko
i.S.d. § 154
Abs. 3
VwGO - § 162
Abs. 3
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 711
ZPO.